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www.beck.de

 

ISBN 978-3-406-69235-2

 

© 2016 Verlag C. H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Bildnachweis: © Marco2811 – fotolia.com
eBook‐Produktion: Datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

3 Inhalt

Vorwort

Kleine Charakterkunde

Nehmen Sie’s ruhig persönlich: die Big Five

Charaktergerecht führen

Was zeichnet eine Führungspersönlichkeit aus?

Die Psychologie der Entscheidung

Der Mythos vom rationalen Entscheiden

Der Mythos von den guten Bauchentscheidungen

Entscheiden mit Sinn und Verstand

Psychologische Entscheidungsfallen

Macht, Einfluss und Dominanz

Was ist Macht?

Die Kontrollillusion

Dominanz und Status

Die Statuswippe

Misstrauen und Macht

Konflikte managen

Konflikte haben „weiche Grenzen“

Die drei Stufen des Konflikts

Interessen- oder Beziehungskonflikt?

Konflikte lösen von innen nach außen

Wann Sie sich als Führungskraft einmischen sollten

Sieben Regeln, um Konflikte zu schlichten

Die Psychologie der Gruppe

Der Ringelmann-Effekt

Drei Motivationshemmnisse für Gruppenarbeit

Drei Motivationsverstärker für Gruppenarbeit

Hidden-Profile-Aufgaben

Wie Sie Gruppenarbeit verbessern können

Die Groupthink-Falle

Wie sich Groupthink verhindern lässt

Literaturverzeichnis

So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele, die die geschilderten Sachverhalte veranschaulichen.

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

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Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und hilfreiche Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

5Vorwort

Psychologie ist die Wissenschaft von der Seele des Menschen, seinem Denken, seinen Gefühlen und seinem Verhalten. Eine Führungskraft sollte wissen, wie Menschen „ticken“, was sie antreibt und wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten. Daher soll in diesem Buch ein kleiner Einblick gewährt werden in psychologische Themen, die auch im Alltag von Führungskräften eine Rolle spielen.

Wer die psychologischen Hintergründe kennt, ist deshalb noch keine gute Führungskraft. Aber Führungskräfte können psychologisches Wissen in ihrer täglichen Arbeit nutzen.

6Kleine Charakterkunde

Menschen sind sehr verschieden. Jeder hat so seine eigene Art, wie er sich verhält, denkt und urteilt, welche Vorlieben er hegt und worauf er Wert legt. Diese besondere Art, die jemanden kennzeichnet, nennen wir seinen Charakter oder auch seine Persönlichkeit.

Ein Charakter bleibt relativ stabil. Er ist so etwas wie ein Wasserzeichen, das unter ganz verschiedenen Umständen zum Vorschein kommt und das sich durchaus in unterschiedlichen Verhaltensweisen äußern kann. Aber es ist immer wieder dasselbe Muster. Wenn wir über jemanden sagen: „Das ist typisch für ihn!“, dann sprechen wir über seinen Charakter.

Für Führungskräfte ist es aus drei Gründen sehr hilfreich, über die unterschiedlichen Charaktere Bescheid zu wissen:

7Nehmen Sie’s ruhig persönlich: die Big Five

Nun ist der Charakter eines Menschen gar nicht so ohne Weiteres zu fassen. Es gibt eine verwirrende Vielfalt an Charakteren und Charakterzügen. Um sich da zurechtzufinden, hat man seit der Antike die unterschiedlichsten Ordnungssysteme und Typisierungen entwickelt. Schon vor zweieinhalbtausend Jahren unterschied der griechische Arzt Hippokrates vier Persönlichkeitstypen, je nachdem, welcher „Körpersaft“ bei dem betreffenden Menschen vorherrsche: der lebhafte Sanguiniker (Blut), der langsame Phlegmatiker (Lymphflüssigkeit), der aufbrausende Choleriker (gelbe Galle) und der schwermütige Melancholiker (schwarze Galle). Diese Einteilung ist alles andere als systematisch und auch die medizinischen Grundannahmen hinsichtlich der Körpersäfte sind schon lange widerlegt. Dennoch sprechen wir noch heute von Cholerikern, Melancholikern und Phlegmatikern und versuchen, uns auf diese unterschiedlichen Temperamente einzustellen.

Auch in der Psychologie existiert eine beeindruckende Vielzahl verschiedenster Ansätze. Darunter dürfte das sogenannte „Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit“ am bekanntesten sein; auch in Fachkreisen gilt es als das bewährte Standardmodell. Weltweit wird es von Psychologen genutzt und einfach nur als Big Five bezeichnet.

Um jedoch gleich einem weitverbreiteten Missverständnis vorzubeugen: Die Big Five unternehmen nicht den Versuch, alle Menschen in eine von fünf Schubladen zu stecken. Vielmehr bezeichnen die fünf Faktoren unterschiedliche Dimensionen der Persönlichkeit: Jeder Charakter zeigt in jeder 8Dimension eine ganz eigene Ausprägung, hat mal mehr, mal weniger von der fraglichen Eigenschaft.

Man kann sich das in etwa so vorstellen wie fünf Regler, die auf bestimmte Positionen eingestellt sind und so einen unverwechselbaren Charakter ergeben. Die „großen fünf Faktoren“ sind im Einzelnen:

Emotionale Labilität (Neurotizismus):

Hohe Ausprägung: Wer emotional labil ist, gerät seelisch schnell aus dem Gleichgewicht. Er nimmt sich alles zu Herzen, macht sich schnell Sorgen, ist reizbar und leicht verletzbar. Stress im Beruf steht er nur schwer durch. Auf der anderen Seite zeigt er Mitgefühl und kann sich gut in andere einfühlen.

Niedrige Ausprägung: Solche Menschen sind emotional stabil, bewahren auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf und lassen sich nur schwer aus der Fassung bringen.

Extraversion

Hohe Ausprägung: Die betreffende Person fühlt sich wohl, wenn sie im Mittelpunkt steht. Sie sucht die Gesellschaft von anderen, mag Trubel, zeigt sich selbstsicher und gesprächig. Wenn es darauf ankommt, kann sie ihre Interessen gegenüber den anderen durchsetzen.

Niedrige Ausprägung: Solche Menschen sind introvertiert, zurückhaltend, gerne allein. Sie beziehen ihre Energie von innen heraus und arbeiten am liebsten konzentriert in aller Ruhe. Sie bevorzugen kleine Gruppen gegenüber großen. 9Sie haben aber keineswegs Angst vor ihren Mitmenschen. Introvertiertheit geht oft mit guter Beobachtungsgabe einher.

Offenheit für Erfahrungen

Hohe Ausprägung: Menschen, die kreativ und fantasievoll sind, erreichen hier hohe Werte. Zudem sind sie wissbegierig, intellektuell und Unbekanntem gegenüber sehr aufgeschlossen. Sie haben keine Scheu, sich über Konventionen hinwegzusetzen.

Niedrige Ausprägung: Diese Person hält lieber an Bewährtem fest, scheut das Risiko, fühlt sich durch Veränderungen bedroht. Sie genießt es, wenn sie an ihrer Routine festhalten kann. Das gibt ihr Sicherheit.

Verträglichkeit

Hohe Ausprägung: Solche Menschen kümmern sich gerne um andere, sie sind bestrebt, ihnen zu helfen. Sie sind kooperativ, eher nachgiebig und haben ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis. Sie ertragen es nur schwer, wenn andere ihnen etwas übel nehmen.

Niedrige Ausprägung: Am anderen Ende der Skala befinden sich stark wettbewerbsorientierte Charaktere. Sie sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht, gegenüber anderen misstrauisch und fest entschlossen, für die eigenen Interessen einzutreten. Dass andere ihnen nicht wohlgesonnen sind, damit können sie gut leben. Es ist ihre tägliche Erfahrung.

10Gewissenhaftigkeit

Hohe Ausprägung: Menschen, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Sie handeln pflichtbewusst und mit großer Selbstdisziplin.

Niedrige Ausprägung: Im günstigsten Fall handelt es sich um Improvisationstalente, die die Dinge auf sich zukommen lassen. Sie neigen zur Sorglosigkeit und mangelnder Sorgfalt.

Nun gibt es noch weitere Eigenschaften, die einen Charakter auszeichnen: Etwa, ob die Person dominant auftritt oder sich eher unterordnet. Ob sie humorvoll ist oder begeisterungsfähig. Allerdings wird die Sache mit jeder neuen Dimension ein Stück unübersichtlicher. Und so halten wir uns erst einmal an die bewährten Big Five.

Charaktergerecht führen

Alle Führungsaufgaben zielen immer auf die Tätigkeit von anderen. Daher sollten Führungskräfte daran interessiert sein, das Beste aus ihren Mitarbeitern herauszuholen. Doch das ist gar nicht so einfach. Mit den gleichen Worten können Sie den einen Mitarbeiter zu Höchstleistungen anstacheln und den anderen völlig entmutigen. Den einen müssen Sie bremsen, den anderen antreiben. Der eine braucht seine Freiheiten, der andere fühlt sich nur wohl, wenn er detaillierte Anweisungen bekommt.

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11Merke

Als Führungskräfte erzielen Sie vor allem dann gute Ergebnisse, wenn Sie sich auf den Charakter Ihrer Mitarbeiter einstellen.

Mit dieser Aussage wird man kaum auf Widerspruch stoßen. Und doch mangelt es in der Praxis häufig genau daran: Der Chef pflegt seinen Führungsstil und ist nicht in der Lage, sich auf die Eigenarten der Mitarbeiter einzustellen. Die Folge: Er kommt mit manchen Mitarbeitern gut zurecht, findet leicht einen Draht zu ihnen, während andere ihm schwierig, unfähig oder unmotiviert erscheinen.

Auf diese Weise bleiben viele Fähigkeiten und Talente ungenutzt. Die Mitarbeiter merken, dass sie bei ihrem Chef nicht ankommen, dass er für ihre Eigenarten kein Verständnis hat, ja, dass er sie ablehnt. Keine gute Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit.

Respekt vor der Persönlichkeit

Das bedeutet keineswegs, dass Sie als Führungskraft die Marotten und schlechten Angewohnheiten Ihrer Mitarbeiter tolerieren sollten. Im Gegenteil, Sie dürfen bestimmte Verhaltensweisen nicht durchgehen lassen. Aber die Art und Weise, wie Sie auf Ihren Mitarbeiter einwirken, wie Sie mit ihm umgehen, sollte auf seinen Charakter abgestimmt sein. Erste Voraussetzung dieser „charaktergerechten Führung“ ist der Respekt vor der Persönlichkeit Ihres Mitarbeiters.

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12Merke

Sie können den Charakter Ihrer Mitarbeiter nicht verändern. Auch wenn Ihnen bestimmte Charakterzüge nicht behagen, Sie erreichen mehr, wenn Sie mit ihnen arbeiten als gegen sie anzukämpfen.

Wie Sie emotional labile Menschen führen

In der Hierarchie stehen emotional labile Menschen selten sehr weit oben. Was ihnen dazu fehlt, das sind die „Nehmerqualitäten“, wie man das im Boxsport nennt. Sie sind leicht verletzbar und das nutzt die Konkurrenz gelegentlich gerne aus. Rücken sie einmal auf eine Führungsposition, können sie sich oft nicht lange behaupten.

Doch unter den Mitarbeitern treffen Sie schon eher auf Persönlichkeiten, die emotional etwas labil sind. Wie im Übrigen auch manche externe Spezialisten. Sie sollten nicht glauben, emotional labile Menschen wären nicht imstande, Vortreffliches zu leisten. Vor allem mit einer hohen Ausprägung in der fünften Persönlichkeitsdimension, Verlässlichkeit, finden sich hier sehr wertvolle Mitarbeiter.

Aber was sie brauchen, das ist Sicherheit, Ermutigung Anerkennung. Solche Mitarbeiter müssen Sie schützen und beschirmen. Sonst sind sie den Anforderungen nicht gewachsen und legen sich buchstäblich selbst lahm.

13Versagen aus Versagensangst

Herr Reichender leistet zuverlässig gute Arbeit. Um ihn zu belohnen, beauftragt ihn sein Chef, Herr Lutterbeck, mit einem anspruchsvollen Projekt für einen wichtigen Kunden. Herr Reichender fühlt sich verunsichert, wofür Herr Lutterbeck kein Verständnis hat. Er macht seinem Mitarbeiter klar, wie viel von dem Projekt abhängt. Dadurch wird Herr Reichender noch ängstlicher. Er ist blockiert und scheitert mit dem Projekt. Als Herr Lutterbeck ihn zur Rede stellt, fährt er ihn schroff an. Von Furchtsamkeit keine Spur. Diese Energie hätte Herr Reichender besser in das Projekt gesteckt, meint Herr Lutterbeck.

Solche Fälle sind weit verbreitet: Der Vorgesetzte kann sich nicht in seinen emotional labilen Mitarbeiter hineinversetzen. Er meint, da der sich durch gute Arbeit empfohlen hat, braucht er „neue Herausforderungen“. Dass sein Mitarbeiter gerade das nicht als Belohnung, sondern als Bedrohung sieht, dafür fehlt ihm jedes Verständnis. Doch trägt der Vorgesetzte in unserem Beispiel ein erhebliches Maß an Verantwortung dafür, dass die Sache schief gegangen ist. Als Führungskraft hat Herr Lutterbeck keine gute Figur gemacht.

Dass sein Mitarbeiter ihm gegenüber einen schroffen Ton anschlägt, ist kein Zeichen dafür, dass der sich doch etwas traut. Vielmehr fühlt er sich in die Enge getrieben und reagiert kopflos und verzweifelt. Solche Situationen können eskalieren – mit unabsehbaren Folgen.

Extrovertierte und introvertierte Mitarbeiter führen

Ein extrovertierter Mitarbeiter will unter Menschen sein. Es darf, ja, es soll durchaus etwas turbulenter zugehen. Er sprüht vor Energie, geht gern auf andere zu und mag es sehr, sich vor ihnen zu produzieren.

Unter den extrovertierten Charakteren gibt es zwei typische Ausprägungen: den „verträglichen“ und den „wettbewerbsorientierten“ Typus. Der verträgliche Extrovertierte kümmert sich sehr stark um die anderen, nimmt Anteil und ist so etwas wie „die gute Seele“ der Abteilung. Der wettbewerbsorientierte Extrovertierte will vor allem glänzen und genießt es, wenn er bei den anderen Eindruck macht.

15Extrovertierte Mitarbeiter sind eher Tatmenschen als Bedenkenträger. Sie sind umtriebig, kontaktstark, denken geradeaus und nicht um sieben Ecken herum. Außerdem verstehen sie es sehr gut, sich selbst zu verkaufen. Alles Eigenschaften, die der beruflichen Karriere nicht gerade abträglich sind. Und doch hat die Extraversion auch ihren Preis. Solche Mitarbeiter sind sehr stark auf die Außenwelt bezogen. Das geduldige vor sich Hinwerkeln ist ihre Sache nicht. Sie brauchen immer wieder Impulse von außen. Das setzt ihnen Grenzen.

Wo die extrovertierten Mitarbeiter ihre Schwachpunkte haben, da liegen bei den introvertierten Charakteren ihre Stärken. Sie schöpfen ihre Energie von innen heraus, sind konzentrierter bei der Sache und stehen auch längere Phasen durch, in denen sie auf sich allein gestellt sind.

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