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Band 11

Alexander Knörr

Aufstand der
Nimmariten

 

 

 

 

 

 

 

Twilight-Line Medien GbR
Obertor 4
D-98634 Wasungen

www.twilightline.com
www.chroniken-von-tilmun.de

1. Auflage, 2018
eBook-Edition
ISBN 978-3-944315-67-6

©2018 Twilight-Line Medien GbR
Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

 

 

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Epilog

Im Jahr 2012 kamen die Götter von Einst wieder auf die Erde. Eine außerirdische Rasse, die sich die Nukarib nennt und die uns Menschen nach ihrem Ebenbilde vor Jahrtausenden gentechnisch erschaffen hat. Die Nukarib sehen sich selbst als Götter und wollen auch von ihren Untertanen genauso verehrt werden. Das Spielen mit den Genen aller möglichen Wesen ist sozusagen eine Leidenschaft dieser Außerirdischen. Und so erschaffen ihre Genlabors, die überall im Universum verteilt sind, die irrwitzigsten Mischwesen und sorgen auch bei der eigenen Rasse für tiefgreifende Eingriffe und Veränderungen.

Als die Nukarib wieder auf die Erde kamen, spielten sie uns vor die großen Retter zu sein. Doch sie verfolgten und verfolgen immer nur ein Ziel – ihre Machtposition im Universum auszubauen und dies mit allen Mitteln. Sie entführten 1,5 Milliarden Menschen von der Erde und setzten diese auf anderen Planeten als Sklaven ein. Die Zurückgebliebenen müssen sich den neuen Herrschern fügen. Diese schmieden Allianzen mit den mächtigsten Familien der Erde und beuten gemeinschaftlich die Menschheit aus.

Diejenigen Menschen, die noch auf der Erde leben, müssen sich ihnen unterwerfen und tun, was die alten Götter von ihnen verlangen.

In den Weiten des Universums sind die entführten Menschen verstreut und müssen Frondienste leisten oder dienen. So auch eine Gruppe von abertausenden Kindern auf dem Planeten Vittorioso, den Nukarib als lebende Genfarmen dienend.

 

 

 

 

 

Vittorioso

Die Nacht legte sich über die östliche Halbkugel des Planeten Vittorioso im Arkanis Sonnensystem und tauchte das satte Grün der dichten Wälder in tiefstes Schwarz. Der ansonsten mit Tierlauten angefüllte Urwald wurde leiser und leiser und nach und nach schliefen die Geschöpfe des Tages und die Jäger der Nacht krochen aus ihren Verstecken, um voller Tatendrang und Hunger ebendiesen zu stillen.

Auch über die Forschungsstation der Nukarib legte sich die Dunkelheit und die Lichter der weitläufigen Anlage durchschnitten das satte Schwarz der Nacht. In den Schlafräumen der Menschenkinder war alles still und die vielen Kinder, die in Altersgruppen und Geschlechter getrennt waren, schliefen ruhig und tief. Doch irgendwann hörte man ein leises Schluchzen, das aus dem Schlaftrakt der zwölfjährigen Mädchen zu vernehmen war. Inmitten der vielen Doppelstockbetten lag ein Mädchen wach im Bett und weinte, wie jede Nacht. Nach einer Weile kam eine ihrer Nachbarinnen von ihrem oberen Bett herunter und setzte sich an die Bettkante. Sie streichelte dem weinenden Mädchen zart mit den Fingerspitzen über die Haare und blies ein langgezogenes „Schhhhhht“ durch ihre Zähne.

Die Kleine schaute zu ihr auf und schluchzte. „Tut mir so leid, wenn ich dich geweckt habe, aber ich muss immer wieder an Mama und Papa denken.“

„Ich weiß, du vermisst sie. Wir alle vermissen unsere Eltern, Geschwister oder andere Menschen. Doch wir sind nicht alleine, wir haben uns“, versuchte sie die Kleine zu beruhigen.

Diese schluchzte erneut auf und wimmerte: „Das weiß ich doch, aber…“, sie machte eine bedeutungsschwangere Pause, „…aber das ist nicht das Gleiche!“

„Natürlich ist das nicht das Gleiche. Aber wir müssen uns gegenseitig unterstützen und zusammenhalten. Wenn jemand traurig ist wie du, dann müssen wir hinter ihr stehen und sie wieder aufmuntern. Der Schmerz geht niemals weg. Aber wir müssen zusehen, dass wir diesen Schmerz nutzen um unser Ziel zu verfolgen. Nämlich zu versuchen wieder nach Hause zu gelangen.“

„Wenn du das sagst, dann klingt das so, als wenn wir das wirklich irgendwann schaffen könnten. Charlene, du bist so besonders…, das kann man gar nicht beschreiben“ flüsterte die kleine Klara, die auf dem Bett lag.

„Glaube mir, liebe Klara, ich weiß welche Schmerzen du hast, und ich habe die gleichen Schmerzen durchgemacht. Und mache sie immer noch durch – jeden Tag. Aber ich möchte mich nicht unterkriegen lassen. Ich lasse es nicht zu, dass mein Schmerz mich übermannt. Sicher wird man mit der Zeit etwas härter. Aber das macht mich stärker. Und jeden Tag, an dem ich traurig bin, bin ich auch wütend und das macht mich stark.“

Charlene wirkte so viel erwachsener als die kleine Klara, obwohl beide im gleichen Alter waren. Sie war wirklich etwas Besonderes. Das wussten nicht nur ihre Kameradinnen, mit denen sie täglich zu tun hatte, das wusste jeder hier in der Anlage, wahrscheinlich sogar jeder in der Stadt oder auf dem Planeten. Und das Besondere war nicht nur ihre Art, die sie reifer machte als alle anderen zwölfjährigen Mädchen in der Anlage. Sie hatte Fähigkeiten, die von den Nukarib unterstützt und die von ihnen sogar gefördert wurden. Sie konnte mit Tieren sprechen. Sie tauchte in die Gedanken der Tiere ein und beeinflusste sie. Die gehorchten ihr dann quasi „aufs Wort“ und taten das, was sie wollte. Die Nukarib wollten ihre Talente für sich nutzen. Doch Charlene spielte nur bis zu einem gewissen Punkt mit. Dann blockierte sie und es war den Entführern nicht möglich an sie heranzukommen.

Alle Kinder wussten von Charlene und sie wussten, dass sich die Nukarib vor ihr fürchteten. Konnte sie doch nicht nur kleine, unbedeutende Tierchen mit ihren Gedanken und Gefühlen lenken, sondern auch die wildesten Bestien aus dem Genlabor der Nukarib selbst.

Nimma, die selbsternannte Göttin und Herrscherin über die Genfabrik, in der sie sich befanden, war fasziniert von Charlene und widmete sich viele Stunden am Tag persönlich mit ihrem kleinen Schatz. Sie heuchelte ihr Zuneigung und wollte damit ihre Gunst gewinnen. Doch Charlene war nicht nur telepathisch begabt, sondern auch schlau. Sie wusste weshalb Nimma sie umgarnte und ihr fast alles ermöglichte. Charlene hätte im Palast von Nimma residieren können, doch sie zog es vor bei ihren Mithäftlingen zu bleiben. Denn nichts anderes waren sie. Häftlinge der Nukarib, der falschen Götter, die vor Jahren erneut auf die Erde kamen und sie entführt hatten.

Charlene widerstand den Verlockungen der Göttin und arbeitete nur soweit mit ihr zusammen, wie sie es selbst für richtig hielt. Insgeheim versuchte sie einen großen Plan zu verfolgen und für ihre Mitgefangenen das Beste aus der Situation herauszuholen. So hatte sie sich in ihrer Cleverness, Gutmütigkeit und wohl nicht zuletzt der Faszination über ihr Talent eine kleine Führungsposition inmitten tausender junger Menschenkinder errungen. Die Kinder verehrten sie und eiferten ihr nach. Dies blieb natürlich auch Nimma nicht verborgen und ihr war das Ganze ein Dorn im Auge.

 

 

 

Vittorioso, Kampfarena der Göttin Nimma

Wieder einmal war das Training nicht so verlaufen, wie Nimma es sich vorgestellt hatte. Auf einem kleinen Platz, der rundum mit einer hohen Mauer umgeben war, damit das, was innerhalb der Mauern war nicht fliehen konnte, befanden sich drei große, furchteinflößende Geschöpfe. Ein sogenannter Minotaurus, ein muskelbepackter Menschenkörper mit einem riesigen Schädel eines Stieres bestückt, an dessen Schläfen zwei mächtige Hörner prangten, die sicher jeweils einen Meter Länge maßen. Dann noch eine Mischung aus Löwenkopf, Greif und Pferdekörper und ein Wesen, das aussah wie eine übergroße Libelle mit einer Spannweite von mindestens vier Metern und einem furchteinflößenden Gebiss, mit dem dieses Wesen ohne Probleme kleine Baumstämme zerbeißen konnte.

Mitten in diesem Sammelsurium an Obskurem stand Charlene und lächelte. Sie lächelte gutmütig und war in Gedanken versunken. Und die drei Mischwesen, die furchteinflößend und einschüchternd sein sollten? Die drei Wesen, die unterschiedlicher nicht sein konnten – tanzten Pfote an Kralle fassend im Kreis nach einer nicht hörbaren Musik.

Nimma saß auf den Rängen der Anlage und man sah ihr an, dass ihr gleich der Kragen platzen würde. Ihr Gesicht wurde feuerrot und sie schnaubte wie der Minotaurus dort unten.

„Was macht sie da?“ schrie sie.

Ihre zwei Begleiter zuckten zusammen und wussten nicht, ob sie etwas antworten sollten.

Dann hörte man eine tiefe Männerstimme aus dem Hintergrund. „Du hast ihnen gezeigt wie man tanzt? Alle Achtung!“ klang es spöttisch aus den Rängen hinter ihr. Nimma fuhr wütend herum und wollte sehen wer sich da über die Göttin lustig machte. Sie funkelte wild mit ihren Augen und als sie den Mann sah, der etwa dreißig Meter hinter ihr saß und spöttisch in die Hände klatschte, zuckte sie zusammen.

„Enlil-Re!“ raunte sie vor sich hin, erschrak dann ein wenig, als sie bemerkte, dass ihr die Gesichtszüge entglitten waren und fasste sich wieder.

„Enlil-Re!“ wiederhole sie – dieses Mal mit einer kräftigen Stimme – und erhob sich von ihrem Platz. Nimmas Begleiter waren ebenso geschockt wie die Göttin und tauchten ab auf die Knie – die Köpfe dicht an den Boden gepresst vor Ehrfurcht.

„Was treibt ein Mitglied des Hohen Rates von Tilmun in diese Einöde des Universums?“

Enlil-Re war Mitglied des Hohen Rates auf Tilmun und der älteste Sohn der Familie Re, die von Anbeginn der Zeit eine der herrschenden Familien Tilmuns war und immer noch ist. So ist es auch verständlich, dass die Familie Re oder auch Ra - wie wir auf der Erde diese Sippe nennen - als die Sonnenkönige verehrt werden. Selbst auf Tilmun ist den Mitgliedern dieser Familie ein noch bedeutenderer Status vorgesehen als den üblichen Ratsfamilien. Und das hatte viel zu bedeuten. Denn die Ratsfamilien waren heilig auf Tilmun. Was sie sagten war Gesetz und niemand wagte es, auch nur den Anschein zu erwecken, ihre Worte in Frage zu stellen.

Enlil-Re war der älteste Sohn der Familie und somit war seine Position im Hohen Rat sicher. Er war groß gewachsen, sehr muskulös und durchtrainiert, was er auch gerne zeigte. Sein Oberkörper wurde nur spärlich bedeckt von zwei breiten, blauen Bändern, die wie Hosenträger von seiner goldfarbenen Hose über diesen Luxuskörper verliefen um über dem Gesäß wieder an der Hose befestigt zu werden. Um seine breiten Schultern wehte eine Art Cape aus goldener Seide, das mit blauen Stickereien verziert war. Seinen Kopf umspielte eine hohe Krone, die an die Pharaonenkronen Ägyptens erinnerte. Ein hoher, leicht gebogener und konisch geformter Wulst wurde von einem goldenen Ring gehalten, dessen Enden an der Stirn zusammenliefen und zwei mächtige Kobras bildeten, die aufgerichtet und deren Hälse breit zum Angriff gefächert waren. Dieser Kegel war wiederum in diesem mächtigen Blau gehalten und hatte feine, güldene Streifen, die von seiner Spitze aus nach unten verliefen und den Kegel wie ein feines, goldenes Netz bedeckten. Unter der Krone lugten einige schwarz glänzende Haare hervor. Enlil-Re war braun gebrannt und schaute in seiner göttlichen Erscheinung aus wie einer der Pharaonen Ägyptens.

Er stand auf. So wie er nun dastand machte er noch einen mächtigeren Eindruck. Sein Cape wehte ein wenig im Wind und er schaute amüsiert zu seiner Getreuen hinunter, die es mittlerweile auch vorzog, sich leicht vor ihm zu verbeugen.

„Ich bin dein Gott, muss ich dich fragen bevor ich dich aufsuche?“ raunte Enlil-Re mit seiner dunklen Stimme. An der Überheblichkeit, die mit der Stimme mitschwang, merkte man eindeutig, dass er durch und durch Nukarib war.

„Herr, verzeiht mir meine Unbedachtheit. Ich wollte euch nicht in Frage stellen!“ erwiderte Nimma und sank noch ein wenig tiefer in ihrer Verbeugung. „Ich wollte nur meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, dass Sie sich in diese Ecke des Universums begeben und ich nicht informiert worden bin. Hätte ich gewusst, dass Sie kommen, ehrwürdiger Enlil-Re, dann hätte ich Ihnen einen würdigen Empfang bereiten können.“

„Und dann hätte ich nur das aufgetischt bekommen, was man mir auch zeigen möchte“, kommentierte das Mitglied des Hohen Rates von Tilmun, „aber ich wollte mir einen Eindruck von euren Fortschritten machen, der nicht durch eine Inszenierung geprägt ist, sondern durch das, was wirklich hier los ist.“

Nimma schluckte und war sich natürlich bewusst, dass sie genau dies nicht wollte; wenn Enlil-Re mit ansehen musste, wie sie auf ganzer Linie versagte.