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Sabine Kunz

Die Saubermacherin

Putzfrauen-Krimi

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Zum Buch

Gefährliches Doppelleben Es ist nicht immer leicht für Millie, in den Häusern und Wohnungen der Wiener High Society zu putzen, vor allem nicht bei zickigen Hausherrinnen mit Ordnungswahn. Ihre spießigen Kunden haben jedoch keine Ahnung, dass Millie nicht nur ihren Nachttisch abstaubt, sondern auch den Inhalt ihrer E-Mails kennt. Sie arbeitet für eine internationale Geheimorganisation von Reinigungskräften. Ihr aktueller Auftrag konfrontiert Millie mit einer Bande skrupelloser Verbrecher, die mit manipulierten Lebensmitteln Einfluss auf die Politik nehmen wollen. Nichts Ungewöhnliches für die toughe Spionin, doch bald läuft der Fall aus dem Ruder. Ihre Freundin liegt nach einem mysteriösen Unfall im Koma, ihre Chefin hüllt sich in verdächtiges Schweigen und der attraktive Max, dem sie während der Mission näherkommt, scheint nicht der zu sein, für den er sich ausgibt …

Sabine Kunz lebt südlich von Wien mit ihrem Mann, einer Katze und vier Hühnern. 2007 hat sie ein Kabarett-Duo mitbegründet, mit dem sie einige Jahre durch ganz Österreich getourt ist und sechs Programme verfasst hat. Außerdem ist sie Co-Autorin des Drehbuchs für den Film „Das kleine Vergnügen«, der 2017 in die Kinos kam und internationale Auszeichnungen erhielt. »Die Saubermacherin« ist ihr erstes Buch.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2020

Lektorat: Daniel Abt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Drobot Dean / stock.adobe.com

und © Zuzha / shutterstock.com

ISBN 978-3-8392-6550-5

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Die Gatten

Das Feuer frisst sich gierig durch den geblümten Lieblingsvorhang meiner Mutter, der im nächsten Moment als Häufchen Asche am Boden liegt. Eine lila Rauchwolke wabert da, wo kurz zuvor noch der Vorhang hing. Ich schnuppere. Eigenartig. Der Rauch riecht nach … Leberkäse?

»Ding Dong Ding. Herbeckstraße, Endstation.« – Was?

Mein Kopf schlägt auf und ich erwache. Mein Hirn braucht ein paar Sekunden, um die aufgenommenen Bilder zusammenzusetzen. Straßenbahn. Morgengrauen. Mann mit Doppelkinn gegenüber von mir, stopft sich die Reste seiner Leberkäsesemmel in den Mund. Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich zu spät dran bin. Ich stöhne. Wenn ich Glück habe, kann ich mich ins Haus schleichen, bevor »die Gattin« auftaucht.

»Die Gattin« ist meine Arbeitgeberin, montagvormittags und donnerstagnachmittags. Außerdem ist sie eine Geißel der Menschheit, vorzugsweise der Putzfrauen. Die Gattin würde sagen »Reinigungskraft mit Migrationshintergrund«. Aber die geschraubte Berufsbezeichnung verbessert weder die Arbeitsbedingungen noch die Umgangsformen der Gattin. Vermählt ist die Gattin mit dem »Gatten«, einem hohen Tier bei der österreichischen Exekutive. Sie residieren in einer feudalen Jugendstilvilla im 19. Bezirk, die ich jede Woche auf Hochglanz bringe. Mein Name ist übrigens Millie, ich bin 35 und Single.

Ich strecke mich und reibe mir übers Gesicht, um die letzten Reste des Traums zu vertreiben und meinen Kreislauf hochzufahren. Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild im Fenster der Straßenbahn. Meine dunklen buschigen Augenbrauen sehen aus wie die von Räuber Hotzenplotz. Mein kleines Damenbärtchen verbessert den Gesamteindruck nicht. Die widerspenstigen schwarzen Haare habe ich am Hinterkopf in einem H&M-Haarkamm zusammengequetscht. Eine Jeansjacke, Marke Kik, ein grüner No-Name-Sweater sowie eine Skinny Jeans und blaue Billigsneakers vervollkommnen mein hoffnungsloses Outfit. Ich wackle mit den buschigen Augenbrauen auf und ab und flüstere: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Wagon? Das bist du, Millie-Schatz, man kann es nur gerade nicht sehen – Schneewittchen musste schließlich nie um fünf in der Früh aufstehen, um das Schloss zu putzen.«

Mein Gegenüber, dem die letzten Brösel seiner Semmel am Kinn picken, widerspricht mir nicht. Auch die fünf übrigen Fahrgäste verhalten sich ruhig. Zwei davon schlafen offensichtlich ihren Rausch aus, die anderen haben ihre Gesichter in ihren Smartphones vergraben.

Die Bim hält … Zeit auszusteigen. Ich nehme meinen Beutel, hänge ihn mir quer über die Schultern und steige aus. Rechts und links säumt das gute Bürgertum von Wien die Straßen: schöne alte Türen, hölzerne Veranden, große Gärten mit alten Bäumen.

Das »Gattinnenhaus« strotzt vor Prunk, mit Kiesauffahrt und allem Drum und Dran. Sogar einen Dienstboteneingang gibt es. Mit meinem eigenen Schlüssel kann ich mich unbemerkt ins Haus schleichen und gleich in der Waschküche ans Werk gehen. Die Gattin hasst es, in ihrer morgendlichen Ruhe von meinem Arbeitslärm gestört zu werden. »Unauffälligkeit ist die oberste Tugend einer Putzfrau«, höre ich ihre Stimme dozieren, die immer ein wenig klingt, als wäre sie zu weit oben eingeklemmt.

Bügeln kann ich so gut wie im Schlaf, deswegen fange ich damit an. Ich schaufle die 30 gebügelten gestreiften Hemden in einen Waschkorb und mache mich auf den Weg in den zweiten Stock. Der Gatte hat eine Vorliebe für gestreifte Hemden. Er glaubt, sie machen ihn schlank. Ich richte den Stapel Hemden streng geometrisch aus, mit der Kante nach vorne und je fünf Zentimeter Abstand zur Seite, je zehn Stück auf einem Stapel, den letzten Stapel schiebe ich ganz an den Rand. Ich muss lachen, weil ich schon weiß, dass das einen Aufruhr verursachen wird.

Heute sind Bad eins und zwei, die Küche und die unteren Zimmer dran. Ich schnappe mir meine Putzutensilien und mache mich ans Werk. Die Gattin ist offensichtlich in der Mauser, überall liegen ihre Haare rum. Als ich die Armatur im ersten Bad schrubbe, höre ich ihre schrille Stimme: »MIIIIILLLIIIIIIIE!«

Ich lasse sie zwei-, dreimal schreien zum Warmwerden. Dann antworte ich: »Haben gerufen, Frau?« Mein Radebrech hat mir schon das ein oder andere komplizierte Gespräch mit Kunden erspart.

»Ja, Frau Millie – schauen Sie mal. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?« Die Gattin steht wie eine Domina mit dem Maßband vor dem Hemdenstapel und zeigt auf den letzten, den ich zum Rand geschoben hatte. »Fünf Zentimeter Abstand zu jeder Seite! Wann werden Sie das endlich kapieren?«

»Oooh«, sage ich, »fünf Zentimeter?«, als wäre dies eine Offenbarung für mich. »Ich denken, es sein dreieinhalb. Tschuldigung.« Ich nicke eifrig und beschließe, heute wieder einmal das Küchengeschirr mit dem Klofetzen zu polieren.

Die Gattin zieht fassungslos über so viel Unfähigkeit von dannen. Vermutlich wird sie die nächste halbe Stunde am Telefon mit ihrer Freundin über das miese Personal lamentieren.

Jetzt habe ich freie Bahn. Den Rest des Vormittags wird mich die Gattin nicht mehr belästigen. Manchmal muss man eben Sollbruchstellen einbauen, damit man in Ruhe arbeiten kann.

Bis Mittag verbringe ich einige Zeit im Büro des Gatten und blättere ein bisschen die Post durch, um zu sehen, ob sich was Interessantes in seinem Berufsleben tut. Als ich fertig bin, notiere ich die Stunden in dem »Putzi-Buch« in der Küche und verlasse mit einem lauten »Wiedersehn, Frau« das Haus.

In der Straßenbahn widerstehe ich dem Impuls, mich erneut in den Schlaf wiegen zu lassen, und checke die E-Mails meiner Agentur.

Drei Nachrichten im Posteingang.

Heute Abend, 20.00 Uhr, Einsatz in einer Software-Firma in der Lassallestraße im zweiten Bezirk. Die haben echt einen Vogel bei der Agentur. 16-Stunden-Tage, was ist mit meinem Arbeitnehmerschutz?

In der zweiten Mail wird mir ein neuer Auftrag vermittelt. Eine Familie im sechsten Bezirk. Jüngeres Paar mit zwei Kindern. Er ist Wissenschaftler und arbeitet oft von daheim, sie ist noch im Mutterschutz. Ich lese die Details. Unter anderem legen die beiden besonderen Wert auf ein soziales Umfeld und möchten gern eine junge Mutter mit ihrem Arbeitsangebot unterstützen. Ich kenne solche Anforderungen. Gewöhnlich will da die Ehefrau verhindern, dass der liebe Gemahl sich an der Putzhilfe vergreift. Das ist mühsam, weil ich mir jetzt irgendwo einen Mann und Kinder suchen muss. Ich überlege, ob ich die Fotos von Ioanas Cousine verwenden soll, aber ich habe auch meinen Stolz. Alikis Kinder sind wirklich nicht hübsch. Am Nachmittag hab ich ein bisschen Zeit zum Rumlaufen, da finde ich mir meine Traumfamilie.

Die dritte Nachricht ist eine Funmail von Zladko. Es ist eine Karikatur vom neuen amerikanischen Präsidenten und der Freiheitsstatue im Bett. Ich muss laut lachen. Die Arme schaut wirklich gefickt aus.

Ioana

Ich sitze im Schanigarten eines kleinen Cafés am Brunnenmarkt. Die Sonne knallt herunter, als wäre es August, dabei ist es gerade mal Anfang Juni. Lautes Geklopfe und Getue weht vom Markt herüber. Mein kleiner Blechtisch wackelt ziemlich stark. Ich hoffe, dass sich der naturtrübe Birnensaft nicht über mein Outfit ergießt, ich habe heute keine Zeit zum Kleiderwechseln. Vor mir zuckelt eine kleine schmutzige Taube über den Asphalt auf der Suche nach Krümeln. Irgendwie fühle ich mich ihr verbunden. Ein junger Mann mit quietschblauer Kapuze rennt über den Marktplatz und spricht mit sich selbst. Dann sehe ich das Kabel zu seinem Handy. Wäre eigentlich keine schlechte Methode für Geisteskranke, um zu verbergen, dass sie Selbstgespräche führen. Steck dir einfach ein Kabel ins Ohr, und jeder denkt, du bist ein vielbeschäftigter Mensch. Neben mir sitzt eine Frau in einem indigoblauen Strampelanzug. Wir sind uns sympathisch und lächeln uns zu. Ich frage mich, warum ich immer in faden Jeans rumlaufen muss. Es ist wirklich das einfallsloseste aller Kleidungsstücke.

Da kommt Ioana. Sie ist durchgestylt wie immer. Heute gibt sie die Ganovenschlampe in einem kurzen schwarzen Minirock, einer schwarzen Lederjacke und High-Heels, mit denen ich maximal auf dem Sofa liegen könnte. Ihre Frisur würde bei mir daran scheitern, dass ich es nie früh genug ins Bad schaffe. Sämtliche Männer im Kaffee starren ihr auf die Beine.

Ioana hasst unsere schmucklose Putzfrauenkluft und überkompensiert das in ihrer Freizeit.

Sie lässt sich in den Sessel neben mir sinken und steckt ihre Sonnenbrille in die Haare, um mich zu begrüßen. Ihre Augen sehen verheult aus. Ich habe schon länger den Verdacht, dass zwischen ihr und ihrem Freund Niko der Haussegen schief hängt, aber wenn ich sie frage, weicht sie mir aus.

»Dramatisches Outfit«, kommentiere ich ihre Aufmachung und küsse sie auf die Wange, damit ich nicht ihren blutroten Lippenstift im Gesicht habe. »Leidest du neuerdings unter einer Allergie oder war Niko ein Idiot?«

Ioana verzieht leicht den Mund und murmelt: »Allergie – gegen Männer im Allgemeinen.« Sie bläst sich die Haare aus der Stirn – weitere Fragen unerwünscht – und schnappt sich die Speisekarte. »Schon bestellt?«

»Ich nehm einen Burger. Ich brauch heut blutiges Fleisch, um die Gattin zu verdauen«, murmle ich.

»So schlimm?«, fragt Ioana. »Wie lange musst du denn die Kuh noch aushalten?«

»Mal schauen, morgen geh ich mich bei einer neuen Familie vorstellen.«

Wir sitzen eine Weile stumm nebeneinander und recken zufrieden unsere Gesichter der Sonne entgegen.

Jojo – mein Spitzname für Ioana – ist meine allerbeste Freundin, eigentlich fast eine Schwester. Als ich damals, im Alter von zehn Jahren, in Wien ankam, war ich völlig verschreckt und hätte mich in der neuen Schulklasse am liebsten den ganzen Tag im Spind versteckt. Traumatisiert, würde ein Psychologe sagen. Ich kam direkt aus dem Kriegsgeschehen in Serbien. Meine ganze Familie war unter unserem Haus begraben worden, das von einer Brandbombe getroffen wurde. Die Nachbarn hatten mich auf der Flucht mitgenommen. Keine Selbstverständlichkeit.

Jedenfalls verkroch ich mich in der großen Pause in einer Ecke des Schulhofs und versuchte, so gut es ging, unsichtbar zu sein. Da kam ein sommersprossiges blondes Mädchen auf mich zu, schnappte mich an der Hand und stellte mich in ihren Gummihupfkreis. Als Gummischnurhalterin. Das konnte ich gut. Still stehen und gucken. Sie hüpfte fröhlich ihre Figuren, rechts, links, rechts, links, drehen, über Kreuz und einen Kreisel und das bis auf Schulterhöhe wie ein Gummiball. Für mich hatte das etwas Meditatives und irgendetwas in mir entspannte sich das erste Mal seit Langem.

Damals war Gummihupfen, das man heute Gummitwist nennt, gerade groß in Mode und ab diesem Tag war ich jede Pause eine zufriedene Gummihupfsäule. Und weil ich das so gut konnte, wurden auch die anderen auf mich aufmerksam und nutzten gerne meine Dienste.

So passierte meine Integration. Das Reden kam erst viel später. Als langsam das taube, kalte Gefühl in meinem Körper schwächer wurde.

Ioana ist übrigens mit ihrer großen, lauten Familie aus Rumänien eingewandert. Vier Brüder und eine unübersichtliche Menge an Onkeln, Tanten, Cousins und Geschwistern … Ich glaube nicht, dass sie wirklich alle verwandt sind. Aber wen interessiert das schon? Sie haben mich gleich als eine von ihnen aufgenommen. Ich weiß nicht, wie ich ohne sie überlebt hätte.

Ioana räuspert sich: »Und? Noch was vor heute?«

»Mhm … zuerst muss ich mir einen Mann und zwei Kinder suchen, dann hab ich noch einen Job in einer EDV-Firma«, antworte ich.

»Sehr ambitioniert, wie immer«, witzelt Ioana.

»Irgendeine Ahnung, wo ich die finden kann?«

»Ich nehme nicht an, dass du von der Firma sprichst?« Meine Freundin ist einfach unheimlich hell im Kopf. »Also wenn es um den Mann und die Kinder geht … da würd ich mal bei einem Kinderspielplatz suchen. Vielleicht findest du da ja einen scharfen Alleinerzieher. Warum willst du gleich Kinder dazu? Wie wär’s mit eigenen, hm?«

Ich gucke über meine Brillenränder hinweg: »Das wäre ein etwas übertriebenes Engagement, um eine Alibi-Familie für meinen nächsten Arbeitgeber zu beschaffen.«

Ioana begreift: »Ooh, Alibi, alles klar. Warum nimmst du nicht die Kinder von meiner Cousine?«

»Zu hässlich.«

»Ja, das versteh ich, man hat schließlich seinen Stolz.«

Es ist schön, verstanden zu werden.

»Weißt du, du könntest es ruhig mal wieder mit einem echten Mann probieren, finde ich«, schlägt Ioana vor und schaut mich dabei sehr vorsichtig an. Sie weiß, dass das ein heikles Thema bei mir ist. Ich bin Weltmeisterin, wenn es darum geht, Typen von mir fernzuhalten. Anhimmeln aus sicherer Distanz oder völlig unverbindliche Kurzaffären, das geht. Dieses echte Beziehungsding liegt mir nicht so. Ich habe meinen Kater, das reicht.

Ioana erinnert mich noch daran, dass übernächsten Samstag Familienpicknick ist. Die ganze Horde von Ioanas Großfamilie trifft sich einmal im Jahr, um Neuigkeiten auszutauschen. Ich freu mich richtig drauf – vor allem auf Oma Adela. Dann umarmen wir uns und gehen beide unserer Wege.

»Kinderspielplatz«, murmle ich und mache mich auf die Suche. Aber vorher lege ich kurz einen Stopp ein, um Katzenfutter zu kaufen.

Der Ehemann

Ich finde einen Spielplatz und sehe mich um. Weit und breit niemand. Eigentlich auch kein Wunder, es ist ja erst Mittag an einem Schultag. Als ich mich zum Ausgang umdrehe, sehe ich ihn, wie er mit seinen beiden Kindern auf mich zukommt. Mein zukünftiger Ehemann. Er sieht gut aus. Dunkle verwuschelte Haare, Dreitagebart, breite Schultern, aber nicht so peinlich auftrainierte, sondern eine Naturschönheit. Er lächelt seiner kleinen Tochter zu, die ihm gerade irgendetwas mit Händen und Füßen erklärt. Es ist ein süßes verschmitztes großes Jungs-Lächeln. Zum Anbeißen. Fast bin ich ein bisschen traurig, dass ich ihn nicht wirklich heiraten werde. Die Tochter ist sehr energisch, aber niedlich. Und der sichtlich gelangweilte Bruder sieht auch schnuckelig aus.

»Meine Familie«, seufze ich und pirsche mich an.

Ich überlege, wie ich es am besten angehe. Wenn ich einfach drauflosfotografiere, werde ich vielleicht als perverse Kindesentführerin verhaftet. Das wäre kontraproduktiv. Ich entscheide mich für eine direkte Konfrontation, was rein gar nichts damit zu tun hat, dass ich seine Stimme hören möchte.

»Hallo«, sage ich und muss husten, weil ich mich an meinem Sabber verschlucke.

»Hallo«, lächelt mein Zukünftiger mit einem tiefen, leicht heiseren Timbre, so als hätte er die letzten Nächte nicht viel Schlaf bekommen.

»Dürfte ich vielleicht ein paar Fotos von dir und deinen süßen Kindern für unsere Bezirkszeitung machen? Wir schreiben einen Artikel über die kreative Gestaltung der Spielplätze hier im Grätzel.« Ja, ich finde, das habe ich souverän improvisiert, und überlege, ob ich schnell davonlaufen soll.

Mein Prinz blickt verwirrt auf den verwahrlosten Spielplatz mit einer schiefen Schaukel und ein paar alten Autoreifen zum Klettern, die verstreut im steppenähnlichen Gras liegen. »Mhm«, antwortet er dann.

Wahnsinn, wie süß er ist, denke ich und hauche: »Bitte?«

»Ja … in Ordnung …« Sein Lächeln wirkt jetzt etwas verkrampfter. Ich glaube, er hat Angst um seine Kinder.

»Cool.« Ich versuche, das Ganze routiniert anzugehen und gruppiere die kleine Familie vor der Bank. Beim letzten Foto nehme ich den Selbstauslöser, schubse den kleinen Buben zur Seite und schmiege mich ohne Vorwarnung an meinen Ehemann. Wie nicht anders zu erwarten war, duftet er himmlisch. Ach!

»Sopi muss Luluuuuhuuuu«, kräht seine kleine Tochter. Blödes Gör. Sie ist schuld, dass mein Zukünftiger sich aus meiner Umarmung herauswurstelt und sich verabschiedet, weil er mit Sophie ein kleines Geschäft zu erledigen hat.

»Danke«, schreie ich ihnen hinterher, als sie im Gebüsch verschwinden, und fühle mich verlassen. Ich schaue mir kurz die Fotos an und zucke zusammen. Ein wunderbarer Mann und zwei entzückende Kinder lächeln mir entgegen und eine unattraktive Putze mit dicken Augenbrauen. Kein Mensch wird mir je glauben, dass dieser Halbgott mich geheiratet hat. Na gut. Was soll’s. Ich habe innere Qualitäten.

Alltag

Ich treffe mein Putzteam von der Agency am Eingang der EDV-Firma in einer Seitengasse der Lassallestraße. Hier ist in den letzten Jahren ein ganzes Wohnviertel emporgeschossen wie in einem Science-Fiction-Albtraum. Der Bauaktivität nach müsste sich die Bevölkerung Wiens jedes halbe Jahr verdoppeln. Tut sie aber nicht. Ich frage mich, wie das zusammengeht.

Der Einsatzplan wird übergeben, die Räume aufgeteilt. Jeder von uns hat Routine und wir wissen, was zu tun ist. Ich bin für die Räumlichkeiten des CEO zuständig und alles läuft bestens. Nach zwei Stunden bin ich fertig. Ich sammle die Einsatzberichte zusammen, weil ich weiß, dass ich am nächsten Tag in der Zentrale sein werde, und verabschiede mich. Es ist halb elf am Abend und jeder Knochen schmerzt. Ich will nur noch nach Hause.

Kein Wunder, dass ich keine Zeit für Hobbies habe bei diesem Stundenplan. In der U-Bahn verschlafe ich wieder fast meine Station und eine Dreiviertelstunde später schleppe ich mich die Stiegen meines Wohnhauses hinauf.

Ich sperre die Wohnungstür auf. Slobodan zischt mir zwischen die Füße und miaut herzzerreißend. »Gleich, mein Schatz.« Ich stolpere in die Küche, die aussieht, als hätte eine Mongolenhorde in ihr gelagert. Das Wohnzimmer sieht nicht besser aus. Ich brauche dringend eine Putzfrau. Haha. Ich fülle ein bisschen Katzenfutter und Katzenmilch in Slobos Schüsselchen und wanke weiter ins Schlafzimmer. Hose runter, Sweatshirt aus. Ich glaube, als ich ins Bett falle, schnarche ich schon.

Slobo

Das Feuer lodert und röhrt und ich kann kaum etwas sehen. Meine Augen brennen vom Rauch. Ich kann nicht atmen, weine und schreie nach meinen Eltern. Da höre ich ein Geräusch. Es klingt wie Musik. Jetzt höre ich es ganz deutlich: »In every life, we have some trouble, but when you worry you make it double, don’t worry, be happy.« Dann pfeift ein Typ fröhlich eine Melodie. Diesmal falle ich nicht drauf rein. Das Bild vom brennenden Haus verschwimmt vor meinen Augen, ich wache schweißgebadet auf.

Mein Handy singt vor sich hin. Es ist 5.30 Uhr und ich fluche. Vor lauter Müdigkeit habe ich gestern vergessen, den Wecker umzustellen. Heute hätte 8 Uhr gereicht. Ich bringe Bobby McFerrin zum Schweigen und ziehe mir den Polster über den Kopf.

Das nächste Mal erwache ich, als Slobo mit voller Wucht auf meinem Bauch landet. Er schnurrt wie ein Hubschrauber und lässt sich neben meinem Kopf auf dem Kissen nieder. Mit seinem buschigen Schwanz schlägt er mir rhythmisch ins Gesicht. Dabei schaut er unschuldig einer Fliege hinterher. Er täuscht mich nicht. Ich weiß, dass Slobo hinterlistig, eigensinnig und ein Diktator ist, zu dessen Untertan ich mich erklärt habe, als ich ihn bei mir aufgenommen habe. Das ist zumindest seine Sicht der Dinge.

Also stemme ich meinen Körper mühselig in die Senkrechte. Meine Haare haben die Konsistenz einer Fußmatte und stehen in alle Richtungen. Mein Körper fühlt sich tonnenschwer an. Ich schleppe mich zur Kaffeemaschine und lasse mir einen doppelten Espresso herunter. Dabei schaue ich Slobodan provokativ in seine grünen Schlitzaugen.

»Da schaust du, was?«, nehme ich den mentalen Dialog auf. »Ich bekomme meinen Kaffee, bevor du deine Schüssel bekommst. Und warum ist das so? Weil ich ein Mensch bin und du nur eine Katze. Ha!« Slobo hasst es, wenn man ihn Katze nennt.

Der Kater blinzelt und schaut hoheitsvoll in die Gegend. Er lässt mir diese kleine Widerspenstigkeit durchgehen, weil er ohnehin überlegen ist. Dann furzt er ein bisschen und gähnt. Prima. Der Gestank erfüllt die ganze Küche.

Ich kapituliere und fülle seine Schüssel.

Er streckt sich triumphierend und mauzt. »Siehst du? Warum nicht gleich«, sendet er mir telepathisch.

Ich scanne meinen Kühlschrank. Er ist so leer, wie die Abwasch voll ist. Ich seufze und überlege, ob ich Slobos Futter stehlen soll, beschließe aber, erst mal zu duschen und mir beim Café an der Ecke ein Frühstück zu gönnen.

Die Wohnungsaufräumungsarbeiten verschiebe ich auf nächstes Jahr.

Zladko

Das Café an der Ecke ist ein türkisches Lokal. Es ist nicht gerade ein Ausbund an Gemütlichkeit, aber es hat guten Çay. Zwei Flatscreens flimmern im Dauerloop türkische Musikclips von der Wand. Stark geschminkte junge Frauen in nuttigen Kleidern räkeln sich lasziv und lamentieren über verlorene Liebe. Zumindest vermute ich das aufgrund der dramatischen Gesten. Der Ton ist zum Glück abgeschaltet. Ich finde Fernsehen ohne Ton hat echt was. Vor allem morgens.

In der Ecke hockt Zladko und runzelt die Stirn über seinem Laptop. Ich lasse mich neben ihm auf die Bank fallen und lehne meinen bleiernen Kopf an seine Schulter.

Zladko schreckt hoch. »Oi, Lutko, du bist’s.« Lutko ist das serbische Wort für Puppe, ein Kosename, den er mir gegeben hat. Er umarmt mich und streift mir meine buschigen Augenbrauen glatt.

Er ist vor einem Jahr in die Wohnung neben mir gezogen und wir haben uns auf Anhieb ineinander verliebt … rein platonisch natürlich. Die Tatsache, dass er schwul und deswegen ungefährlich ist, und auch, dass er ursprünglich aus einem Dorf in der Nähe meines Heimatortes stammt, haben mein Abwehrradar außer Kraft gesetzt. Zladko war damals gerade von seinem Freund verlassen worden, und ich fand ihn abwechselnd in Tränen badend oder völlig besoffen im Stiegenhaus vor seiner Tür, die er nicht öffnen konnte, weil er das Schloss entweder aus seinen verschwollenen Augen nicht sehen konnte oder mit seiner zitternden Hand den Schlüssel nicht ins Loch brachte. Das und die Tatsache, dass wir beide nicht gern über unsere Vergangenheit reden, hat uns zusammengeschweißt. Zladko ist seitdem mein »Quotenschwuler«, wie ich ihn scherzhaft nenne.

Er sieht heute aus, wie aus dem Modekatalog entstiegen. Sein ockerfarbenes Hemd ist lässig aufgekrempelt, seine blonde Haarpracht auf natürlich geföhnt und seine Beine stecken in dunkelbraunen Lederhosen. Ich frage mich, woher mein ständig abgebrannter Freund die nagelneuen Klamotten hat.

»Püppchen«, sagt er sorgenvoll. »Du brauchst einen neuen Job. Deine Augenringe haben epische Ausmaße und du weißt, was ich von deiner Gesichtsbehaarung halte.«

»Ich könnte mir Zöpfchen flechten«, entgegne ich trotzig. Das kann schließlich nicht jeder mit seinen Augenbrauen.

Wir frühstücken und tauschen Neuigkeiten aus. Ich erzähle ihm, dass ich meinen zukünftigen Ehemann kennengelernt habe. Er erzählt mir von Jakob, dem Schlagzeuger in seiner Band, der ihn nervös macht. Jakob ist vor circa zwei Wochen zur Band gestoßen und hat offenbar den süßesten Hintern aller Zeiten. Zladko spielt in einer Combo, die immer wieder bei Hochzeiten auftritt, um Geld zu verdienen. Sie sind wirklich gut, ein bisschen Gipsy Style mit Ziehharmonika und Flamenco-Gitarre. Aber weil sie sich weigern, bei Castingshows mitzumachen, schlagen sie sich gerade so durch.

Wir sitzen noch eine Weile nebeneinander, quatschen über unwichtige Sachen und schlürfen unsere heißen Getränke. Dann küsse ich ihn auf die Schläfe und mache mich auf den Weg zu meinem neuen Arbeitsplatz im sechsten Bezirk.

Karpfen mag nicht jeder

Ich stehe vor dem Haus meiner neuen Putzfamilie. Es ist eins dieser typischen schönen Wiener Jahrhundertwendehäuser. Ich läute bei Nummer 18.

»Halloooo?«, kräht es in die Gegensprechanlage.

»Komm, gib Mami den Hörer«, ertönt im Hintergrund eine Stimme.

Ich sage laut und deutlich: »PSA Putzagentur, grüß Gott.«

»Oh ja, kommen Sie bitte in den vierten Stock. Sie können den Aufzug benützen.«

Der Aufzug ist ein typisches Exemplar dieser Gründerzeithäuser mit einer edlen schmiedeeisernen Front, die mit einer Schnalle öffnet, dahinter eine kleine gemütliche Fahrkabine aus dunklem Holz mit einem Spiegel an der Wand. Der Lift quietscht, wackelt und ächzt sich die vier Stockwerke hinauf. Er ist wie ein vertrauenswürdiger Großvater, der das schon viele Tausend Male gemacht hat.

An der Wohnungstür erwartet mich eine zierliche rothaarige junge Frau in einem übergroßen Strickpulli und Leggins. Sie hat eine lustige asymmetrische Strubbelfrisur und ein wenig traurige Augen. Auf Anhieb ist sie mir sympathisch. Auf dem Arm hält sie ein Baby und hinter ihren Beinen versteckt sich ein ungefähr zweijähriges Mädchen.

»Grüß Gott«, sage ich noch mal. »Ich bin Millie von PSA.« Wir schütteln uns die Hand.

»Ich bin Pia, das kleine Monster da unten ist Clara und der hier ist Beni. Schön, dass Sie hier sind.«

Ich ziehe meine Schuhe aus und schlüpfe in meine Putzhausschuhe, dann machen wir eine Wohnungsbesichtigung. Es ist eine hübsche Altbauwohnung, ziemlich groß, ich schätze so 150 Quadratmeter, mit hohen hellen Räumen und Parkettböden. Die Küche ist, wie in diesen alten Wohnungen üblich, eher ein schmaler Schlauch, aber trotzdem gemütlich. Von ihr aus hat man Blick auf einen wunderbaren Innenhof mit hohen alten Platanen, meinen Lieblingsbäumen. Am Ende der Besichtigungstour kommen wir zu einem Büro.

Dort sitzt ein großer Mann um die 40 hinter zwei Bildschirmen und Büromaterial versteckt.

»Das ist Stefan«, sagt Pia.

Stefan telefoniert gerade mit einem Headset auf Englisch und nickt kurz in unsere Richtung. Irgendwie passt er nicht zu der freundlichen Pia. Ich kann nicht genau sagen, was es ist, das mich gegen ihn einnimmt. Er ist pummelig und zwischen Kopf und Körper, wo bei anderen Menschen der Hals ist, fehlt etwas. Auf der Tastatur hat er zwei riesenhafte Patschhändchen. Man könnte ihn genauso gut für einen großwüchsigen Jungen halten. Was mir aber wirklich Gänsehaut bereitet, sind seine Augen. Sie erinnern mich an einen Karpfen.

»Büro auch putzen?«, frage ich und Pia nickt. »Mann immer da?«, bohre ich nach.

Pia lacht. »Ja, leider sehr oft.«

Ich seufze, weil das Schwierigkeiten bedeutet.

Pia fügt hinzu: »Gegen Abend geht er oft weg, da haben Sie dann freie Bahn.«

Ich bin erleichtert. »Gut! Ich fangen an.«

Ich durchforste den Abstellraum, finde die notwendigen Utensilien und mache mich erst mal an die Wäsche. Gegen vier habe ich die ganze Wohnung auf Hochglanz gebracht. Bei netten Familien hat das durchaus etwas Befriedigendes. Ich hinterlasse ihnen quasi eine perfekte Version ihres Heims.

Nun fehlt nur noch das Büro. Der Kerl hockt immer noch vor dem Computer. Zeit, härtere Maßnahmen zu ergreifen, denke ich und staubsauge mich lautstark in das Zimmer hinein. Als er nicht reagiert, baue ich mich vor seinem Schreibtisch auf. »Ich putzen hier – jetzt!«

Die Karpfenaugen bekommen einen panikartigen Ausdruck. Ich frohlocke. Das funktioniert bei den meisten Männern. Sie hassen Putzfrauen.

Er sagt: »Gut, aber bitte rühren Sie am Schreibtisch nichts an«, und wachelt mit seinen Pranken über den Tisch. »Ich komme gegen sieben wieder.« Er packt ein paar Dokumente in seine Aktentasche und flüchtet.

Ich lehne die Tür zum Vorzimmer an, damit ich notfalls höre, wenn jemand kommt, und schalte alibihalber den Staubsauger ein. Damit fahre ich wild am Boden herum, während ich die Lage sondiere. Es gibt einen großen Kasten und mehrere Büroschränke voll mit Akten. Außerdem zwei Computer und etwas, das wie eine externe Speichereinheit aussieht. Ich überfliege die Beschriftungen der Ordner. Buchhaltung, Aufträge, Korrespondenz … und ziemlich viele Abkürzungen, mit denen ich nichts anfangen kann.

Ich spechtle zur Zimmertür hinaus. Weit und breit niemand zu sehen. Dann lasse ich den Staubsauger einfach eingeschaltet auf dem Boden liegen und setze mich an den Schreibtisch. Der Computer ist an, aber es gibt eine Bildschirmsperre mit Passwort.

Zum Spaß gebe ich Clara ein. Einmal hab ich ja gut und vielleicht ist Stefan, oder »der Karpfen«, wie ich ihn schon in Gedanken nenne, ein Einfaltspinsel. Ist er nicht – Passwort ungültig. Ich hole den Schlüssel-USB der Agentur heraus und stecke ihn in den Port. Wie durch ein Wunder öffnet sich der Bildschirm und ich sehe die Arbeitsfläche. Ein geöffnetes Dokument zeigt Statistiken, Grafiken und Katasterpläne. Es ist auf Englisch verfasst und enthält offenbar irgendwelche Daten aus unterschiedlichen Ländern. Ich klicke mich ein bisschen durch, aber die Zeit reicht nicht, um mich einzulesen. Deswegen kopiere ich einfach die gesamte Festplatte auf den Stick. Der Kopiervorgang startet. Ich überfliege parallel die Papiere auf dem Schreibtisch und fotografiere das ein oder andere Dokument, das mir wichtig erscheint. Die Rechercheabteilung wird mir nachher genaue Anweisungen geben, wonach ich suchen muss.

Ich bin gerade völlig vertieft, da fliegt die Tür auf. Mein Herz macht ein Stolpergeräusch und mein Blutdruck steigt in der Sekunde auf 230. In der Tür steht Clara und lacht vergnügt, weil ihr Erschreckmanöver so toll geklappt hat. Sie schreit: »Kuuuckuck!«

Ich kuckucke zurück und werfe einen Blick auf den Fortschritt der Speicherplatte. 85 Prozent.

Clara kommt hereingehopst und jetzt höre ich Pia rufen: »Clara? Clara, du darfst Millie nicht stören.« Ihre Schritte kommen näher.

Mein Körper schüttet eine Monatsration Cortisol aus. Ich muss mir ganz schnell was einfallen lassen. Ich schnappe das Mädchen, setzte es neben den Stromverteiler und suche das Kabel, das den Bildschirm mit Strom versorgt. Das ziehe ich blitzschnell aus der Steckdose, dann gieße ich Clara Wasser über das Kleidchen.

In dem Moment kommt Pia zur Tür herein. Ich knie neben Clara und warne: »Oje, darfst du nicht spielen mit Steckdose und Wasser, das gefährlich, kleine Mädchen. Macht nix, ich wischen und Mama dir geben neue Kleid.«