Cover

Bettina Börgerding

Wenka von Mikulicz

23917.jpg

Das Buch zum Film

23966.jpg

28159.jpg

Was für ein super Sommertag! Ganz Falkenstein war in warmes Sonnenlicht getaucht. Auf der Martinshof-Koppel grasten friedlich die Pferde, und bis auf das leise Rauschen der saftigen grünen Gräser war nichts zu hören.

Doch plötzlich näherte sich schnelles Pferdegetrappel: eine Schimmelstute und ein rotbrauner Fuchs mit hellbrauner Mähne, darauf zwei Reiterinnen.

Frau Martin, die Inhaberin des Martinshofs, machte sich gerade daran, eine Leiter am Haus hochzuklettern, um die Fenster zu putzen. Zwei der Kinder, die ihre Ferien hier verbrachten, pumpten Wasser in einen Eimer, andere putzten die Pferde, um sie für die Reitstunde vorzubereiten.

Da sausten die zwei Pferde in wildem Galopp quer über den Hof, vorbei an dem meckernden Ziegenbock Hoheit. Staub wirbelte auf, der Wassereimer schepperte über das Pflaster, die Hühner stoben auseinander, die Enten wackelten aufgeregt davon.

Frau Martin drehte sich erschreckt um: „Mal langsam, ihr zwei!“

Durch ihre plötzliche Bewegung begann die Leiter gefährlich zu schwanken. Doch da schnellten schon die Arme der einen Reiterin in die Höhe. „Plopp-Stop. Hex-hex!“

In letzter Sekunde erstarrte die Leiter in ihrer Bewegung und schwang mit der erschrockenen Frau Martin langsam wieder zurück Richtung Hauswand. Puh, es war noch mal alles gut gegangen, zum Glück!

„Hä, Holger, wer war denn das?“, fragte ein Mädchen verwundert. Sie verbrachte zum ersten Mal die Ferien auf dem Martinshof. Alles war neu und aufregend, und dieser Auftritt ganz besonders! Neugierig drehte sie sich zu Holger Martin um, der seiner Mutter Susanne auf dem Hof stets tatkräftig zur Seite stand und den Kindern Reitunterricht gab.

Der zuckte freundlich lächelnd mit den Schultern. Wer sollte das schon sein? „Das sind Bibi und Tina auf Sabrina und Amadeus!“

Bibi Blocksberg, die Junghexe aus Neustadt, verbrachte mal wieder ihre Ferien bei ihrer besten Freundin Tina Martin auf dem Martinshof. Liebstes Hobby der beiden: reiten! Und hexen? Auch, aber eigentlich war das hier verboten. Doch manchmal gingen mit Bibi … einfach die Pferde durch. So wie jetzt. Im Notfall nämlich durfte sie hexen, und das war ja wohl einer gewesen!

„Hü, Sabrina!“, rief sie und spornte ihre Lieblingsstute unbekümmert an.

„Schneller, Amadeus!“, lachte Tina.

Und schon jagten sie weiter, über die Felder und Wiesen hinter dem Hof. Was konnte es Schöneres geben! Doch Tinas Mutter war sauer auf die beiden. Sie waren überhaupt keine Vorbilder für die Ferienkinder. Dafür würden sie später auf jeden Fall eine Strafarbeit aufgebrummt bekommen. Dabei gab es einen guten Grund, warum sie so schnell ritten. Sie waren mit Tinas Freund Alexander von Falkenstein verabredet, und Zuspätkommen war ja wohl total unhöflich.

In rasendem Tempo preschten sie weiter und hängten ganz nebenbei noch den Schmiedelehrling Freddy ab. Der kleine Aufschneider glaubte doch wohl nicht im Ernst, dass er sie mit seinem „Maschinchen“, seinem getunten Geländemotorrad, beeindrucken konnte.

Lachend übersprangen die beiden Freundinnen einen Baumstamm, während Freddy mit quietschenden Reifen davor zum Stehen kam.

„Verdammt!“, fluchte er.

Bibi und Tina ritten johlend weiter – hinein ins große Abenteuer. Aber davon konnten sie in diesem Moment noch nichts ahnen …

28161.jpg

Bibi jagte hinter Tina her, die schon einen großen Vorsprung hatte.

„Für das Rennen musst du aber noch nen Zahn zulegen, Bibi!“, zog Tina sie über die Schulter hinweg auf.

Bibi grinste übermütig. „Da leg ich sogar drei zu – und gewinne!“, rief sie.

Ja – das Rennen. Jedes Jahr veranstaltete Alex Vater Graf Falko von Falkenstein ein Pferderennen auf seinem Schloss, zu dem viele Gäste erwartet wurden. Das war alte Adelstradition. Doch dieses Jahr wollte er offenbar ein ganz besonderes Event daraus machen. So besonders, dass selbst Alex vorher nichts Genaues erfahren durfte. Es sollte bis zum Schluss eine Überraschung bleiben. Bibi, Tina und er bereiteten sich schon seit Tagen auf das Ereignis vor und trainierten zusammen. Schnelligkeit und Geschicklichkeit würden gefragt sein.

Das ließ sich auch auf dem Weg zu Alex üben. Ob über Wiesen und Felder oder durch den Falkensteiner Forst – die Mädchen kannten die schnellsten Galoppstrecken. Jetzt ging es um die Wette bis zur Alten Eiche, die ihr absoluter Lieblingszielpunkt war, da sie allein inmitten von malerischen Wiesen stand und man dorthin richtig lospreschen konnte.

Bibi spornte Sabrina an: „Hü, Sabrina!“

Die Schimmelstute wieherte vergnügt. Auch Sabrina und Amadeus mochten nichts lieber, als mit ihren beiden Reiterinnen unterwegs zu sein.

Meter für Meter holte Bibi gegenüber Tina auf. Da näherte sich hinter ihnen mit kraftvollen Bewegungen ein imposantes Pferd. Es wurde von seinem Reiter heftig angetrieben. Wollte der Mann sich an ihrem Wettrennen beteiligen? Es hatte ganz den Anschein, denn mit einem Mal zog er seitlich an Tina vorbei und drängte sich triumphierend vor die beiden.

„Ja!“, rief er siegessicher.

Bibi und Tina schauten sich erstaunt an. Der Typ sah echt unglaublich aus. Er trug eine schillernde rot-schwarz gestreifte Jacke, auf den grellblonden Haaren eine schwarze Melone und ein hämisches Grinsen im Gesicht. Sein Pferd allerdings war eine Wucht. Schwarz wie die Nacht und unglaublich schnell! Die beiden Mädchen konnten gar nicht glauben, wie rasant es sie überholte hatte.

„Äh … kennst du den?, fragte Bibi ihre Freundin.

Tina nickte. „Klar, das ist doch der Kakmann! Der lebt seit ein paar Monaten in der Gegend.“

„Wie bitte?“ Bibi fing an zu kichern. „Der Kack-Mann?!“

Da musste auch Tina lachen.

„Dann zeigt mal, was ihr könnt!“, rief Kakmann ihnen zu. „Go, Fantastico!“

Ja, das Pferd schien wirklich fantastisch zu sein, aber der Reiter?

Die beiden schauten sich entschlossen an. So einfach ließen sie sich doch nicht abhängen!

„Los, Sabrina!“

„Hü, Amadeus!“

Sie holten auf.

Hans Kakmann hatte seine wahre Freude daran, immer ein Stück vor den Mädchen zu bleiben. Gekonnt ritt er in Schlangenlinien vor ihnen her und hinderte sie so daran, an ihm vorbeizukommen.

„Was ist? Sind eure Pferde nicht wendig genug?“, stichelte er.

Bibi fand das gar nicht witzig. Was bildete der sich ein? Na, warte …

Kakmann nahm nun ein wenig sein Tempo zurück, sodass Bibi und Tina sich nähern konnten. Als sie ihn fast erreicht hatten, grinste der fiese Typ die Mädchen jedoch frech an. „Bye, bye!“

Er spornte seinen Fantastico kräftig an, um noch schneller zu galoppieren. Das Pferd schien sein Tempo zu verdoppeln, und Bibi und Tina konnten nur noch mit offenem Mund zusehen, wie es rasend schnell auf die Alte Eiche zugaloppierte und den mitten auf einer Wiese stehenden Baum mit großem Vorsprung erreichte.

Mit kindlicher Freude reckte Kakmann seine Arme in die Höhe und jubelte: „Ja, ja, ja, jaaa …!“

Bibi und Tina stoppten Sabrina und Amadeus.

Ungläubig schüttelte Tina den Kopf. „Was sollte das denn jetzt?“ Sie fand Kakmanns Verhalten ausgesprochen unfair und überheblich.

Der schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Nicht ärgern! Ich nehme Kinder sehr ernst. Kinder sind die Konkurrenten der Zukunft. Und an Niederlagen wächst man. In eurem Fall doch ein klarer Vorteil, ihr kleinen Hosenscheißer.“

Bibi brauchte ein Weilchen, um auf so eine Unverschämtheit antworten zu können. „Äh … was?! So groß, wie Sie sind, müssen Sie dann ja schon oft verloren haben!“

Punkt für Bibi. Doch Kakmann schien nicht minder schlagfertig: „Ja, ich bin ziemlich groß!“

Bibi und Tina tauschten einen verdutzten Blick aus, während Kakmann sich daranmachte, weiterzureiten.

„The winner takes it all! Bis zum nächsten Mal!“, verabschiedete er sich.

Bibis Antwort folgte prompt: „Ja, genau, man sieht sich immer zweimal!“

„Oder dreimal!“

„Vielleicht auch viermal!“

Tina schaute mit wachsendem Erstaunen vom einen zum anderen.

„Fünfmal!“

Als Bibi schon wieder etwas erwidern wollte, unterbrach Tina sie: „Bibi?!“

Bibi verteidigte sich: „Könnte doch sein, so rein statischtischisch … du weißt schon, was ich meine!“

Warum musste man sich auch so schwierige Wörter für eigentlich einfache Dinge ausdenken? Absurd. Auch so ein Wort. Aber dieses Wort mochte Bibi, und es passte ja gerade auch ganz gut zur Situation.

Ungläubig blickten die Freundinnen Kakmann hinterher, der bestens gelaunt und pfeifend davontrabte und sich dabei prüfend umsah. „Schön hier! Hat was …“, bemerkte er.

Tina seufzte. Aber aus dem Seufzer war auch ein bisschen Bewunderung herauszuhören. „Der war schon unglaublich schnell, oder?“

Bibi sah es gar nicht ein, beeindruckt zu sein. „Er hat einfach ein supertolles Pferd.“

Tina nickte. „Der macht ja auch was mit Pferden – Pferdezucht oder so.“

Da krächzte auf einmal der Falke, der über ihnen in der Alten Eiche saß, und es klang fast, als wollte er sie vor etwas warnen …

Bibi ihrerseits hatte sich entschieden, sich ihre gute Laune nicht verderben zu lassen, nicht von so einem Angeber. Energisch trieb sie Sabrina wieder an. „Auf nach Schloss Falkenstein!“

28163.jpg

Es war nicht mehr weit zum Schloss, das prächtig auf einem Hügel thronte. Als Bibi und Tina auf den Hof der herrschaftlichen Anlage ritten, bot sich ihnen ein unerwartetes Bild. Sie parierten erstaunt ihre Pferde durch.

Auf der Wiese vor dem leise plätschernden Brunnen standen Graf Falko von Falkenstein, sein Sohn Alexander und sein Butler Dagobert nebeneinander und schauten gespannt zum Tor. Immer wieder überprüfte Graf Falko auf seiner Uhr die Zeit. Auch Dagobert wirkte nervös.

Eilig banden Bibi und Tina ihre Pferde an die eigens dafür vorgesehene Stange im Hof und liefen ihnen entgegen.

„Erwartet ihr jemanden?“ fragte Bibi fröhlich, während Tina ergänzte: „Sind wir zu spät?“

„Nein, nein, wir erwarten nur die Tochter von Freunden“, winkte Alex ab. „Sie macht auch beim Rennen mit.“

Tina umarmte Alex und gab ihm einen kleinen Begrüßungskuss, was ein Räuspern von Graf Falko zur Folge hatte. Energisch ermahnte er seinen Sohn: „Bitte ein bisschen Anstand!“

Voller Neugier, wer da so aufgeregt erwartet wurde, stellten sich Bibi und Tina neben Alex und schauten nun ebenfalls in Richtung Tor.

Da fuhr auch schon ein prachtvoller Oldtimer mit einem würdevollen chinesischen Chauffeur am Steuer in den Hof ein und hielt genau vor dem Begrüßungskomitee. Auf der Rückbank saß ein hübsches dunkelhaariges Mädchen, das hoheitsvoll aus dem Fenster sah. Dagobert öffnete die Autotür, und das elegant ganz in Gelb gekleidete Mädchen stieg aus.

Graf Falkos Gesicht drückte Begeisterung aus. „Sophia von Gelenberg! Schön, dich mal wiederzusehen! Mein Gott, bist du groß geworden!“

Sophia lächelte und gab Graf Falko geziert und formvollendet die Hand. Dann wandte sie sich ihrem Chauffeur zu und sprach in einer Sprache mit ihm, die Bibi ziemlich spanisch vorkam. Nein – das war Chinesisch! Verwundert schüttelte Bibi den Kopf. Sophia sprach Chinesisch?

Tina zuckte nur mit den Achseln. Erst Kakmann und dann dieser Auftritt hier! Diesmal sah sie es überhaupt nicht ein, sich beeindrucken zu lassen.

Alex legte seinen Arm um sie. „Sophia, darf ich vorstellen, das ist Tina, meine Freundin.“

„Hallo!“, sagte Tina freundlich.

Sophia musterte Tina ungläubig. „Freundin? So richtig?“

Alexander nickte, nichts ahnend, was sein Besuch mit dieser Frage eigentlich zum Ausdruck bringen wollte. „Ja klar!“

„Ach, wie süß.“ Sophia verzog ihren hübschen Mund.

Bibi reichte es jetzt mit diesem ganzen komischen Geplänkel. Rasch rieb sie sich die Hand an ihrer Hose ab und hielt sie Sophia hin. „Und ich bin Bibi, Bibi Blocksberg!“

Sophia beäugte sie wie ein merkwürdiges Insekt. „Ja … und?“

Bibi war etwas verwirrt. „Und auch eine Freundin … aber anders richtig.“

Doch Sophia beachtete sie gar nicht mehr. Stattdessen zeigte sie angeekelt auf Tinas Stirn. „Du hast da was!“

Während Tina sich verlegen räusperte, verstand Bibi überhaupt nicht, was das sollte. Okay, da war ein kleiner Pickel. Aber wer scherte sich schon um so was?! Außerdem fand sie, dass ihre Freundin Tina so eine herablassende Behandlung überhaupt nicht verdiente.

„Was denn?“, fragte sie betont ahnungslos. „Also ich seh da nichts … Aber, hey, da!“ Bibi zeigte nach oben.

Als alle in den Himmel blickten, hob Bibi schnell ihre Arme und hexte leise in Richtung Pickel: „Eene meene Winde wehn, Pickel muss jetzt ganz schnell gehn. Hex-hex!“

Und tatsächlich, im nächsten Moment war Tinas Pickel verschwunden!

Doch da tauchte er plötzlich auf der Wange des überraschten Butlers Dagobert auf.

Bibi stotterte: „Na, so was!“

Und damit nicht genug: Plopp! Der Pickel wanderte weiter und landete nun auf der großen Nase von Graf Falko.

„Äh, also … doch nicht vom einen zum …!“, stammelte Bibi.

Aber der Pickel war nicht aufzuhalten, und weiter ging es auf die Stirn von Sophia von Gelenberg! Sie schielte zu ihm hoch. „Was ist das?“

Dort allerdings schien es dem Pickel so gut zu gefallen, dass er sich nicht mehr von der Stelle rührte.

Alex bemühte sich, die Situation zu entschärfen. „Ach, das ist gar nichts – Blütenstaub oder so …“

Tina konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. Graf Falko hingegen fand das alles andere als amüsant. „Bibi Blocksberg, hast du wieder gehext?“

„Äh … also …“, stotterte Bibi. Das hatte sie so ja gar nicht geplant. Typisch, wieder mal war aus einer kleinen Rettungsaktion ein großes Chaos entstanden. Sie lächelte verlegen. „Tschuldigung!“

Sophia war neugierig geworden. „Gehext?“ So etwas hatte sie ja noch nie gehört!

Da schnappte Bibi sie am Arm und zog sie energisch in Richtung Stall. Vielleicht konnte ja das süße Fohlen Sokrates, von ihnen wegen seiner weißen Abzeichen an den Fesseln nur Socke genannt, ihre Laune wieder heben! Socke war wegen einer heftigen Grippe von der Weide in den Stall geholt worden, und gemeinsam mit Alex kümmerten sich die Mädchen um das Fohlen, wann immer sie konnten.