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Ruth Gattiker – Pionierin der Herzanästhesie – Denise Schmid – HIER UND JETZT

Für Gerhard, Vera und Andrea

Inhalt

Vorwort

Aufruhr um die erste Herztransplantation 1969

Kindheit und Jugend

Endlich Medizin studieren

Weichenstellung

Pionierzeit der Herzchirurgie

Im VW Käfer durch die USA

Das Fernweh und die Ferienhäuser

Frau Professor

Die pensionierte Studentin

Alt, älter, sehr alt werden

Nachwort

Zeittafel

Dank

Anmerkungen

Bildnachweis

Autorin

«Time present and time past are both perhaps present in time future and time future contained in time past.»

T. S. Eliot

Vorwort

November 2014

Ein kalter, unfreundlicher Tag, draussen dunkelt es schon um 17 Uhr ein. Ich muss ein Buch holen in der Zentralbibliothek Zürich. Im Erdgeschoss, wo sich die Computer zur Recherche aneinanderreihen, entdecke ich einen mir bekannten weisshaarigen Kopf: Ruth Gattiker, Professorin für Herzanästhesie, 91 Jahre alt. Was macht sie hier? Ich gehe zu ihr hin. Sie sitzt vor einem Bildschirm, neben ihr liegen ein aufgeschlagenes Wörterbuch, mehrere Blätter Papier. «Guten Abend, Frau Gattiker.» Sie schreckt leicht auf, stutzt, erkennt mich: «Ah, grüezi Frau Schmid.» Ich frage, ob sie an etwas arbeite. «Nein, nein, ich mache Hausaufgaben, habe heute Abend noch Griechischunterricht oben an der Uni.»

Das ist Ruth Gattiker, besucht Altgriechischkurse mit über 90 Jahren. Sie wohnt in Davos, reist zwei- bis dreimal pro Woche mit dem Zug nach Zürich, geht ins Konzert, in die Oper oder eben an die Universität. Sie fährt noch Auto, geht jeden Tag ein bis zwei Stunden spazieren und scheint mir geistig und körperlich mindestens so fit wie ich mit meinen fast 50 Jahren. Nur das Gehör funktioniert nicht mehr optimal. Ab und zu muss sie nachfragen, und sie trägt ein Hörgerät. Doch das Erstaunliche an dieser Frau sind nicht nur ihre beneidenswert guten Gene. Erstaunlich ist, was sie aus ihren Gaben in diesen 91 Jahren gemacht hat, wie sie unbeeindruckt von Vorurteilen und gesellschaftlichen Normen, die für eine 1923 geborene Frau galten, ihren Weg gegangen ist und ihre Intelligenz, ihre Energie und die vielseitigen Begabungen genutzt hat und immer noch nutzt.

Januar 2015

Ich bin in Davos. Gestern habe ich sie angerufen und gefragt, ob sie Lust hätte, mit mir heute zu Mittag zu essen. «Ja, wieso nicht. Ich gehe am Nachmittag eine Bekannte auf dem Wolfgangpass besuchen. Wir können uns vorher treffen. Wo?» «Im Chesa im Hotel Seehof?» «Ja, das ist gut.» «Soll ich sie abholen, Frau Gattiker?» Sie wohnt am Eingang des Dischmatals in der Siedlung Büelen in ihrem früheren Ferienhaus. Ich war einmal dort.

«Nein, nein, das ist überhaupt nicht nötig.» Sie weist das Angebot leicht entrüstet zurück. Das ist etwas, was ich mit der Zeit lernen werde. Sie mag es nicht, wenn man ihr etwas nicht zutraut oder sie wie eine hilfsbedürftige ältere Dame behandelt. Alles, nur das nicht.

Wir treffen gleichzeitig um halb eins vor dem Restaurant ein. Sie beäugt kritisch den Steinboden im Eingangsbereich des Restaurants Chesa. «Ist das Stein? Dann muss ich meine Bergschuhe wegen der Eisen ausziehen.» Sie schnallt ihren kleinen Rucksack ab, packt ein paar leichtere Winterschuhe aus; mit der Hand auf einen Tisch abgestützt, bückt sie sich und wechselt auf einem Bein stehend ihre Schuhe. Nein, nein, sie braucht natürlich keine Hilfe, und die Schuhe mit den Eisen hatte sie nur an, weil sie vom Dischmatal zum Restaurant zu Fuss gegangen ist. Eine gute halbe Stunde. «Ich muss ja jeden Tagen gehen, das ist wichtig», sagt sie.

Ruth Gattiker ist ausserordentlich in vielerlei Hinsicht, mag es aber nicht, wenn man das erwähnt. Beim Mittagessen im Restaurant Chesa schlage ich ihr das erste Mal vor, dass wir zusammen ihre Lebensgeschichte aufschreiben könnten.

«Dumms Züüg, wer würdi das läse?», lautet die spontane erste Reaktion. Ich habe diesen Satz schon einmal gehört. Wir kennen uns, weil ich ein Jahr zuvor ein kurzes Porträt über sie und ihr Leben verfasst habe, nachdem ich sie bei einem Abendessen an der Universität kennengelernt hatte. Ihre burschikose, resolute Art und wie sie aus ihrem Leben erzählte, interessierten mich sofort.

Ruth Gattiker gehört zusammen mit anderen zu den Pionieren der Entwicklung der Herzchirurgie in den 1950er- und 1960er-Jahren. Aufgewachsen in einer Mittelstandsfamilie in Zürich Oerlikon mit Eltern, die sich für ihre beiden Töchter ein Leben als Hausfrau und Mutter vorstellten, war ihr Weg alles andere als vorgezeichnet. Gattiker ist als Kind ein widerspenstiger Rotschopf, der sich nicht davor scheut, mit dem autoritären Vater zu streiten. Sie träumt schon als Teenager von einem akademischen Beruf, möchte keine Kinder und unabhängig sein. Über Umwege – wie das dreimalige Ablegen der Matura, bis sie endlich Medizin studieren darf – wird sie Ärztin und spezialisiert sich auf Anästhesie. Als der renommierte Herzchirurg Åke Senning 1961 nach Zürich geholt wird, gibt das ihrem Weg eine neue Wende. 1963 verbringt sie ein Jahr an der Mayo-Klinik in den USA und macht danach mit ihrem VW Käfer für zwei Monate eine Tour zu den wichtigsten Herzkliniken. 1964 ist sie bei der ersten Nierentransplantation in Zürich mit dabei, 1969 bei der ersten Herztransplantation. Da steht längst fest, dass sie eine akademische Karriere einschlagen will. Ihre Habilitationsschrift erscheint 1971 und ist über viele Jahre das Standardwerk zum Thema Herzanästhesie im deutschsprachigen Raum. 1976 wird sie zur Titularprofessorin ernannt und 1986 pensioniert. Und obwohl sie in ihrem beruflichen Umfeld als Fräulein galt, das vorwiegend für seinen Beruf lebt, hatte Gattiker ein vielseitiges, schönes Privatleben.

Ich möchte dieses Buch über sie und mit ihr schreiben. Es scheint mir erzählenswert, dieses aussergewöhnliche, selbstbestimmte Leben. Kann ich sie davon überzeugen? Sie ist etwas misstrauisch, aber ganz abgeneigt wirkt sie nicht. Das hätten schon viele Leute gesagt, dass sie ihr Leben aufschreiben solle, aber sie wisse nicht recht. Die wachsamen, braunen Augen in dem schmalen Gesicht schauen mich prüfend an. Selbst schreiben will sie es nicht. Ich biete ihr an, Gespräche mit ihr zu führen. Sie schweigt und denkt nach. Ich dränge sie nicht. Wir lassen das Thema ruhen und gehen zu anderem über.

Als sie um zwei Uhr den Bus Richtung Wolfgang nimmt, kann ich noch nicht einschätzen, wie es weitergehen wird. Ich habe vorläufig auch gar keine Zeit für dieses Projekt, nur Lust darauf. Als der Bus weg ist, fällt mir ein Satz ein, den sie gegen Ende unseres Treffens gesagt hat: «Wissen Sie, ich will nicht sterben, ich lebe so gerne.» Rührt daher diese gewisse Scheu? – Sich auf ein Buch einzulassen, das eine letzte Seite haben wird?

Mai 2015

Tagelang hat es in Zürich geregnet. Überschwemmungsfrühling. Ich fahre nach Davos, wo mich ein strahlender Bergfrühlingstag empfängt; blühende Magerwiesen, weisse Berggipfel, dunkelblauer Himmel. Schöner kann es nicht sein. Ich bin mit ihr verabredet. Am Telefon habe ich berichtet, dass ein Verlag an ihrer Lebensgeschichte interessiert sei. Ich habe ein kleines Konzept geschrieben, der Verlag hat eine Vorkalkulation gemacht. Diese Papiere sind in meiner Tasche, als ich hinauffahre zur Siedlung Büelen, dazu das Verlagsprogramm und zwei Bücher, die ich geschrieben beziehungsweise mitgeschrieben habe. Werbung in eigener Sache, wir kennen uns noch nicht gut. Am Telefon klang Ruth Gattiker freundlich, lud mich zum Kaffee ein, kein Widerstand, als ich sagte, es gehe um ihre Biografie. Ich mache mir Hoffnungen. Um punkt drei Uhr klingle ich an der Tür ihres Hauses. Sie öffnet. Ihre mittelgrosse, hagere, leicht gebückte Gestalt. Sie wirkt aufgeräumt und vital, heisst mich willkommen, geht voraus in die Küche, lässt einen Kaffee für sich und einen Espresso für mich aus der Maschine. Ich stehe neben der Küchentür, betrachte einige der Bilder im Wohnzimmer. Der Vater ihrer Freundin Marie Lüscher, die dieses Ferienhaus mit ihr gebaut hat, war Maler. Die Bilder sind vom ihm, sagt sie. Eines gefällt mir besonders gut. Das Porträt der vielleicht achtjährigen Marie im roten Pullover. Ihr klares, kluges Kindergesicht, dunkle Augen, dunkles Haar, ernst und konzentriert schaut sie in die Ferne, noch so jung, wirkt sie bereits wie eine kleine Persönlichkeit. Mit zärtlicher Bewunderung hat der Vater sein Kind gemalt.

Wir setzen uns auf Ruth Gattikers sonnige Veranda, wo sie am Korrekturlesen der Programmtexte für das alljährliche Davos Festival im Sommer ist. Sie ist ja nicht nur Ärztin, sondern hat nach der Pensionierung auch noch Musikwissenschaften studiert. Sie räumt ihre Papiere beiseite, serviert den Kaffee. Dann ihr erster Satz, bevor ich den Mund öffnen kann: «Frau Schmid, schlagen Sie sich die Idee mit der Biografie aus dem Kopf, da mache ich nicht mit. Ich habe gar keine Zeit für so etwas, und dann das ganze Persönliche, darüber muss man ja auch sprechen, das will ich nicht. Nein, das wird nichts.»

Wieso mag ich diese Frau so? Vielleicht ist es ihre etwas ruppige Unverblümtheit, die Leidenschaftlichkeit, die dabei durchschimmert. Ich bin jedenfalls nicht hierhergekommen, um gleich aufzugeben. Wir trinken Kaffee, wir reden, sie erzählt Geschichten aus der Vergangenheit. Sie hat einen Sinn für Dramaturgie, für die Pointe. Sie erzählt gerne. Ich lege ihr meine Vorschläge in Papierform auf den Tisch. Als mein Telefon klingelt und ich kurz rangehen muss, liest sie mein Konzept und das Verlagspapier durch. Sie ist mit ein paar inhaltlichen Dingen nicht zufrieden, aber sie wird milder. Der Text soll auf keinen Fall in der Ich-Form geschrieben sein. Auch das Konzept sieht eine klassische Biografie in der dritten Person vor, und es macht ihr nun doch etwas Eindruck, dass ein Verlag bereit ist, das Buch herauszugeben, obwohl sie immer noch nicht ganz daran glauben will, dass ihr Leben jemanden interessieren könnte. Und mit dem «Frauenzeugs» könne ich gleich wegbleiben. Dass sie eine Frau sei und Karriere gemacht habe, tue überhaupt nichts zur Sache. Sie habe nie einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht und sich immer gleichwertig gefühlt. Und was in den 1970er-Jahren in der Frauenbewegung los gewesen sei, darüber habe sie weder Bescheid gewusst, noch habe es sie interessiert. Sie habe gar keine Zeit für solche Themen gehabt. Sie habe arbeiten müssen und war daran, sich zu habilitieren.

Dann ein Lichtschimmer. Sie fragt, wie viel Arbeit es für sie wäre. Sie habe ja viel zu wenig Zeit. Die Kurse in Altgriechisch hätten wieder angefangen, ihre ganzen Konzerte, da eine GV, dort eine Beerdigung, ihre Agenda sei gut gefüllt. Ich sage, es würden vermutlich 10 bis 20 Interviews, je nachdem wie lange wir sprechen könnten. Wir würden uns treffen und reden, bei ihr oder auch mal bei mir in Zürich, wo sie ja häufig sei. Sie könne am Ende alles lesen und die Fehler korrigieren, aber es sei natürlich mein Text. Sie müsse damit leben können, dass es meine Sicht auf ihr Leben sein werde. Sie denkt nach. «Dann ist es nicht so viel Aufwand für mich.» «Überlegen Sie es sich, und schlafen Sie darüber. Ich kann Sie ja morgen anrufen.» «Nein, das ist nicht nötig, dann machen wir es so», sagt sie plötzlich, wie aus heiterem Himmel. «Also Sie machen mit?» Jetzt bin ich fast überrumpelt, dass sie so unvermittelt zusagt. «Wollen Sie nicht nochmals darüber nachdenken? Schlafen Sie darüber. Ich rufe Sie morgen an.» «Nein, es ist in Ordnung, wenn es nur die Gespräche sind und ich es lesen darf, dann ist es gut.»

Ich bin verblüfft über diese Kehrtwende, aber sie hat in den vergangenen eineinhalb Stunden wieder so lebendig aus ihrem Leben erzählt. Sie ist eine Geschichtenerzählerin. Und letztlich weiss sie wohl trotz allem, wie viel Potenzial in ihrem Leben steckt. «Wollen wir uns nicht duzen? Immerhin schreiben wir nun ja ein Buch zusammen», schlage ich vor. «Ja, wieso nicht. Ruth.» «Denise.»

Ich merke, dass ihr nicht ganz wohl dabei ist, mit einer fast Fremden so schnell per Du zu sein. Der Generationenunterschied zwischen uns. Aber die vertrauliche Anrede wird bald einmal zur Selbstverständlichkeit.

«Und was ist, wenn ich mich falsch erinnere?», fragt sie. «Diese Gefahr besteht, ich bin 92.» «Ja, das kann man nicht ausschliessen. Aber jede Biografie ist ein Konstrukt, und ich werde zusätzlich historischen Hintergrund recherchieren und versuchen, mit anderen Personen zu sprechen.» «Aber die allermeisten sind doch schon tot», meint sie nüchtern. «Und was ist, wenn ich plötzlich sterbe?» «Du wirst nicht bald sterben. Da ist so viel Energie. Ich habe keine Angst. Wir schreiben dieses Buch zusammen.» Sie lächelt ein wenig. Das erste Mal. Wir vereinbaren einen ersten Interviewtermin. Am 18. Mai ist sie abends an einem Konzert in Zürich und übernachtet dann im Hotel Seehof. Sie kann am nächsten Morgen zu mir ins Büro kommen. «Gut, dann bin ich um acht Uhr bei dir.» «Für mich ist das gut, aber ist das nicht zu früh für dich?» «Mir ist keine Zeit zu früh.»

Januar 2016

Ein Jahr ist vergangen seit unserem Essen im Restaurant Chesa in Davos, mehr als ein halbes Jahr ist es her seit dem ersten Interview für das Buch. Längst haben wir mehr als zehn Gespräche geführt. Interessante Monate liegen hinter uns. Zu Beginn kam Ruth oft bei mir an und liess mich spüren, dass ihr die Angelegenheit lästig sei. Es ermüdete sie, über ihre Vergangenheit zu sprechen, aber sie war loyal und tat es trotzdem, und immer wieder fing sie auch Feuer für die Geschichten und Anekdoten aus ihrem Leben. Einmal sprach ich sie auf ihren Widerstand an, sagte, dass sie es rechtzeitig sagen solle, wenn sie aufhören will, nicht erst, wenn ich drei Viertel des Buches geschrieben habe. Sie schaute mich etwas verwundert an und versicherte dann, dass sie sich an die Abmachung halten werde. Sie kann stachelig und widerspenstig sein, streitet auch gerne, vor allem, wenn ich private Fragen stelle, die sie wie lästige Fliegen abwehrt. Sie ist auf der Hut und nicht leicht zu greifen. Sie hat es in der Hand, ihre Informationen zu dosieren. Und so grosszügig und offen sie sein kann, sie macht von ihrem Wissensmonopol gewiss auch Gebrauch. Ich weiss zwar nicht, was ich nicht weiss, aber ich ahne mitunter, dass es Dinge gibt, die ich nicht erfahren soll und vielleicht auch nicht erfahren muss.

Alles in allem ist es eine höchst faszinierende Erfahrung, nicht nur mit Papier, sondern mit einer lebendigen Quelle zu arbeiten, und dazu noch mit einer geistig so regen. Zu sehen, was Ruth im Gedächtnis haften geblieben ist und es mit Dokumenten, die ich in Archiven finde und Material, das sie mir gibt, sowie durch Gespräche mit Verwandten und Weggefährten zu ergänzen. Es gibt viele schöne Momente in unserer Zusammenarbeit. Besonders schön, wenn sie sich aufgrund des Manuskripts, das sie gelesen hat, plötzlich ganz neuer, weiterer Geschichten erinnert. Sie steigen aus dem Gedächtnis auf, lang vergessen. So baut sich der Text über die Zeit auf und zusammen wie ein grosses, verschachteltes Puzzle. Kurz vor Weihnachten 2015 gehen wir Hunderte von Dias auf ihrem Dachboden miteinander durch. Sie hat eine Stehlampe hochgeschleppt und hilft mir suchen. Das erste Mal habe ich den Eindruck, dass sie auch ein wenig Freude an diesem Wühlen in ihrer Vergangenheit hat, auch wenn sie es nicht zugeben würde.

Mit der Zeit entdecke ich neben ihrer grossen Energie aber auch noch andere Seiten, dass sie ein ausgeprägter Morgenmensch ist und abends mitunter etwas misslaunig werden kann. Einmal ruft sie mich am Abend, bevor ich zu ihr kommen soll, an und verkündet resolut, dass sie morgen kaum Zeit für mich haben werde. Man habe ihr vor einigen Tagen das Portemonnaie gestohlen, und sie habe deshalb noch so viel zu erledigen. Eine Stunde höchstens habe sie Zeit für mich, und die Unterlagen, nach denen ich gefragt hätte, habe sie auch noch nicht raussuchen können. Sie klingt gestresst. Als ich am nächsten Vormittag bei ihr auftauche, darauf gefasst, dass ich bald wieder gehen muss, empfängt sie mich freundlich und führt mich in die erste Etage ins Zimmer von Marie Lüscher. Dort auf dem Bett hat sie ihre Schätze ausgebreitet: die Aufzeichnungen zu ihren Reisen seit den 1950er-Jahren und die Tagebücher, die sie ab 1981 geführt hat. Dazu eine Schachtel mit Fotografien und Dokumenten. Ich soll doch einfach alles mitnehmen, meint sie. Ich bin überrascht und überwältigt von diesem unerwarteten, schönen Vertrauensbeweis. Anschliessend sitzen wir in ihrem hellen Wohnzimmer mit dem grossen schwarzen Flügel und reden noch fast drei Stunden. Dann hilft sie mir, das Material im Auto zu verstauen. Sie kann ebenso kantig und abweisend wie grosszügig und warmherzig sein. Ich erlebe beide Seiten, und das tut der Bewunderung für diese eigenwillige Persönlichkeit keinen Abbruch, im Gegenteil. Wäre sie immer nett, freundlich und unverbindlich gewesen, hätte sie eine solche Karriere machen können?

Von ihren über 90 Lebensjahren verbringt die 1923 Geborene die ersten 29 Jahre mit Schule und Studium bis zum Staatsexamen 1952, anschliessend 34 Jahre im Beruf. Und heute, wenn ich dies schreibe, ist sie 30 Jahre pensioniert, wovon sie noch elf Jahre mit einem Zweitstudium in Musikwissenschaften und Philosophie verbracht hat. Ruth Gattikers Leben lässt sich grob in Drittel teilen, ganz unterschiedliche Drittel, die doch alle ineinandergreifen. Die grossen Linien waren von Anbeginn da und sind bis heute in jedem Gespräch mit ihr spürbar: die unstillbare intellektuelle Neugier, der zähe Wille, Wachsamkeit, viel Energie und sehr viel Selbstdisziplin. Und ihre direkte, unverblümte Art, der trockene Humor, Bescheidenheit und ein leidenschaftliches, erzählerisches Talent, das Gespür für eine interessante Geschichte.

Kapitel 1

Aufruhr um die erste Herztransplantation 1969

Man will, man muss es mal versuchen

«Ruth, wärst du bereit für eine Herztransplantation?» Professor Åke Senning spricht die Oberärztin für Herzanästhesie Ruth Gattiker auf dem Flur des Operationstrakts an. Er steht dort mit dem Direktor für Neurochirurgie, Prof. Hugo Krayenbühl. Mit der Frage meinte er, ob sie bereit wäre, die Narkose zu machen, während er die Operation durchführen würde. Senning ist Herzchirurg, ein gross gewachsener, eleganter Schwede, Mitte 50 und seit acht Jahren Direktor der Chirurgischen Klinik A des Kantonsspitals Zürich. Es ist Montag, der 14. April 1969, gegen halb zehn Uhr morgens, und Ruth Gattiker kommt eben aus dem Pausenraum, im Schlepptau den schwedischen Journalisten Bernt Bernholm, hohe Stirn, Hornbrille, sympathisch und aufgeschlossen. Der Tag hat früh begonnen. Senning hat die Anästhesistin morgens nach sieben Uhr gebeten, Bernholm unter ihre Fittiche zu nehmen. Dieser wolle einen Tag in der Herzchirurgie verbringen, überall zusehen. Er sei der beste Medizinjournalist, den er kenne, hat Senning für ihn geworben. Er und Bernholm sind Jugendfreunde. Sie haben früher in Schweden zusammen Fussball gespielt.

Ruth Gattiker ist überrascht über die unvermittelte Frage. Das Thema Herztransplantation liegt zwar in der Luft, seit Christiaan Barnard eineinhalb Jahre zuvor in Kapstadt ein Herz verpflanzt hat, und im Experimentallabor des Kantonsspitals forscht man auch zu diesem Thema, aber jetzt, so plötzlich an diesem Montagmorgen? Der Grund ist einfach, man hat endlich einen Spender für einen der beiden möglichen Empfänger, die darauf warten. Der Neurochirurg Krayenbühl hat eben ein hirntotes Unfallopfer mit der Blutgruppe A positiv für die Entnahme des Herzens freigegeben.1 Der Tag der ersten Herztransplantation in der Schweiz ist da, und der schwedische Journalist Bernholm hat damit unverhofft den Jackpot für seine Recherche geknackt.

Die Anästhesistin, 46 Jahre alt, gross, schlank, mit rotbraun gewelltem Haar, seit zwölf Jahren am Kantonsspital tätig, hat an diesem Morgen schon eine Anästhesie für eine Herzoperation gemacht. Es war ein kleinerer Eingriff. Ruth Gattiker weiss im Rückblick nur noch, dass alles glattging und sie die weitere Überwachung des Patienten einem Assistenzarzt und den Schwestern überlassen kann. Nach getaner Arbeit gönnt sie sich in ihrer grünen OP-Bekleidung in dem kleinen Pausenraum des Operationstrakts zusammen mit Kollegen und dem Journalisten einen Kaffee. Senning winkt sie zu sich, als sie den Raum verlässt. Er und Krayenbühl erklären ihr kurz die Situation.

Der Herzspender ist ein 27-jähriger Hilfsarbeiter und Hobby-Privatdetektiv aus Lachen, der zwei Tage zuvor durch ein Glasdach gefallen und bewusstlos, mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen ins Kantonsspital eingewiesen worden ist. Die Messung der Hirnaktivitäten mittels EEG (Elektroenzephalografie) hat schon am Sonntag nur noch einen Strich auf dem Bildschirm gezeigt, obwohl der Patient noch selbstständig atmete. Die erneute Messung am Montagmorgen hat wieder das gleiche Resultat gezeigt: keinerlei Hirnaktivität. Und um sieben Uhr hat die Atmung ausgesetzt, deshalb hat man ihn an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Für den Neurochirurgen Krayenbühl ist der Fall klar: Der Patient ist hirntot. Klare Vorschriften oder Regeln bezüglich Einwilligung der Angehörigen gibt es damals genauso wenig wie offizielle Kriterien zur genauen Definition des Todes. Der Operation steht nichts im Weg.

Obwohl man vermutet, dass genetische Ähnlichkeiten zwischen Spender und Empfänger zu einer Verringerung der Abstossungsgefahr beitragen, kann man die sogenannte Leukozytentypisierung nicht durchführen. Alle dazu qualifizierten Leute sind am Kongress für experimentelle Chirurgie in Davos.2 Aber eine gesicherte Erkenntnis ist das mit der Leukozytentypisierung nicht. Man weiss so oder so noch vieles nicht zum Thema Abstossung, hat aber dank den Nierentransplantationen, die man seit fünf Jahren regelmässig macht, doch schon etwas Erfahrung mit dem Thema. Man will, man muss es mal versuchen. Am Mittag soll es losgehen.

Ein weltweites Wettrennen

Seit längerer Zeit warten in Zürich zwei Patienten mit Blutgruppe A positiv auf ein Spenderherz. Aber von einer Warteliste zu sprechen, wäre übertrieben, denn ein Herz hat man in der Schweiz bislang nicht transplantiert. Seit der ersten Transplantation in Südafrika im Dezember 1967 ist weltweit eine Art Wettrennen in Gange. Schon ein knappes Jahr nach Barnards erstem Versuch sind 60 Herztransplantationen dokumentiert, und Senning transplantiert im April 1969 das 126. Herz. Die Mehrzahl der Eingriffe wird in den USA durchgeführt, aber einige auch weltweit, von Buenos Aires, Bombay und Montpellier bis London und Montreal.3 Auch Åke Senning als einer der führenden Herzchirurgen der Zeit ist dem Experiment gegenüber nicht abgeneigt. Und eine Art Experiment ist es damals, denn die Operation an sich ist für einen guten Chirurgen nicht schwierig, aber es fehlen noch die richtigen Medikamente, um die Abstossung des fremden Herzens längerfristig zu verhindern.

Senning hat im Januar 1968 einen seiner Oberärzte, Felix Largiadèr, nach Kapstadt zu Barnard gesandt. Da hat dieser gerade das zweite Herz verpflanzt. Der erste Patient überlebt 18 Tage, der zweite 19 Monate. Largiadèr schreibt in seinem Buch über Transplantationen, dass es klar gewesen sei, dass Senning sich für das Thema interessiert habe, aber er habe eine Abneigung gegen schriftliche Fixierungen gehabt und lieber improvisiert. Das heisst, Senning schickt zwar seinen Mitarbeiter nach Kapstadt und unterhält sich zum Thema auch mit Kollegen, aber er hält dazu nichts Schriftliches fest und lässt von seinen Ärzten auch kein Herztransplantationsprogramm aufstellen, in dem die Indikationen, die Anforderungen an die Spender und die immunsuppressive Behandlung beschrieben wären.4 Als der Moment da ist und man ein Spenderherz hat, wird spontan entschieden. Dass Senning die Kompetenz für diese Operation besitzt, daran besteht kein Zweifel. Er ist ein Starchirurg und gehört zu den Pionieren der ersten Stunde in seinem Fach. Wofür Barnard in Kapstadt fünf Stunden und ein 31-köpfiges Team braucht, das schafft Åke Senning in einer knappen Stunde mit einem Team von zehn Ärztinnen und Ärzten. Ruth Gattiker berichtet, er habe die Operation nicht als aufregend empfunden. Er habe gesagt: «Man muss ja nur nähen. Jeder meiner Oberärzte hätte das auch tun können.»

«Ich kann das organisieren»

Als sie vor Senning und Krayenbühl steht, will der Herzchirurg wissen, ob die Anästhesistin so schnell ein Team zur Betreuung von Spender und Empfänger zusammenstellen kann. Ruth Gattiker zögert nicht: «Ja, selbstverständlich, kein Problem. Ich kann das organisieren.» Sie selbst wird den Herzempfänger anästhesieren und überwachen. Für die Betreuung des Herzspenders wird sie einen ihrer Oberärzte rufen, der gerade Dienst im Notfall tut. Sie geht ans nächste Telefon und ruft an. Anschliessend bietet sie noch zwei Anästhesieschwestern auf und jemanden, der die Herz-Lungen-Maschine bedienen soll. Kurzfristige Einsätze ist Ruth Gattiker sich gewöhnt.

Um zehn Uhr wird der Spender durch die Glastür, welche die Neurochirurgie von der Herzchirurgie trennt, in einen der Vorbereitungsräume gerollt. Ruth Gattiker erzählt: «Ich habe den Spender mit meinen Leuten eingerichtet und habe meinem Team gesagt, wir schauen, dass er mit Adrenalin den Blutdruck immer schön hält. Wir beatmen ihn und stützen den Kreislauf. Es ging nur noch um das Herz. Das Hirn war ja bereits tot.»

Als der Spender so weit vorbereitet ist und von ihren Leuten betreut wird, bereitet sich Ruth Gattiker auf die Anästhesie des Empfängers vor, der in einem Taxi sitzt und auf dem Weg ins Spital ist. Sie spricht mit Senning und schaut sich die Krankenakte des Herzempfängers an. Es handelt sich um einen 54-jährigen Mann, seine Diagnose lautet: schwere Koronarsklerose mit Aneurysma der Vorderwandspitze sowie der Herzhinterwand. Schwere Herzinsuffizienz. Patient arbeitsunfähig. 1967 erste Hospitalisierung.5 Der Kardiologe Prof. Paul Henri Rossier, Direktor der Medizinischen Klinik, hat im Vorfeld das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten geführt und ihm erklärt, dass er ohne Operation nur noch wenige Wochen zu leben habe und das Risiko andererseits, dass er den Eingriff nicht überleben werde, bei 90 bis 95 Prozent liege. Der herzkranke Mann will die kleine Chance dennoch nutzen und ist einverstanden.

Als der Empfänger im Spital ankommt, führt Ruth Gattiker wie vor jeder Anästhesie im Vorbereitungsraum ein Gespräch mit dem Patienten. Er ist nervös und redet ununterbrochen. Sie misst und notiert seinen Puls und Blutdruck. Anschliessend spritzt sie ein Mittel zur lokalen Betäubung in die Armvene, damit sie die Katheter legen kann. Heute können Katheter direkt von aussen mittels Nadelstich durch eine Kanüle in den Arm platziert werden. Das ist damals noch nicht möglich. Sie macht zwei kleine Schnitte. Einen am Handgelenk, wo sie die Pulsschlagader freilegt und einen Katheter zur arteriellen Druckmessung einlegt. Der zweite Schnitt kommt in die Armbeuge, wo sie eine Vene freilegt, dann einen Katheter einlegt und ihn bis in den rechten Vorhof des Herzens vorschiebt. Nachdem die Katheter gelegt sind, werden die kleinen Wunden vernäht und je eine Blutprobe zur Blutgasanalyse genommen. Dann spritzt sie dem Patienten das kurz wirksame Thiopental, um ihn schläfrig zu machen. Sie hat in Erinnerung, dass er noch ununterbrochen weiterredet, bis die Mittel endlich wirken. Über eine Gesichtsmaske lässt Ruth Gattiker ihn Sauerstoff und Lachgas einatmen. Dann wird ihm Succinylcholin gespritzt, ein kurz wirkendes Muskelrelaxans. Anschliessend führt sie über den Rachen schnell und geschickt eine Magensonde und einen Tubus (Schlauch) in die Luftröhre ein, für die sogenannte endotracheale Intubation. Sie misst nochmals Puls und Blutdruck. Über den Beatmungstubus erhält der Patient nun einige Beatmungsstösse mit reinem Sauerstoff. Anschliessend stellt sie am Narkoseapparat ein 50-prozentiges Sauerstoff-Lachgas-Gemisch ein, lässt den Patienten aber noch selbst atmen. Damit ist er «fertig instrumentiert», wie Ruth Gattiker es ausdrückt, und wird in den Operationssaal gefahren. Dort befestigt sie an seinen Armen und Beinen die Elektroden für das Elektrokardiogramm (EKG). Gattiker kontrolliert den Kreislauf des Patienten, spritzt ihm Curare zur Lähmung der Atemmuskulatur und schliesst ihn zur künstlichen Beatmung an einen Engström-Respirator sowie an die elektronischen Überwachungsgeräte für EKG, Blutdruck, Herzschlag und Temperatur an. Die Operation kann losgehen.

Während des ganzen Eingriffs ist es Ruth Gattikers Aufgabe, auf den Monitoren das EKG und die Blutdruckkurve zu überwachen und gegebenenfalls mit Medikamenten einzugreifen. Ausserdem entnimmt sie dem Patienten in gewissen Abständen Blut, das ins Labor gebracht wird und innerhalb kürzester Zeit auf seine Blutgase und die Zusammensetzung der Elektrolyten (Natrium, Kalium, Chlorid, Kalzium, Phosphat) hin untersucht wird. Im Operationssaal liegen auch alle Medikamente und Geräte zur Wiederbelebung im Fall eines Kreislaufstillstands bereit: Adrenalin, Procain, Natriumbikarbonat, Kalzium und Kaliumchlorid sowie ein Defibrillator.6 Die Anästhesie des Herzempfängers ist diffizil, weil er unter einer schweren Herzinsuffizienz leidet. Er muss genau überwacht und die Mittel müssen sorgfältig eingesetzt werden, damit Kreislauf und Herz nicht schon infolge der Anästhesie aufgeben.

«Wir haben einen Patienten gerettet, das war alles»

Als der Empfänger im Operationssaal bereit ist, beginnt die Herzentnahme beim Spender im Raum gegenüber. Um 12.30 Uhr öffnen drei Ärzte den Brustkorb des Spenders und trennen die Hauptschlagader und eine Herzader nach der andern durch. Sie lösen das Herz mit einigen schnellen Schnitten heraus. Es kommt in einen Behälter mit einer gekühlten Kochsalzlösung und wird sorgfältig über den Gang in den Operationssaal getragen, wo der Empfänger liegt.7

Der Brustkorb des Empfängers ist mittlerweile geöffnet worden, und sein Kreislauf wird von der Herz-Lungen-Maschine, die das Blut kühlt und mit Sauerstoff anreichert, aufrechterhalten. Ruth Gattiker steht auf einem Podest am Kopfende des Patienten, zu ihrer Linken und Rechten die Maschinen zu seiner Überwachung und die Herz-Lungen-Maschine. Von ihrem Podest aus hat sie den besten Blick auf das Operationsfeld, das sie, zusammen mit den Bildschirmen neben sich, nicht aus den Augen lässt. Volle Konzentration ist gefragt.

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Ruth Gattiker im Operationssaal des Kantonsspitals Zürich in den 1960er-Jahren.

Åke Senning führt die Herztransplantation durch. Er klemmt die vom Herz wegführende Aorta des Empfängers ab, was um 13.18 Uhr zu einem Herzstillstand führt. Kein Problem, da die Herz-Lungen-Maschine die Versorgung des Körpers mit sauerstoffreichem Blut übernimmt. Das kranke Herz wird herausgetrennt, sodass die beiden Vorhöfe erhalten bleiben und von der grossen Körperschlagader und der Lungenarterie möglichst wenig verloren geht. Die beiden Vorhöfe werden mit den Vorhöfen des neuen Herzens verbunden und die grosse Körperschlagader mit dem Gefässrest des Spenderherzens vernäht, ebenso die Pulmonalarterie, die das Blut aus der rechten Herzkammer der Lunge zuführt. Das Blut wird im letzten Stadium der Operation langsam wieder aufgewärmt. Nach einer knappen Stunde Operationszeit ist es so weit, um 14.06 Uhr beginnt das Spenderherz von selbst wieder zu schlagen. Es muss nicht einmal elektrisch stimuliert werden.8 Die Anspannung im Operationssaal weicht der Erleichterung. Der Brustkorb kann nun in Ruhe geschlossen werden. Dass an dieser gelungenen Operation noch viel mehr hängt als ein rein medizinisches Problem, wird aber schon im nächsten Moment klar.

Der Gesundheitsdirektor schimpft

Ruth Gattiker tritt nämlich einer Person, die sich im Laufe der Operation unbemerkt hinter ihr auf das Podest gestellt hat, auf die Füsse. Sie schaut sich überrascht um und entschuldigt sich. Wer hinter der grünen OP-Kleidung mit Kopfbedeckung und Mundschutz steckt, kann sie nicht erkennen. «Bürgi, Regierungsrat», antwortet der Vermummte auf ihre Entschuldigung hin. Åke Senning und die anderen Ärzte schauen verwundert auf. Während Senning weiternäht, wettert der Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich vom Podest herunter. Ruth Gattiker erzählt: «Die ganze Zeit schimpfte Bürgi, wir hätten nicht kommuniziert, weder in Bern noch hier in Zürich habe man etwas gewusst. Er habe auf Schleichwegen erfahren, dass diese erste Schweizer Herztransplantation stattfinde. Senning hat darauf trocken geantwortet, wir hätten andere Probleme gehabt, zum Kommunizieren sei nicht auch noch Zeit geblieben.»

Wie hat der Regierungsrat so schnell von der Sache erfahren? Ruth Gattiker hat dazu ihre eigene Theorie. «Der Herzempfänger war ein unheimlicher Schwätzer. Ich nehme an, er hat im Taxi auf der Fahrt ins Spital verkündet, dass er jetzt dann gleich im Kantonsspital ein neues Herz bekommen werde. Und so hat sich das womöglich verbreitet, vielleicht ging es aber auch über die Spitalleitung, die davon wusste. Ich weiss es nicht genau. Senning hat gewiss nicht daran gedacht, das vorher gross anzukündigen. Politik hat ihn wenig interessiert, und Schweizer Politik schon gar nicht.»

Die Ärzte im Operationssaal sind verwundert über die hektische Reaktion von Regierungsrat Urs Bürgi, als ehemaliger Urologe übrigens selbst Arzt. «So hoch kompliziert und speziell war diese Operation in unseren Augen nicht, aber wir waren natürlich glücklich, dass das Herz in dem wieder aufgewärmten Patienten sofort weiterschlug. Und dann kommt dieser Regierungsrat und schimpft über Politik und Kommunikation. Wir haben ihn völlig entgeistert angeschaut. Wir haben einen Patienten gerettet, das war alles», erzählt Ruth Gattiker. Bürgi aber ist Politiker. Der Umgang mit der Öffentlichkeit ist sein tägliches Brot. Die Journalisten werden als Nächstes Fragen stellen. Das ist Bürgi klar. Hinzu kommt, dass das Ganze nach einer Erfolgsmeldung aussieht, die man sich nicht entgehen lassen will. Der Regierungsrat hat für 17 Uhr eine Pressekonferenz im Hörsaal des Spitals anberaumt, bei der die Ärzte Red und Antwort stehen müssen. Niemand denkt in diesem Moment an Bernt Bernholm, der die ganze Zeit anwesend ist und die Operation mitverfolgt hat. Aufmerksam, wie der Journalist ist, hat er einen Blick in die aufgeschlagene Krankenakte geworfen, die Gattiker auf einem Gestell neben sich platziert hat und die alle wichtigen Informationen über den Herzempfänger enthält. «Ich habe den Journalisten ehrlich gesagt völlig aus den Augen verloren und die Akte im Operationssaal offen auf einem Glasgestell herumliegen lassen wie immer. Der war natürlich schlau und hat die Situation ausgenutzt. Ich war letztlich schuld daran, dass die Namen von Spender und Empfänger in die Presse geraten sind», erzählt Ruth Gattiker. Bernholm fliegt noch am gleichen Abend zurück nach Stockholm. Er hat alles Material, das er braucht, damit am nächsten Tag ein ausführlicher Artikel über die erste Herztransplantation seines Landsmanns und Freundes Åke Senning in der schwedischen Zeitung Expressen erscheinen kann.

Die Presse macht sich an die Arbeit

Vor der Pressekonferenz machen die Chirurgen eine kurze Pause. Es bleibt ein wenig Zeit, sich vorzubereiten. Ruth Gattiker aber muss den Operierten noch auf der Intensivstation installieren. Sie eilt von dort direkt zum Anlass. Die OP-Kleidung hat sie gegen den weissen Arztkittel eingetauscht, so wie ihre Kollegen auch. Die Journalisten stellen Fragen zum Hirntod, der damals noch nicht als übliche Todesdefinition gilt. Ausserdem wollen sie wissen, ob eine solche Organentnahme legal sei und ob man die Angehörigen um ihr Einverständnis gebeten habe. Nein, man hat die Angehörigen nicht gefragt, lautet die Antwort, und es wird mit der Verordnung über die Leichenöffnungen in Pflegeanstalten und Spitälern von 1890 argumentiert. Dort heisst es in Artikel 2, wie die Zeitung Blick tags darauf, am 15. April 1969, zitiert: «Jede Leiche darf ohne vorheriges Befragen der Angehörigen und ohne vorherige Einwilligung des Verstorbenen geöffnet werden.» Aber es ist 1969 und nicht 1890. Als diese Verordnung entstand, dachte niemand daran, dass man irgendwann Organe aus einem Menschen herausschneiden und bei einem anderen Menschen einpflanzen könnte.

Dass sich die Zeiten geändert haben und die Sache nicht so einfach über die Bühne geht, wie die Ärzte im ersten Moment meinen oder hoffen, wird der anschliessende Medienrummel zeigen. Am Dienstag berichten die drei grossen Zürcher Tageszeitungen Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Tages-Anzeiger und Blick über das aufsehenerregende Ereignis. Die NZZ bleibt dabei gewohnt nüchtern und liefert vor allem Fakten. Relativ ausführlich geht sie auf die Frage ein, weshalb man die Angehörigen nicht um eine Einwilligung zur Organentnahme gebeten hat. Regierungsrat Bürgi habe argumentiert, heisst es, dass in der Praxis kaum Zeit bleibe, um die Angehörigen zu informieren, geschweige denn gar darüber zu verhandeln. Wenn, dann müsste man den Spender fragen, aber der sei ja meist nicht mehr in der Lage, einen solchen Entscheid zu treffen.

«Ein grosser Tag für die Schweizer Chirurgie» titelt der Tages-Anzeiger. Der Text ist strukturiert nach den Aussagen der Beteiligten an der Pressekonferenz und beginnt mit dem Satz: «Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Montagnachmittag in der Stadt Zürich die Nachricht von der ersten geglückten Herzverpflanzung, welche Prof. Åke Senning am Montag um die Mittagszeit an einem 54-jährigen Kaufmann vorgenommen hatte.» Darauf wird Regierungsrat Urs Bürgi mit der Aussage zitiert, dass dieser Tag in die Geschichte der Schweizer Chirurgie eingehen werde. Anschliessend kommen die Professoren Rossier und Krayenbühl zu Wort. Dr. Linder erläutert die immunologischen Überlegungen. Professor Senning wird als wortkarg und zurückhaltend beschrieben. «Es gibt nicht viel zu erzählen. Alle Kliniken des Kantonsspitals sind beteiligt. Wir haben nichts Neues gemacht. Wir haben nichts anderes getan als das, was bei allen anderen Kliniken der Welt bei Herzverpflanzungen auch getan worden ist und was wir experimentell bereits geübt haben.» Zuletzt kommt Ruth Gattiker zu Wort. Sie berichtet, dass es keine besonderen Schwierigkeiten gegeben habe. Der Patient sei 56 Minuten an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen gewesen.

«Mir blieb fast das Herz stehen»

Wenig überraschend interessiert sich die Boulevardzeitung Blick vor allem für das Sensationspotenzial dieser Operation. Auf der Frontseite prangen am nächsten Tag ein Bild aus dem Operationssaal und die grosse Schlagzeile «Herzverpflanzung in Zürich». Der Artikel selbst gibt die wichtigsten Informationen wieder. Innen geht es weiter mit einem grossen Bild von Åke Senning und dem Titel «Der Mann, der in der Schweiz das erste Herz verpflanzte». Darunter zeigt ein Bild Sennings Ehefrau mit dem Telefonhörer am Ohr und der Bildlegende «‹Mir blieb fast das Herz stehen, als mir mein Mann am Telefon sagte, er habe ein Herz verpflanzt›, sagte Frau Senning». Die Herztransplantation als typische People Story. Im Artikel werden auch die vier Kinder des Ehepaars Senning erwähnt, mit Alter, Name und wo sie sich gerade aufhalten. Darunter eine Blitzumfrage des Blick bei Prominenten, ob sie ihr Herz hergeben würden. «Alle antworteten ja» und Fernsehmann Mäni Weber meint sogar «Grossartig!».

Am Montag wurde das Herz erfolgreich transplantiert und die Presse informiert mit der Bitte, die Anonymität der Patienten zu respektieren. Am Dienstag berichten die drei Zürcher Tageszeitungen noch ohne Namensnennung über die erfolgreiche Operation und ihre Akteure. Kritisch hinterfragt wird höchstens, dass die Eltern des Spenders nicht informiert oder um eine Einwilligung gebeten wurden. Am gleichen Tag erscheint aber im schwedischen Expressen auch schon der Artikel von Bernt Bernholm. Unter dem Titel «Ich sah das neue Herz schlagen» berichtet der Journalist, der im Operationssaal stand, über den Eingriff, und nicht nur das. Er nennt die Namen der Patienten. Der Spender heisst Albert Gautschi, der Empfänger Emil Hofmann. Der Blick druckt den Text aus dem Expressen in einer Übersetzung am Mittwoch ab, und nun ist der Weg frei für eine herzzerreissende Geschichte über ein gestohlenes Herz und einen vaterlosen Einjährigen. Auf der Titelseite heisst es in grossen Lettern «Die Mutter des Neuherz-Spenders klagt an: Man hat meinem Bub das Herz gestohlen». Daneben sind Bilder von Privatdetektiv Albert Gautschi, seiner Frau Eva, die es nicht fassen kann, und des einjährigen Söhnchens Wilfried «jetzt ohne Vater» abgedruckt. Am Donnerstag dreht die Spirale weiter. Nun ist der «Herzspender-Vater muff auf die ‹gelehrten Herren›», und «Professor Senning wehrt sich: ‹Ich musste retten!›» Weiter ist von «Herzraub» die Rede.

Der Tages-Anzeiger berichtet am Donnerstag ausführlich über die Informationspanne mit den publizierten Namen. Åke Senning habe die Schuld dafür auf sich genommen, weil er seinen Jugendfreund, den Journalisten Bernt Bernholm, in den Operationssaal gelassen habe. Er übernehme die Verantwortung für den sehr peinlichen Vorfall, heisst es, und dass er die Schweizer Journalisten nicht habe brüskieren wollen.

Am Freitag wird auf der Titelseite des Blick gefragt, ob der Herzspender in den Tod gestossen worden sei. Ein Hilfsarbeiter, der mit Gautschi ein Handgemenge hatte, ist festgenommen worden. «Neuherz-Verhaftung» lautet dazu die kreative Wortlösung. Am Samstag, 19. April, die positive Meldung, dass der Herzempfänger Albert Hofmann das Bett verlassen durfte und wieder feste Nahrung zu sich nimmt. Im Tages-Anzeiger erscheint ein Interview mit Regierungsrat Bürgi zu Fragen der Ethik. Bürgi sagt, dass die Übertragung von Organen menschlich-ethische Probleme aufwerfe, die man bisher noch gar nicht vollständig umreissen könne. Die Frage, ob man die Angehörigen nachträglich informieren solle, liege im Ermessensspielraum des Arztes. «Da keine gesetzliche Pflicht zur Benachrichtigung besteht, muss man fragen, ob eine moralische Pflicht gegeben ist.»9

Auf diese hektische erste Woche folgten ein paar Tage Ruhe. Während an der Pressekonferenz vom 14. April noch angekündigt wird, regelmässige Bulletins über die Gesundheit des Empfängers zu veröffentlichen, werden diese nach zehn Tagen schon eingestellt. Was soll man noch berichten, es sieht im ersten Monat alles gut aus. Die Operation ist problemlos verlaufen. Emil Hofmann kann nach einer Weile aufstehen. Ruth Gattiker erinnert sich, wie er in Anzug und Krawatte stolz mit der Oberschwester Mary im Garten des Kantonsspitals spazieren geht.

Am Samstag, 26. April, eine Erfolgsmeldung auf der Blick-Titelseite: «Das Zürcher Herzwunder dauert schon zwölf Tage!» Darunter gross das Bild von Albert Hofmann, der strahlend im Krankenbett vor seinem Essen sitzt. Dazu heisst es: «Er schlemmt, er plaudert, er spaziert – und rasiert sich sogar selbst.» Der Artikel mutet an wie das grosse, glückliche Finale einer zwei Wochen am Köcheln gehaltenen Geschichte. Danach herrscht Schweigen.

Das Blatt wendet sich

Im Kantonsspital ist man in den ersten vier Wochen positiv gestimmt. Albert Hofmann erholt sich tatsächlich schnell. Das strahlende Bild im Blick ist nicht geschönt. In der ersten Zeit wirkt die Behandlung. Man bemüht sich, die Gewebeabstossung mit einer immunosuppressiven Therapie zu verhindern. Dafür stehen die Medikamente Azathioprin, Prednison und Antilymphozytenglobulin (ALG) zur Verfügung. Als Nebenwirkung von Prednison tritt bei Hoffmann Diabetes auf, der mit Insulin bekämpft wird. Die Dosierung der Medikamente soll mit der Zeit gesenkt werden. Doch einen Monat nach der Transplantation werden Fieber, Pulsanstieg und eine Potenzialabnahme im EKG festgestellt. Das deutet auf eine Abstossung hin, wobei man gar nicht genau weiss, welches die Anzeichen für eine Abstossung sind. Der Patient erhält wieder mehr Prednison und ALG, und sein Zustand bessert sich, um sich am 3. Juni wieder zu verschlechtern. Er hat hohes Fieber, sehr tiefen Blutdruck und eine erhöhte Herzfrequenz. Auf dem Röntgenbild ist ein grösserer Herd in der Lunge erkennbar, und im Speichel werden verschiedene Bakterien festgestellt. Trotz massiver Antibiotikatherapie tritt keine Besserung ein. Die Infektion auf der Lunge wird mit einem Katheter drainiert. Wieder einen Monat später, am 7. Juli, wird in der Lunge eine weitere Kaverne entdeckt. Der Patient muss nun künstlich beatmet werden, die Herzfunktion lässt weiter nach, und am 14. Juli stirbt Emil Hofmann um 12.35 Uhr, fast auf die Stunde genau drei Monate, nachdem ihm das neue Herz eingepflanzt worden ist.

Die Schlussdiagnose lautet: «Status nach Herz-Allotransplantation am 14.4.69. Status nach immunosuppressiver Therapie. Status nach zweimaligen, beherrschbaren Abstossungskrisen. Diabetes mellitus. Zwei Lungenabszesse im rechten Ober- und Mittelgeschoss mit Pseudomonas und Aspergillus fumigatus. Wahrscheinlich diffuse Aspergillose, insbesondere infektiös toxische Leberschädigung. Schwere herdförmige Hirnschädigungen wahrscheinlich embolisch.»10 Ruth Gattiker fasst die Gründe für Hofmanns Tod so zusammen: «Er hat sich im Spital Pilze eingefangen, denen man nicht mehr Herr wurde. Er ist letztlich von innen von der Pilzinfektion aufgefressen worden. Kein schöner Tod.» Die Ärzte müssen Albert Hofmanns Ende hilflos zusehen.

Während der Beginn der Geschichte noch mit seitenfüllenden Bildern und Texten gefeiert wurde, meldet der Blick das Ende nur noch als kleinen Beitrag auf der letzten Seite der Ausgabe vom 16. Juli 1969 unter dem Titel «Zürcher Neuherz-Wunder scheiterte an Infektion». Das Herz habe bis zum Schluss tadellos gearbeitet, heisst es beinahe rechtfertigend. Nur die Infektion sei schuld am Tod. Dass die Infektion ursächlich mit den Abwehrmassnahmen gegen die Abstossung des fremden Gewebes – welche das Immunsystem schwächten – und damit mit der Herztransplantation zu tun hatte, wäre zu viel der medizinischen Information.

Zwischen Bewunderung und Unbehagen

Die Medien, insbesondere das Boulevardblatt Blick, arbeiten dankbar mit dem Emotionspotenzial und der Sensationslust, die das Thema Herz bietet. Liebe und Tod, die zwei grossen Grundthemen, vereint in der Symbolik eines Organs. Dass es über die Jahrhunderte hinweg in Dichtung und Literatur mit besonderer Bedeutung aufgeladen worden ist, zeigt sich sehr schön in der Vielfalt der Begrifflichkeiten und seiner Metaphorik in der deutschen Sprache: Das Herz kann klopfen, pochen, hämmern, schlagen, zittern, flattern, schmachten, jubeln, erwachen, glühen, versagen, brechen und zerspringen. Man kann es verschenken, stehlen, es auf der Zunge haben, und es kann einem in die Hose rutschen. Es kann einem ein Stein vom Herzen fallen, oder man trägt ein Kind unter dem Herzen. Man hat etwas auf dem Herzen oder muss seinem Herzen Luft machen. Mal trifft einen etwas mitten ins Herz, oder man tut es nur halben Herzens. Ein Herz kann kalt, heiss, steinern, gross, gütig, grosszügig oder weich sein. Seit Urzeiten ist das Herz mehr als ein Muskel oder eine Pumpe, es ist Sitz unserer Gefühle und Beflügler unserer Fantasie. Die Griechen hielten das Herz für das wichtigste Organ des Menschen, den Sitz seiner Seele.11 Aus dieser symbolischen und über alle Schichten und Zeiten hinweg gewachsenen Überhöhung und Symbolkraft des Herzens lässt sich auch ein Teil der Sensationslust am Thema Herztransplantation, die die Medien 1969 erfasst, ableiten, und die den Blick zu Wortkreationen wie «Neuherz-Verpflanzung», «Herzwunder» oder «Herzraub» inspiriert.

Die Berichterstattung in den Zürcher Medien deckt sich mit Eckart Roloffs Analyse der Reaktionen der deutschen Presse auf Christiaan Barnards erste beide Herztransplantationen eineinhalb Jahre zuvor. Roloff schreibt, dass die Reaktionen der Presse auf die Herztransplantation zur Metapher für medizinische Innovation und zum Modellfall für Sensation wurden. Der Hauptakzent in der Berichterstattung habe nicht «auf der Verständigung über Komplexe wie die juristischen oder sozialmedizinischen Phänomene oder auf der einsichtigen Erklärung der Gewebeunverträglichkeit, sondern auf einer individualisierenden Sicht»12 gelegen. Damit habe die publizistische Entdeckung des Patienten eingesetzt. Nicht anders ist es eineinhalb Jahre später in Zürich, wenn der Blick über die Sorgen der Eltern des Herzspenders schreibt oder darüber, dass der Herzempfänger feste Kost gegessen und mit seiner Frau telefoniert habe, sein Tod aber weder kritisch hinterfragt noch medizinisch erklärt wird.

In allen drei Tageszeitungen finden sich ausführliche Reaktionen des Publikums in den Leserbriefspalten. Das Bild ist heterogen und reicht von grosser Bewunderung für den Chirurgen Åke Senning bis zur Verurteilung, dass niemand die Eltern des Spenders um Erlaubnis gefragt hat. Dass die Transplantation Sinnbild für ein neues, technisches Machbarkeitsdenken in der Medizin ist, stösst mehreren Lesern auf. Auf der Leserbriefseite des BlickNZZ