cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 69

 

Im Halbraum lauert der Tod

 

Sie sind zu Riesen geworden – auf einem Planeten der im »Halbraum« liegt ...

 

von KURT MAHR

 

img2.jpg

 

Das Jahr 2042 ist ein entscheidendes Datum für die beiden führenden Männer des Solaren Imperiums!

Es ist das Jahr, in dem Perry Rhodan und Reginald Bull unter allen Umständen eine zweite Zelldusche erhalten müssen, wollen sie nicht innerhalb weniger Tage ein klägliches Ende nehmen.

1976 wurden die beiden Männer erstmals im Physiotron der Kunstwelt Wanderer behandelt, mit der Maßgabe, in spätestens 62 irdischen Jahren wieder zu erscheinen. Bei Dazurechnung der Zeitdilatation, der die Terraner bei der Rückkehr von der Welt des Unsterblichen ins heimatliche Sonnensystem unterworfen waren, ergibt sich der 1. Mai 2042 als letzter Termin für eine lebenserhaltende Zelldusche.

Da die Ellipsenbahn, die der Planet der Unsterblichkeit durch das Universum beschreibt, genau errechnet worden war und auch die späteren Zellduschen weiterer verdienter Menschen ohne Komplikationen abgelaufen waren, sah Perry Rhodan keinen Grund zum verfrühten Aufbruch nach Wanderer.

Bereits die »Hetzjagd durch die Dimensionen« hat gezeigt, wie irrig diese Annahme war.

Um Wanderer doch noch termingerecht erreichen zu können, wird es erforderlich, in den »Halbraum« einzudringen, in den unstabilen Raum zwischen der vierten und fünften Dimension – doch IM HALBRAUM LAUERT DER TOD ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan und Reginald Bull – Ihre Unsterblichkeit endet am 1. Mai.

Atlan – Er errechnet etwas, das es nach den Regeln der Mathematik nicht geben dürfte.

Nathan – Er vermag es, den Geist von seinem Körper zu trennen.

Ras Tschubai – Der Teleporter gerät in ein fünfdimensionales Gefängnis.

Mike Tompetch – Wenn er sich bewegt, wird der Planet von einem Sturm überzogen.

»Er« oder »Es« – Das Kollektivwesen von Wanderer bangt um seine Stabilität.

Guye of Llandrindod – Ein Ritter, der mit einer Lanze gegen ein Raumschiff vorgehen will.

1.

 

Perry Rhodan sah auf die dunkelgrüne Bildfläche des Tastergerätes und stellte fest, dass da, wo eigentlich ein Planet hätte sein müssen, der Raum völlig leer war.

Vor wenigen Augenblicken hatte das Schlachtschiff DRUSUS einige Lichtjahre weit von der Stelle entfernt, an der es sich jetzt befand, zur Transition angesetzt. Die Transition hatte im Umkreis von zehn Lichtminuten um jenen Ort enden sollen, an dem sich nach den Berechnungen der Mathematiker der geheimnisvolle Planet Wanderer zu diesem Zeitpunkt befand. Wanderer war die künstliche Welt, zu der Perry Rhodan bis zum 1. Mai 2042 zurückgekehrt sein musste, wenn er weiterhin ein Unsterblicher bleiben wollte. Nur auf Wanderer gab es jenes wunderwirkende Gerät, das in der Lage war, den Zellen des menschlichen Körpers neue Kraft zu injizieren und sie vor dem Zerfall zu bewahren. Es, Herr von Wanderer, akkumuliertes Bewusstsein einer längst vergangenen Rasse, hatte Rhodan vor zweiundsechzig Jahren zum ersten Mal das Recht zugestanden, sich einer Zelldusche zu unterziehen – und ebenso allen seinen Begleitern, denen er, Rhodan, eine ebensolche Behandlung zugestehen wollte – und ihn durch Homunk, den Roboter, darauf hinweisen lassen, dass die Zelldusche alle zweiundsechzig Jahre erneuert werden müsse, sollte sie wirksam bleiben und der Zustand gehemmten Alterns weiter andauern.

Diese zweiundsechzig Jahre waren in acht Tagen abgelaufen. Perry Rhodan hatte wertvolle Zeit verloren, indem er die Spur des Planeten Wanderer durch eine fremde Zeitebene verfolgte und erst in letzter Minute die Information über Wanderers galaktische Position erlangte. Die DRUSUS war sofort gestartet, um den künstlichen Planeten einzuholen. Es gab, wenn man die Sache vernünftig betrachtete, keinen Zweifel daran, dass Wanderer sich im Umkreis von höchstens zehn Lichtminuten, das sind einhundertachtzig Millionen Kilometer, um das Schiff befand. Die Informationen, die der erbeutete Druuf-Robot geliefert hatte, deuteten ohne die Möglichkeit eines Fehlers darauf hin.

Aber Perry Rhodan hatte den Gesichtskreis des Tastergerätes sogar auf fünfundzwanzig Lichtminuten erweitert, und der Raum blieb trotzdem tot und leer.

 

*

 

Der Kommandostand der DRUSUS war voll besetzt. Fieberhafte Tätigkeit herrschte an allen Plätzen, von deren Geräten man erwarten durfte, dass sie vielleicht in der Lage seien, das Geheimnis des verschwundenen Planeten zu entschleiern. Materietaster, Mikrowellen- und Hyperfunkorter ließen ihre Kräfte und Strahlen spielen; aber von nirgendwoher kam ein Echo. Wanderer blieb verschwunden. Mittlerweile hatte die Abteilung Astrogation ermittelt, dass die Transition gelungen war und das Schiff sich mit einem vernachlässigbar kleinen Fehler am vorausberechneten Ort befand. Es schien nur noch eine einzige Erklärung zu geben: Die Daten, die man dem erbeuteten Druuf-Robot entnommen hatte, waren falsch. Entweder, weil die Druuf selbst nicht wussten, wohin Wanderer geraten war, oder, weil der Robot die Fähigkeit besaß, eingeprägte Daten zu fälschen, wenn er merkte, dass ein Fremder sie haben wollte.

Der erste, schwache Hinweis auf das Schicksal der künstlichen Welt kam von einer Seite, von der niemand ihn eigentlich erwartet hatte. Während Perry Rhodan noch damit beschäftigt war, den Wirkungsradius des Materietasters, der in Wirklichkeit nicht mehr war als ein Indikator für Gravitationsfelder, auf fünfzig Lichtminuten zu erweitern, leuchtete auf dem Interkombildschirm am oberen Rand des Pilotenpults das rote Rufzeichen auf. Mit einer mechanischen Handbewegung schaltete Rhodan die Verbindung ein. Geistesabwesend sah er auf das Gesicht, das sich auf der Bildscheibe zeigte.

»Station Strukturtaster, Sergeant Sullivan, Sir«, sagte der Mann. »Die Geräte registrieren einen Effekt, den wir noch nie beobachtet haben, Sir. Ich hielt es für wichtig genug, um Sie direkt anzurufen.«

Rhodan nickte. Noch erschien es ihm unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Strukturtaster etwas entdeckt haben könnten, was mit dem Verschwinden von Wanderer zusammenhing; aber in seiner Lage konnte er es sich nicht leisten, auch nur den kleinsten Hinweis außer acht zu lassen.

»Beschreiben Sie die Anzeige, Sergeant«, befahl er, »und schalten Sie mir das Oszillogramm auf den Interkom. Oder gibt es kein Oszillogramm?«

Sergeant Sullivan machte ein missmutiges Gesicht.

»Doch, Sir«, gab er zögernd zu, »aber es sieht so aus, als sei der Oszillograph entzwei.«

Rhodan lächelte.

»Trotzdem. Schalten Sie um!«

Sullivans Gesicht verschwand. Ein paar Sekunden vergingen, während der Sergeant den Anschluss an den Oszillographen herstellte.

Dann leuchtete der Bildschirm wieder auf. Das Koordinatennetz des Oszillographenschirms wurde sichtbar, und durch das Netz hindurch schlang sich ein Wirrwarr unregelmäßiger Linien, in stetigem Auf und Ab begriffen. Sergeant Sullivans Stimme begann zu erklären: »Eine normale Ortung, Sir, besteht aus einem einzigen Wellenpaket, das je nach Entfernung und Größe des georteten Objekts, weiterhin je nach der Restgeschwindigkeit, mit der das Objekt in das vierdimensionale Kontinuum zurücktaucht, länger oder kürzer ist. Das Paket zeigt die Struktur einer gedämpften Schwingung: Große Amplituden zu Beginn, dann exponentielles Abklingen.

Das ist hier nicht der Fall, Sir, wie Sie sehen können. Hier haben wir es mit einem ungedämpften Vorgang zu tun. Die Amplituden der verschiedenen Schwingungen sind durchweg um den Faktor hundert kleiner als die der schwächsten Schockwelle, die wir je registriert haben. Die Ortung wurde zum ersten Mal vor fünfzehn Minuten gemacht, Sir, und hält seitdem unverändert an. Die Höchstdauer einer normalen Ortung, wenn ich mich so ausdrücken darf, beträgt ein paar Millisekunden.«

Rhodan hatte aufmerksam zugehört und dabei das unregelmäßige Wellenmuster studiert. Sergeant Sullivans Erklärung war vollständig, es gab nichts, was Rhodan an Hand des Bildes noch hätte hinzufügen können.

»Haben Sie eine Idee, Sergeant?«, fragte er. »Irgendeine Vorstellung, wie der Effekt zustandekommen könnte?«

Sullivan zögerte mit der Antwort.

»N-nein, Sir«, erklärte er schließlich. »Keine Idee. Nur ...«

Rhodan wartete geduldig, bis Sullivan seine Bedenken überwunden hatte.

»... es sieht so aus, Sir«, fuhr er schließlich fort, »als wäre da etwas in der Nähe, was gern in den Hyperraum möchte sich aber nicht vollends dazu entschließen kann. Vielleicht reichen seine Energien nicht aus, vielleicht möchte es der Pilot vorerst auch nur vorsichtig probieren. Mehr kann ich nicht sagen, Sir.«

»Ja, auf diese Idee könnte man kommen«, gab Rhodan bereitwillig zu. »Leiten Sie die Oszillogrammphotographien an die Mathematiker weiter, Sergeant, und bitten Sie um Auswertung.«

Dann unterbrach er die Verbindung. Das eigenartige Geflimmer auf dem Bildschirm erlosch; aber in Rhodans Gedächtnis blieb es zurück und erzeugte Gedanken, die zuerst absurd schienen. Erst bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass sie nichts Unmögliches behaupteten. Besonders, wenn man bedachte, dass es sich hier um ein Phänomen handelte, das noch nirgendwo anders zuvor beobachtet worden war: Um den Durchgang eines Planeten durch eine fremde Zeitebene.

Rhodan hatte eine Reihe von Ideen, und als er auf den automatischen Kalender sah, wusste er, dass ihm keine Zeit mehr blieb, an ihnen herumzufeilen und die wahrscheinlichste von ihnen auszusuchen.

Er musste sie der Reihe nach ausprobieren.

 

*

 

»Ich fürchte«, erklärte Rhodan, »die Probleme, die mit dem Verschwinden von Wanderer zusammenhängen, sind wenig anschaulich und für diejenigen von Ihnen, die noch keine Gelegenheit hatten, sich mit der Theorie der verschiedenen Eigenzeiten zu befassen, unverständlich. Trotzdem dürfen wir etwa mit Erklärungen keine Zeit verlieren.

Wanderer hat eine fremde Zeitebene passiert. Die Druuf haben ihn eingefangen, aber Ihm, dem unbegreiflichen Herrn der Kunstwelt, ist es gelungen, den Druuf ein Schnippchen zu schlagen. An einer anderen Stelle verließ er mitsamt seinem Planeten die Druuf-Ebene wieder.

Offenbar ist ihm dieser Trick nicht ganz geglückt. Irgend etwas Eigenartiges ist mit Wanderer geschehen, als er die fremde Zeitebene verließ. Er existiert nicht in unserem Raum. Vielleicht hat er einen dünnen Zipfel der fremden Eigenzeit mit sich gezogen, vielleicht hat er um sich herum eine Zone räumlicher Instabilität geschaffen. Wir wissen es nicht. Wir müssen probieren.

Sie sehen hier eines jener Linsensysteme aufgebaut, mit deren Hilfe es uns bisher ein paar Mal gelungen ist, in die fremde Zeitebene einzudringen.« Er wies auf ein kleines, kastenförmiges Gerät, das vor ihm auf dem Tisch stand, und auf zwei milchig schimmernde Lichtkreise, die reglos in der Luft schwebten, den unteren Rand nur wenige Zentimeter über dem Boden. »Leutnant Rous«, fuhr er dann fort, »hat sich bereit erklärt, den Schritt zu wagen. Bislang können wir nur hoffen, dass es ihm gelingen wird, Wanderer auf diesem Wege zu erreichen.«

Marcel Rous trat nach vorn. Er trug eine Raumkombination und hatte den Helm bereits geschlossen. Er wusste nicht, wo er herauskommen würde. Man sah ihm an, dass er sich unbehaglich fühlte. Das Linsensystem, auch Spiegelfeld genannt, schuf eine Brücke zwischen zwei Zeitebenen an solchen Stellen, an denen eine Überschneidung zweier Eigenzeiten gerade stattfand oder irgendwann zuvor stattgefunden hatte. Wenn Wanderer wirklich einen Zipfel der fremden Eigenzeit mit sich gezogen hatte und sich in der Nähe befand, dann würde Rous verschwinden, sobald er den ersten Lichtkreis durchschritt, und auf Wanderer wieder auftauchen. Wenn nicht – nun, niemand hatte bisher erlebt, wie das Spiegelfeld sich auswirkte, wenn dahinter keine fremde Zeitebene wartete.

Rous griff ein letztes Mal nach der Waffe, die er an der Seite trug. Dann salutierte er knapp und trat durch den Lichtkreis. Einen Augenblick lang hatte Rhodan den Eindruck, er würde verschwinden, aber dann sah er zunächst ein Bein, dann das andere und schließlich den ganzen Leutnant auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kommen.

Der Versuch war missglückt. Rhodans erste Idee hatte sich als falsch erwiesen.

Rous war verblüfft; man sah es durch die Helmscheibe an seinem Gesicht.

Jemand fing an zu lachen. Ein anderer stimmte ein, und schließlich löste sich die fast unerträgliche Spannung, die alle bisher im Bann gehalten hatte, in dröhnendem Gelächter. Selbst Rous stimmte ein, man konnte es über die Außenlautsprecher des Helmes hören.

Rhodan war der einzige, den die allgemeine Heiterkeit nicht mitriss. Er sah auf den Kalender. Es war der 24. April, kurz nach zwei Uhr morgens. Es blieben ihm noch knapp einhundertundneunzig Stunden, um herauszufinden, was mit Wanderer geschehen war, und das Physiotron zu betreten, jenes Gerät, das die Zelldusche bewirkte. Für Rhodan gab es keinen Grund zum Lachen. Er erinnerte sich an die zweite Idee, die er gehabt hatte. Wanderer bewegte sich nicht mehr in der fremden Zeitebene. Er unterlag derselben Eigenzeit wie die DRUSUS, die Erde und die Milliarden von Sternen, die sich auf den Bildschirmen zeigten. Wenn er mit Hilfe des Spiegelfeldes nicht erreicht werden konnte, dann war vielleicht jemand anders in der Lage, ihn mit Hilfe seiner angeborenen Kräfte zu finden und zu betreten.

Die Mutanten mussten ans Werk!

 

*

 

Ras Tschubai wusste, was man von ihm verlangte. Er war bisher noch vor keinem Einsatz zurückgeschreckt, aber diesmal hatte er Angst.

Perry Rhodan hatte ihm freigestellt, ob er den Sprung wagen wollte oder nicht. Er hatte ihm die Lage geschildert und offen zugegeben, dass die paramechanische Theorie, soweit es eine solche gab, nicht in der Lage war, Voraussagen über Erfolg oder Nichterfolg des beabsichtigten Sprunges zu machen. Niemand wusste, was geschehen würde, wenn Ras Tschubai, der hochgewachsene Afrikaner, seine Geisteskräfte mobilisierte und mit einem Teleportationssprung Wanderer zu erreichen versuchte.

Trotzdem hatte Ras Tschubai sich entschlossen, den Sprung zu wagen. Er hatte einen Raumanzug angelegt und war im Kommandostand erschienen. Die Offiziere ringsum schienen ihm mit freundlichen, gespannten Gesichtern Mut einflößen zu wollen; aber Ras Tschubai wusste, dass sie ihm nicht würden helfen können, wenn er in Gefahr geriet. Das, was seine paramechanische Begabung beherrschte, spielte sich in einem höheren, fünfdimensionalen Raum ab. Wenn ihm dort etwas zustieß, war er verloren – ein entmaterialisiertes Gebilde, das bis an das Ende aller Zeit durch ein graues Universum trieb, in dem es nichts gab außer ihm selbst.

Ras Tschubai schloss die Augen und begann sich zu konzentrieren. Er wusste, wo er Wanderer zu suchen hatte. Die Männer an den Strukturtastern hatten längst ermittelt, von welcher Stelle des Raumes die eigenartigen Zeichen räumlicher Instabilität ausgingen.

Er zwang seine Gedanken dorthin, wohin er springen wollte. Es war keine Zeit mehr, Angst zu haben und einen Teil der Aufmerksamkeit an Gefühle zu verschwenden. Er musste etwas sehen, wenigstens eine Kontur seines Zieles erfassen, um überhaupt springen zu können.

Das Dunkel vor seinen Augen begann sich zu lichten. Er sah bunte Ringe in der Finsternis tanzen und in der Ferne einen hellen, verwaschenen Fleck auftauchen. Der Fleck erregte seine Aufmerksamkeit; denn wenn es überhaupt ein Ziel gab, dann musste der Fleck es sein. Ras Tschubai begann vor Ungeduld zu zittern. Er spürte, wie ihm Schweiß über die Stirn rannte, und merkte, wie die Feuchtigkeit der einzelnen Tropfen von der Klimaanlage des Anzugs aufgesogen wurde und nur eine salzige Kruste zurückblieb, die er fühlen konnte, wenn er die Stirn runzelte. Während er das empfand, entschwand der blasse Fleck in den Hintergrund und wurde fast unsichtbar.

Es hat keinen Zweck, dachte Ras Tschubai verzweifelt, ich kriege ihn nicht. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit eine Zeitlang auf die bunten Ringe, die vor dem Fleck herumtanzten und nichts weiter waren als eine optische Täuschung, durch das Zusammenkneifen der Augen hervorgerufen. Er verfolgte ihr Gaukeln über den ganzen, dunklen Gesichtskreis und versuchte sie zu zählen. Das beschäftigte ihn so, dass er seine Umgebung und seine Angst vergaß. Als er sich dem Fleck wieder zuwandte, sah er, dass er heller und größer geworden war als jemals zuvor. Ras Tschubai starrte ihn an, und als er feststellte, dass er keine Anstalten machte, weiterzuwachsen, gab er dem Gehirn den Auslöseimpuls!

Jetzt!

Der Fleck kam wirbelnd auf ihn zu. Ras Tschubai fühlte sich schwerelos durch den leeren Raum getragen. An den Rändern des Fleckes wich die Finsternis zurück, und nach einer unmessbar kleinen Zeitspanne war vor Ras Tschubais Augen nur noch der helle, brennende Fleck. Ras Tschubai wollte sich entspannen, wollte die Füße auf den Boden bringen und die Augen Öffnen, wie er es sonst tat, wenn ihm ein Sprung geglückt war. Er wusste, dass er jetzt da war, wo immer auch da sein mochte, und empfand einen Augenblick lang dumpfe Verwunderung, weil alles so anders war als sonst.

Er versuchte, sich zu strecken; aber da war kein Boden, den er mit den Füßen hätte erreichen können. Da war auch nichts, woran er sich hätte festhalten können, um sich eine andere Lage zu geben. Nur der Fleck war dicht vor ihm und brannte mit einer Helligkeit wie eine Sonne, auf deren Oberfläche Ras Tschubai zustürzte. Er riss die Hände nach oben, um das Gesicht zu schützen; aber das nützte ihm nichts, denn alles, was er sah, sah er mit der eigenartigen Fähigkeit seines Gehirns durch verschlossene Augen. Er wollte schreien, ohne zu bedenken, dass niemand sein Geschrei würde hören können – aber in diesem Augenblick endete die Qual mit einer donnernden Explosion, die Ras Tschubai mit voller Wucht traf und davonschleuderte. Er sah noch, wie der Fleck kleiner wurde und im Hintergrund der Finsternis verschwand. Er hörte noch metallisches Klappern, als er mit dem Fuß gegen irgend etwas stieß.

Dann verlor er das Bewusstsein.

 

*

 

Als er zu sich kam, versuchte er, sich aufzurichten und stellte fest, dass es nicht ging. Er befand sich in einem Gelass, das eigens für ihn geschaffen zu sein schien. Es war genauso lang wie er selbst und hatte den gleichen Umfang wie sein Körper.

Minuten vergingen, bevor er die Erinnerung soweit zurückgewonnen hatte, dass er wusste, was geschehen war. Er hatte versucht, Wanderer auf dem Wege der Teleportation zu erreichen. Er war gesprungen und hatte eine Zeitlang das Gefühl eines völlig normalen Sprunges gehabt. Dann war irgend etwas explodiert und hatte ihn hier in diese sargähnliche Kammer hereingeschleudert. Was war das für eine Kammer? Wo stand sie? Auf Wanderer – oder wo sonst?

Er versuchte, sich auf die Seite zu drehen, aber nicht einmal das gelang ihm. Er hatte plötzlich das Gefühl, die Wände der Kammer zögen sich zusammen, um ihn zu zerdrücken. Schweiß trat ihm auf die Stirn, und er begann zu schreien. Das erleichterte ihn.

Das Schreien hatte ihn auf eine Idee gebracht. Gleichgültig, wo auch immer er gelandet war, der Helm seines Schutzanzugs barg einen leistungsfähigen Sender, und wenn er, Ras Tschubai, nur laut genug sprach, würde er wohl einen Empfänger an Bord der DRUSUS zum Ansprechen bringen können. Er wusste, dass der Sender eingeschaltet gewesen war, als er sich auf den Sprung konzentrierte; er erinnerte sich, dass er das hohe, feine Singen des kleinen Aggregates gehört hatte. Er zwang sich zur Ruhe und horchte. Im ersten Augenblick war er ganz sicher, das Singen auch jetzt noch zu hören; es war ein Geräusch, das man als ganz selbstverständlich empfand, sobald man den Helm eines Raumanzuges schloss. Aber dann wurde er unsicher. Er hielt den Atem an, um durch das Geräusch des Atmens nicht gestört zu werden; aber dabei begann das Blut in den Ohren zu rauschen. Er entspannte sich, soweit es in der Enge ging, und horchte weiter. Und nach zwei Minuten wusste er, dass sein Sender nicht mehr funktionierte. Das Singen war erloschen; irgend etwas musste mit dem kleinen Gerät geschehen sein, als er in diesem Gelass landete.

Auf jeden Fall hatte er keine Verbindung mit der Außenwelt mehr. Er konnte nicht einmal den Arm heben, um den Sendenotschalter am Helm zu betätigen.

 

*