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Nr. 2663

 

Der Anker-Planet

 

Rhodan und der Sternsaphir – Entscheidung bei der lebenden Welt

 

Christian Montillon

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda. Dort regiert die negative Superintelligenz QIN SHI, die für ihre Pläne das geheimnisvolle Multiversum-Okular benötigt.

Es gelingt Perry Rhodan, einen wertvollen Stützpunkt QIN SHIS zu vernichten.

Damit fügt er der Superintelligenz schweren Schaden zu – aber noch existiert DER ANKER-PLANET ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner wittert eine Schwachstelle QIN SHIS.

Kaowen – Der Protektor hat über Shikaqin Position bezogen.

Ramoz – Die »Seele der Flotte« dürstet nach ihrem ersten Einsatz.

Gucky – Der Mausbiber nimmt Kontakt auf.

Nemo Partijan – Der Hyperphysiker rätselt über die Bedeutung eines vorgeblichen Sternsaphirs.

1.

Im Shikaqin

 

Seit tausend Jahren trinke ich etwas.

Ich treibe in die Höhe, aber ehe ich die Oberfläche erreiche, werde ich erlöschen. Ich weiß es, weil ich es schon zu oft versu...

Ich tanzte gerade, als ich starb. – Ich weinte. – Und ich lief in einem Park.

Shikaqin war alles, war das ganze Universum und das Nichts. Gedanken trieben in und um Shikaqin, blitzten auf und erloschen. Manche währten eine Sekunde, andere vergingen in einem Bruchteil dieser Zeitspanne; aber sie alle verwehten, um sich zu vermischen und neu zu formen.

Sie stammten von einer Unzahl Individuen, von den Überresten ihrer Seelen, die noch existierten. Sie waren zu klein, um zu leben, aber zu groß, um zu sterben. Shikaqin trieb auf seiner Bahn durchs All, mitten im Chaos und doch im Zentrum der Ruhe.

Der Planet dachte, lebte und fühlte.

Vor allem eine Empfindung vertrieb alle anderen: Trauer. Mit ihr ging die ewige Einsamkeit einher.

Ein Schiff flog ganz in der Nähe.

Es hieß RADONJU.

Hör mich! So hör mich doch endlich! Und sprich mit mir!

Aber die RADONJU schwieg, und sie würde schweigen für ewige Zeiten.

Also blieb alles beim Alten: Seit tausend Jahren und einer Minute trinke ich etwas.

Ich treibe in die Höhe, aber ehe ich die Oberfläche erreiche, werde ich erlöschen.

Ich tanzte gerade, als ich starb. – Ich weinte. – Und ich lief in einem Park.

 

*

 

QIN SHI hatte Kaowen sein Gesicht gezeigt. Wenn der Xylthe die Augen schloss, sah er es wieder vor sich.

Es starrte ihn an.

Die Superintelligenz starrte ihn an.

Der Blick durchbohrte ihn, wühlte sich durch sein Bewusstsein und fraß sich in seinen Verstand. Er trennte Fühlen und Wollen voneinander, legte das Innere bloß und durchleuchtete es bis zum Herzen der Empfindungen.

Doch das war Vergangenheit. QIN SHI war nicht mehr präsent. Die Superintelligenz hatte sich zurückgezogen, und sie hatte Kaowen aus ihrem Machtgefüge ausgespuckt. Er diente ihr nicht mehr als Protektor.

Oder doch?

Sie hatte ihn an diesen Ort geschickt, mit seinem Flaggschiff, der RADONJU. Der Befehl war eindeutig gewesen: Geh nach Shikaqin.

Nach Shikaqin ...

Ins Herz der Ruhe, die sich mitten im Chaos ausbreitete.

Zu dem Planeten, dessen Geheimnis niemand kannte. Der verborgen hinter einem Tarnfeld inmitten einer umgekehrten Anomalie lag, dem einzigen Ort der Ruhe am Rand der hyperenergetischen Hölle des Shikaqin-Viibad-Hypersturms.

Alles veränderte sich, und es ging fast zu schnell, als dass Protektor Kaowen Schritt halten konnte. Der Xylthe musste nachdenken.

Sein letzter Ersatzklonkörper war zerstört worden ... Er musste nachdenken.

QIN SHI verließ Chanda ... Er musste nachdenken.

Zehn Prozent der xylthischen Flotte standen nun unter seinem Befehl in einer Galaxis ohne obersten Herrn ... Er musste nachdenken.

Perry Rhodan, mit dessen Auftauchen die Serie der Niederlagen begonnen hatte, lebte noch immer ... Er musste nachdenken.

Kaowen hielt sich in seinem privaten Quartier in der RADONJU auf. Er kauerte nackt in einer Sitzmulde und ließ sich von bunten Strahlenschauern berieseln, die die Hyperfrequenz seines Heimatsterns imitierten – die Sonne, die den Planeten Xylth beschien.

Bislang war sein Bewusstsein nach dem Tod stets in einem Klonkörper in der Werft APERAS KOKKAIA wieder erwacht. Nun war diese Werft zerstört. Es gab keinen Ersatzkörper mehr – nur seinen Originalkörper auf Xylth, konserviert im Zustand der suspendierten Animation.

Ein gutes System, seine wohl wertvollste Belohnung für die Dienste an QIN SHI, hatte sein Ende gefunden. Wenn Kaowen ein weiteres Mal starb, würde er endgültig tot sein. Oder gab es eine Möglichkeit, dass sein Bewusstsein in den Originalkörper wechselte, als letzten Ausweg vor dem Tod?

Er wusste es nicht. Aber diese Hoffnung war seine einzige Überlebensalternative.

»Wärmer!«, befahl er.

Die Sitzfläche in der Mulde erhitzte sich.

»Wärmer!«

Die Temperatur stieg erneut. Kaowens Haut schien zu brennen. Der Mund fühlte sich trocken an.

Er schloss die Augen. Die Lider waren warm, viel zu warm, wie im Fieberglühen. Gut so – Hitze spülte unnötige Gedanken hinweg.

»Wärmer!«

»Achtung!«, warnte die seelenlose Positronikstimme des Bordsystems. »Bei erneuter Anhebung der Temperatur besteht eine große Gefahr, dass Verletzungen ...«

»Sicherheitsprotokoll ignorieren!«

Die Stimme schwieg.

Kaowen schwitzte. Die Haut an seinem Rücken, wo er auflag, brannte. Es mochte sein, dass Verletzungen zurückblieben, doch das störte ihn nicht. Die Hitze regte zum Nachdenken an, klärte sein Bewusstsein, schärfte die Logik. Es fühlte sich an, als würden Feuerflammen über seinen Körper lecken.

Er genoss es.

Alles hatte sich geändert und änderte sich weiter. Die Karten der Macht in der Galaxis verteilten sich in diesen Stunden neu, und Kaowen musste zusehen, dass er die richtige Position einnahm. Jene, die ihn auch in Zukunft ganz oben hielt.

Es war gefährlich, allerdings lag zugleich eine große Chance darin. Nur wer die aktuellen Veränderungen positiv sah, konnte die Gelegenheit nutzen und die einmalige Möglichkeit ergreifen. Die meisten brachten den dafür nötigen Scharfblick nicht auf.

Er schon. Das hatte ihn von Anfang an aus der Masse der xylthischen Soldaten herausgehoben und ihn zu dem gemacht, was er zur Stunde war. Selbst wenn QIN SHI Chanda verließ, saß Kaowen an den Schalthebeln der Macht.

Mit einem Akustikbefehl rief er ein Holo auf, das ihm die Vorgänge in der Zentrale zeigte. Sein Privatquartier lag direkt daneben, schalldicht und beobachtungssicher abgetrennt. Nur wenige Schritte würden ihn dorthin zurückbringen. Die RADONJU vermochte er allerdings auch aus der Mulde heraus zu befehligen.

Niemand erfuhr je, was sich in seinem Quartier abspielte, es sei denn, Kaowen wollte es so. In der Mannschaft kursierten die wildesten Gerüchte, das wusste er; er schürte sie sogar hin und wieder. Es konnte nicht schaden, sich mit einigen Geheimnissen und einer gewissen mysteriösen Aura zu umgeben.

Der Protektor versuchte, im Geiste zurückzutreten und die Dinge aus der nötigen Distanz zu betrachten. Die gesamte Doppelgalaxis drohte im Chaos zu versinken. Nur QIN SHI in all seiner Herrlichkeit und Macht hielt alles zusammen.

Oder hatte das zumindest getan, denn QIN SHI war gegangen.

Geflohen.

Kaowen atmete tief durch. Er hörte nichts mehr außer dem Geräusch seines Atems. Er schaltete jede andere Wahrnehmung aus.

QIN SHI, der über Wohl und Wehe Tausender Völker bestimmte, floh, setzte alles auf eine Karte: auf die Eroberung der mysteriösen Galaxis Escalian. Die Anomalien schufen einen Weg dorthin. Sie verbanden ferne Sterneninseln miteinander.

Aber Kaowen, der Protektor der Garde der Superintelligenz, blieb zurück.

Geh nach Shikaqin.

Aber warum?

Er beugte sich nach vorn. Die Haut seines Rückens spannte, klebte auf der erhitzten Lehne fest. Ein kurzer, scharfer Schmerz folgte, als risse ihm Fleisch aus dem Körper.

Beiläufig wandte er sich im Sitzen um, schaute auf die Liegefläche der Mulde. Ein dünner blaugrüner Blutstrom rann von einem fingernagelgroßen weißen Fetzen seiner Haut, der dort festklebte. Kaowen wischte mit den Fingern darüber, hob die Hand vor die Augen.

Ein Tropfen rann über das Weiß.

Sein Blut.

Sein Leben.

Der Protektor fuhr mit der Fingerspitze über den linken Handrücken, zeichnete einen blaugrünen Strich auf das Alabasterweiß der Haut. Eine zweite, parallele Linie folgte, dann ein Bogen, der sie quer durchschnitt – das alte Zeichen des xylthischen Kriegers, der in den ausweglosen Kampf zog, um sich zu rächen.

Ob er lebte oder starb, spielte keine Rolle. Nur eines zählte: Diese Galaxis, von QIN SHI verlassen, würde nicht verwaisen, sondern einen neuen Herrn finden.

Ihn.

Er richtete sich auf, stellte sich ins Zentrum der Mulde, streckte die Arme in die Höhe. »Wasser!«, forderte er.

Die Vertiefung füllte sich binnen Sekunden mit eisiger Flüssigkeit. Der Schock schnitt ihm wie mit Messern in Füße und Beine.

Wo immer das Wasser auf die erhitzte Sitzfläche traf, verdampfte es blitzartig. Kaowen stand inmitten brodelnden Nebels. Die überhitzte Haut saugte die hohe Feuchtigkeit auf wie ein trockener Schwamm.

Stiche wie von tausend winzigen Nadeln belebten sein Fleisch. Die Muskeln schmerzten für einen Augenblick, fühlten sich dann stärker und frischer an als je zuvor.

Erst als sich die Schwaden verzogen, verließ der Xylthe seinen Platz, schlüpfte in seine Uniform. Das verbliebene Wasser wurde gurgelnd abgesaugt und verschwand in den Vorratskammern.

 

*

 

Kaowen betrat die Zentrale.

Äußerlich hatte sich nichts geändert, doch er hatte sich entschieden. Für ihn gab es keine Zweifel mehr. Er lächelte.

Ein Holo zeigte die Umgebung der RADONJU außerhalb der beruhigten Zone der Anomalie.

Das Shikaqin-Riff maß über 3500 Lichtjahre; eine riesige, auf höherdimensionaler Ebene zerrissene Zone, ein Monster von Hypersturm, das alles vernichtete, was sich in sein Inneres wagte. Es glühte, leuchtete und blitzte grell.

Gewalten tobten sich aus, wie sie nicht einmal im Zentrumssektor von Dosa oder Zasao auftraten. Raum und Zeit verzerrten sich darin so stark, dass sie jegliche Bedeutung verloren. Das hyperphysikalische Chaos übertraf jedes bekannte Maß von Hyperstürmen um ein Vielfaches.

Das Shikaqin hingegen, das die RADONJU langsam durchflog, war eine Zone völliger Ruhe, groß wie ein Sonnensystem. Es gab dort keine Mikromaterie, weder Plasma noch Strahlung – nichts. Ein dichtes Geflecht von Strukturrissen bildete die Außenwand dieser Hohlblase der Ruhe; darüber flossen Energie und Masse ab, hinein ins Chaos.

Im Zentrum lag das eigentliche Shikaqin, ein Planet, den nur die Masseorter wahrnehmen konnten; er blieb unsichtbar hinter einem Tarnfeld, als wäre er nicht vorhanden. Es handelte sich um eine Welt, die ihre Geheimnisse nicht preisgab.

Seit dem Befehl, dorthin zu fliegen, dachte Kaowen über diesen mysteriösen Planeten nach. Stabilisierte er die Ruhezone-Anomalie? Wenn ja, wieso? Und was verband ihn mit QIN SHI? Ihm kam eine besondere Bedeutung zu, was sich allein dadurch bewies, dass er derart geschützt lag. Eine exponiertere Lage war kaum denkbar.

Auch musste es einen Grund geben, dass QIN SHI seinen Protektor an diesen Ort geschickt hatte. Dieser offenbarte sich ihm noch immer nicht, selbst wenn Kaowen von diesem Platz aus miterlebt hatte, wie sich die Superintelligenz zurückzog und ihre Truppen sammelte.

Außerhalb der Anomalie patrouillierten Tausende Schiffe. Vor Kurzem waren es Zehntausende gewesen, doch die Verbände der Hilfsvölker lösten sich auf. QIN SHI war gegangen, und die Flotten folgten ihm. Sie wollten gemeinsam in Escalian einfallen, damit die Superintelligenz dort endlich die Größe gewann, die ihr gebührte. Dort, in der fernen Galaxis, würde sich alles entscheiden.

Nicht jedoch für Kaowen.

Er fühlte sich eigenartig unbeteiligt, wenn er daran dachte. Für ihn gab es Wichtigeres. Sein Schicksal entschied sich nicht in der Fremde!

Er setzte sich in den Kommandantensessel.

Von dort befehligte er momentan die RADONJU und den Rest des xylthischen Heers, das in Chanda verblieben war. Bald würde er über weitaus größere Befehlsgewalt verfügen. Herr einer ganzen Galaxis. Militärischer Anführer der Völker, der für Ordnung und ...

Alles in Kaowen krampfte sich zusammen, seine Gedanken stockten.

Er schrie und fühlte sich im nächsten Augenblick wie gelähmt. Die gesamte Zentrale drehte sich um ihn.

Der Xylthe neben ihm stürzte von seinem Platz vor der Ortungsstation, scheinbar waagrecht durch den Raum, in Wirklichkeit jedoch nur auf den Boden. Der Offizier prallte auf, schlug unkontrolliert mit Armen und Beinen. Ein wenig Blut spritzte aus dem offenen Mund, als der Kopf aufschlug; es klatschte gegen Kaowens Bein.

Der Protektor krallte sich in die Armlehnen seines Sessels.

»Auf die Posten! Ortungsstation besetzen! Findet heraus, was ...«

Weiter kam er nicht. Was immer es war, das wie eine Schockwelle die Zentrale durchraste, es wurde schlimmer!

Eine mentale Präsenz drückte auf Kaowens Verstand. Er fühlte sich, als wolle sein Gehirn zerreißen. Eine immaterielle Last versuchte, sein Bewusstsein unter sich zu erdrücken; unendlich fremd und doch auf eine unfassbare Weise vertraut.

QIN SHI hatte ihm sein Gesicht gezeigt – und es war ähnlich gewesen. Eine geistige Macht schob sich vom unsichtbaren Planeten Shikaqin auf die RADONJU zu, und sie ähnelte der Superintelligenz.

Überall in der Zentrale fiel die Besatzung zu Boden, sackte auf ihren Plätzen in sich zusammen. Kaowen sah sie fallen wie ein Heer von Marionetten, denen die Fäden durchschnitten worden waren. Im nächsten Augenblick funkelten tausend Blitze vor seinen Augen, dann umfing auch ihn völlige Schwärze.

 

*

 

Höre uns, RADONJU!

So höre uns doch endlich!

2.

Beim Kalten Raum

 

Mikru stand vor Perry Rhodan in der Zentrale MIKRU-JONS, die Augen weit aufgerissen. Angst lag darin, und Mikru sah so zart und verletzlich aus, wie die Projektionsgestalt einer jungen Frau suggerierte.

Doch sie war alles andere als das. Sie sah nur aus wie eine kleine, schlanke, beinahe zerbrechlich wirkende Terranerin. Ebenso gut hätte sie eine massige, furchterregende Gestalt annehmen können. Sie war die Projektion der Schiffsseele, die Essenz des Raumers und all seiner bisherigen Piloten, fokussiert auf die Lebenswirklichkeit und Erfahrung des gegenwärtigen Piloten – und in diesem Rahmen spiegelte sie den Zustand des Schiffes wider.

Gewaltige Kräfte zerrten an MIKRU-JON. Heftige Schläge hyperphysikalischer Wellenfronten trafen den Obeliskenraumer, peitschten ihn bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Die Schutzschirme standen kurz vor dem Kollaps.

»Uns bleiben bloß Sekunden«, sagte Mikru mit tonloser Stimme, »bis wir zermalmt werden.« Sie zuckte wie unter einem körperlichen Schlag zusammen.

Gucky, der bei ihnen in der Zentrale stand, ächzte.

Plötzlich flimmerte Mikrus linke Wange, wirkte durchscheinend, und Rhodan blickte auf ein Geflecht von in grellem Licht glühenden Adern und ... Kabeln?

Der Terraner blinzelte, und der Eindruck verschwand ebenso rasch, wie er entstanden war. Mikru war unversehrt. Er musste sich getäuscht haben. Sie bestand als Materieprojektion in ihrem Inneren doch ganz sicher nicht aus Kabeln wie ein altertümlicher Roboter, sondern aus ...

Ein Schlag lief durch das Schiff.

MIKRU-JON sackte ab – wie im freien Fall in der Atmosphäre eines Planeten. Der Terraner fühlte sich einen Augenblick schwerelos und sah plötzlich ein Bild aus ewig vergangenen Zeiten vor sich: das Astronauten-Trainingszentrum der NASA, künstlich simulierte Antigravitation.

Der Moment währte weniger als einen Lidschlag, dann stürzte Rhodan an den bronzefarbenen Wänden vorbei. Er sah Mikru flackern und schlug mit beiden Füßen auf, ging in die Knie und federte so die Wucht des Aufpralls ab.

Gucky schwebte weiterhin, er hatte sich offenbar geistesgegenwärtig telekinetisch abgefangen.

Etwas krachte, und für einen Augenblick sah Rhodan die entsetzliche Vision der zerbrechenden MIKRU-JON vor sich. »Was geschieht bei der Strukturschleuse?«

Keine Antwort.

»Mikru!«

Es blieb still.

Das extreme hyperenergetische Chaos schien von unfassbaren Veränderungen im Kalten Raum ausgelöst zu werden.

Was immer dort geschah – mit erst leichten, aber stetig zunehmenden Strukturbeben hatte es begonnen. Rhodan hatte allen Schiffen der Galaktiker und den Einheiten des Verzweifelten Widerstands den Alarmstart befohlen, ehe er mit Gucky an Bord von MIKRU-JON teleportiert war.

Inzwischen riss der Hyperraum an einigen Stellen auf, während der Obeliskenraumer in Sicherheit raste. Falls er sich tatsächlich bewegte und nicht antriebslos und halb zerstört im All trieb. Der Terraner fand auch als Pilot momentan keinen Zugriff auf MIKRU-JON, und die Holos der Außenbeobachtung waren starr, schon vor Sekunden eingefroren.

Die normaloptische Holoschirmdarstellung zeigte nur leeren Weltraum beim über zweihundert Millionen Kilometer entfernten planetenlosen G7-Stern – der grünen Sonne. Vom Tunneleingang der Strukturschleuse zum Kalten Raum, dem Versteck der riesigen, uralten Raumflotte der Oraccameo, war nichts mehr zu sehen. Und das, obwohl ein Ausschnitt der Panoramagalerie, die stets vor den Wänden der Zentrale die kosmische Umgebung des Raumers zeigte, genau diese Position vergrößerte.

Bedeutete dies, dass die Verbindung zu dem künstlich erschaffenen Miniaturuniversum tatsächlich kollabiert war? Dass es keinen Weg mehr hinein oder heraus gab? Saß Ramoz für immer im Kalten Raum gefangen? Ohne die Strukturschleuse lag das Versteck quasi unendlich weit entfernt, weiter als die fernste Galaxis: in einem anderen Universum ...

Bis vor Kurzem war die Schleuse für den Ein- und Ausflug geöffnet gewesen. Im Normaluniversum hatte sie sich als eine rund achthundert Kilometer durchmessende, mitten im Weltraum schwebende Tunnelöffnung gezeigt. Der sich verengende Tunnel dahinter hatte auf einer Länge von über hunderttausend Kilometern in das Miniaturuniversum geragt.

Das konnte man inzwischen nicht einmal mehr erahnen. Demnach musste die Strukturschleuse abgeschaltet oder zusammengebrochen sein. Womöglich hatte die Hyperenergie, die das BASIS-Versorgungselement lieferte, das fragile höherdimensionale Gebilde überlastet.

Ein weiterer Schlag ging durch MIKRU-JON.

Diesmal riss es Rhodan von den Füßen. Er taumelte rückwärts – und etwas schoss auf ihn zu, ein gewaltiger, dunkler Schatten!

Der Terraner hob in einer lächerlichen Abwehrbewegung die Arme, schützte den Kopf – doch was immer auf ihn zuraste, es war viel zu groß, als dass er es stoppen konnte.

Gucky war plötzlich neben ihm, dann verschwand die Umgebung.