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Nr. 53

 

Die Verdammten von Isan

 

Ihre Welt hat ein Schicksal erlitten, dass der Erde in letzter Sekunde erspart blieb ...

 

von KURT MAHR

 

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Trotz geschickter Schachzüge im galaktischen Raum musste Perry Rhodans Streben nach Macht und Anerkennung der Menschheit im Universum letztlich Stückwerk bleiben, denn die der Menschheit seinerzeit zur Verfügung stehenden Mittel waren, an den Maßstäben des Universums gemessen, zu klein.

Seit der angeblichen Vernichtung der Erde im Jahre 1984 sind inzwischen 56 Jahre vergangen.

Eine neue Menschengeneration ist herangewachsen. Wie sich seinerzeit aus der »Dritten Macht« die terranische Weltregierung entwickelte, so ist aus eben dieser Weltregierung inzwischen längst die Organisation des Solaren Imperiums entstanden.

Mars, Venus, die Jupiter- und Saturnmonde sind besiedelt, und die für Besiedlungszwecke ungeeigneten Welten des Solarsystems dienen als terranische Stützpunkte oder aber als unerschöpfliche Fundgruben für Bodenschätze aller Art.

Andere Intelligenzen sind im Solarsystem nicht entdeckt worden. Die Terraner sind somit die unbestrittenen Beherrscher eines kleinen Planetenreiches, dessen Mittelpunkt die Erde bildet.

Dieses technisch und zivilisatorisch hochstehende Planetenreich besitzt natürlich eine schlagkräftige Raumflotte, die in der Lage sein sollte, jedem Angreifer die Stirn zu bieten.

Doch Perry Rhodan, der Administrator des Solaren Imperiums, ist noch nicht bereit, den schützenden Mantel der Anonymität fallen zu lassen. Seine kosmischen Agenten – Mitglieder des berühmten Mutantenkorps – haben nach wie vor die Order, ihren irdischen Ursprung unter allen Umständen geheim zu halten.

Auf der Ara-Welt Tolimon hätte der Agenten-Einsatz fast zur Katastrophe geführt, die schließlich durch den »falschen Inspekteur« noch abgewendet werden konnte.

Perry Rhodan und seine Leute müssen jedoch fliehen, Sie stoßen bei ihrer überhasteten Flucht in einen unbekannten Sektor der Milchstraße auf DIE VERDAMMTEN VON ISAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ivsera, Irvin, Havan, Killarog und Thér – Bewohner des Bunkers Fenomat.

Feriar, Belal und Malanal – Bewohner des Bunkers Sallon.

Perry Rhodan und John Marshall – Sie geben den Verzweifelten neue Hoffnung.

Laury Marten – Neben der Telepathie besitzt sie auch die Gabe der Desintegration.

Graf Rodrigo de Berceo – Er läuft in sein Verderben.

1.

 

Ivsera sah nachdenklich an der Reihe der blitzenden, schimmernden Geräte entlang.

Eigentlich, dachte sie, sollte ich jetzt traurig sein. Wenn ich wenigstens noch ein einziges Kleid hätte, eine Hose oder einen Mantel!

Aber es gab nichts mehr. Kein Kleid, keine Hose, keinen Mantel. Nichts außer dem wenigen, das die Leute auf dem Leib trugen.

Ivsera brachte es nicht fertig, darüber traurig zu sein. Seit Tagen standen die kostbaren Apparate still. Seit Tagen wurden keine Kleidungsstücke mehr geliefert, aus deren organischen Fasern man synthetische Nahrung bereiten konnte. Seit Tagen lebte Bunker Fenomat von seinem winzigen Vorrat, der morgen oder übermorgen zu Ende sein würde.

Ivsera drehte sich um. Hinter ihr, lässig an einen Tisch gelehnt, aber mit ernstem Gesicht, stand Irvin.

»Traurig?«, fragte er.

Ivsera schüttelte den Kopf.

»Nein. Mir ist alles egal.«

»Aber du musst Havan Bescheid geben, nicht wahr?«

Erstaunt sah sie den jungen Mann an.

»Havan? Er weiß Bescheid. Seit zehn Tagen.«

Irvin stieß sich vom Tisch ab und kam ein paar Schritte näher. Er trug eine kurze Hose, die unterhalb des Bauchnabels begann und bis zur Hälfte des Oberschenkels reichte. Mehr Kleidung durfte kein Mann im Bunker Fenomat besitzen.

»Er wird sich nicht daran erinnern«, behauptete Irvin.

»Aber ...«

Irvin hob beruhigend die Hand.

»Nicht, aber! Eigentlich sollte ich dir nichts darüber erzählen müssen, was Havan für ein Mann ist. Oder?«

Ivsera senkte den Kopf.

»Willst du nicht für mich gehen und es ihm sagen?«, fragte sie leise.

Irvin schüttelte den Kopf.

»Nein, lieber nicht. Ich hätte nichts davon. Er würde mich anschreien und mir klarmachen, dass ihm die Chefchemikerin selbst Bericht zu erstatten hätte.«

Ivsera seufzte.

»Du hast recht, Irvin.« Sie hob den Kopf, sah den jungen Mann an und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. »Am besten erledige ich es jetzt gleich.«

Irvin nickte.

»Ich hoffe für dich!«

Ivsera öffnete die Tür und trat hinaus auf den Gang. Stickiger, warmer, übelriechender Brodem nahm ihr den Atem. Sie sah sich nach beiden Seiten um und war froh, als sie niemanden entdeckte.

Rasch ging sie die fünfzig Meter bis zum Lift, holte die Kabine herbei, stieg ein und drückte den Leitknopf der untersten Etage. Die Kabine setzte sich in Bewegung, langsam und kratzend, ein Beweis dafür, dass die Pressluftventile nicht mehr einwandfrei arbeiteten.

Nichts arbeitet mehr, dachte Ivsera. Die Lüftung funktioniert nicht, die Demokratie funktioniert nicht, es gibt nichts zu essen und nichts zu trinken.

Wenn wir nur hinauf könnten!

Hinauf, dorthin, wo seit acht Jahren niemand mehr lebte. Dorthin, wo der Sturm Wolken radioaktiven Staubs über das Land trieb und jeder Regentropfen so vergiftet war, dass man zehn Menschen damit hätte töten können.

Hinauf, dorthin, wo alle zehn Kilometer weit glasig geschmolzenes Gestein den Bodennullpunkt der Bombe verriet, die dort im furchtbarsten Krieg aller Zeiten gefallen war.

Ivsera versuchte zu schätzen, wie viele Menschen den Krieg überlebt haben mochten. In Bunker Fenomat hatten sechstausend Leute Zuflucht gefunden, aber im Laufe der acht Jahre waren zehntausend daraus geworden. Fenomat war die Hauptstadt des Landes, deswegen gab es in einem Vorort einen weiteren Bunker, den Bunker Sallon. Er hatte die gleiche Kapazität.

Im ganzen Land gab es fünf solcher Bunker. Wenn man rechnete, dass der Feind auf dem anderen Kontinent ebenso viele hatte, dann mochten etwa hunderttausend Menschen den großen Krieg auf Isan überstanden haben.

Hunderttausend von drei Milliarden!

Die Kabine hielt an. Ivsera öffnete die Tür.

Draußen lag ein Gang, der nicht anders aussah als der, aus dem Ivsera kam. Die junge Frau wandte sich nach links, ging an ein paar beschilderten Türen vorüber und blieb vor der vorletzten von ihnen stehen.

»Havan?«, rief sie laut.

Der Name kam ihr nur schwer über die Zunge. Havan – das war der Mann, der zwei Tage nach Ofarans Tod geglaubt hatte, sie würde sich ihm zuwenden. Havan – das war der Mann, der Ivsera Schwierigkeiten machte, wo er konnte, weil sie ihm erklärt hatte, dass sie wenigstens das Witwenjahr lang alleine bleiben und dass überdies selbst in zehntausend Jahren ein Mann wie Havan nicht in der Lage sein würde, die Erinnerung an Ofaran auszulöschen.

Havan antwortete brummend: »Kommen Sie herein!«

Ivsera schob die Tür vor sich auf. Havan saß hinter einem schweren Tisch aus Steinplastik und sah ihr entgegen. Keine Miene in seinem grobgeschnittenen, hässlichen Gesicht rührte sich, als er sie erkannte.

»Na, was gibt's?«, fragte er.

»Kein Proviant mehr«, antwortete Ivsera knapp.

Havan horchte auf.

»Warum erfahre ich das erst jetzt?«, wollte er wissen.

Ivseras Augen schlossen sich zu schmalen Schlitzen.

»Ich habe es Ihnen schon vor zehn Tagen gesagt, dass wir keinen Rohstoff mehr haben!«

Havan trumpfte auf.

»Na, und wenn?«, rief er. »Als Ratsmitglied habe ich das Recht, ständig auf dem laufenden gehalten zu werden.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich werde Sie von Ihrem Posten ablösen lassen, wenn Sie Ihre Pflichten nicht kennen!«

Angesichts der Mühe, die Havan sich gab, um sie zu verletzen und zu kränken, gewann Ivsera ihre Ruhe zurück.

»Bedenken Sie«, warf sie gelassen ein, »dass nicht Sie alleine hier im Bunker über die Besetzung von Posten entscheiden. Wir haben einen Rat, und ich werde nicht eher gehen, als mich der Rat dazu auffordert!«

Sie wandte sich um, öffnete die Tür und trat hinaus. Während sie die Tür hinter sich schloss, hörte sie noch, wie Havan ihr zornig nachschrie: »Noch haben wir einen Rat ...!«

Mehr konnte sie nicht verstehen; es interessierte sie auch nicht.

Am Lift begegnete ihr Killarog. Killarog war ebenfalls Ratsmitglied, wie Havan. Er war einer der jüngsten Männer im Rat und nach Ivseras Meinung einer der wenigen, die es fertiggebracht hatten, Würde und Anstand über die acht schweren Nachkriegsjahre hinüberzuretten.

Ivsera wollte mit einem knappen Gruß an Killarog vorbei.

Aber Killarog blieb stehen und fasste Ivsera am Arm.

»Kummer?«, fragte er kurz, aber nicht unfreundlich.

Ivsera sah ihn an.

»Wer hat in dieser Zeit keinen Kummer?«, hieß die Gegenfrage.

Killarog blieb ernst, aber der Spott blitzte in seinen Augen.

»Wie Sie wissen«, erklärte er in gespielt dozierendem Ton, »bin ich Vorsitzender des Ausschusses für personelle und psychologische Fragen. Wenn Sie irgend etwas auf dem Herzen haben, ist es Ihre Pflicht, mir Bericht zu erstatten!«

Er hob dazu den Finger. Aber gleich darauf verlor sich der Ernst in seinem Gesicht, er nahm Ivsera wieder beim Arm und führte sie in den Gang hinein, aus dem sie eben gekommen war.

»Was ist los, Mädchen? Kein Proviant mehr? Das weiß der Rat seit zehn Tagen. Darüber brauchen Sie sich den Kopf nicht zu zerbrechen.«

Ivsera lachte bitter.

»Aber ausgerechnet der Ausschussvorsitzende für Ernährung und Bekleidung wusste nichts davon«, erwiderte sie.

Killarog prustete laut.

»Havan? Natürlich weiß er es. Wir haben vor ein paar Stunden noch darüber gesprochen.«

Ivsera erzählte ihm, was geschehen war. Killarog öffnete die Tür seines Zimmers und ließ sie vor sich eintreten. Er bot ihr einen Platz an, und während er um seinen Steinplastik-Tisch herumging, um sich in seinem Sessel niederzulassen, winkte er geringschätzig ab.

»Glauben Sie kein Wort von dem, was Havan sagt!«, riet er Ivsera. »Besonders dann nicht, wenn er es Ihnen sagt. Im übrigen würde Havan sich im Rat lächerlich machen, wenn er Ihre Abberufung beantragte.«

Er sah Ivsera über den breiten Tisch hinweg an, und unter seinem beruhigenden Blick verlor die junge Frau einen Teil des Grolls, den sie seit dem Besuch bei Havan mit sich herumtrug.

»Aber einmal etwas ganz anderes«, fing Killarog plötzlich von vorne an. »Was wird wirklich, wenn wir nichts mehr zu essen haben?«

Ivsera machte eine hilflose Geste mit ihren Händen.

»Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen«, antwortete sie. »Vielleicht könnten wir den Bunker verlassen und oben nachsehen, ob es dort noch etwas gibt?«

Das war leichthin gesagt. Ivsera erschrak, als Killarog sich mit einem Ruck halb hinter seinem Tisch erhob, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkniff und zischend fragte: »Wer hat Sie auf diese Idee gebracht? Sie wissen, dass es unmöglich ist, den Bunker zu verlassen!«

Ivsera war verwirrt.

»Entschuldigen Sie ... ich, ich hatte keine Ahnung, dass es Sie erschrecken würde. Niemand hat mich auf die Idee gebracht, es war meine eigene. Es ist doch leicht, darauf zu kommen, nicht wahr?«

Killarog setzte sich wieder und seufzte.

»Vergessen Sie es wieder«, murmelte er, plötzlich müde und niedergeschlagen. »Ich bin es, der um Verzeihung bitten muss.«

Er legte das Gesicht in die Hände, rieb sich die Augen und sah Ivsera schließlich zwischen den gespreizten Fingern hindurch an.

»Tatsache ist«, sagte er langsam und mit Betonung, »dass wir oben waren!«

Ivsera sprang auf.

»Sie waren ...?«

Killarog winkte ab.

»Nicht so laut. Niemand darf es wissen, sonst würden sie alle hinaufwollen. Deswegen habe ich vorhin gefragt. – Übrigens: Ihre Hoffnungen sind vergebens.«

Ivsera stockte der Atem.

»Inwiefern?«

»Es gibt auch oben nichts zu essen! Im Stadtgebiet von Fenomat ist noch nie auch nur eine einzige Rübe gewachsen, und außerhalb der Stadt ist bis zu einem Umkreis von dreihundert Meilen alles verseucht. Weiter sind wir nicht gekommen.«

»Ja, aber ...«

»Nichts aber!« Killarog stand auf. Sein Gesicht war plötzlich todernst. »Wollen Sie etwas sehen, Mädchen? Etwas Aufregendes, Spannendes und ... Enttäuschendes?«

Ivsera nickte wortlos.

»Dann kommen Sie mit!«

Sie verließen das Zimmer. Killarog wandte sich nach links. Sie kamen an Havans Tür vorbei. Vor der letzten Tür im Gang, dicht an der hellgrauen Stirnwand, blieb Killarog stehen. Er zog einen Schlüssel hervor, ließ das, Schloss aufschnappen und öffnete. Ivsera sah einen kahlen Raum, dessen Beleuchtung die gleiche kalte Farbe hatte wie die aller anderen Räume, und eine Tür an der gegenüberliegenden Wand.

»Hier wohnt niemand«, erklärte Killarog leise, als Ivsera ihn zögernd ansah. »Sie können ruhig eintreten.«

Sie ging hinein. Killarog kam nach und schloss die Tür hinter sich sorgfältig ab. Dann durchquerte er den Raum und öffnete die Tür auf der gegenüberliegenden Seite.

Mit großen, ängstlichen Augen starrte Ivsera in einen schmalen, niedrigen Gang hinein, der ohne Zweifel nicht zur eigentlichen Anlage des Bunkers gehörte. Die Wände bestanden aus nacktem Fels, der weiter hinten vor Feuchtigkeit glänzte, und die Decke war alle paar Schritte durch eine Metallstrebe gestützt.

Kühle Luft drang aus dem Gang – eine Wohltat in der überhitzten, übelriechenden Atmosphäre des Bunkers.

Killarogs Stimme klang eindringlich, als er sagte: »Alles, was Sie jetzt zu sehen bekommen, müssen Sie für sich behalten. Wagen Sie nicht, mit jemand darüber zu sprechen ... es würde Ihnen schlecht bekommen!«

Ivsera nickte, ohne den Blick von dem geheimnisvollen Gang zu wenden.

»Ich gehe voraus«, bot Killarog an.

Ivsera ließ ihn an sich vorüber. Sie folgte ihm auf den Fersen und schloss die Tür hinter sich. Sie sah jetzt, dass der Gang sein Licht nicht nur durch die Tür bezog, sondern dass es weiter hinten eine Reihe von Lampen gab, deren Schein so weit reichte, dass man die Unebenheiten des Bodens erkennen konnte.

Killarog schritt kräftig aus; Ivsera hatte Mühe, ihm zu folgen.

Der Gang erwies sich als länger, als Ivsera zuerst geglaubt hatte. Eine Viertelstunde lang machten die Lampen im Hintergrund keine Anstalten näherzurücken, danach taten sie es langsam, und als Killarog schließlich bei der ersten von ihnen haltmachte, waren sie mindestens schon eine halbe Stunde lang marschiert, was bei Killarogs Marschtempo bedeutete, dass sie eine Dreiviertel-Meile zurückgelegt hatten.

»Geht es noch?«, fragte Killarog besorgt.

Ivsera nickte.

Killarog marschierte weiter. Die Lampen wurden zahlreicher, und schließlich entdeckte Ivsera im Lichtkreis der letzten eine Gestalt, die dort reglos auf dem Boden zu liegen schien.

Killarog trat kräftig auf. Die Gestalt bewegte sich. Ivsera sah einen Kopf sich heben und misstrauische Augen den beiden Ankömmlingen entgegenschauen.

Ivsera erinnerte sich nicht, den Mann jemals gesehen zu haben, vor dem Killarog jetzt stehenblieb. Das Auffallendste an ihm war die Tatsache, dass er vollständige Kleidung trug nicht etwa nur die kleine, kurze Hose, wie sie für Männer vorgeschrieben war.

»Etwas Neues, Thér?«, fragte Killarog.

Thér nickte.

»Ja. Sie kommen vorwärts.«

»Wie lange haben wir noch Zeit?«

Thér hob die Schultern und spreizte die Hände.

»Zwei, drei Tage, würde ich sagen. – Was soll das Mädchen?«

»Sie soll Bescheid wissen«, antwortete Killarog knapp.

Ivsera überwand schließlich ihr Staunen und fragte: »Wie kommt der Mann dazu, in vollständiger Kleidung herumzulaufen, Killarog? Aus dem, was er nutzlos mit sich herumschleppt, könnte ich mindestens fünf ausreichende Mahlzeiten machen.«

Thér sah sie verdutzt an. Killarog lachte laut.

»Sie ist unser Proviantmädchen«, erklärte er Thér. »Das meiste von dem, was du in den letzten vier Jahren gegessen hast, kam aus ihren Retorten.«

Und, an Ivsera gewandt, fuhr er fort: »Was, glauben Sie, würde Thér passieren, wenn er hier halbnackt herumliegen müsste?«

»Ja ...«, staunte Ivsera, »... liegt er denn öfter hier?«

Killarog nickte.

»Er und noch zwei andere. Jeder zehn Stunden am Tag. Das ist eine Zeit, die ausgehalten sein will.«

»Und was tut er hier?«

Killarog wies auf den Boden.

»Zeig's ihr, Thér!«, befahl er.

Thér stand auf. Ivsera sah zum ersten Mal, dass in seiner Nähe eine Reihe von Geräten lagen. Sie sah kleine, schwarze Kästen mit Schaltern, Knöpfen und Skalen.

Ein paar Schritte weiter hinten war der Gang zu Ende.

Thér brachte an einem der Geräte ein dünnes Kabel an, dessen anderes Ende einen kleinen Trichter trug, wie Ivsera ihn vom Telephon her kannte. Das Gerät selbst legte Thér links in den Winkel, den Wand und Boden des Ganges miteinander bildeten. Ivsera sah, dass der kleine Kasten auf spitzen, metallenen Füßen stand.

Thér reichte ihr das Kabel mit dem Trichter.

»Horchen Sie hinein!«, forderte er sie auf.

Ein wenig ängstlich presste Ivsera den Trichter ans Ohr. Sie hörte monotones Rauschen. Als sie nach ein paar Minuten noch nichts anderes gehört hatte, wollte sie Thér den Trichter zurückgeben. Aber im selben Augenblick hörte sie plötzlich dumpfes Dröhnen wie von einer riesigen, weit entfernten Trommel. Das Geräusch schwoll an, überschritt einen Höhepunkt und verebbte dann langsam.

Ivsera war maßlos erschrocken. Sie wollte fragen, woher das Geräusch komme; aber im selben Moment hörte sie es zum zweiten Mal.

»Oha!«, lachte Thér grimmig. »Dazu braucht man fast keinen Verstärker mehr. Ich kann es auch so hören.«

Ivsera nahm den Trichter vom Ohr und fragte: »Was ist das?«

Killarog antwortete mit einer Gegenfrage: »Sie waren noch ein junges Mädchen, als der Krieg ausbrach. Wissen Sie, unter welcher Gegend von Fenomat wir uns hier befinden?«