Sigrid Engelbrecht

Das Anti-Burnout-Buch für Frauen

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: [rincón]2 medien fmbh, Köln

Umschlagmotiv: © Sigrid Olson/ZenShui/Corbis

ISBN (E-Book) 978-3-451-34739-9

ISBN (Buch) 978-3-451-61014-1

Inhalt

Vorwort

Was ist Burnout?

Wie kommt es zu einer chronischen Erschöpfung?

Die Phasen des Burnout-Prozesses

Zwischen Multitasking, Perfektionismus und Depression

Burnout bei Frauen, Burnout bei Männern

Das alltägliche Bermudadreieck: Der Job, der Haushalt, die Kinder

Be perfect! Die Ich-schaffe-alles-Falle

In der Mühle der Gefühle

Wie innere und äußere Ursachen zusammenwirken

Selbsttest: Wie Burnout-gefährdet sind Sie?

Die Anzeichen erkennen

Burnout-Selbsttest

So soll es nicht mehr weitergehen

Sie selbst steuern Ihr (Lebens-)Schiff

Burnout: »Wieso ich?«

Wie stark ist Ihr Veränderungswunsch?

Annehmen, was ist

7 Strategien der Burnout-Prävention

1. Vom Bermuda-Dreieck zum Balance-Dreieck: Setzen Sie Ihre Prioritäten neu

2. Mut zur Lücke

3. Grenzen spüren, Grenzen setzen

4. Noch weniger ist noch mehr: Delegieren und Ballast abwerfen

5. Den Akku aufladen: Sammeln Sie neue Kräfte

6. Sich wieder freuen können: Erkennen Sie Ihre persönlichen Kraftquellen

7. Bauen Sie auf Menschen, die Ihnen guttun

Den eigenen Weg finden und gehen

Praktische Konsequenzen: 3 Fallbeispiele

Ihr persönlicher Veränderungsplan

Literatur und Links

Wegweiser zum Test, zu den Checks und zu den Übungen

Vorwort

Burnout, dieser gefährliche Zustand andauernder Erschöpfung, kann Menschen nahezu jeden Alters und Berufs treffen, insbesondere Menschen in sozialen Berufen gelten als besonders gefährdet. Die Zahlen über die Verbreitung von Burnout schwanken, doch Fachleute sind sich einig darüber, dass Burnout im Begriff ist, zu einem Massenphänomen zu werden.

Allmählich setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass Frauen in weitaus größerem Umfang von Burnout betroffen sind als Männer – obgleich die Gründe dafür eigentlich seit Langem auf der Hand liegen. Die Vielfachbelastungen einer berufstätigen Frau, die auch Mutter ist und dazu noch den Haushalt managen und in vielen Fällen auch als Pflegerin der alt gewordenen Eltern oder Schwiegereltern bereitstehen soll, fordern von Körper und Psyche einen hohen Tribut.

Burnout-Betroffene sind vor allem eines: erschöpft. Belastungsgrenzen können nicht Tag für Tag aufs Neue überdehnt werden, ohne dass dies ohne Folgen bleibt. Ist die Betroffene dann selber schuld, sich so zu verausgaben? Oder ist sie das Opfer der realen Lebens- und Arbeitsbedingungen in unserer Gesellschaft, die ihr keine andere Wahl lassen? Dies lässt sich nicht mit einem einfachen Entweder-Oder beantworten. Wichtig ist vielmehr, den Zusammenhang beider Faktoren zu sehen: Person und Umwelt. Menschen sind unterschiedlich belastbar, der eine mehr, der andere weniger. Doch auch eine äußerst widerstandsfähige Frau kann in einer langen Reihe von frustrierenden Ereignissen und andauernder Überforderung in die Erschöpfung getrieben werden. Andererseits gibt es aber auch innere Faktoren – Erwartungen, Überzeugungen, Denk- und Verhaltensmuster – die zusätzlich zu möglichen äußeren Faktoren anfällig für Burnout machen.

Erfahrungen aus meiner Tätigkeit als Trainerin und Coach haben mir gezeigt, dass Frauen mit dem Gedanken, etwas an ihrem Leben zu ändern, sich oft schon hart an ihrer Belastungsgrenze bewegen. Häufig geäußerte Wünsche sind dann: »Es soll einfach weniger werden«, »Ich will nicht mehr ständig so ausgepowert sein« oder auch »Ich will mich wieder freuen können«.

Deshalb konzentriere ich mich im Folgenden genau auf diese drei Aspekte: Freiraum schaffen, die persönliche Energie stärken und die Lebensfreude wiederentdecken. Ich werde zeigen, woran Sie einen beginnenden Burnout erkennen können und was es braucht, um gegenzusteuern. Besonders wichtig dabei ist, die persönlichen Grenzen ohne schlechtes Gewissen akzeptieren und auch verteidigen zu lernen.

Mit praktischen Übungen, Denkanstößen und Tipps erhalten Sie zahlreiche Impulse, wie Sie einem Burnout vorbeugen können. Treffen Sie Ihre Wahl, gehen Sie Ihren Weg: Die Übungen und Verhaltensweisen, die Ihnen jetzt in Ihrer Situation besonders hilfreich erscheinen, das sind »Ihre«! Die anderen stellen Sie vorerst zurück. Ganz gleich, womit Sie beginnen: Sie probieren und trainieren neue, konstruktive Verhaltensweisen. Das ist das, was Sie tun können. Unabhängig davon stellt sich die Frage, was sich an unseren Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern müsste, damit Frauen eine echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie leben können, ohne sich dabei permanent zu überfordern.

Um viel Nutzen aus diesem Buch zu ziehen, treffen Sie bitte jetzt eine Entscheidung: Entschließen Sie sich, nun tatsächlich mit den ersten Schritten zu beginnen, um einen möglichen Burnout abzuwenden und vorzubeugen. Gehen Sie dann Schritt für Schritt weiter. Und legen Sie sich bitte ein Arbeitsbuch zu, in das Sie begleitend zur Lektüre die Ergebnisse Ihrer Übungen, Ihre Erkenntnisse, Wünsche und Pläne eintragen.

Ich wünsche Ihnen eine gute und hilfreiche Lektüre. Und wenn Sie mich über meine Webseite

http://www.engelbrecht-media.de

Ihre Anregungen oder auch Kritik wissen lassen, bin ich Ihnen dankbar.

Ihre Sigrid Engelbrecht

Was ist Burnout?

Unter Burnout (englisch »to burn out« = ausbrennen) verstehen wir einen Zustand anhaltender körperlicher, emotionaler und mentaler Erschöpfung. Der Begriff wurde vom amerikanischen Psychoanalytiker Herbert Freudenberger geprägt, der den Zustand chronischer Erschöpfung erstmals in den 1970er Jahren untersucht hatte. In seinen Studien bezog er sich auf Personen, die in sozialen Berufen arbeiteten und sich im Laufe der Zeit von engagierten, mitfühlenden Kollegen in resignierte Zyniker verwandelten. Er sah dabei das Auseinanderklaffen von Erwartungshaltung und Realität als auslösenden Faktor an. Zudem stellte er fest, dass Burnout vor allem bei den Menschen auftrat, die von einem besonders hohen persönlichen Engagement sowie einem großen Leistungsanspruch an sich selbst geleitet waren. Auch zeigten die Probanden eine starke emotionale Bindung an ihre Arbeit, ihr Selbstwertgefühl gründete sich also wesentlich auf persönlichen Erfolg im Beruf oder auf ihre berufliche Position.

Wie kommt es zu einer chronischen Erschöpfung?

»Wer ausbrennt, muss einmal entflammt gewesen sein«, ist seit etwa Mitte der 1990er Jahre eine häufig gebrauchte Metapher. Dies legt nahe, dass es vor allem die hohe persönliche Einsatzbereitschaft und Begeisterung ist, die uns in die Erschöpfung treibt. Doch dies ist aus meiner Sicht oft gar nicht der entscheidende Faktor. Engagiert und »entflammt« zu sein ähnelt dem Zustand der Verliebtheit, wo ebenfalls die Euphorie dominiert und eine gewisse Verklärung der Realität stattfindet. Verliebtheit führt aber nicht zwingend zu enttäuschter Desillusionierung und dazu, dass in der Folge alles in die Brüche geht. Verliebtheit kann sich in Liebe und Bindung wandeln. In der Liebe sehen wir dann nicht nur die Schokoladenseiten, sondern auch die Schwächen und die Probleme unseres Partners, entscheiden uns aber trotzdem für ihn, weil wir ihn mitsamt seinen Fehlern schätzen und lieben – auch wenn nun der Himmel nicht mehr immerzu voller Geigen hängt.

So entsteht auch Burnout nicht automatisch infolge einer starken Identifikation mit dem Beruf und den täglichen Aufgaben. Vielmehr kann es auch hier so sein, dass ein anfänglicher Enthusiasmus zwar im Alltag »zurechtgestutzt« wird, sich daraus aber doch eine dauerhafte Freude, eine positives Grundgefühl entwickelt. Es sind weniger Begeisterung und hohes zeitliches und persönliches Engagement an sich, die uns an unsere Grenzen treiben. Es sind eher die Erwartungen, die andere an uns richten – unser Chef, die Kollegen, unser Partner, unsere Familie –, und unser eigener Anspruch, diesen vielfältigen Erwartungen möglichst optimal genügen zu wollen. Und natürlich spielen auch die konkreten Arbeits- und Umgebungsbedingungen eine große Rolle, was deutlich die Zunahme von Burnout-Erkrankungen zeigt.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Gestaltung des Erwerbs- und Privatlebens stark verändert. Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft, der Siegeszug von Internet und Handy und auch demografische Umbrüche beeinflussen unser heutiges Arbeitsleben und unsere Erholungsspielräume erheblich. Mehr Arbeit für weniger Beschäftigte, gestiegene Anforderungen in vielen Bereichen, Zeitverträge statt fester Anstellungen, unsichere, zunehmend nicht einmal die Existenz absichernde Arbeitsplätze, Mehrfachbelastungen, vor allem eben bei Frauen, und stetiger Zeitdruck – dies alles prägt den Alltag im 21. Jahrhundert. Faktoren, die natürlich Dauerstress und Erschöpfung fördern.

Zuträgliche Arbeitsbedingungen können viel Stress abfedern. Wenn wir relativ selbstbestimmt arbeiten können, Wertschätzung vom Chef erfahren und uns mit unseren Kolleginnen und Kollegen gut verstehen, wenn wir eine angemessene Bezahlung erhalten und auch Zeit und Möglichkeit haben, uns zu erholen, sind wir trotz eines möglicherweise recht hohen Arbeitspensums kaum burnoutgefährdet.

Wenn wir jedoch bei gleichem Arbeitspensum für unsere Ideen und Vorstellungen kein Gehör finden und kaum Kontrolle über unsere Arbeitsabläufe und die Einteilung unserer Zeit haben, sieht das schon anders aus. Tragen wir dann gleichzeitig noch hohe Verantwortung für die Ergebnisse und erfahren dabei weder finanziell noch persönlich Wertschätzung dafür, haben wir bald das Gefühl, ausgenutzt zu werden und in einem Hamsterrad zu rotieren. Und wenn uns dann noch die Zeit für uns selbst und unsere Erholung fehlt, dann muss sich das früher oder später rächen.

Ungünstige Arbeitsbedingungen führen oft dazu, dass wir uns noch mehr anstrengen, um unser Pensum trotzdem zu schaffen, und wenn dies nichts fruchtet, vielleicht noch mehr Zeit und Kraft aufwenden – bis irgendwann massive Selbstüberforderung droht. Einzelne der oben genannten Stressfaktoren lassen sich noch bewältigen, doch wenn mehrere zusammenwirken, kann das auch robuste Naturen in die Knie zwingen.

Das allgemeine Bestreben, immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern zu verteilen, um Kosten zu sparen, ist irgendwann ausgereizt. Ein Warnsignal sind bereits jetzt die Ausfalltage in vielen Betrieben, die Stress und Überlastung zuzuschreiben sind. Diese Zahlen steigen – auch in den Jahresberichten der Krankenversicherungen gut zu sehen – schon seit einigen Jahren kontinuierlich an.

Oft wollen Frauen, die an einem Burnout leiden, nicht wahrhaben, dass sie längst am Ende ihrer Kräfte sind, und schleppen sich auch dann noch durch den Arbeits- und Pflichtenalltag, wenn sie schon fast nicht mehr können. Dementsprechend lange dauert es auch, bis sie sich davon erholt haben und wieder gesund sind. So können Burnout-Betroffene dann für längere Zeit außer Gefecht sein, manchmal für Wochen oder auch Monate. Das wirkt sich natürlich auf die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen aus, die in der Regel in der Zeit zusätzliche Arbeit übernehmen müssen und dabei riskieren, sich ihrerseits zu übernehmen.

Doch nicht allein die verschärften Arbeitsbedingungen sind es, die krank machen können. Vielfach kommen beim Burnout oft auch überhöhte individuelle Ansprüche an sich selbst dazu sowie der schon erwähnte Erwartungsdruck von anderen – Arbeitgebern, Kollegen, Partnern, Familie – und die Überzeugung, man müsste all diesen Erwartungen stets und ständig hundertprozentig gerecht werden.

So steigern sich oft äußere Anforderungen erst durch eigene Leistungsansprüche und Befürchtungen zum Super-Stress: »Ich muss das alles perfekt hinkriegen«, »Ich muss das einfach noch schneller schaffen«, »Wenn ich meinem Chef etwas ausschlage, komm ich auf die Abschussliste!«, »Nur wenn ich mein Tagespensum voll geschafft habe, fühle ich mich gut« und so weiter. Solche Glaubenssätze sorgen dafür, dass der Adrenalinspiegel hochschnellt – und oben bleibt. In grauer Vorzeit waren es gefährliche Raubtiere, die in unseren Vorfahren den Kampf-oder-Flucht-Reflex auslösten und den Körper mittels Hormonausschüttung zur Höchstform hochpeitschten. Heute bringt uns der allgegenwärtige Stress unablässig auf Hochtouren – der, der von außen kommt, und der, den wir uns, mittels unserer Ansprüche an uns selbst, unserer Erwartungen und Befürchtungen, selbst machen.

Die Phasen des Burnout-Prozesses

Bevor aus der ständigen Überlastung ein Burnout wird, vergehen oft Jahre, und diese Zeit ist geprägt vom zunehmend verzweifelten Bemühen, irgendwie mit der Situation und mit den immer deutlicher sich abzeichnenden Symptomen zurechtzukommen – und schließlich einfach nur noch zu funktionieren, bis es eben nicht mehr geht. Wir können dies mit einer Abwärtsspirale vergleichen, in der die Erschöpfung sich auf immer weitere Bereiche ausdehnt.

Häufig werden gerade die mentalen und psychischen Symptome ignoriert oder kleingeredet. Noch immer ist es gesellschaftlich wesentlich akzeptabler, einen Reizmagen oder Rückenprobleme zu haben, als zugeben zu müssen, die eigene Gedanken- und Gefühlswelt nicht mehr »managen« zu können. Daher scheuen Betroffene in der Regel den Gang zum Therapeuten, und so wird Burnout meist erst relativ spät festgestellt. Dies zieht dann entsprechend lange Therapiezeiten nach sich. Die in der Abwärtsspirale dargestellten 12 Phasen veranschaulichen, wie sich ein Burnout-Prozess langsam aufbaut und dann immer rascher an Fahrt gewinnt (siehe Seite 16).

Phase 1: Wir folgen dem Drang, uns unbedingt beweisen zu wollen

Gerade in der Anfangsphase sind die Übergänge zwischen starkem Engagement und überhöhten Ansprüchen an die eigene Leistungsfähigkeit fließend. Als Betroffene stehen wir öfters unter Zeit- und Erfolgsdruck und sind motiviert, alles möglichst gut zu schaffen. Dass dabei der Anspruch an uns selbst manchmal zu hoch gesteckt ist, erkennen wir zunächst nicht. Das Gefühl, alles auf die Reihe zu kriegen und unentbehrlich zu sein, lässt uns häufig persönliche Leistungsgrenzen überschreiten.

Zu Anfang eines Burnout-Prozesses steht manchmal schon ein diffuses Unwohlsein, das sich beispielsweise auch in Muskelverspannungen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen zeigen kann.

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Phasenmodell in Anlehnung an Freudenberger und North (2002)

Phase 2: Wir verstärken unseren Einsatz weiter

Der Druck wächst, alles selbst und alles perfekt machen zu müssen, um unter Beweis zu stellen, dass wir allen Anforderungen gewachsen sind. Delegieren sehen wir oft als zu zeitaufwändig und zu umständlich an – aber unterschwellig auch als eine Infragestellung unserer Schaffenskraft. Manchmal können wir dann aber trotz aller Anstrengung Aufgaben nicht mehr so erfüllen, wie es von uns erwartet wird oder wie wir es uns selbst abverlangen. Um das Formtief zu überdecken, wenden wir zunehmend mehr Energie auf.

In dieser Phase verstärken sich auch die psychosomatischen Beschwerden. Muskelverspannungen verfestigen sich, Kopfschmerzen werden häufiger, dazu können Magen- und Herzbeschwerden oder auch ein erhöhter Blutdruck kommen. Trotz Übermüdung liegen wir nachts häufig wach und finden keine Ruhe. Diese Symptome gehen aber meist wieder zurück, sobald wir an diesem Punkt unsere Grenzen erkennen und beschließen, kürzerzutreten und uns mehr Entspannung und Erholung zu gönnen.

Phase 3: Wir vernachlässigen unsere Bedürfnisse

Ignorieren wir weiterhin das Bedürfnis nach mehr Ruhe und Zeit für uns selbst, dann lässt der Wunsch, einen Ausgleich zu Arbeit und Pflichten zu schaffen, schließlich nach. Wir sind dann für alles und jedes einfach zu müde. Zu müde, um mit der Freundin einen Stadtbummel zu machen, zu müde um mit dem Partner ins Konzert zu gehen oder ein Hobby weiter zu pflegen. Wir können uns einfach zu nichts mehr aufraffen und meinen schließlich, solche Bedürfnisse eigentlich gar nicht zu haben: »Was bringt das schon?« Auch das Bedürfnis nach Sex und nach Zärtlichkeit flaut ab. Um »abschalten« zu können, setzen wir jetzt häufiger auch Alkohol oder Medikamente ein. Zusehends vergeht unsere Lebensfreude und mit ihr die Fähigkeit, uns erholen zu können. Pausen, Nachtschlaf, Wochenende, Urlaub führen immer seltener zu dem alten Leistungsniveau zurück. Der Körper »verlernt« das Entspannen, der unablässige Dauerstress selbst führt derweil zu noch mehr Anspannung. Die Erschöpfungsspirale dreht sich weiter.

Phase 4: Wir verdrängen Probleme und Konflikte

Obwohl wir nun deutlich spüren, dass etwas nicht stimmt, wollen wir dem aus Angst vor den Konsequenzen nicht auf den Grund gehen, sondern wiegeln ab. Vor allem wollen wir uns auch nicht von außen in die Karten schauen lassen und vielleicht als schwach, unzuverlässig oder psychisch wenig belastbar angesehen werden. Doch Einsatz und Ergebnis sind nicht mehr in Balance, das ist uns unterschwellig schon klar. An den zunehmenden Fehlleistungen wie Unpünktlichkeit, Verwechslung von Terminen, Flüchtigkeitsfehlern etc. lässt sich nicht gänzlich vorbeischauen. Da tauchen dann zwar Selbstzweifel auf, doch wir beruhigen uns selbst damit, dass dies alles nur vorübergehende Schwierigkeiten sind, und versuchen, durch noch härteren Einsatz alles wieder wettzumachen. In dieser Phase reagieren wir besonders empfindlich auf Kritik, aber auch auf gut gemeinte Hilfsangebote. Obwohl wir mit der eigenen Leistung unzufrieden sind, soll nicht der Eindruck entstehen, wir würden »schwächeln«.

Währenddessen verstärken sich die gesundheitlichen Probleme weiter.

Phase 5: Wir deuten Werte um

Die Vorstellung, den eigenen Ansprüchen und den vielfältigen Erwartungen anderer perfekt gerecht werden zu können, stellt sich als Illusion heraus. Die ersehnten Erfolge bleiben aus, stattdessen sehen wir überall die Defizite – bei uns selbst und auch bei anderen, sind zunehmend frustriert. Wir fühlen uns wie Sisyphos: Mühsam wird der Stein den Berg hinaufgewälzt, und kaum ist er oben, rollt er wieder herunter, und das bis in alle Ewigkeit. So wird der Alltag zur Tretmühle. Uns bislang wichtige Ziele werden infrage gestellt und oft auch entwertet: »Wozu das Ganze eigentlich?« Soziale Kontakte erleben wir als belastend und gehen ihnen aus dem Weg, wo immer es geht. Wir sind enttäuscht von uns selbst und vom Leben ganz allgemein.

Phase 6: Wir leugnen Probleme und Konflikte noch stärker

Um weiter funktionieren zu können, verdrängen wir alle auftretenden gesundheitlichen und sozialen Probleme, wollen vor allem nicht wahrhaben, dass der Preis dafür, die Dinge am Laufen zu halten, längst zu hoch geworden ist. Ungeduld und Intoleranz kennzeichnen diese Phase. Auf vieles, womit wir bislang noch relativ gelassen umgegangen sind, reagieren wir nun gereizt und genervt, sind auch immer weniger bereit, uns in die Bedürfnisse anderer einzufühlen. Freunde und Kollegen ziehen sich gekränkt zurück. Gleichzeitig erleben wir nun immer offensichtlicher Leistungseinbußen und sind zutiefst unzufrieden mit uns selbst.

Auch die körperlichen Beschwerden verstärken sich massiv. Es entsteht ein Teufelskreis von Überforderung, Unzufriedenheit, Selbstanklage und dem Bestreben, es doch noch irgendwie zu schaffen, alles einfach durchhalten zu müssen.

Phase 7: Wir ziehen uns in uns selbst zurück

Die Reste unseres sozialen Netzes zerbröckeln. Wir empfinden die Menschen in unserer Umgebung überwiegend als aufdringlich, fordernd und oft auch als »falsch« oder feindselig. Wir fühlen uns unverstanden und abgelehnt und wollen nichts mehr mit anderen zu tun haben. Aus gemeinsamen Unternehmungen klinken wir uns aus, um Gespräche und Diskussionen machen wir einen Bogen oder sitzen einfach nur da, ohne uns zu beteiligen. Es ist uns egal, worüber da gerade geredet wird. Besorgte Nachfragen oder Hilfsangebote weisen wir schroff zurück, da wir uns sofort gemaßregelt fühlen. Um uns selbst vor Einmischung anderer zu schützen, gehen wir häufig so weit, eine Art innere Mauer zu errichten und niemanden mehr wissen zu lassen, wie es uns geht.

Phase 8: Unser Verhalten verändert sich deutlich

Andere sehen, dass wir leiden, wagen es aber nicht mehr, uns darauf anzusprechen. Allzu oft hatten wir Hilfsangebote zurückgewiesen und nun bleiben sie aus. So gehen Freunde und Kollegen uns lieber aus dem Weg, denn wir sind anstrengend im Umgang geworden. Immer häufiger reagieren wir auf relativ belanglose Vorkommnisse mit starken Emotionen: Wut, Angst, Tränen. Anschließend verurteilen wir uns selbst dafür, dass uns die Nerven durchgegangen sind, empfinden Scham deswegen und sondern uns noch weiter ab.

Phase 9: Das Gefühl für uns selbst schwindet

Wünsche, Bedürfnisse und Ziele, die wir hatten, bedeuten uns nichts mehr. Wir haben kein Interesse mehr an den Dingen, die uns einmal Freude gemacht hatten. Dies erscheint nun so weit weg, als sei es in einem anderen Leben gewesen. Stattdessen schleppen wir uns mehr oder minder durch den Tag, sind emotional kaum mehr belastbar. Jede Anforderung ist ein bleischweres Gewicht, das nach unten zieht. Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle herrschen vor. Manchmal könnten wir ständig weinen.

Phase 10: Innere Leere

Unser emotionales Erleben reduziert sich fast völlig auf Angst und das Gefühl, völlig einsam zu sein und von niemandem verstanden zu werden. Wir fühlen uns ausgehöhlt, mutlos und leer. Vorherrschendes Thema ist, die vielfachen Ängste und die Hoffnungslosigkeit in Schach zu halten, oft auch mithilfe von Alkohol oder Medikamenten.

Phase 11: Depression und Verzweiflung

Die Erschöpfung dominiert. Wir sehen überhaupt keinen Sinn mehr im eigenen Tun und im eigenen Leben. Schließlich schlägt die Erschöpfung in völlige Verzweiflung um. Jegliche Lebensfreude ist uns abhandengekommen. Stattdessen wird die Hoffnungslosigkeit nun unser Dauerzustand und verdichtet sich immer mehr hin zur tiefen Depression. Jeder neue Morgen ist eine Qual. Oft tauchen nun auch Suizidgedanken auf.

Phase 12: Nichts geht mehr: Burnout

Dies ist die völlige mentale, körperliche und emotionale Erschöpfung. Wir fühlen uns außerstande, noch irgendetwas zu tun.

Wird ein beginnender Burnout ignoriert und nicht rechtzeitig gegengesteuert, können die Erschöpfungszustände zu chronischen physischen und psychischen Erkrankungen führen. Lang andauernde Arbeitsunfähigkeit ist dann oft die Folge. Umso wichtiger ist es, Burnout-Anzeichen frühzeitig selbst zu erkennen, um möglichst effektiv etwas dagegen unternehmen zu können. Je eher Sie gezielt gegensteuern, desto besser sind die Chancen, ohne bleibende gesundheitliche Schäden aus der Burnout-Spirale aussteigen zu können.