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Aus dem Englischen von Paul Fleischmann

www.hannibal-verlag.de

Für unsere Fans

Über den Co-Autor

JIM RULAND schreibt seit den frühen Neunzigerjahren für Punkrock-Magazine wie Flipside oder Razorcake, Amerikas einzigem unabhängigen Nonprofit-Fanzine. Er ist Co-Autor von My Damage, das in Zusammenarbeit mit Keith Morris, dem Sänger von Black Flag, den Circle Jerks und OFF!, entstand.

Impressum

Deutsche Erstausgabe 2020

© 2020 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-691-9

Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-690-2

Titel der Originalausgabe: DO WHAT YOU WANT – The Story of BAD RELIGION

© 2020 by Bad Religion

ISBN Hardcover: Hachette Books 978-0-306-92222-0

Hachette Books is a division of Hachette Book Group, Inc., New York, USA

Cover Design © Richard Ljoenes

Coverfoto © [TK]

Cover © 2020 Hachette Book Group, Inc.

Grafischer Satz in deutscher Sprache: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Übersetzung: Paul Fleischmann

Deutsches Lektorat und Korrektorat: Hollow Skai

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Einleitung: Eine gefährliche Dissonanz

1: Willkommen im Hell Hole

2: Wir können das

3: Direkt aus dem Fegefeuer

4: Das Inferno im Hier und Jetzt

5: Noch nichts erreicht

6: Musik für Spinner

7: Ein Neuanfang

8: Im Westen was Neues

9: Hin und her

Bilderstrecke 1

10: Was immer ihr wollt

11: Immer noch mehr

12: Gegen den Strom

13: Gott in elf Metaphern

14: Ein zweischneidiges Schwert

15: Ein subtiles „Fuck you“

16: Kollaps

17: Der schnellste Fahrer sitzt am Steuer

Bilderstrecke 2

18: Logik und Leidenschaft

19: Jenseits von Gut und Böse

20: Das verlorene Paradies

21: Eine beschissene Band wie eure

22: Zurück im Rennen

23: Schock und Verunsicherung

24: Evolution der Revolution

25: Frischer Wind

26: Immer und überall

27: Am Ende der Geschichte

Danksagungen

Diskografie

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„This isn’t art, this is suicide!“ Diese Worte, die der 15-jährige Sänger von Bad Religion in der Gluthitze einer Garage ins Mikrofon fauchte, waren die ersten, die die Band aufnahm. Der Song „Sensory Overload“ stammte aus der Feder des 17 Jahre alten Brett Gurewitz. Er hatte ihn geschrieben, als Brett und Greg die El Camino Real High School im kalifornischen Woodland Hills besuchten. Die Aussage dahinter schlägt mit der wuchtigen Schonungslosigkeit eines jugendlichen Manifests ein, doch sprüht sie nur so vor Wahrheit, Spott und auch Missverständnissen.

Wir schreiben das Jahr 1980, und Punk war nicht mehr neu. The Damned waren drei Jahre zuvor zum ersten Mal in L.A. aufgetreten. Bald danach kamen auch The Clash zu Besuch. Die Sex Pistols hatten ihren letzten Gig im Januar 1978 im Winterland in San Francisco absolviert. Die Ramones standen kurz davor, ihr bereits fünftes Studioalbum zu veröffentlichen. Englische Post-Punk-Bands wie Bauhaus, Siouxsie and the Banshees und The Cure fielen in New York ein.

In Los Angeles galt Punkrock aber immer noch als vitales Genre. L.A.-Punk-Bands der ersten Stunde wie die Screamers, die Weirdos, die Bags und die Plugz hatten Hardcore-Newcomern wie Black Flag und den Adolescents weichen müssen. Da sie um die gewalttätigen Fans dieser Bands wussten, hatten viele Veranstalter und Clubs Hardcore-Punk-Bands aus dem Programm gestrichen und es gab nur wenige Auftrittsmöglichkeiten für junge Acts. Das hielt jedoch niemanden davon ab, neue Gruppen zu gründen. Die Surfer und Skater, die etwas weiter vom Epizentrum Hollywoods entfernt zuhause waren, steuerten als Fans ein neues Ausmaß an Athletik und Aggression zu den Shows bei.

Der einzige Faktor, der Bad Religion von ihren südkalifornischen Altersgenossen zu unterscheiden schien, war der, dass sie aus Woodland Hills stammten, einer vorstädtischen Kommune tief in den westlichen Ausläufern des San Fernando Valleys, das wiederum aufgrund seiner Durchschnittlichkeit und Homogenität verachtet wurde. Während Hollywood als das Punk-El-Dorado von L.A. galt, stand das Valley für das strikte Gegenteil davon. Wie schafften es nun vier High-School-Schüler, von denen zwei die Schule vorzeitig abbrechen sollten, sich von der Masse abzuheben?

Sie waren weder die ersten noch die letzten Punkrocker aus dem Valley. Die Musik, die sie im Glutofen ihrer Garage fabrizierten, war nicht ausgesprochen originell. Die Bandmitglieder ließen kein herausragendes musikalisches Talent erkennen, das auf eine brillante Karriere hingedeutete hätte. Tatsächlich machte der eine oder andere von ihnen sich erst gerade mit seinem Equipment vertraut. Doch sie verfügten über etwas, das ihnen von Anfang an als markantes Alleinstellungsmerkmal diente – Intelligenz.

1980 war Punk immer noch in der Lage, Menschen zu provozieren – und die evokative Eröffnungssalve von Bad Religion legte nahe, dass Punk sich schon bald von einer kunstvollen Ausdrucksweise zu einer philosophischen Notwendigkeit wandeln würde. Obwohl „Sensory Overload“ wie ein großer Teil ihres frühen Materials eine Gratwanderung zum Nihilismus darstellte, verzichtete der Song auf Slogans wie „Smash the State“ oder „Fuck the Police!“, die nicht imstande waren, ein Argument zu untermauern, und dem kritischen Denken letztlich nur im Wege standen.

Indem sie die Kreativität der ursprünglichen Punk-Bands aus L.A. wie der Germs und von X mit der ungestümen Energie von deren Nachfolgern aus dem Hardcore kombinierten, schrieben Bad Religion Songs, die ihre Hörer dazu aufforderten, sich Gedanken über die Welt und ihren Platz darin zu machen. Bad Religion waren eine Band mit einer einzigartigen Weltsicht und Aussage.

Ihr Name und ihr kompromissloses Logo – ein Kreuz, das rot durchgestrichen war, heute weltweit als Crossbuster bekannt – verdeutlichte ihre Ablehnung des Status quo zu einer Zeit, als der der christliche Konservativismus gerade den amerikanischen Mainstream beeinflusste.

Bad Religion traten genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Plan, um zu verkünden: „Wir machen uns Gedanken darüber, was die Wahrheit und was Lüge ist.“ Diese Sichtweise weckte die Aufmerksamkeit von Millionen zorniger und zunehmend unzufriedener Jugendlicher – nicht nur im Valley oder in Los Angeles und Südkalifornien, sondern rund um den Globus. Ihr subversiver Geist und ihre nachdenklichen Songtexte ließen es akzeptabel erscheinen, sich rebellisch und gleichzeitig intellektuell zu geben. Die Musik war zwar Punk, aber die Botschaft universell – und die Texte im beeindruckenden Repertoire der Band sind heute relevanter als je zuvor. Darin besteht auch die Ironie ihres dreisten Auftaktsongs. Ihre erste Aufnahme war alles andere als ein „Suizid“, sondern vielmehr die Initialzündung einer 40 Jahre andauernden Karriere im Rock’n’Roll, die bis heute anhält.

Es war keine unbeschwerte Reise. Über die Jahre hinweg lösten sie sich auf, drifteten auseinander und kamen stärker als je zuvor wieder zurück. Diese Geschichte handelt davon, wie eine Gruppe von Teenagern aus dem Valley Los Angeles im Sturm eroberte, dann alles wieder verlor und sich mit einer Reihe von einflussreichen Alben zurückmeldete, die Amerikas Vorstellung von Punkrock verändern sollten.

Aber um begreifen zu können, wie der einmalige Sound von Bad Religion massentauglichen Punkrock-Bands den Weg ebnete, die in ihren Fußstapfen folgen sollten, muss man sich eben zurück in jene unvorstellbar heiße Garage tief im San Fernando Valley begeben.


Die frühe Punk-Szene von Los Angeles spielte sich in Hollywood ab, doch viele der Protagonisten stammten aus dem San Fernando Valley. Eine der ersten L.A.-Bands, die sich Gehör verschaffen konnten, die Dickies, kam aus dem Valley. Als Lee Ving seine Band Fear gründete, lebte er gerade in Van Nuys. John und Dix Denney von den Weirdos – deren Image dazu beitrug, die Punk-Szene von L.A. zu etablieren – waren in North Hollywood und nur einen Katzensprung über die Hollywood Hills hinweg zuhause.

L.A. hat in Bezug auf seine Geografie immer schon ein falsches Bild vorgetäuscht. Die vielen Film- und Fernsehstudios vermittelten den Eindruck, dass die Innenstadt von L.A. nur eine Autoverfolgungsjagd vom Strand entfernt läge, während der man rasch Zwischenstopps in Hollywood und Beverly Hills einlegen könnte. Doch die Realität gestaltete sich immer schon nuancierter. So wuchsen die Jungs von Black Flag etwa näher an Wellen und Sand auf als die Beach Boys. Auch wenn Frank Zappa 1982 in seinem Song „Valley Girl“ nahelegte, dass das Valley eine an Hollywood angrenzende Gemeinde sei, deren kultureller Mittelpunkt das Einkaufszentrum Sherman Oaks Galleria war, umfasst das Valley vielmehr eine Fläche von 650 Quadratkilometern und 1,77 Millionen Einwohnern.

Jene Ecke des Valleys, aus der Bad Religion stammten, lag näher an der Pendlerbahn der Ventura County Line als an der Ortsgrenze zu Hollywood. Noch mehr Vorstadt ging fast nicht und die El Camino Real High School entsprach einer typisch suburbanen Schule. Sie verfügte über einen riesigen Campus, hatte ein renommiertes Football-Team samt Cheerleader-Truppe und entsandte reichlich Schüler aufs College, wo diese sich zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln konnten. Außerdem war die Schule der Geburtsort einer der einflussreichsten amerikanischen Punk-Bands überhaupt.

Im Herbst 1979 kreuzte Greg Graffin zu seinem zweiten Schuljahr an der High School mit schwarz gefärbten Haaren und einem Black-Flag-Shirt auf. Und Jay Bentley hatte nun einen Kurzhaarschnitt und erschien zum Unterricht in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Virgin“.

„Ich glaube, dass das bloß wir beide waren“, sagt Jay über die praktisch inexistente Punk-Szene an seiner Schule. Die beiden Zehntklässler hatten beide die Hale Junior High besucht, weshalb sie sich bereits kannten. Sie hatten eine Reihe gemeinsamer Freunde, doch es war ihre Vorliebe für Musik, die sie zusammenschweißte. Es gab keine anderen Punks an der El Camino Real, aber das sollte sich schon bald ändern.

Brett Gurewitz und Jay Ziskrout besuchten die elfte Klasse und hatten schon in zwei Bands zusammengespielt. Die erste Gruppe namens Omega Band schaffte es nie über das elterliche Wohnzimmer der Ziskrouts hinaus. Ihr zweiter Versuch verlief ein wenig erfolgreicher: The Quarks waren eine an die Beatles angelehnte Band, angereichert mit einer Prise New Wave. Brett schrieb die Songs, spielte Gitarre und sang. Ziskrout saß hinterm Schlagzeug. Ihr einziger Gig fand bei einer nachmittäglichen Talentshow an der El Camino Real statt.

Bretts bester Freund, Tom Clement, kannte Greg, der damit prahlte, ein richtig guter Sänger zu sein. Tom hatte sich inzwischen auf Punk eingelassen und ermutigte Brett, es ihm gleichzutun, indem er mit ihm eine Band gründete. „Tom war clever genug, um zu erkennen, dass seine beiden Freunde ein gutes Team abgeben würden, als er mich Brett vorstellte“, sagt Greg. „Wir waren beide intellektuell angehauchte Nerds. Obwohl wir noch so jung waren, trafen hier geistesverwandte Köpfe aufeinander.“

Brett zeigte sich jedoch zunächst noch unwillig, sich voll und ganz dem Punkrock hinzugeben. „Ich hatte lange Haare wie Ric Ocasek oder Joey Ramone“, erklärt Brett. „Ich machte mich langsam startklar für Punk und Tom hatte sich schon vollends darauf eingelassen. Ich trug ein selbstgemachtes Shirt mit der Aufschrift ‚Fuck you, I’m a longhair Punk!‘ Ich hatte Angst davor, meine Haare zu schneiden. Das war damals eine große Sache.“

Tom stellte Greg und Brett einander an der El Camino Real vor. Brett kannte Gregs älteren Bruder Grant, aber hatte Greg noch nie zuvor getroffen. „Ich sagte ständig zu Tom, wie gern ich doch in einer Band wäre. Aber in meinem Kopf ergab das keinen Sinn, da ich ja nichts konnte. Wie startete man eine Band? Als Brett und ich zusammentrafen, bewunderte ich ihn, weil er schon die ganze Ausrüstung hatte. Er verfügte über Wissen, das mir fehlte, um alles in die Wege zu leiten. Er besaß das Knowhow.“ Oder wie Brett es ausdrückt: „Ich hatte eine Anlage.“

Obwohl Greg Brett wegen seiner langen Haare anpflaumte, erhielt ihr Bestreben, gemeinsam Musik zu machen, einen weiteren Schub, als sie im Frühjahr ins Hollywood Palladium pilgerten, um ein Konzert der Ramones zu sehen. Brett fühlte sich von dem Erlebnis so inspiriert, dass er sofort eine Band gründen wollte. „Ich weiß, dass es ein bisschen nach Klischee riecht“, sagt Brett, „und die Ramones gelten ja als die Johnny Appleseeds und Pioniere des Punk, aber in meinem Fall trifft das auch wirklich zu. Vor den Ramones waren alle meine musikalischen Helden entweder Virtuosen oder Rockstars. Aber als ich die Ramones entdeckte, dachte ich mir gleich, dass das etwas wäre, was ich auch selbst bewerkstelligen könnte.“

Die drei Teenager Gurewitz, Graffin und Ziskrout vereinbarten ein Treffen bei Ziskrout zuhause, um dort zu proben. Brett brachte einen Song namens „Sensory Overload“ mit. Greg hingegen steuerte eine Nummer bei, die er auf dem Spinett seiner Mutter komponiert hatte und den Titel „Politics“ trug. Sie brachten einander ihre Songs bei und probten sie im Wohnzimmer ein. Als sie ihr Repertoire beherrschten, nahmen sie die Songs mit einem Kassettenrekorder auf.

Natürlich konnten sie es damals noch nicht wissen, aber diese Probe wies bereits den Weg für ihre Arbeitsweise als Band im Verlauf der nächsten 40 Jahre. Brett und Greg schrieben beide Songs und brachten sie dann zur Probe mit. Dabei handelte es sich nicht nur um fragmentarische Riffs und Melodien, sondern um komplette Nummern samt Texten und Titeln. Wenn die Band sich dann traf und die einzelnen Musiker ihren Senf dazu abgaben, entwickelten sich diese Songs noch weiter. Die Art und Weise, wie Brett und Greg sich die Songs aufteilten, hat sich im Laufe der Jahre und dem Aufkommen neuer Technologien verändert, doch die Methode dahinter ist stets dieselbe geblieben. Sie schreiben ihre Songs unabhängig voneinander und bringen sie dann in die Band ein, um sie gemeinsam zu verfeinern.

Brett war von Gregs Talent und Entschlossenheit beeindruckt. „Zu dieser allerersten Probe, als wir noch keinen Bassisten hatten“, erinnert sich Brett, „brachten Greg und ich jeweils einen Song mit. Greg brachte mir seinen Song auf der Gitarre bei und ich zeigte ihm, wie er meinen Song singen sollte. Dann spielten wir sie und sie passten gut zusammen.“

Obwohl alle zufrieden waren mit dem Verlauf der Probe, wollten sie doch wissen, wie sie mit einer Bassgitarre klängen. Am darauffolgenden Montag rekrutierte Greg deshalb Jay Bentley, der sich an das kurze Einstellungsgespräch erinnert:

GREG: Du wirst in unserer Band spielen.

JAY: Na gut, ich habe eine Gitarre.

GREG: Einen Gitarristen haben wir schon. Du wirst Bass spielen.

JAY: Okay. Ich habe aber keinen Bass.

GREG: Hier sind ein paar Songs, die wir geschrieben haben. Kannst du einen Bass auftreiben?

JAY: Ach, scheiß drauf. Okay.

Beim Anheuern von Bandmitgliedern aus ihrem unmittelbaren Freundeskreis folgten sie einem Schema, was auch zeigt, wie klein die Punk-Szene in Los Angeles 1980 tatsächlich war. „Es gab ja niemand anderen, den sie hätten fragen können“, sagt Jay. „Und ich war ja schon da.“

Jay bat seine Eltern, ihm doch eine Bassgitarre zu kaufen. „Es folgten intensive Verhandlungen. ‚Ich werde den Rasen dreimal mähen! Ich bringe ab jetzt immer den Müll raus.‘ Mein Stiefvater war ein großer Fan der Kaufhauskette Sears, also kauften wir dort einen Bass. Das war ein Jazz-Bass mit einem Hals, der nur dreiviertel so lang wie ein normaler Bass war. Ein Bass für Kinder. Ich hatte nicht die geringste Ahnung von irgendetwas. Also kaufte ich einen Kurzhals-Bass und mietete einen Verstärker vom Gitarrenladen in meiner Straße.“

Jay konnte nicht Bass spielen, weshalb er bei der Probe einfach Brett imitierte. Schon bald fand er aber heraus, welche Töne den Barré-Griffen entsprechen, und klinkte sich ein. Jay fühlte sich bei seiner ersten Bandprobe eingeschüchtert, da er ein kompletter Anfänger war und die älteren Brett und Ziskrout schon Erfahrung in Bands gesammelt hatten. „Diese Jungs machten Nägel mit Köpfen“, sagt Jay. „Da wurde nicht lange gefackelt. Wir hatten nur drei Songs, weshalb wir sie einfach hundert Mal spielten. Ich war wirklich nicht gut, aber es machte Spaß.“

Seine fehlende Erfahrung machte er mit überschäumendem Enthusiasmus wett. Obwohl er sein Instrument nicht beherrschte, gefiel Greg, was er da hörte. „Als Bentley zu unserer nächsten Probe erschien, um mit uns in Ziskrouts Wohnzimmer zu spielen, klang das mit einem Bass gleich nochmal so gut.“

Im Anschluss an die Probe wurde sofort der nächste Termin vereinbart. Außerdem mussten sie sich einen Namen einfallen lassen. „Wir saßen im Wohnzimmer meiner Mom“, erinnert sich Ziskrout. „Wir fragten uns, wie wir die Band nennen sollten. Ich glaube, es war Brett, der Bad Religion vorschlug. Wir alle liebten den Namen, da er weit über Religion hinausging. Es war eine Reaktion gegen etablierte Denkschulen. Hier hast du, was du denken und glauben sollst. Unser Ethos widersprach der Vorstellung, wie Schafe durchs Leben zu gehen.“

Der Name gefiel auch Greg, obwohl dieser nur sehr wenig mit organisierter Religion in Kontakt gekommen war. „Ich wurde in einem Haushalt erzogen, in dem religiöse Lehren überhaupt keine Rolle spielten, da meine Mom diesbezüglich traumatisiert war. Religion hatte keinerlei Einfluss auf mich. Ich kannte keine Geschichten aus der Bibel. Aber ich würde sagen, dass ich schon ein spiritueller Typ war. So genoss ich es sehr, als uns unser Lehrer Hermann Hesse als Lektüre aufgab. Als wir mit ihm Thoreau durchnahmen, fand ich das auch toll. Ich fühlte mich zu Naturwissenschaft und buddhistischer Philosophie hingezogen. Das fand ich höchst interessant. Bei diesen frühen Proben hatten wir noch keinen Namen, aber es ergab einen Sinn für mich, dass wir uns Bad Religion nannten.“

Brett fand sofort einen Draht zu seinem jüngeren Mitschüler Greg. „Wir hatten ganz schön großes Glück, dass wir uns fanden“, sagt Brett. „Ich war schon sehr früh ein Agnostiker geworden. Meine Eltern thematisierten Religion wohl nur, damit ich meine Bar Mitzvah feiern konnte. Ich war, was das anging, durch und durch skeptisch eingestellt, da ich mich immer schon sehr für Philosophie interessiert hatte, aber eben eher als Agnostiker oder womöglich auch als Pantheist. Die meisten Kids lesen Siddharta in der Junior High und finden keinen Gefallen daran. Ich steigerte mich da aber richtig rein, und Greg ging es ebenso. Mich faszinierten westliche wie östliche Philosophien und ich stand den religiösen Lehren, mit denen ich konfrontiert wurde, skeptisch gegenüber.“

Brett versuchte, das, was er lernte, quasi zu bündeln und Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden. Das unterschied ihn auch von den anderen Schülern. In Jay Ziskrouts Augen stellte die Band eine Erweiterung dieser Interessen dar. „Brett war schon ein Philosoph, lange bevor die Kids so dachten“, sagt Ziskrout. „Er steckte mir dauernd Bücher zu, die ich lesen sollte.“

Der Name Bad Religion schuf die Rahmenbedingungen für die Art von Band, die sie sein wollten. Er etablierte ein Ordnungsprinzip und ließ ihren Standpunkt hinsichtlich einer Reihe gesellschaftlicher Fragen nicht lange im Unklaren. „Bad Religion vermittelte uns eine Perspektive“, sagt Greg. „Wir waren wütende junge Männer, daran gab es keinen Zweifel – und als Punks mussten wir ja gegen irgendetwas aufbegehren. Ob wir nun als weiße amerikanische Kids im Jahr 1980 überhaupt das Recht hatten, wütend zu sein, sollen andere entscheiden, aber wir waren es. Es ist ganz einfach, rückblickend zu analysieren, warum wir die Band so nannten, aber es hat sich durchaus gelohnt für uns. In mehr als nur einer Hinsicht.“

„Wenn man seine Band Wasted Youth nennt“, so Brett, „wird es mit 55 schwierig, weiterhin eine Kernaussage zu vertreten.“

Noch aufsehenerregender als ihr Name war ihr Logo, das durchgestrichene Kreuz. Brett erschien zur Probe in Jay Ziskrouts Wohnzimmer mit einer Zeichnung auf einem Stück Pappe. „Ich hab’s!“, verkündete er.

Greg war sofort klar, dass sie damit einen Nerv trafen. „Ich wusste an Ort und Stelle, dass es das richtige Logo war.“

Als Brett sich daran machte, es noch weiter auszuarbeiten, griff er mit Absicht auf Rot, Weiß und Schwarz zurück – Farben, die mit dem Hakenkreuz und der NSDAP in Verbindung gebracht werden. „Es kam durchaus vor, dass man in der frühen Punk-Szene auf Leute traf, die Hakenkreuze trugen“, sagt Brett. „Ich nahm an, dass die Kids es trugen, um zu schockieren, aber das fand ich nicht sehr ansprechend. Ich hätte das nie tun können. Das rot-weiß-schwarze Crossbuster-Logo ist ein starkes, schockierendes Symbol. Als jüdischer Junge war es etwas, das ich auch tragen konnte und ebenso schockierend war wie das Hakenkreuz.“

Innerhalb kürzester Zeit hatten sie sich nun auf einen Bandnamen und ein Logo geeinigt. Außerdem stand noch zur Debatte, wie sie ihre Ideen präsentieren und wahrgenommen werden wollten. Zwar war man übereingekommen, weiterhin zu proben, doch die Intensität dieser Zusammenkünfte erschwerte es ihnen, lange an einem Ort zu bleiben. So zogen sie von Ziskrouts Wohnzimmer in Bretts Garage, bis sich die Nachbarn beschwerten. Als sie in Jays Haus loslegten, rief jemand sofort die Polizei. „Letztlich landeten wir in Graffins Garage“, so Jay. „Das war der einzige Ort, von dem wir nicht vertrieben wurden.“

Das lag zu einem großen Teil an Gregs Mutter Marcella sowie den Nachbarn in Canoga Park. Marcella vertraute ihren Söhnen und stellte nicht viele Regeln für sie auf. „Ich spielte mich nicht als Richterin auf“, sagt sie. „Sie waren doch bloß Kinder. Als sie die Band gründeten, geschah das praktisch über Nacht. Ich musste meine Sachen auf eine Seite der Garage räumen. Ich stellte nicht zu viele Fragen. Mir war es lieber, dass sie sich hier als anderswo aufhielten.“

Obwohl Marcella in einer religiösen Familie aufgewachsen war, störte sie sich nicht am Namen der Band. „Ich liebte ihn“, sagt Marcella. „Das tat ich wirklich. Wenn die Jungs gefragt wurden, warum sie die Band Bad Religion genannt hatten, gaben sie unterschiedliche Antworten. Greg erklärte mir und anderen, dass alles eine ‚schlechte Religion‘ sein konnte. Zum Beispiel, wenn man sein unabhängiges Denken aufgab und nicht für sich selbst dachte. Natürlich sprach mich das an. Ich verband überhaupt nichts Negatives mit dem Namen.“

Abgesehen davon gab es aber einen Vorfall mit Jay Ziskrout, der ihr sauer aufgestoßen war. „Mir machte es nichts aus, sie im Haus zu haben. Im Wesentlichen waren sie ja nicht destruktiv. Doch einer von Gregs Freunden fühlte sich wohl etwas zu heimisch bei uns. Er nahm sich nicht nur Milch aus dem Kühlschrank, sondern trank sie auch noch aus der Packung!“

Auch gab es immer noch Beschwerden wegen des Lärms. Die Jungs versuchten die Nachbarn zu besänftigen, indem sie mithilfe von Eierkartons und Schaumstoff versuchten, den Krach einzudämmen. Aber mit wenig Erfolg. „Ich war immer beeindruckt von den Dingen, die sie unternahmen“, so Marcella. „Nicht unbedingt von ihrer Lautstärke, obwohl mich auch der Lärm nie wirklich störte.“

Brett sprühte „Welcome to the Hell Hole“ an die Innenwand der Garage. „Hell Hole war ein Name, der dazu passte“, so Jay. „Nicht, dass viel Bedeutung dahintersteckte. Es war das verdammte Valley. Es hatte eine Million Grad in der Garage, aber das war uns egal. Wir zogen unsere Shirts aus und schwitzten stundenlang vor uns hin, bis es dunkel wurde.“

Sie schrieben weiterhin Songs und experimentierten mit ihrem Sound. „Es floss einfach so dahin“, erinnert sich Brett. „Zu unserer nächsten Probe brachte Greg wieder einen neuen Song mit. Und ich ebenfalls. So machten wir das.“

Greg steuerte „World War III“ und „Slaves“ bei, und Brett schrieb „Drastic Actions“, eine Hommage an den Germs-Song „Shut Down“. Außerdem komponierte Brett noch den ikonischen Song „Bad Religion“, ihre Erkennungsmelodie. Doch damals diente der Song vor allem als Bandphilosophie, der ihre Kernprinzipien umschrieb und die Bedeutung der Band erklärte. Man nehme nur diese Zeilen aus der ersten Strophe:

Spiritual era is gone, it ain’t coming back

Bad Religion, a copout that is all that’s left

Ein direkter Kommentar, nicht so sehr bezüglich des Niedergangs der Spiritualität in Amerika, als vielmehr hinsichtlich des Aufstiegs von rechts-religiösen Organisationen wie Moral Majority und Fernsehpredigern wie Jimmy Swaggart, Jerry Falwell sowie Jim und Tammy Faye Bakker, die ihre Anhänger um Spendengelder anbettelten. Doch wenn die erste Strophe die Ablehnung der Band gegenüber der Rolle von Religion innerhalb der Gesellschaft auf den Punkt brachte, so verlagerte die zweite Strophe die Sache auf eine persönliche Ebene:

Don’t you know the place you live’s a piece of shit

Don’t you know blind faith through lies won’t conquer it

Don’t you know responsibility is yours I don’t care a thing about eternal fires

Listen this time it’s more than a rhyme

It’s your indecision

Your indecision is your

Bad Religion …

Die direkte Anrede am Ende der Strophe, bevor wieder der Refrain einsetzte, war nicht weniger als ein Aufruf, persönliche Verantwortung für seine Überzeugungen zu übernehmen. Es ist sowohl eine Aufforderung, für sich selbst zu denken, als auch eine Warnung vor den Abgründen blinden Glaubens. Die Zeile „Listen this time it’s more than a rhyme“ ist in seiner Selbstbewusstheit geradezu postmodern und verstärkt die Dringlichkeit der Botschaft: Nicht die „ewigen Feuer“ der Hölle oder die Lügen falscher Propheten bergen Gefahren für uns, sondern vielmehr unsere Denkfaulheit. Statt gegen organisierte Religionen zu wettern, fordert der Song die Hörer auf, sich Klarheit darüber zu verschaffen, an was sie glauben. Man sollte der Sache doch auf den Zahn fühlen, drängt der Song: „It’s not too late.“

Obwohl die Band mit ihrem Songwriting noch in den Kinderschuhen steckte und ihre Mitglieder damals alle noch Teenager waren, verfügt der Song über eine Kultiviertheit, die man nur selten bei den Hardcore-Bands dieser Ära antraf. Während die Musik darauf abzielt, den Hörer etwas spüren zu lassen, ermutigt der Songtext das Publikum, nicht einfach nur zu denken, sondern vor allem kritisch zu sein.

Während die Band musikalisch immer kompetenter wurde, entwickelte sich das Hell Hole zu einem Treffpunkt für die Punk-Freunde der Band aus dem Valley. Manchmal reisten sogar Kids aus Hollywood an, um den Proben der Band beizuwohnen. Die Kunde von Bad Religion verbreitete sich in den lokalen Punk-Zirkeln. Doch die Kids kamen nicht, um Party zu machen. Sie schneiten nach der Schule vorbei und blieben bis zur Essenszeit am Abend, wenn Gregs Mom von ihrem Job an der UCLA zurückkehrte.

Interessanterweise kam die Band nicht auf die Idee, sich nach einem Auftrittsort umzusehen, wo sie vor einem Live-Publikum auftreten konnte. Sie hatten bis jetzt gerade einmal sechs Songs im Repertoire. Da sie ihre Garagen-Sessions aufzeichneten, war ihnen bewusst, dass sie über ungefähr zehn Minuten Material verfügten. „Wir benutzten einen Ghettoblaster“, so Jay. „Mit dem nahmen wir alles auf. Das machte nicht viel her, aber ehrlich gesagt, so wussten wir zumindest, wie lange wir spielen konnten.“

Selbst mit Ansagen zwischen den Songs hätte ein Konzert nicht länger als 15 Minuten gedauert. Das reichte nicht aus. Stattdessen nahmen sie ein Demo auf.

Dafür begaben sie sich ins Studio 9, das sich im Hollywood & Western Building befand und auch schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Während die Geschäfte im Erdgeschoss weiterhin geöffnet hatten, standen zahlreiche Büros im ersten, zweiten und dritten Stock leer. Viele Zimmer hatten keine Türen, Fenster keine Glasscheiben. Zahlreiche Hausbesetzer-Punks aus Hollywood fanden hier Unterschlupf und die Wände waren mit Graffiti übersät.

Inmitten dieses chaotischen Ambientes befand sich das Studio 9 – ein aus einem Zimmer bestehendes Aufnahmestudio mit einem primitiven Acht-Spur-Tonbandgerät. Dort aufzunehmen kostete 15 Dollar pro Stunde, inklusive Tontechniker. Greg erinnert sich an eine wüste Örtlichkeit. „Überall waren Graffiti“, so Greg. „Nicht nur im Studio, sondern einfach überall. Die Wände dieser leeren Räume waren vollständig besprüht.“

Namen unterschiedlicher Bands, die vorbeigekommen oder hier übernachtet hatten, zierten die Wände. Also beschlossen Bad Religion, es ihnen gleichzutun und auch ihre Spuren zu hinterlassen. „Wir sprayten überall Bad Religion hin“, erinnert sich Brett. „Das war schon einigermaßen dämlich.“

Auch Jay war mit von der Partie. „Wir gingen in einen der leerstehenden Räume und schmierten Bad Religion an die Wände. Es ist wohl nicht sonderlich clever, Bad Religion an die Wand zu malen, wenn deine Band tatsächlich so heißt.“

Die Session dauerte nicht allzu lange. Sie nahmen nur eine Handvoll Songs auf, aber es war auch das erste Mal, dass sie halbwegs professionell aufnahmen, was eine aufregende Erfahrung war. Als sie beim Abmischen saßen und sich das Tonband anhörten, sprang Brett vor Begeisterung aus seinem Sessel. Sein Fuß traf dabei auf die gläserne Tischplatte des Kaffeetisches, die dabei zu Bruch ging. „Sorry“, sagte Jay. „Wir werden auf jeden Fall dafür aufkommen.“

So aufregend die Session auch war, so brachte sie für Jay auch eine bittere Erkenntnis: „Au Backe! Ich bin ja schrecklich! Ich ließ überall Noten aus und kam mit dem Tempo nicht mit. Das war das erste Mal, dass ich hörte, wie mies ich war.“

Dennoch hielten sie nun ein fertiges Demo-Tape in Händen.

Später am Abend erhielt Brett einen Anruf vom Manager des Studios.

MANAGER: Hey, ihr habt überall Graffiti hingesprayt, nicht wahr?

BRETT: Yeah.

MANAGER: Nun, so geht das aber nicht. Das ist Vandalismus. Ihr müsst nochmal herkommen und alles wieder saubermachen.

BRETT: Echt jetzt? Weil, na ja, da waren doch schon überall Graffiti.

MANAGER: Wir wissen nicht, wer das war, aber euer Bandname stand noch nirgends, bevor ihr hier einmarschiert seid.

„Ich bin mir sicher, dass wir das nicht hätten tun müssen“, sagt Brett heute, „aber da wir nun einmal dumme Jungs waren, kehrten wir nach Hollywood zurück und übermalten unser Graffiti.“

Die Erfahrung motivierte die Band, sich erneut im Hell Hole einzufinden, um neues Material zu schreiben. Nachdem sie eine erste Erfahrung mit dem Aufnahmeprozess gemacht hatten, wollten sie eine richtige Platte aufnehmen – nur nicht im Studio 9. Sie hatten ein Punk-Tape in einem Punk-Studio eingespielt, aber jetzt wollten sie etwas produzieren, das auch tatsächlich gut klang. Dieses Verlangen, Musik zu kreieren, die nicht nur hart und schnell, sondern wohlklingend war, unterschied Bad Religion von ihren Zeitgenossen. Im Verlauf ihrer Karriere sollte ihr Streben nach einer perfekt tönenden Platte zwischen einem ästhetischen Grundsatz und blanker Obsession hin und her pendeln.

Mithilfe des Schlagzeuglehrers von Ziskrout fanden sie ein bescheidenes Studio, das sich in der Garage neben dem Haus eines Produzenten in Thousand Oaks befand, um dort die sechs Songs ihrer ersten EP aufzunehmen. Dieses Erlebnis versetzte Brett mitunter in Staunen. „Wir hatten keine Ahnung, was wir da machten“, gesteht er. „Wir hatten keine Vorstellung davon, wie man eine Platte aufnahm. Wir hatten bloß unsere Songs und wollten sie konservieren. Andere Bands produzierten Seven-Inch-Schallplatten. Wir wussten, dass das im Bereich des Möglichen war. Uns wäre nie in den Sinn gekommen, zuerst einmal Material für 30 Minuten zu schreiben und dann eine Show zu spielen.“

Jay lernte immer noch, wie er mit seiner Ausrüstung umgehen, beziehungsweise, was er lieber bleiben lassen sollte. „Mein kleiner Kurzhals-Jazz-Bass war im Sunburst-Design lackiert. Schwarz, orange, gelb. Ich wollte ihn aber ganz schwarz haben, weil das viel cooler ist. So begab ich mich in die Garage und fand eine Dose mit pechschwarzer Farbe. Ich besprühte zunächst die Rückseite der Bassgitarre, und es sah wie Gummi aus. Total cool eben. Also besprühte ich auch noch die Vorderseite sowie das Griffbrett, die Saiten und den Kopf. Ich hatte ja keine Ahnung, was ich da tat!“

„Das war unmittelbar, bevor wir ins Studio gingen“, fügt Greg hinzu. „So erhielten wir unseren einzigartigen Sound auf unserer ersten EP.“

In den Gold Star Studios in Hollywood, einem legendären unabhängigen Studio an der Ecke Santa Monica Boulevard und Vine Street, wurden ihre Aufnahmen gemastert. Das war ein Quantensprung im Vergleich zu Studio 9. Im Gold Star hatte einst Phil Spector sein Handwerk gelernt und die einmalige Akustik des Studios genutzt, um seine legendäre Wall of Sound hochzuziehen. Und die Ramones hatten ihr Album End of the Century, das im selben Jahr erschien, mithilfe von Spector im Gold Star aufgenommen.

Als Bad Religion nun mit ihren Aufnahmen im Studio eintrudelten, wurden sie von Johnette Napolitano begrüßt, die am Empfang arbeitete. Johnette war hilfsbereit und geizte nicht mit Ratschlägen. Da schadete es natürlich auch nicht, dass sie violett gefärbte Haare hatte und sich durch eine Affinität für Punk auszeichnete.

Als sie die Platte hörte, berichtet Jay, wurde sie sogar noch zuvorkommender: „Wenn ihr Jungs mal eine LP machen wollt, solltet ihr statt dem Tontechniker vom Studio meinen Freund als Produzenten anheuern.“ Johnettes Freund war ihr Bandkollege Jim Mankey, der zusammen mit seinem Bruder Earle zu den Gründungsmitgliedern der Sparks gehört hatte. Johnette und Jim spielten nun gemeinsam in einer Band namens Dream 6 und sollten später Concrete Blonde gründen.

Napolitanos Enthusiasmus verlieh der Band Auftrieb, doch für Brett stellte vor allem der Umstand, sich in einem professionellen Studio aufzuhalten, eine erleuchtende Erfahrung dar. „Als ich zum ersten Mal ein echtes Studio sah, verliebte ich mich. Nicht jeder reagiert so, aber als ich die Reihen von Knöpfen und Lichtern sah, drehte ich durch. Ich liebte es. Ich wusste, dass das genau das Richtige für mich war. Ich musste lernen, damit umzugehen!“

Er war bestrebt, von erfahreneren Musikern zu lernen, vor allem von jenen, die nicht gleich über Punk die Nase rümpften.

Sobald die Songs gemastert waren, musste die EP gepresst werden. Brett nahm das Telefonbuch zur Hand und fand ein Presswerk. Mithilfe eines Kredits seines Vaters ließ er die Platte pressen, doch sollte das ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Es war Herbst 1980 und die EP erschien erst Anfang des nächsten Jahres.

Da sie nun eine Platte herausbrachten, brauchten sie noch einen Namen für ihr Label. Greg und Brett entschieden sich für den Namen Epitaph, nach einem Song von King Crimson. Der Refrain dieses Songs – „Confusion will be our epitaph“ – legt nahe, dass der Name des Labels zum Ausdruck bringen sollte, wie wenig sie davon verstanden, was sie da taten. Trotzdem hatten sie innerhalb kurzer Zeit bereits große Schritte mit ihrer Band gemacht. Sie hatten ein paar Songs geschrieben, eine EP aufgenommen und ein Demo produziert. Sie hatten diese Möglichkeiten nicht angeboten bekommen, sondern selbst realisiert. Abgesehen von den Proben im Hell Hole hatten Bad Religion bis dahin nur noch nicht live vor Publikum gespielt. Es war an der Zeit, endlich auch ein paar Konzerte zu geben.