image

Impressum

© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-437-1
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

1.

„Shanghai“, sagte Vinicio de Romaes. Seine Augen verengten sich ein wenig, und er ließ einen prüfenden Blick über das bunte, lärmende Durcheinander des Hafens gleiten. „Hier schlagen wir reiche Beute“, erklärte er überzeugt.

Er war ein großer, stämmig gebauter Mann mit leicht schütterem, ungepflegtem Haar und Zügen, die in ihrer Härte und Verbissenheit nicht nur auf reiche Lebenserfahrung, sondern auch auf eine gehörige Portion Hinterhältigkeit und Brutalität schließen ließen. Der kantige Schnitt seines Gesichts verstärkte diesen Ausdruck noch.

„Entern wir ein Schiff, oder dringen wir in ein Haus reicher Leute ein und plündern es aus?“ wollte Nakamura, der Mann aus Zipangu, wissen.

„Das überlassen wir mehr oder weniger dem Zufall“, erwiderte der Portugiese mit dünnem Lächeln. Er sprach chinesisch und beherrschte die fremden Vokabeln fast in Vollkommenheit. Mit seiner Schiffsbesatzung, einem durcheinandergewürfelten Haufen wüster Kerle, hatte er sich auf diese Art der Verständigung geeinigt. Nur wenige von ihnen konnten ein paar Worte Portugiesisch.

Vinicio de Romaes trug die einfache Kleidung eines chinesischen Händlers und dazu einen Tellerhut auf dem Kopf. In dieser Maskierung hatte er und fünf seiner Männer sich vom Unterlauf des Jangtsekiang bis hierher, in die große Stadt, gepirscht – obwohl sie riskierten, nie wieder zu ihrem Schiff zurückzukehren.

Hier würde man sie nicht nur jagen, wenn man sie bei einer strafwürdigen Tat ertappte, hier faßte man sie auch.

Sie saßen in einem geräumigen Sampan, den sie von Bord ihrer Galeone abgefiert hatten: de Romaes, Nakamura, Raga, der Malaie, ein Chinese, ein Mongole – und Fong-Ch’ang, der ehemalige Schiffbrüchige, den die Piraten nach einem Sturm oberhalb von Xiapu aus der See gefischt hatten.

Er hatte bei ihnen auf der Galeone die Drecksarbeit erledigen müssen, denn natürlich hatten de Romaes und seine Kerle ihn nicht aus purer Menschenfreundlichkeit vor dem Ertrinken bewahrt. Rasch hatten sie sich davon überzeugt, daß er weder Wertsachen bei sich trug noch den Weg zu Reichtümern kannte – er war ein armer Tropf im wahrsten Sinn des Wortes, und nach dieser Feststellung war er ihnen als Aufklarer und Diener gerade noch gut genug gewesen.

Fong-Ch’ang, ein geknechteter, erniedrigter Mann, war offenbar einem Schicksal erlegen, das ihn immer tiefer ins Unheil trieb. Stumm, mit leicht gesenktem Haupt, so stand er im Heck des Sampans und wriggte auf die Kaimauern Shanghais zu.

Die Galeone der Piraten lag in einer geschützten Bucht des Jangtsekiang hinter weit überhängendem Gestrüpp versteckt. Während der Nacht hatte sich de Romaes mit seinem Schiff den Strom hinaufgetastet. Ein günstiger Wind und auflaufendes Wasser des Gelben Meeres hatten ihnen genügend Fahrt verliehen. Sie waren der Aufmerksamkeit der Wachtposten entgangen, die auch bei Dunkelheit am Südufer des großen Flusses lagerten und die Stadt gegen Freibeuter und andere Eindringlinge absicherten.

Lange hatte Vinicio de Romaes geplant, verworfen, neu konzipiert, ehe er sich an die Verwirklichung dieses Vorhabens herangetraut hatte. Bisher hatte nur einer gewagt, in Shanghai einen Schlag zu landen: Khai Wang, die „Geißel des Gelben Meeres“. Noch heute sprach man in allen Provinzen des Reiches der Mitte davon, wie er mit seiner Dschunke Fei Yen, der „Fliegenden Schwalbe“, den Hafen überfallen und im Handstreich Beute gerissen hatte.

De Romaes, der Khai Wang kannte und achtete, wollte es dem chinesischen Seeräuber nicht gleichtun und den Hafen befeuern. Das Kopieren lag dem Portguiesen von Natur aus nicht, außerdem hatte er seine eigene Taktik und seine Tricks.

Jetzt, da er sich bis an die Stadt herangeschlichen hatte, schienen alle Widrigkeiten überwunden zu sein. De Romaes blieb trotzdem auf der Hut. Bei aller Euphorie – es bestand immer noch die Möglichkeit, daß sie angehalten und kontrolliert wurden.

Sie drangen mit dem Sampan in das Gewimmel von Schiffen und Booten ein, in das schier unermüdliche Auf und Ab, das Gebaren redseliger, von Wohnboot zu Wohnboot debattierender und feilschender Menschen. So aufmerksam der Piratenführer auch zur Kaimauer spähte, es löste sich von dort aus kein Wasserfahrzeug mit Soldaten an Bord, die auf ihn zuhielten und ihm einen Strich durch seine Rechnung zogen.

Unvermittelt hatte de Romaes das Gefühl, irgend etwas Ungewöhnliches könne in Shanghai geschehen sein. Etwas, das die Aufmerksamkeit der Menschen uneingeschränkt in Anspruch nahm und von ihm und seinen fünf Gefährten ablenkte.

Niemand hielt sie auf.

Umso besser, dachte er, blieb aber trotzdem mißtrauisch.

Wenn man ihn und seine Spießgesellen erkannte, wenn sie gestellt und gefangengenommen wurden – dann konnten sie alle Hoffnungen aufgeben. Das Todesurteil war ihnen sicher. Für all das, was sie während der vergangenen Jahre verbrochen hatten, gab es nur den einen Richterspruch: Tod durch das Schwert des Henkers.

Tuscheporträts, die man vor einiger Zeit sowohl von Vinicio de Romaes als auch von den meisten seiner Kumpane gezeichnet hatte, waren vervielfältigt und durch berittene Boten in alle Provinzen des großen Reiches verteilt worden. Steckbriefe, Reispapier, Buchdruck, hervorragende Kommunikationswege – all diese Errungenschaften der hochentwickelten chinesischen Kultur verdammte de Romaes, denn sie behinderten ihn und engten seinen Aktionsspielraum ein.

De Romaes war ein kaltblütiger, skrupelloser Pirat. Er wurde nicht nur von den Chinesen, sondern auch von seinen eigenen Landsleuten verfolgt. Er war ein ehemaliger portugiesischer Soldat, ein Meuterer und Fahnenflüchtiger, der mit seiner Horde überfiel, was ihm vor die Geschützrohre geriet: chinesische, japanische, portugiesische, spanische Schiffe.

De Romaes wandte sich um und grinste den Mann am Riemen an.

„Fong“, sagte er. „Du erhältst heute noch deine große Bewährungsprobe, ich versichere es dir. Du hast gesagt, du willst in unsere Reihen aufgenommen und voll anerkannt werden. Nun, ich gebe dir die Chance dazu. Du hast eine Reihe von Prüfungen zu bestehen, aber wenn du deine Sache gut erledigst, bist du einer von uns.“

„Ein echter Pirat“, fügte Nakamura hinzu.

„Ja“, antwortete Fong, mehr nicht.

„Du bist nicht sehr gesprächig“, sagte Raga mit verschlagener Miene. Langsam hatte er sich auf seiner Ducht umgedreht und fixierte nun den hageren, hochgewachsenen Chinesen im Heck des Bootes.

„Die Taten zählen“, erwiderte Fong-Ch’ang ruhig. „Nicht die Reden.“

Vinicio de Romaes entblößte seine weißen Zahnreihen. „Mit anderen Worten, du hältst mich für einen Schwätzer. Und die anderen auch, oder?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Raga schob sich auf Fong zu und verhielt dicht vor ihm. Plötzlich zog er aus seinem Ischang den Kris, den malaiischen Krummdolch, hervor und hielt Fong die Spitze dicht vor die Kehle.

„Ich warne dich“, zischte er. „Gib acht. Wenn du uns etwa täuschen willst und auf eine Gelegenheit zum Türmen wartest, dann steche ich dich nieder, Freundchen.“

„Ich werde nichts dergleichen tun“, entgegnete Fong mit fester Stimme.

De Romaes lachte leise auf und zog sich die Tellermütze etwas tiefer in die Stirn. Von den Booten, an denen sie mit dem Sampan vorbeiglitten, blickten vereinzelt Männer, Frauen und Kinder herüber.

„Laß ihn, Raga“, sagte der Portugiese. „Er weiß sowieso, daß er uns nicht hinters Licht führen kann. Es wäre sein Ende, und er hängt am Leben, trotz allem.“

Fong nickte, erwiderte aber nichts. Es war nicht das erste Mal, daß er sich so unterwürfig zeigte und beteuerte, nichts gegen seine Bezwinger im Schilde zu führen. Er hatte schon auf einer Dschunke dienen müssen, einem kleinen Küstensegler, dessen Seeleute ihn in den Gassen von Xiapu überwältigt und dann entführt hatten.

Immer wieder hatte er dann auf einen glücklichen Zufall gehofft, der ihm aus der Patsche half – und dieser war eingetreten, nur nicht ganz so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Ein Sturm hatte die Dschunke vernichtet, und die Besatzung war umgekommen. Nur Fong-Ch’ang war als einziger von de Romaes gerettet worden – und vom Regen in die Traufe geraten.

Ich werde fliehen, dachte Fong immer wieder, ich werde alles tun, um diesen Unmenschen zu entgehen. Lieber sterbe ich, als mich noch länger von ihnen mißhandeln zu lassen.

Der Seewolf stand auf dem Achterdeck der „Isabella VIII.“ und hatte die Arme auf den Rücken gelegt. Es war fast eine Verlegenheitsgeste, denn im Augenblick wußte er nicht, was er unternehmen sollte – wirklich nicht. Er sandte einen langen, forschenden Blick über den Hafen und die Stadt und blinzelte, als die grellen Sonnenstrahlen ihm in die Augen stachen.

Es war der neunte September 1584, früher Vormittag im Hafen von Shanghai, und Philip Hasard Killigrew hatte das Gefühl, wieder genau dort angelangt zu sein, wo er schon in Xiapu, dem verdammten Xiapu, gelandet war.

Ihm klangen noch die Worte des Dolmetschers in den Ohren, der ihnen sofort nach ihrer Landung an der großen Holzpier auseinandergesetzt hatte, was der Würdenträger aus der Sänfte öffentlich verkündet hatte: der schwarze Segler sei konfisziert – namens der Regierung – die „Yang kuei tzû“, die fremden Teufel, hätten nichts mehr an Bord von „Eiliger Drache über den Wassern“ zu suchen, dürften vorläufig aber noch bleiben, gnädigerweise, bis alles geklärt sei!

Da nutzte auch das Fluchen von Carberry nichts, daran änderte auch die Drohung von Thorfin Njal nichts, er werde hier ganz groß aufräumen.

Der Wikinger, wie immer in seine rauchgrauen Felle gekleidet und mit seinem unvermeidlichen Kupferhelm angetan, hatte den schwarzen Segler verlassen und war zur Beratung neben Hasard aufs Achterdeck der „Isabella“ getreten.

„Feine Begrüßung, das“, sagte er noch einmal. „Aber diesmal lernen mich die Gelbmänner kennen, diesmal laß ich mir nichts bieten. Kleinholz mach ich aus diesem Shanghai, bei Odin und seinen Wölfen …“

„Thorfin“, erwiderte Hasard. „Hör doch auf. So kommen wir überhaupt nicht weiter.“

„Willst du etwa einen Rückzieher …“

„Nein“, unterbrach ihn der Seewolf. „Nur wie ein blindwütiger Narr werde ich mich nicht aufführen.“

„Narr? Was? Meinst du etwa, ich …“

„Mister Njal“, sagte Hasard scharf. „Gerade du solltest dich zurückhalten, denn du und deine Männer vom schwarzen Schiff, ihr habt im Moment die geringere Bewegungsfreiheit. Wenn jemand Siri-Tong finden und zurückholen kann, dann sind wir Seewölfe es.“

„Nun mach aber mal einen Punkt.“ Der Wikinger ächzte.

Hasard wies auf die Menschenmenge. Sie hatte sich auf dem Kai zusammengeballt, ein tuschelnder, schnatternder, ständig in Aufruhr befindlicher Haufen. Männer und Frauen und ein paar Halbwüchsige, die die „fremden Teufel“ wie Wundertiere beäugten.

„Sie warten nur darauf, daß wir loslegen“, sagte der Seewolf. „Sekunden später wäre hier die Hölle los, aber wir hätten von vornherein den schlechteren Stand, weil das Überraschungsmoment nicht auf unserer Seite ist. Nein, den Gefallen tun wir ihnen nicht.“

Thorfin Njal stemmte die mächtigen Fäuste in die Seiten und gab einen grollenden Laut von sich. Er konnte kaum noch an sich halten, das war ihm deutlich anzusehen. „So. Und was unternehmen wir statt dessen? Was, frage ich?“

Hasard ließ die Frage vorerst unbeantwortet. Sein Blick schweifte wieder über den Hafen.

Shanghai – der Wangpufluß war hier, gut acht Meilen vor seiner Mündung in den Jangtsekiang, beinahe eine halbe Meile breit. Dschunken kreuzten auf dem milchigen, von lehmigen Streifen durchwebten Wasser, Fährboote segelten fast unaufhörlich von einem Ufer zum anderen, und Sampans schaukelten auf den kleinen Wellen, immer wieder die Sampans, die aus der fernöstlichen Kulisse nicht fortzudenken waren.

Shanghai war ein malerischer Hafen, der allen fremd und unheimlich anmutenden Zauber des Gelben Reiches offenbarte. Keiner vermochte sich diesem Zauber zu entziehen, auch Hasard nicht. Boote, beladen mit Blumen, glitten soeben an der „Isabella“ und dem schwarzen Segler vorbei, und ein Hauch von Lotosduft schien herüberzuwehen.

Während die Seewölfe und die Crew des schwarzen Schiffes auf Oberdeck standen und berieten, wuchs die Menschentraube auf dem Kai. Sie schob sich näher heran und umringte die großen Schiffe. Alles palaverte, gestikulierte, wollte teilhaben an dem Abenteuer, das die Fremden zu verkörpern schienen.

Und immer noch standen die Soldaten in ihren grünseidenen Gewändern da. Die Armbrüste hielten sie im Anschlag. Hinter ihnen, auf dem Kai, war das stetige Hin und Her, das fortwährende Bewegen von Lasten, die Mühsal der Kulis, die Reissäcke und andere Bündel auf den Schultern schleppten oder Frachtgut auf Einradschiebekarren geladen hatten und sich damit abplagten.

Der Trubel wogte in den Gassen des Hafenviertels, und dort, in einigem Abstand, gewahrte der Seewolf auch Rikschas, die von eilfertigen kleinen Männern gezogen wurden. Fein herausgeputzte Männer und chinesische Modedamen blickten von den Sitzbänken aus herüber. Sie hielten farbige Sonnenschirme aus Ölpapier.

Thorfin Njal wies auf die Soldaten mit den Armbrüsten. In seinem Innern gärte die Wut über die Tat Khai Wangs, diesen einmalig dreisten nächtlichen Überfall, mit dem er die Rote Korsarin von Bord des schwarzen Seglers geholt hatte. Es war der Gipfel der Ungeheuerlichkeit gewesen, und in seiner Ohnmacht suchte der Nordmann nach einer Möglichkeit, den aufgestauten Zorn irgendwie abzulassen. Die Soldaten – biedere Kerle mit finsteren Gesichtern – schienen da das richtige Zielobjekt zu sein.

„Seht euch die Hunde an“, grollte der bärtige Riese. „Einmal mit der Faust dazwischen, einmal nur mit einem einzigen Geschütz zur Stadt ’rüberlangen, und sie haben kapiert, wer hier der Stärkere ist.“

Ben Brighton war zu ihnen getreten. „Langsam, langsam“, sagte er zu dem Wikinger. „Das wollten wir in Xiapu auch, aber dann haben wir es uns anders überlegt. Da war es letztlich besser, die Ohren anzulegen und sich ruhig zu verhalten, Thorfin. Es hat uns mehr eingebracht.“

Hasard hörte nur mit halbem Ohr hin. Er schaute über die Kopfbedekkungen der Soldaten – schwarze Lederkappen mit bunten Federbüschen – und suchte nach dem Würdenträger, der sie gleich nach ihrem Eintreffen dermaßen verdonnert hatte.

Das Gewimmel der Kulis fächerte für einen Moment auf, und nun sah der Seewolf den Mann. Er raffte gerade die Schöße seiner reich bestickten, bodenlangen Gewänder und schickte sich an, sich wieder in seine Sänfte zu setzen. Der Dolmetscher wieselte hinter ihm her, die Diener öffneten die Vorhänge der Sänfte.

„In Xiapu war ich nicht dabei“, versetzte der Wikinger gerade. „Darum kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber wenn ich mit von der Partie gewesen wäre …“

Hasard drehte sich zu ihm um. „Was wäre dann geschehen, mein Freund? Siri-Tong und du – hättet ihr dort auch so unüberlegt gehandelt wie in der Teufelssee und später?“

„Bei Wotan und allen Göttern, trägst du uns das immer noch nach, Mann?“

„Nein. Ich will dich nur zum Nachdenken zwingen. Ich bin genauso wütend wie du und um Siri-Tong nicht weniger besorgt. Aber wir müssen hier erst einmal abwägen, was wir für Chancen haben, bevor wir etwas unternehmen.“

„Was hast du vor?“

„Ich will mit diesem Mandarin reden.“

„Mit dem aufgeblasenen Gockel?“ rief der Wikinger. „Den würde ich am liebsten mitsamt seiner verdammten Sänfte ins Wasser befördern.“

Carberry war gleichfalls auf dem Achterdeck erschienen. Er tat ein paar Schritte auf die Männer zu, blieb stehen und reckte sein Rammkinn vor. „Du hast recht, Thorfin. Sir, ich bitte um den Befehl, den Zopfheini aus seinem Tragekasten rütteln zu dürfen.“

„Abgelehnt“, erwiderte der Seewolf. „Ben, gib dem Mandarin bitte ein Zeichen, er wird es schon verstehen.“ Er trag dicht vor den Nordmann und den Profos hin. „Und ihr zwei haltet jetzt mal die Luft an und hört mir gut zu, klar?“

„Aye, Sir“, sagte Carberry. Er kannte seinen Kapitän und wußte, daß der Punkt erreicht war, an dem der Seewolf das Herumdiskutieren satt hatte.

„Bei einer sofortigen Blitzaktion stehen unsere Chancen für den Sieg eins zu hundert“, sagte Hasard. „Seht euch doch die Kriegsdschunken an, die hier im Hafen vertäut liegen. Ich bin sicher, daß sie bereits klar zum Gefecht sind. Wir würden scheitern, ganz abgesehen davon, daß mir hier auch zu viele Unbeteiligte herumlaufen, die verletzt oder getötet werden könnten. Auch das läuft mir gegen den Strich, aber in erster Linie müßt ihr einsehen: eine einzige Unbesonnenheit genügt, und wir sehen Siri-Tong nicht mehr wieder. Erst einmal müssen wir Zeit gewinnen.“

„Der Mandarin wartet“, meldete Ben Brighton.

Hasard nickte, nahm dabei aber den Blick nicht von Thorfin Njal. Carberry zu bremsen, war keine große Schwierigkeit, denn als Hüter der Borddisziplin tat der narbengesichtige Stockmeister natürlich nichts, was sein Kapitän nicht akzeptierte. Aber der Wikinger, der sah immer noch so aus, als würde er jeden Augenblick explodieren. Hinter seiner drohend umwölkten Stirn arbeitete es unaufhörlich.

Schließlich aber glätteten sich seine Züge etwas.

„Gut“, sagte er. „Ich sehe ein, daß wir hier mit Gewalt nichts erreichen. Wir müssen verhandeln. Und vor allem – wie kriegen wir sonst heraus, wo Siri-Tong steckt und was mit ihr geschieht?“