Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Epilog

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN - Die Serie

cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 2689

 

Kristall-Labyrinth

 

Die Gemeinschaft der vier – die Einheit zerbricht

 

Christian Montillon

 

img2.jpg

 

Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum. Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen.

Nachdem Terra bereits dem Untergang geweiht schien, konnte Reginald Bull mit den scheinbaren Hauptgegnern der Menschheit Übereinkünfte treffen: So erhielten die Spenta den Korpus ARCHETIMS, den sie aus Sol extrahierten, und die Sayporaner versprachen Kooperation, wenn es den Menschen gelänge, ihre Führungsriege auszuschalten und das Regime der »Pai« zu brechen.

Perry Rhodan ist mittlerweile in den vier Galaxien des Reiches Escalian eingetroffen. Das Reich TANEDRARS sieht sich dem furchtbaren Angriff ihres Erzfeindes QIN SHI ausgesetzt und droht zu zerbrechen.

TANEDRAR selbst ist auf den Planeten Pean geflohen zu ihren »Paten«. Dort beschließen Perry Rhodan und seine Gefährten, der Superintelligenz beizustehen. Ihr Weg führt sie durch das KRISTALL-LABYRINTH ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche wähnt sich geschützt durch das Kristall-Labyrinth.

Gucky – Der Mausbiber erweitert seine zoologischen Kenntnisse.

QIN SHI – Die negative Superintelligenz frisst.

Noser Netbura – Ein König in Bedrängnis.

Craton Yukk – Ein Kommandant mit Eismaske wehrt sich gegen einen körperlosen Feind.

Prolog

Während des Duells

 

QIN SHI frisst, und ich sehe zu. Mir bleibt keine andere Wahl, als das Ungeheuer zu beobachten.

Ein Mensch steht vor mir, dürr wie ein Skelett. Die braungraue Haut spannt sich glänzend über den Kieferknochen. Die Lippen sind schlaff und vertrocknet. Am Hals treten Sehnen und Adern aus dem fahlen Fleisch heraus.

»Komm!«, fordert die Kreatur. Die Superintelligenz.

»Komm nur!«

Vom ausgezehrten Körper des Hünen ragen Schläuche weg, vielleicht auch Tentakel. Ich kann nicht sagen, ob sie organisch oder künstlich sind. Sie biegen sich, wimmeln umher, und an ihren Enden schnappen ekelerregende Mäuler.

Diese Münder suchen nach Nahrung, und wenn sie etwas in der Luft finden – ich mag gar nicht darüber nachdenken, was es ist –, schlingen sie es hinunter. Sie schmatzen und würgen und pumpen es durch die Schläuche in den Hünen hinein. Doch QIN SHI bleibt so dürr, wie er schon immer war. Sein Hunger lässt sich nicht stillen. Seine Gier hört niemals auf.

Neue Mäuler stoßen aus dem krankhaften Körper. Sie tasten auf mich zu, wittern mich. »Du!«, brüllen sie mir entgegen.

Ich will ausweichen, aber ich kann nicht. Ich hänge gefangen an den anderen, an meinen Freunden. Ich sehe, wie sich ihre Augen bewegen und die Kristalle ihre Leiber überwuchern.

Genau wie mich.

Mein Name ist Perry Rhodan.

1.

Phase 1 beginnt

 

Es war heiß, laut und eng.

Und es war kalt, still und ewig weit.

Der Mann schaute auf zwei Welten, die einander überlappten, und er fragte sich, welche die echte sein mochte.

Wo kam er her? Wie war er an diesen Ort gelangt? Er erinnerte sich daran, wie er mit ... mit den anderen ... mit Gucky und ...

Gucky?

Wer war ... Gucky?

Der Mann, der völlig weder in dieser noch in jener Welt existierte, wusste mit diesem Namen nichts anzufangen. Zugleich kam es ihm aber vor, als hätte er ein ganzes Leben und mehr mit dem Mausbiber verbracht. Mit dem Multimutanten. Dem Retter des Universums. Er kannte ihn nicht, doch er fühlte sich ihm vertraut und eng verbunden wie einem guten Freund.

Natürlich!

»Gucky!«, sagte der Mann ... sagte Perry Rhodan, dem es schwerfiel, sich an seinen eigenen Namen zu erinnern. Das Wort kam glatt und wohlvertraut über seine Lippen. Der Klang öffnete ihm die Augen.

Wie hatte er den Kleinen nur vergessen können?

Die Erinnerung kehrte zurück, plötzlich und mit elementarer Wucht. Bilder erfüllten ihn, so stark und vollkommen, dass alles andere in Scherben zerbrach. Die Splitter der Welt rundum setzten sich zu einem Universum aus Kristallen zusammen. Zu einem ewigen Labyrinth. Zu dem Ort, an den ihn seine bisherige Odyssee geführt hatte.

Er erinnerte sich. Mit Gucky, Alaska Saedelaere und Nemo Partijan war er unterwegs gewesen. Ein Peaner hatte sie hierher gebracht – ein Bewohner jenes Planeten, der der Superintelligenz TANEDRAR als Anker im Standarduniversum diente. Immer tiefer waren sie unter die Erde in das System aus Höhlengängen vorgedrungen. Howalgoniumadern durchzogen die Wände der subplanetaren Gänge.

Der Peaner hatte behauptet, dass die höherdimensionale Ausstrahlung der Kristalle Rhodan und seine Begleiter vor QIN SHI abschirmen würde; vor ihrem unfassbaren Gegner, der sich TANEDRAR bereits näherte, um den Kampf auf radikale Weise zu beenden.

Es hatte logisch geklungen, und nach wie vor glaubte der Terraner daran. Dabei war freilich ein wichtiger Fakt in Vergessenheit geraten: Exakt diese auf hyperphysikalischer Ebene schützende Ausstrahlung belastete sie zugleich physisch wie psychisch in einem extremen Maß.

Die Gefährten konnten die höherdimensionalen Strahlenschauer der Kristalle nur schwer ertragen – besonders einer: Für Nemo Partijan erreichte es ein unerträgliches Maß.

Rhodan sah, wie bereits Nemo Partijans Körper reagierte: mit einer spontanen Mutation. Oder was bedeutete es, dass offenbar das Fleisch an seinen Beinen wucherte? Am Unterschenkel wölbte sich der Stoff seiner Hose; es bot einen unheimlichen Anblick. Rhodan wollte zu ihm, wollte ihm helfen, aber jede Bewegung fiel ihm unendlich schwer.

Es gab keinen Zweifel: Der Quintadim-Topologe lag im Sterben. Lang ausgestreckt auf dem Boden, rührte er sich nicht mehr.

Rhodans Gedanken drifteten weg aus der ätherischen Weite des Labyrinths, dessen mehrdimensionale Strahlenschauer seine Sinne in fremde Gefilde rissen – hinein in eine Welt, die nicht die seine und doch auf ihre Art real war.

Jede klare Überlegung kostete unendliche Mühe. Dennoch begriff er, dass sich dort, in dieser anderen Ebene, der Kampf zwischen QIN SHI und TANEDRAR spiegelte. Dort spielte sie sich ab, die Schlacht der Truppen, die im Auftrag der Superintelligenz gegeneinander kämpften und den Konflikt der beiden unfassbaren Wesen auf der Ebene der normalen Lebewesen entschieden.

Aber noch sträubte sich der Terraner dagegen, dem Sog nachzugeben und dorthin zu gehen, wohin irgendeine unbegreifliche Macht ihn versetzen wollte. Wer oder was steckte dahinter? TANEDRAR? Oder handelte es sich um einen natürlichen Vorgang? Zog das Geflecht aus Hyperkristallen ihre Sinne in eine andere Realität? In die Superintelligenz hinein?

Wie auch immer – Rhodan durfte nicht nachgeben. Nicht, solange unklar blieb, was mit ihm und seinen Freunden in diesem Kristall-Labyrinth vor sich ging!

Wie könnte er seine Begleiter einem ungewissen Schicksal überlassen und Nemo Partijan dem unausweichlichen Tod? Der Quintadim-Topologe brauchte Hilfe. Rhodan musste ihm beistehen. Ihn aus diesem ...

»Pass auf!«, hörte er, doch die Worte stammten aus der anderen Welt. Von dort flammte etwas herüber. »Die Bombe!«

... aus diesem Labyrinth bringen. Der Terraner kniff die Augen zusammen und versuchte sich abzuschotten. Er konzentrierte sich auf seinen Zellaktivator, von dem ein starkes Pochen ausging. Das lebenserhaltende Gerät sandte kräftigende Impulse aus, die ihn vor der Auswirkung der Hyperkristallstrahlung bewahrten.

Das Blut rauschte überlaut in seinen Ohren. Er glaubte, die Augen würden ihm brennen. Imaginäre Lichter flackerten vor ihm, und scharfer Schmerz raste durch seinen Kopf, als wühlten sich glühende Nadeln erbarmungslos vorwärts.

Auch rund um den Zellaktivator schien sein Körper in Flammen zu stehen. Genau wie Alaskas Gesicht ... Unter der Maske des Freundes zuckte und irrlichterte das Cappinfragment. Der fremdartige Gewebeklumpen, der auf hyperdimensionaler Ebene mit Saedelaere verschmolzen war, reagierte immer stärker auf die Ausstrahlung der Kristalle.

Oder näherte sich QIN SHIS Präsenz? Kroch die geistige Essenz der Superintelligenz bereits durch die Gänge des Labyrinths? Vielleicht schob sie sich näher und näher auf der Suche nach TANEDRAR und bereite sich darauf vor, sämtliches Leben in ihrem Umfeld zu verschlingen.

Perry Rhodan zwang alle Gedanken beiseite. Nur die Gegenwart zählte. Die echte Welt. Er atmete tief ein. Die Luft schmeckte fad und trocken.

Mit einem Mal glaubte er, QIN SHI zu sehen, ein Monstrum aus schnappenden und fressenden Mäulern, das ganze Planetenbevölkerungen in sich hineinschlang. Die Superintelligenz hungerte und ...

Irgendwo hallte ein Scharren in der allgegenwärtigen, ewigen Stille. Ein Geräusch aus der Wirklichkeit. Keines, das von drüben zu ihm drang. Keines, das seiner Einbildung entsprang oder den düsteren Albträumen aus der Tiefe seiner Seele.

Als er die Augen öffnete, sah er sofort, woher es kam: Alaskas Hand schabte über die Maske. Die Fingernägel kratzten auf dem elfenbeinern schimmernden Material. Blitze schossen darunter hervor und tanzten vor den Augenschlitzen.

Die Adern auf Saedelaeres Handrücken pulsierten und traten dunkelblau aus der angespannten, blassen Haut heraus. Es sah aus, als wolle er sich die Maske vom Gesicht zerren. Wenn er es tat, würde jeder, der das ungeschützte Cappinfragment sah, augenblicklich den Verstand verlieren. Ein solches Tun bedeutete höchste Gefahr für seine Begleiter.

»Alaska!«, schrie Rhodan. »Reiß dich zusammen! Wir müssen hier raus!«

»Nein!« Saedelaeres Hand erstarrte, die Finger um den unteren Rand des Gesichtsschutzes gekrallt. Die Nägel bohrten sich dicht unter dem Kinn in die Haut. Auf einem einzelnen Blutstropfen spiegelten sich die Blitze und das Leuchten. »QIN SHI! Ich ... Er ist da!«

»Nemo stirbt, wenn wir nichts unternehmen!«

»Wir dürfen die Höhle nicht verlassen, sonst sind wir der Superintelligenz ausgeliefert!« Saedelaeres Stimme klang voller Qual.

»QIN SHI kann uns an diesem Ort nicht finden.« Gucky ächzte, wühlte die Finger ins Fell seines Hinterkopfs. »Die Kristalle schützen und verbergen uns. Aber die Tiere? Was ist mit den Tieren?«

Die Tiere?, dachte Perry Rhodan. Wovon sprach der Kleine? Nichts lebte im Labyrinth dieser Höhlen, wahrscheinlich nicht einmal Insekten oder irgendwelche Kleinstlebewesen. Die hyperphysikalischen Strahlenwerte hätten jegliches Leben längst abgetötet. Dies war absolut totes Land ...

»Der Shador!«, schrie Gucky. »Er ist doch normalerweise lammfromm!« Dabei riss er die Arme hoch – und teleportierte. Er verschwand, nur um im gleichen Moment keinen Meter von seiner ursprünglichen Position weg wieder zu erscheinen, ein wenig über dem Boden.

Für einen Augenblick schwebte er; vielleicht hielt er sich selbst telekinetisch. Dann stürzte er ab und schlug auf, blieb rücklings liegen. Er stöhnte und hob das Bein. Die Spitze eines Kristalls hatte sich in sein Fleisch gebohrt. Etwas Blut und Fellhaare klebten auf dem glitzernden Stein.

Guckys Oberkörper ruckte nach rechts, nach links, der Mund formte lautlose Silben. Er wälzte sich zur Seite, stützte sich auf die Arme, legte sich flach hin und schützte den Kopf mit beiden Händen, als würde er angegriffen. Er glich mehr einem verängstigten, in die Enge getriebenen Tier, als Rhodan es jemals zuvor gesehen hatte.

Der Terraner begriff, was mit dem Freund geschah: Der Multimutant sah genau wie er selbst in fremde Gefilde, wo immer diese liegen mochten. Vielleicht sprach er schon in die andere Welt hinein.

»Du bist im Kristall-Labyrinth!«, schrie er den Mausbiber an. Der Klang seiner Stimme verlor sich im Kristallgeflecht, und es kam ihm vor, als breche und spiegele er sich tausendfach. »Lass dich nicht von hier wegreißen! Dein Name lautet Gucky! Ich bin Perry Rhodan! Nemo Par...«

Der Terraner verstummte mitten im Wort. Der Anblick verschlug ihm die Sprache.

Etwas brach aus Gucky hervor.

Zuerst sträubte sich nur das Fell am Hinterkopf. Die Haare richteten sich auf wie unter elektrischer Spannung. Einen Lidschlag später schob sich eine flirrende, tastende Struktur aus dem Schädel. Es blitzte und irrlichterte.

Wie Alaskas Cappinfragment, durchfuhr es Rhodan, der wie gebannt das unheimliche Schauspiel anstarrte. Er sah Kanten und Bewegung, die keine war. Es kommt aus Guckys Kopf! Aus seinem Gehirn ...

»Was ... ist das?«, fragte Alaska Saedelaere mit dumpfer Stimme. Perry Rhodan wollte antworten, drehte sich zu dem Maskenträger um – und erkannte schlagartig, dass sich die Frage nicht auf den Mausbiber bezog. Das Etwas wucherte auch aus dem Körper des Mannes mit der Maske.

Bei ihm schob es sich aus den Fingerspitzen, die nun vor dem Oberkörper zitterten. Die Unterarme presste Alaska auf den Bauch. Die Lichtschauer durchleuchteten die Hände, die aussahen wie diffuse rote Schleier rund um dunkle Knochen. Zuerst dachte Rhodan, das Fleisch würde unter der extremen Hyperstrahlung wuchern und mutieren, aber was immer aus Saedelaere herausbrach, war ... anders.

Nicht lebendig.

Ein Kristall wie überall um sie herum?

Nein. Das Gebilde änderte seine Form, aber es war nicht fest, sondern bestand aus Milliarden Tröpfchen. Es bot dem Blick keinen Widerstand. Rhodan konnte es nicht einmal fixieren, als wolle es sich aktiv seiner Wahrnehmung entziehen.

Was immer es sein mochte – es wuchs in rasantem Tempo. Hilflos schaute der Terraner zu Gucky. Der Mausbiber lag reglos auf dem Bauch. Aus seinem Hinterkopf ragte inzwischen ein Speer aus Licht und dunklem Feuer, das in der Luft gefror.

»Perry!«, rief der Multimutant. Der Name zersprang wie Glas, regnete zu Boden und verschmolz dort mit den Kristallen.

Die bizarren Sinneseindrücke stürzten auf Rhodan ein. Er wusste, dass sein Verstand die hyperphysikalischen Phänomene rundum nicht mehr richtig interpretieren konnte. Sein Bewusstsein schuf Bilder, die es gerade noch begriff.

Doch dieses Wissen änderte nichts an seiner falschen Wahrnehmung der Dinge; sein Gehirn war nicht dafür geschaffen, solche Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Nemo!, dachte er. Bei ihm hatte es zuerst begonnen. Die Wölbung auf den Unterschenkeln ...

Plötzlich fühlte er es auch. Es schmerzte nicht, sondern hinterließ nur ein taubes Gefühl. Im Unterschied zu seinen Begleitern stach das fremde Etwas bei ihm mitten aus dem Brustkorb.

Im selben Moment brach Alaska Saedelaere zusammen, ohne einen Laut, völlig unspektakulär. Als er aufschlug, löste sich die Maske von seinem Gesicht und schlitterte über den Boden.

Entsetzt wandte Rhodan den Blick ruckartig ab, verfolgte die Maske. Einer der Augenschlitze fing sich an der Spitze eines Kristalls. Rhodan taumelte durch die hastige Bewegung, und sein Arm stieß gegen das Gebilde, das ihm aus der Brust wuchs. Nein – nicht dagegen, sondern glitt hindurch. Es fühlte sich heiß an und zugleich unendlich kalt.

Es ist nicht vorhanden, dachte er. Aber es gehörte auch nicht zu dieser anderen Welt, die sein Verstand wegen der aktuellen Erlebnisse in den Hintergrund drängte. War dies eine Auswirkung davon? Wölbte sich diese andere Ebene in die normale Realität hinein?

Wie immer es sein mochte, dieses Etwas war hyperenergetischer Natur. Ein mehrdimensionales Gebilde, das sich wie ein Tentakel aus seinem Körper herausschälte oder in ihm ankerte.

Und es zitterte an seinem Ende, schon einen Meter von Rhodan entfernt. Es ruckte hin und her, zerfaserte und spaltete sich auf.

Eine der neu entstandenen Tentakelspitzen flackerte Alaska Saedelaere entgegen, die andere wuchs zu Gucky hinüber und verzweigte sich erneut. Der Terraner wunderte sich nicht einmal, dass sich das dritte Ende zuckend und leuchtend zu Nemo Partijan vortastete, dessen gesamte Beine inzwischen unter einem ungreifbaren Kokon aus Kristall-Licht verschwanden.

Es ging rasend schnell. Das Labyrinth fraß die vier Eindringlinge und verleibte sie sich ein. Rhodan begriff, dass sie zu einem Teil davon wurden, und der Gedanke jagte ihm Angst ein.

Dann wölkte eine Erinnerung empor. Der Peaner ... Natürlich. Es war doch erst vor Augenblicken gewesen, wie hatte er es vergessen können? Ihr Gespräch und das Abkommen, das sie getroffen hatten, jeder freiwillig und jeder für die Harmonie des Kosmos.

War das, was geschah, die Erfüllung der Absprache oder zumindest die Vorstufe dazu, in den Konflikt der Superintelligenzen einzutauchen und als deren Berater zu fungieren? Konnten die Peaner das überhaupt bewerkstelligen?

QIN SHI ist da, dachte er. Ich muss mich wehren. Wir müssen uns wehren. Aber wie?

Die hyperdimensionalen Gebilde, die aus ihren Körpern ragten, berührten sich und verschmolzen miteinander.

Licht blitzte in Rhodans Verstand auf, und er empfand Emotionen, die er noch nie gespürt, verfügte über Wissen, das er nie erlernt hatte.

Wir sind die vier, die eins sind.

Rhodan sah Alaskas Gedanken, voller Einsamkeit und Wehmut.

Er sah die von Gucky und fragte sich, wie man leben konnte als Letzter seiner Art.

Er sah die von Nemo Partijan am Rand des Todes und blickte auf einen Verstand, der sich ihm verschloss.

Wir sind die vier, die eins sind, dachte er erneut. Wir sind, und ich bin.

Ich

bin

TANEDRAR.

Im selben Augenblick zersplitterte die reale Welt endgültig, und Rhodan tauchte in das fremde Szenario ein. Es war kein Traum, weder Illusion noch eine differierende Wahrscheinlichkeitsebene.

Es war die Realität. Er erlebte sie mit den Sinnen eines der vier Teilwesen von TANEDRAR, das mit den anderen verbunden blieb, auch wenn der Schmerz des Aufbruchs stets einen von ihnen abtrennte. Denn TA-NE-DR-AR war, genau wie Rhodan und seine Begleiter im Labyrinth, die vier, die eins sind.

TANEDRAR musste sich gegen QIN SHI wehren, und die Superintelligenz tat es durch das Leben derer, die ihr Reich bewohnten. Sie hatte all ihren Kindern, allen Harmonischen, einen Splitter ihrer selbst verliehen.

In einen dieser Splitter stürzte nun Perry Rhodan.

2.

Phase 1.1: Perry Rhodan

 

Es war heiß, laut und eng. Und stickig.

Perry Rhodan blieb keine Zeit zu überlegen, wo er sich befand und wie er an diesen Ort kam. War er nicht gerade noch woanders gewesen? Bei seinen Freunden? In einem Labyrinth voller Hyperkristalle? Aus Alaska Saedelaeres Fingern ...

Jemand rempelte ihn an. Er taumelte zur Seite, krachte gegen eine erhitzte, fast glühende Wand aus Metall. Hastig trat er zurück. Seine bloße Hand hatte die Wand berührt; die Haut pochte und rötete sich. Schon spannte sich eine Brandblase und glänzte blassweiß im geschwollenen Fleisch.

»Beeil dich!«, herrschte ihn eine dumpfe Stimme an. »Na los!«

Er drehte den Kopf. Ein Fremder starrte ihn auffordernd an, Rhodan hatte ihn nie zuvor gesehen.

Oder doch?

Dieser Mann war sein Kollege, mehr noch, sein Freund.