Menno Schilthuizen

Darwin in der Stadt

Die rasante Evolution der Tiere im Großstadtdschungel

Aus dem Englischen von Kurt Neff und Cornelia Stoll

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Mit 20 s/w-Abbildungen

Über Menno Schilthuizen

Menno Schilthuizen ist Professor für Evolutionsbiologie an der Universität Leiden und ein international renommierter Forscher. Am Naturalis Biodiversity Center in Leiden untersucht er, ob Hain-Bänderschnecken mit hellem Gehäuse einen Überlebensvorteil gegenüber ihren Artgenossen mit dunkler Färbung haben. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt. Bei dtv: ›Darwins Peep Show. Was tierische Fortpflanzungsmethoden über das Leben und die Evolution enthüllen‹. Darüber Matthias Schmidt im ›Stern‹: »Wissenschaft zum Staunen und Dazulernen.«

Über das Buch

Bald leben zwei Drittel der Menschheit in Städten. Dort teilen sie sich ihren Lebensraum mit Fauna und Flora. Die urbane Konzentration von Nahrung und Ressourcen veranlasst erstaunlich viele Tiere und Pflanzen, ererbte Verhaltensweisen und Eigenschaften aufzugeben und sich innerhalb sehr kurzer Zeit an diesen neuen Lebensraum anzupassen. Stadtamseln singen lauter als ihre Artgenossen im Wald und haben jede Scheu vor Menschen, Hunden und Katzen verloren. Spinnen lassen sich nur noch an Straßenlampen nieder, damit die Motten ihnen ins Netz fliegen. Und Mücken ziehen um in die Londoner U-Bahn. Lange war es gängige Ansicht, dass Evolution, also die vererbbare Veränderung von Merkmalen, ein sehr langsamer Prozess ist, der sich über viele Generationen hinzieht. Schilthuizen zeigt auf spektakuläre Weise, dass Darwin in diesem Punkt falschlag: Man kann Evolution hier und jetzt beobachten – mitten in der Stadt.

Impressum

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG 2018

© Menno Schilthuizen 2018

Titel der englischen Originalausgabe:

›Darwin Comes To Town. How the Urban Jungle Drives Evolution‹

(Quercus Editions Ltd, London 2018)

© 2018 der deutschsprachigen Ausgabe:

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, München

Umschlaggestaltung dtv nach einem Entwurf von Jamie Keenan unter Verwendung eines Fotos von gettyimages / Sigi Kolbe

 

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eBook-Herstellung im Verlag (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-43445-4 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-28990-0

 

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ISBN (epub) 9783423434454

 

 

 

 

Für Iva

VORSTADT

Sie ist von makelloser Gestalt. Ein feinmechanisches Wunderwerk, fix und fertig hergerichtet für sein kurzes Gastspiel auf dieser Welt. Die hauchdünnen, noch fransenlosen Flügel liegen sorgsam gefaltet auf dem kaum merklich atmenden Hinterleib. Ihre sechs gelenkigen, grazil auf die staubige Wand platzierten Beine sind in tadellosem Zustand – jedes zeigt einen kompletten Satz von neun Abschnitten, der noch nicht durch die Kollision mit den Rotorblättern eines Ventilators oder durch die Begegnung mit den Vorderklauen einer SpringspinneSpinnen dezimiert wurde. Die goldgelbborstige Brust ist ein kleines Juwel von einem Kraftwerk, das die geballte Energie der Flugmuskulatur in sich birgt. Sie entzieht mit ihrer schlichten Masse dem Blick des Beobachters fast das unbewegte Gesicht, hinter dem ein Miniaturgehirn die Eingangs- und Ausgangskanäle der Fühler, die Taster und Komplexaugen sowie die im Stech- und Saugrüssel miteinander arbeitenden acht Mundwerkzeuge koordiniert.

Ich stehe im Menschengewimmel eines überhitzten Verbindungsflurs im Bahnhof Liverpool Street der LondonLondon (England)er U-Bahn. Meine Brille in der Hand und die Nase an die gekachelte Wand gedrückt, bewundere ich dieses frisch geschlüpfte Prachtexemplar der hier unten heimischen StechmückeMücken Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus. Langsam komme ich zurück aus meiner entomologisch-träumerischen Entrücktheit. Nicht nur dank der gehetzten Passanten, die mit einem jähen, eher vorwurfsvollen als apologetischen »’tschuldigung« auf den Lippen einen Schlenker vollziehen und in letzter Sekunde an dem Zusammenprall mit mir vorbeischrammen; sondern auch, weil ich mit Unbehagen die Überwachungskameras an der Decke registriere und mich daraufhin der wiederholten Durchsage entsinne, in der die Londoner Verkehrsbehörde ihre Fahrgäste dazu auffordert, jedwedes verdächtige Verhalten an das Bahnpersonal zu melden.

Biologen sehen im innerstädtischen Pflaster nicht gerade den geeignetsten Boden für ihre berufliche Betätigung. Zu den ungeschriebenen Regeln der Zunft gehört es, eine dahin gehende Anregung mit der mürrischen Bemerkung abzuwehren, Städte seien doch nur notwendige Übel und die Zeit, die er dort zu verbringen habe, begrenze ein richtiger Biologe auf das unvermeidliche Minimum. Die wirkliche Welt liege außerhalb des städtischen Bereichs, in Gebirgen und Niederungen, Wald und Feld. Wo die wilden Kerle wohnen.

Aber wenn ich ehrlich sein soll, muss ich eine heimliche Liebe zu Städten gestehen. Liebe nicht so sehr zu ihren bis ins Letzte durchgeplanten Teilen, die wie geleckt anmuten und wie geschmiert funktionieren. Sondern eher zu ihrem schmuddeligen organischen Unterbau, der in Winkeln in Erscheinung tritt, die man gerne übersieht, dort, wo der Teppich der Kultur vollends abgewetzt ist und zerfasert. Es ist eine Liebe zum Bauch der Stadt, wo das Artifizielle und das Natürliche sich begegnen und ökologische Beziehungen zueinander eingehen. Ihrer hektischen Betriebsamkeit und ihrem ganz und gar naturfernen Erscheinungsbild zum Trotz, wird die Innenstadt für mein Biologenauge zu einem Arrangement von Mini-Ökosystemen. Selbst hier, in diesen scheinbar sterilen, durchweg von Ziegelstein- und Betonbauten flankierten Straßen des Stadtbezirks Bishopsgate, entdecke ich Lebensformen, die mit hartnäckigem Trotz ihren Platz behaupten. Hier ein Löwenmäulchen, dessen Blüten in wilder Fülle aus einem dahinter nicht mehr wahrnehmbaren Spalt in der verputzten Seitenwand einer Fußgängerbrücke sprießen. Dort die rege Chemie von Zement und sickerndem Abwasser, die schmutzig weiße, glasartige Zapfen gebiert, welche sich dann RadweberspinnenSpinnen als Verankerungspunkte für ihre rußbesudelten Netze zunutze machen. Smaragdgrüne Moosadern, die sich in den schmalen Lücken zwischen einer zersprungenen Drahtglasscheibe und deren Rahmen ansiedeln, wo sie mit Rostblasen um die Vorherrschaft kämpfen, die durch den Mennigeanstrich vorwärtsdringen. Straßentauben mit wunden Beinen balancieren auf einem Gesims zwischen den dort angebrachten Drahtspitzen. (Direkt darunter hat jemand einen Sticker geklebt, auf dem eine wutschäumende Taube, die Flügel zu Fäusten geballt, verkündet: »Drahtspitzen beschneiden zynisch und repressiv unser Recht auf Versammlungsfreiheit. Der Kampf geht weiter!«) Und eben eine StechmückeMücken an der Wand eines U-Bahnhof-Verbindungsflurs.

Es ist nicht irgendeine Stechmücke. Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus ist auch unter dem Namen LondonLondon (England) Underground mosquito, Londoner U-Bahn-StechmückeMückenLondoner U-Bahn-Stechmücke (London underground mosquito, Culex pipiens molestus), bekannt. Zu dem kam sie erstens durch das Tohuwabohu, das sie 1940 unter den Londoner Bürgern anrichtete, die im U-Bahnhof Liverpool Street, auf den Bahnsteigen und Gleisen der Central Line, Schutz vor den deutschen Bombenangriffen suchten. Und zweitens dank dem Interesse, das die Genetikerin Katharine ByrneByrne, Katharine von der University of LondonLondon (England) in den 1990er-Jahren für diese Plagegeister entwickelte. ByrneByrne, Katharine begleitete Wartungsmannschaften bei ihren täglichen Expeditionen in die Eingeweide des Londoner U-Bahn-Systems. Sie stieg hinab in die tiefsten Tunnelabschnitte, wo ein Wirrwarr von armdicken Stromkabeln das Backsteinmauerwerk behängt, das schwarz ist vom Bremsbackenabrieb der Züge, und rätselhafte Kreide- oder Sprühfarbechiffren oder uralte Emailleschilder an der Wand die einzigen Hinweise auf den Aufenthaltsort geben. Hier unten lebt und vermehrt sich Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus. Sie stiehlt das Blut der Pendler und legt ihre Eier in Wasser ab, das sich in Vertiefungen und Hohlräumen sammelt. Daraus holte sich ByrneByrne, Katharine Larven der Stechmücke.

An sieben verschiedenen Stellen der Central, der Victoria und der Bakerloo Line zog sie Proben larvenhaltigen Wassers, deponierte diese in ihrem Labor, wartete, bis die Larven sich zu ausgewachsenen MückeMückenn (gleich derjenigen, die ich an der Flurwand gesehen habe) entwickelt hatten und extrahierte diesen Proteine für Genanalysen. Vor 20 Jahren erlebte ich mit, wie sie auf einer Tagung in Edinburgh ihre Ergebnisse präsentierte. Obwohl ihre Zuhörerschaft aus erfahrenen Evolutionsbiologen bestand, schaffte sie es, uns alle mitzureißen. Erstens waren die MückeMückennbevölkerungen jener drei U-Bahnlinien genetisch verschieden voneinander. Das lag, wie wir von ByrneByrne, Katharine erfuhren, daran, dass die Linien nahezu getrennte Welten bilden, wobei die Mückenschwärme der einzelnen Linien durch die ständige, kolbenartige Hin-und-her-Bewegung der Züge in den eng bemessenen Röhren immer wieder um- und umgerührt und durcheinandergewirbelt werden. Zu einer Genmischung könnten es Stechmücken der Central, der Bakerloo und der Victoria Line nur dann bringen, so ByrneByrne, Katharine, wenn »sie jeweils allesamt auf dem Bahnhof Oxford Circus«, dem Kreuzungspunkt der drei Linien, »umstiegen«. Doch nicht nur voneinander unterschieden sich die MückeMückennbevölkerungen der einzelnen U-Bahnlinien. Sie unterschieden sich auch von ihren oberirdischen Verwandten. Nicht nur in den Proteinen, sondern auch in ihrer Lebensweise. Oben auf Londons Straßen nähren sich die StechmückenLondoner U-Bahn-Stechmücke (London underground mosquito, Culex pipiens molestus) nicht von Menschen-, sondern von Vogelblut. Sie brauchen ein Blutmahl, bevor sie ihre Eier ablegen können, sie paaren sich in großen Schwärmen, und sie verbringen den Winter in Kältestarre in einem geeigneten Quartier. Unten in den Röhren saugen die MückeMückenn Pendlerblut und legen Eier ab, ohne zuvor gespeist zu haben; zur Stillung ihrer sexuellen Lust bilden sie keine Paarungsschwärme, sondern erledigen das Geschäft in engen, beschränkten Räumen; und sie sind das ganze Jahr über aktiv.

Seit ByrneByrne, Katharine ihre Arbeit publiziert hat, ist klar geworden, dass das Vorkommen von Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus nicht auf LondonLondon (England) beschränkt ist. Sie ist in U-Bahnen, Kellerräumen und Zisternen auf der ganzen Welt zu Hause, und sie hat ihre Verhaltensformen ihrer menschengemachten Umwelt angepasst. Durch Exemplare, die in Automobile oder Flugzeuge geraten und dort eingeschlossen werden, verbreiten sich ihre Gene von Stadt zu Stadt. Gleichzeitig kreuzt sie sich mit örtlichen überirdischen Stechmücken und nimmt auch aus dieser Quelle Gene auf. Außerdem ist klar geworden, dass all dies, historisch gesehen, ein sehr, sehr junges Geschehen ist – die Evolution der Gemeinen Stechmücke Culex pipiens pipiens zur Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus vollzog sich wahrscheinlich erst, seitdem unsereins mit der Konstruktion unterirdischer Großbauten begann.

In jenem gedrängt vollen Verbindungsflur im Bahnhof Liverpool Street ein letztes Mal meine eigene LondonLondoner U-Bahn-Stechmücke (London underground mosquito, Culex pipiens molestus)er U-Bahn-Stechmücke musternd, stelle ich mir vor, welche unsichtbaren Abwandlungen die Evolution in diesem winzigen, fragilen Körper vollbracht hat. Proteine in den Fühlern haben die Zusammensetzung gewechselt, sodass die MückeMückenn auf menschliche Ausdünstungen anstelle von Vogelgerüchen reagieren. Gene, die ihre innere Uhr steuern, wurden neu eingestellt oder ganz abgeschaltet, um das Insekt von der Winterruhe abzuhalten, weil ihm im Untergrund ja immer Menschenblut zur Verfügung steht und es dort auch nie besonders kalt wird. Und führen Sie sich einmal vor Augen, welche komplexen Umstellungen im Erbgut notwendig waren, um einen Wechsel des Sexualverhaltens zu ermöglichen! Von einer Art, wo die Männchen im Freien große Schwärme bilden, in die die Weibchen auf der Suche nach einem Paarungspartner einfliegen, zu einer, bei der die Paarung während Eins-zu-eins-Begegnungen in engen Räumen stattfindet, wo die dünn gesäten Untergrund-Mücken zufällig aufeinandertreffen.

Die Evolution der LondonLondoner U-Bahn-Stechmücke (London underground mosquito, Culex pipiens molestus)er U-Bahn-Stechmücke reizt unsere kollektive Fantasie. Warum weckt sie eine solche Wissbegier in uns, und warum erinnere ich mich nach all den langen Jahren noch so lebhaft an Katharine ByrneByrne, Katharines Präsentation? Nun, erstens hat man uns beigebracht, dass die Evolution ein langsamer Prozess sei, der im Verlauf von Millionen Jahren unmerklich Arten bastle – nichts, was innerhalb einer so kurzen Zeitspanne wie der menschheitlichen Stadtgeschichte stattfinden könne. Die Genealogie der Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus hingegen macht unmissverständlich klar, dass Evolution nicht einzig eine Sache von Dinosauriern ist oder allein in der Dimension erdgeschichtlicher Epochen stattfindet. Sie ist tatsächlich hier und jetzt zu beobachten! Zweitens bekommen wir eine Ahnung davon, welch gravierende Auswirkungen unser Handeln auf die Umwelt hat: »Wilde« Tiere und Pflanzen passen sich Lebensräumen an, die ursprünglich von Menschen für Menschen geschaffen wurden. Diese Ahnung bringt uns zu Bewusstsein, dass die Wandlungen, die wir der Erde aufzwingen, irreversibel sind.

Und drittens spitzen wir die Ohren, wenn wir von der LondonLondoner U-Bahn-Stechmücke (London underground mosquito, Culex pipiens molestus)er U-Bahn-Stechmücke hören, weil sie uns eine solch aparter Zuwachs im gewöhnlichen Tätigkeitsfeld der Evolution zu sein scheint. Uns allen ist bekannt, dass die Evolution das Federkleid von Paradiesvögeln in fernen Urwäldern oder die Beschaffenheit von Orchideen auf hohen Berggipfeln bis zur Vollkommenheit gestaltet. Indes ist die Prozedur augenscheinlich etwas so Banales, dass es ihrer Bedeutsamkeit keinen Abbruch tut, wenn sie ihr Werk auch direkt unter unseren Füßen betreibt, zwischen den schmutzigen Stromkabeln des städtischen U-Bahnnetzes. Was für ein schöner, einmaliger, unmittelbar aus dem Alltagserleben gegriffener Beispielfall! So etwas wünscht man sich in einem Biologiebuch zu finden.

Was aber, wenn der Vorgang gar kein Ausnahmefall mehr ist? Was, wenn die U-Bahn-Stechmücke stellvertretend für die gesamte Fauna und Flora steht, die mit dem Menschen und menschengemachten Umweltbedingungen in Berührung kommt? Was, wenn der Druck, den wir auf die Ökosysteme der Erde ausüben, inzwischen so stark geworden ist, dass das Leben auf der Erde dabei ist, Mittel und Wege zur Anpassung an einen ganz und gar urbanen Planeten zu entwickeln? Das sind die Fragen, denen wir uns in diesem Buch widmen werden.

Und zwar kein bisschen zu früh. Im Jahr 2007 kippte ein in globaler Sicht hochbedeutsames statistisches Verhältnis: Erstmals in der Geschichte übertraf die Gesamtzahl der Bewohner städtischer Räume die der Bewohner ländlicher Räume. Seitdem steigert sich dieser zahlenmäßige Gegensatz rapide. Mitte des 21. Jahrhunderts werden zwei Drittel der geschätzten 9,3 Milliarden Erdbewohner in Städten leben. Wohlgemerkt: Das gilt für die Welt im Ganzen. In Westeuropa leben schon seit 1870 mehr Menschen in Städten als auf dem Land, und in den USA wurde dieser Wendepunkt 1915 erreicht. Erdgebiete wie Europa und Nordamerika sind schon länger als ein Jahrhundert strammen Schrittes auf dem Weg, urbane Kontinente zu werden. Eine in jüngerer Zeit in den USA durchgeführte Studie brachte zutage, dass der durchschnittliche Abstand zwischen einem beliebigen Punkt auf der Landkarte und dem nächsten Wald Jahr für Jahr ungefähr um 1,5 Prozent zunimmt.

Nie zuvor in der ganzen Erdgeschichte war eine einzelne Lebensform dermaßen dominant wie heute der Homo sapiens. »Und was ist mit den Dinosauriern?«, fragen Sie jetzt vielleicht. Aber die DinosaurierDinosaurier waren eine ganze Gruppe oder, wie es die Biologie nennt, eine ganze Klade, mit wahrscheinlich Tausenden Arten. Die Dominanz dieser mehr als tausend Dinosaurierarten mit der einzelnen Art Homo sapiens zu vergleichen wäre so, als würde man sämtliche selbstständigen Gemüsehändler der Welt mit der auf dem gesamten Globus vertretenen britischen Supermarktkette Tesco vergleichen. Nein, in ökologischer Beziehung hat die Welt bisher zu keinem Zeitpunkt die Lage erlebt, in der wir uns heute befinden: dass eine einzelne Tierart den Planeten voll und ganz überwuchert und zum eigenen Vorteil nutzt. Zurzeit verbraucht unsere Spezies ein volles Viertel aller pflanzlichen Nahrung, dazu die Hälfte des weltweiten FrischwasserFrischwasserabflusses. Auch das ist wieder etwas noch nie Dagewesenes: Keine andere von der Evolution geschaffene Spezies brachte es je zu einer derart zentralen ökologischen Rolle von solch weltumspannender Reichweite.

Mithin wird die Welt voll und ganz vom Menschen dominiert. Spätestens 2030 wird nahezu ein Zehntel der Landmasse des Planeten urbanisiert und der Rest zum großen Teil mit Farmen, Weiden und Plantagen überzogen sein, die der Mensch gestaltet hat. Alles in allem zeigt sich ein Mosaik von Lebensräumen, wie es die Natur nie zuvor gekannt hat. Und trotzdem, wann immer wir Biologen über die Ökologie und die Evolution, über Ökosysteme und die Natur sprechen, klammern wir den Faktor Mensch hartnäckig aus und konzentrieren unsere Aufmerksamkeit kurzsichtig auf jenen schwindenden Bruchteil von Lebensräumen, wo menschlicher Einfluss eine quantité négligeable ist. Oder wir bemühen uns nach besten Kräften, die Natur so zu betrachten, als ob sie unter einer Art Glasglocke stände, unbehelligt von irgendwelchen abträglichen Einwirkungen der – so die stillschweigende Annahme – naturfernen Menschenwelt.

Eine solche Einstellung lässt sich nicht länger aufrechterhalten. Es ist Zeit, sich einzugestehen, dass menschliches Handeln die einflussreichste ökologische Kraft auf der ganzen Welt ist. Wir sind, ob es uns passt oder nicht, an allem, was auf diesem Planeten passiert, voll beteiligt. Nur in Höhenflügen romantischer Fantasie kann es uns noch gelingen, Natur und menschliche Umwelt als getrennte Welten wahrzunehmen. Draußen in der realen Welt umklammern unsere Tentakel das Material der Natur. Wir bauen Städte voller neuartiger architektonischer Konstruktionen aus Stahl und Glas. Wir gestalten Wasserläufe zu Bewässerungskanälen um, wir verunreinigen sie, stauen sie; wir mähen, spritzen und düngen Felder. Wir blasen Treibhausgase in die Atmosphäre, die eine Veränderung des Klimas bewirken; wir setzen standortfremde Pflanzen (Neophyten) und Tiere (Neozoen) aus, fangen Fische, jagen Wild und fällen Bäume für unsere Ernährung und andere Bedürfnisse. Jede nichtmenschliche Lebensform auf Erden wird einmal direkt oder indirekt mit Menschen in Kontakt kommen. Und meist bleiben solche Begegnungen nicht folgenlos für den fraglichen Organismus. Sie können sein Leben oder seine Lebensweise gefährden. Sie können aber auch neue Möglichkeiten, neue Nischen eröffnen. So, wie sie es für die Vorfahren von Culex pipiens molestusCulex pipiens molestus taten.

Was macht nun die Natur, wenn sie vor Herausforderungen steht und sich ihr Möglichkeiten bieten? Sie entwickelt sich weiter – sie ›evolviert‹. Wenn irgend möglich, ändert sie sich – sie passt sich an. Je stärker der Druck, dem sie ausgesetzt ist, desto schneller und tief greifender tut sie das. Wie die Wertpapierhändler, die in jenem U-Bahnhof-Flur mit wehenden Krawatten an mir vorbeihasten, nur allzu gut wissen, gibt es in Großstädten enorme Möglichkeiten, aber es herrscht auch eine enorme Konkurrenz. Hier zählt jede Sekunde im andauernden Kampf um das eigene Überleben. In diesem Buch werde ich zeigen, dass die Natur genau diesen Kampf kämpft. Während wir alle unsere Aufmerksamkeit auf das schwindende Quantum unverdorbener Natur konzentriert haben, haben sich hinter unseren Rücken urbane Ökosysteme herausgebildet, und zwar just in den Großstädten, über die wir verächtlich unsere Naturforschernasen rümpfen. Bei unserem Bemühen, das globale präurbane Ökosystem zu retten, haben wir ganz übersehen, dass die Natur bereits Fundamente für den Aufbau zukunftsträchtiger Ökosysteme gelegt hat.

Ich werde die unzähligen Wege aufdecken, wie urbane Ökosysteme sich konstituieren. Womöglich können sie es schaffen, auf unserem urbanisierten Planeten eines Tages die wesentlichste Form von Natur darzustellen. Doch bevor wir in medias res gehen, muss ich noch etwas loswerden, das mir am Herzen liegt.

Viele Menschen, die heute in wachsender Zahl dafür werben, die Rolle der Natur im städtischen Raum breiter zu würdigen, sehen sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie den Bodenspekulanten für ihre Zerstörung der unberührten Natur einen Persilschein ausstellten – oder sogar mit den Übeltätern unter einer Decke steckten und dem Naturschutz den Dolch in den Rücken stießen. Vor einigen Jahren schrieb ich zusammen mit meinem Kollegen Jef HuismanHuisman, Jef von der Universität Amsterdam einen Meinungsartikel für die niederländische überregionale Tageszeitung de Volkskrant. Darin führten wir aus, dass die Natur etwas Dynamisches, in konstantem Wandel Befindliches sei. Und wir vertraten die Meinung, dass wir nicht versuchen sollten, Ökosysteme in den Niederlanden in der gleichen Form und dem gleichen Aufbau zu erhalten, wie sie sich auf Landschaftsbildern von vor einigen Jahrhunderten präsentierten. Wir plädierten für einen pragmatischeren Ansatz im Naturschutz, der auch fremdartigen Spezies ein Existenzrecht einräume, der urbanen Natur ihren Platz lasse und seine Sorge mehr der Funktionalität des Ökosystems als einer genauen Identifikation und Kontrolle der Spezies darin zuwende.

Das kam bei manchen Leuten nicht gut an. Wir erhielten E-Mails von aufgebrachten Kollegen, die uns beschuldigten, wir würden Politikern der Rechten in die Karten spielen, die noch die fadenscheinigsten Vorwände aufgriffen, um weiterhin blindwütig über die Belange des Naturreichs und seiner Erhaltung herfallen zu können. Andere erboste Leser meinten, wir sollten das »mal den Menschen in Australien und Neuseeland erzählen, wo die Natur von Riesenkröten und Kaninchen förmlich überschwemmt ist«.

Solche Anwürfe treffen mich tief. Im Kindesalter und noch als Jugendlicher war ich ein eifriger KäferKäfersammelnsammler und Vogelbeobachter und durchstreifte oft Tag um Tag die Felder um meinen Heimatort herum, ausgerüstet mit einem Feldstecher oder einem Pflanzenbestimmungsbuch oder einem Gefäß, in dem ich die gesammelten KäferKäfersammeln nach Hause trug. Die Plätze, wo ich nistende Uferschnepfen fotografierte, über Teppiche aus jungem Knabenkraut stapfte und meinen ersten Großen Kolbenwasserkäfer fing, hat inzwischen der Speckgürtel von RotterdamRotterdam (Niederlande) überwuchert. Kochend vor Wut, die Hände zu Fäusten geballt, Tränen in den Augen, sah ich ohnmächtig zu, wie die ersten Bulldozer begannen, mein Abenteuerrevier zu planieren, und schwor mir, die für immer verloren gegangene Natur zu rächen. Als ich in späteren Jahren als Tropenökologe auf BorneoBorneo (Malaysia) lebte und arbeitete, musste ich ebenso machtlos mit ansehen, wie Mangrovenwaldgebiet in Parkplätze und unberührter RegenwaldRegenwald in Ölpalmenmonokulturen umgewandelt wurde.

Aber ebendiese Liebe zur Natur und die Besorgtheit um sie haben mir auch die Macht der Evolution und die unermüdliche Anpassungsfähigkeit alles Lebendigen nähergebracht. Das Wachsen der Menschheit ist unbestreitbar. Sehen wir ab von etwaigen globalen Katastrophen und von diktatorischen Geburtenkontrollen, so können wir davon ausgehen, dass die Menschen mit ihren Großstädten und deren urbanisiertem Umland die Erde noch vor Ausgang des Jahrhunderts an den Rand der Erstickung gebracht haben werden. Jawohl, wir müssen Inseln unberührter Natur nach Kräften schützen. Aber mit dem verzweifelten Bemühen, einen Status quo zu erhalten, indem wir fremdartige Spezies ausmerzen und »Unkraut« und »Schädlinge« vernichten, zerstören wir vielleicht just die Ökosysteme, welche zukünftig die Menschheit am Leben erhalten werden. Stattdessen – so lautet die These, die ich in diesem Buch vertrete – müssen wir die Evolutionskräfte bejahen und nutzen, die genau hier und genau jetzt neuartige Ökosysteme schaffen. Und wir müssen, selbst wenn es uns Überwindung kostet, zulassen, dass auch im Herzen unserer Städte Natur wächst und gedeiht.

Erster Teil Leben in der Stadt

Zahllose überfüllte Straßen, hohe Gewächse aus Eisen, schlank, kraftvoll, elegant, strahlend sich erhebend zum klaren Himmel hin.

 

Walt Whitman, »Mannahatta« (Leaves Of Grass, 1860)

Erstes Kapitel Mutter Naturs ultimativer Ökosystem-Ingenieur

Die Evolution hat Tausende Tierarten hervorgebracht, die als Miteinwohner von Ameisen in deren »Städten« leben. Hier sehen wir einen Kurzflügler-Käfer der Gattung LomechusaLomechusa (Kurzflügler-Käfer), der von einer Wirtsameise gehätschelt wird.

Gut 30 Kilometer westlich von RotterdamRotterdam (Niederlande) liegen die Küstendünen von VoorneVoorne (Niederlande)Dünen (Voorne, Niederlande) – eine (zumindest nach den bescheidenen Maßstäben der Niederlande) weite, hügelige, pflanzenbewachsene Dünenlandschaft, die allerdings im Norden zunehmend vom expandierenden Rotterdamer Hafen benagt wird. Hier kann man sich zwischen seltenen Durchwachsenen Bitterlingen und Sumpf-Stendelwurzen auf einem Teppich aus Moosen und Flechten niederlassen und eine Stulle verzehren, während in der Ferne gigantische Haufen Eisenerz und Kohle umgeschlagen werden und der unausgesetzte Wind das dazugehörige Gerumpel und Geschepper in schwankender Lautstärke herüberträgt.

Hier habe ich als Schüler fast jeden Samstag mit der Jagd auf KäferKäfersammeln für meine stetig wachsende Sammlung verbracht. Mitunter begleitet von unserem unermüdlichen Biologielehrer, pflegten meine ebenfalls naturforschenden Jugendfreunde und ich die Maas entlang flussab zu radeln, mit der Fähre ans andere Ufer überzusetzen und zwischen den Ölspeichertanks und den einschüchternden Chemieanlagen der Raffinerien hindurchzukurven, um anschließend den ganzen Tag botanisierend und entomologisierend in den Dünen zu verbringen. Der darauffolgende Sonntag war dann dem Sortieren, Nadeln und Identifizieren der Beute gewidmet, dazu galt es, die Ergebnisse der ganzen Aktion in allen Einzelheiten im Notizbuch festzuhalten – eine Oase der Glückseligkeit, ehe am Montagmorgen wieder die langweilige Schulwoche begann.

In den Niederlanden gibt es etwa 4000 KäferKäfersammelnarten, und ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, so viele von ihnen wie möglich in VoorneVoorne (Niederlande)Dünen (Voorne, Niederlande) aufzuspüren. Nach zwei oder drei Jahren hatte ich in meinen Sammlungskästen – die sich in einem Regal in meinem Zimmer stapelten – präparierte Exemplare von mehr als 800 verschiedenen Arten beisammen, von denen manche im Land noch nie aktenkundig geworden waren.

Die ersten paar Hundert Sammelobjekte waren nichts Besonderes: häufig anzutreffende, weit verbreitete Arten, die ich einfach einsackte, wenn mir ein Exemplar über den Weg krabbelte oder sich auf einer Blattspitze niedergelassen hatte. Doch mit den Zuwächsen auf meiner Fangliste wurden fortgeschrittenere Sammelmethoden vonnöten, damit ich meiner Sammlung auch schwieriger zu erjagende Arten, nämlich solche aus sogenannten speziellen Habitaten, würde hinzufügen können. Zum Beispiel Myrmekophilmyrmekophile KäfereKäfermyrmekophile Käfer – Tiere, die in der Natur als Dauergäste in AmeisennesternKäferin AmeisenkolonienAmeisenkolonien leben (und in Deutschland deswegen auch Ameisengäste heißen). Aus meinem entomologischen Handbuch erfuhr ich, dass die beste Zeit, sie ausfindig zu machen, Mitte Winter ist, weil sich dann alle Nestbewohner im untersten Bereich zusammengedrängt haben und – wichtiger noch – viel zu ausgekühlt sind, als dass sie noch aufgelegt wären, mich zu beißen oder zu stechen.

Also befestigte ich eines eisigen Wintermorgens einen großflächigen Spaten am Rahmen meines Fahrrads und machte mich auf den Weg zu einem der Kiefernbestände in den inneren Dünen, wo ich zuvor große, kuppelförmige Nester der Roten Waldameise (Formica rufa) ausgemacht hatte. Die Hügel waren noch da, bedeckt mit vertrockneten Brennnesselstängeln, die aus dem ammoniakreichen Boden rund um die Nester aufgesprossen waren. Ich trieb meinen Spaten tief in den Ameisenbau. In einem fort warf ich Spatenladungen von Kiefernnadeln, gemischt mit Eiskristallen, beiseite, und gelangte schließlich in die frostfreien Tiefen, wo sich die AmeisenAmeisenkolonien versteckten. Ich packte mein bewährtes »KäferKäferin AmeisenkolonienKäfersammelnsieb nach Reitter-Winkler« aus, eine clevere, altehrwürdige Vorrichtung deutscher Erfindung: eine Stoffröhre, die am oberen Rand und etwa in der Mitte mit einem Ring stabilisiert und jeweils mit einem Handgriff versehen ist; auf Höhe des mittleren Ringes befindet sich ein Sieb; kurz vor dem unteren Ende der Stoffröhre befindet sich ein Band zum Zusammenschnüren des nach unten offenen Teils der Röhre – was man vor der Benutzung tun muss. In dieses Gerät warf ich einige Handvoll Nestmaterial und schüttelte das Ganze kräftig, um die InsektenInsektenKäferInsektenFliegen von den größeren Bestandteilen des Materials zu trennen, band schließlich das untere Ende der Röhre wieder auf und goss den Siebdurchgang in ein Plastiktablett. Dann setzte ich mich hin und wartete.

Binnen Kurzem begannen die ausgekühlten AmeisenAmeisenkolonien langsam sich zu recken und zu strecken und wackelig auf ihrem Plastikuntergrund herumzukrabbeln. Aber an ihnen hatte ich kein Interesse. Wohinter ich her war, das hatte ich da und dort zwischen den AmeisenAmeisenkolonien erspäht. Da einen kleinen braunen StutzkäferStutzkäfer, der seine Beinchen fest an den runden, glatten Körper gepresst hielt und so einem Samenkorn zum Verwechseln ähnlich sah. Dort einen ebenfalls braunen Kurzflügler mit vor Schreck wehrhaft angehobenem Abdomen. Genau hinter diesen zwei Gesellen war ich her gewesen! Myrmekophilmyrmekophile Käfere KäferKäfermyrmekophile Käfer, die man außerhalb von Ameisennestern nie zu sehen bekommt. Ich steckte die beiden in mein Tötungsglas (ein altes Marmeladenglas mit eingelegtem Seidenpapier, betropft mit etwas Äther) und nahm sie mit nach Hause, wo ich sie sorgfältig nadelte; an jede Nadel heftete ich zudem ein Kärtchen mit einem aufgeklebten Exemplar der AmeisenAmeisenkolonien (wie in meinem maßgeblichen KäferKäferin Ameisenkolonienbuch empfohlen). Anschließend holte ich meine Bestimmungsschlüssel herbei, und sie lieferten mir die Bestätigung dafür, dass ich tatsächlich Vertreter zweier artenreicher Käferfamilien gefunden hatte, die ich niemals hätte zu sehen bekommen, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, mitten im Winter ein AmeisennestAmeisenkolonien auszugraben.

In ihrem voluminösen Standardwerk The AntsThe Ants (B. Hölldobler & E.O. Wilson) (Die Ameisen) widmen die beiden renommierten Ameisenspezialisten Bert Hölldobler und Edward O. WilsonWilson, Edward O. ein ganzes Kapitel den Tieren, die sich bei Ameisen als Dauergäste einquartieren. Es ist mit einer zusammenfassenden Tabelle angereichert, die sich über 14 Seiten erstreckt und nicht bloß KäferKäferin Ameisenkolonien, sondern auch Milben, Fliegen, SchmetterlingsraupeRaupen und Spinnen aufzählt. Landasseln, Pseudoskorpione (anderer Name: Afterskorpione), TausendfüßlerTausendfüßler (Anoplodesmus saussurii), Springschwänze, Schnabelkerfen, Grillen usw. In fast jeder Gruppe von Krabbelgetier gibt es Arten, die kriechend oder krabbelnd in AmeisenAmeisenkolonienstaaten eingewandert sind und Tricks entdeckt haben, wie sie sich hier durchschlagen können.

Tricks von zweierlei Art: Einer besteht darin, sich zu integrieren. Leben und Treiben in der AmeisenAmeisenkolonienwelt wird überwiegend auf chemischem Wege reguliert. In der Ameisengesellschaft findet Kommunikation mittels einer umfänglichen Mischung von Düften und Gerüchen statt, mit welchen die Tiere einander Botschaften übermitteln. In ›Pheromonensprache‹ sind diese gleichbedeutend mit einem simplen »Hi! Wie geht’s, wie steht’s?«, einem beruhigenden »Bin gesund und munter, alles paletti!«, einem aufgeregten »Mannomann, ein toller Bissen, zwei Wegstunden westlich vom Nest!« oder einem panischen »ACHTUNG, ACHTUNG! KATASTROPHENWARNUNG! RETTE SICH, WER KANN! IRGENDEIN DRECKIGER HUNDSFOTT RAMMT EINEN SPATEN INS NEST«.

Die chemische Sprache der AmeisenAmeisenkolonien dient überdies als ein Mittel zur ImmunisierungImmunsystem des Volks gegen Eindringlinge: Sie macht den Unterschied zwischen »einheimisch« und »fremd« aus. Jedes Lebewesen, das nicht wie ein eingeborenes Koloniemitglied riecht, wird erbarmungslos angegriffen. Um in ein Nest hineingelangen zu können, mussten also Myrmekophilmyrmekophile KäfereKäfermyrmekophile Käfer (selbst solche, die keinerlei den AmeisenAmeisenkolonien abträgliche Ziele verfolgen) den Identifikationscode ihres prospektiven Wirtsvolks knacken. Sie haben sich evolutionär zu Sprechern des »Ameisischen« entwickelt, um der Entlarvung zu entgehen. Am Leib vieler Myrmekophiler produzieren spezielle Drüsen die Signalmoleküle des Wirtsvolks (insbesondere »Beschwichtigungs«-signale), die mithilfe von Haarbüscheln in die Luft geweht werden. Manche Myrmekophilmyrmekophile Käfere sind sogar zweisprachig, wie die Kurzflügler-KäferKäfermyrmekophile Käfer der Gattung LomechusaLomechusa (Kurzflügler-Käfer): Im Winter lebt Lomechusa in einem Nest der Roten Gartenameise (Myrmica rubra), und dank bester Verständigung im chemischen Jargon kommen Gastgeberin und Gast prächtig miteinander aus. Im Frühjahr jedoch zieht LomechusaLomechusa (Kurzflügler-Käfer) bei Myrmica aus, um sein Quartier für den Sommer in ein Nest der Roten Waldameise zu verlegen, und irgendwie bringt er es dabei fertig, seinen chemischen Wortschatz in nahtlosem Übergang auf Formica-isch umzustellen.

 

Der zweite Trick, den Myrmekophilmyrmekophile KäfereKäfermyrmekophile Käfer evolutionär ausgeheckt haben, um sich im AmeisenKäferin AmeisenkolonienAmeisenkolonienstaat behaupten zu können, besteht darin, eine Nische ausfindig zu machen, die ihnen eine glückliche und gesicherte Existenz bietet. Die obsessive Zwanghaftigkeit der Ameisen hilft ihnen dabei. Jedes Mal, wenn wir zufällig einen Blick in das Innere eines AmeisenAmeisenkoloniennests erhaschen – etwa weil wir im Garten einen Gesteinsbrocken beiseitegeräumt haben –, zeigt sich uns vermeintlich ein Wirrwarr von durcheinanderlaufenden Tieren und planlos verstreuter Brut. In Wirklichkeit handelt es sich indes um ein hochgradig strukturiertes Gemeinwesen mit zweckbestimmten Bezirken für die diversen Dienste, die das Gesellschaftssystem am Laufen halten – im Ganzen vergleichbar einer mittelalterlichen Stadt. Es gibt Müllplätze, wo der Abfall der Kolonie abgeladen wird; periphere Nestkammern sowie angrenzende Wachlokale, wo die Verteidigungskräfte der Kolonie stationiert sind; Vorratsspeicherkammern; Brutkammern mit separaten Abteilungen für Puppen, Larven und Eier; die Privatresidenz der Königin usw.

Manche AmeisenAmeisenkolonien halten Blattläuse, die sie melken, in für sie eingerichteten Ställen oder legen Pflanzbeete an, auf denen sie essbare Pilze anbauen oder harte Samenkörner so lange keimen lassen, bis sie weich und zum Verzehr geeignet sind. Dann gibt es noch das Netz der diversen Transportwege der Kolonie: Futtertransportstraßen, Durchgangsstraßen nebst in die äußeren Teile abzweigenden Seitenstraßen im Nest selbst, ja sogar ein unendlich verzweigtes Wegenetz, das die Verbindung des Nests mit dem Hinterland herstellt; ohne irgendwelche zentrale Steuerung oder Haushaltspläne sind AmeisenAmeisenkolonien imstande, ausgefeilte Verkehrsnetze anzulegen, an welche die Ergebnisse menschlicher Stadtplanung oft nicht heranreichen.

Jede einzelne dieser zahlreichen Substrukturen des AmeisenAmeisenkoloniennests und seiner Umgebung hat ihre eigenen speziellen Myrmekophilen. Das gilt bereits für die Zu- und Abgangswege zum und vom Nest. Die Transportstraßen, auf der die europäische Glänzendschwarze Holzameise (Lasius fuliginosus)Glänzendschwarze Holzameise (Lasius fuliginosus) ihr Futter hauptsächlich transportiert, verlaufen auf- und abwärts an Baumstämmen und ebenda lungert der Glanzkäfer Amphotis marginataGlanzkäfer (Amphotis marginata) herum. Dieser KäferKäferin Ameisenkolonien ist ein richtiger Wegelagerer. Tagsüber versteckt er sich in Schlupflöchern längs des Wegs, aber zur Nacht kommt er heraus und hält mit Futter zum Nest heimkehrende AmeisenAmeisenkolonien an. Mit seinen kurzen, kräftigen Antennen betrillert er heftig den Kopf einer Ameise, und gleichzeitig stößt er gegen ihre Mundpartie: eine grobe, gleichwohl mehr oder weniger überzeugende Imitation des Bettelverhaltens der AmeisenAmeisenkolonien im Nest, denn öfter als nicht regurgitiert (vulgo: würgt hervor) die verblüffte Heimkehrerin daraufhin einen Futtertropfen, der von dem Käfer schnellstens aufgeschleckt wird. Nicht selten jedoch bemerkt die Irregeführte ihr Versehen und attackiert den Gauner. Der zieht sich schnell unter seinen kräftigen Rückenschild zurück, drückt sich mit den breiten Rändern des Schilds flach an den Boden und ist somit unangreifbar für die Ameise. Die Geprellte gibt daraufhin ihr aussichtsloses Bemühen bald auf und kehrt ohne Futterladung ins Nest zurück.

Drinnen im Nest der Glänzendschwarzen HolzameiseGlänzendschwarze Holzameise (Lasius fuliginosus) sehen wir einen anderen Käfer seinem Geschäft nachgehen. Die Larven des Kurzflüglers Pella funesta versehen hier den Dienst der Müllabfuhr. Sie leben in den Abfallhaufen der Kolonie, wo sie sich von toten AmeisenAmeisenkolonien ernähren. Dabei halten sie sich außer Sicht, indem sie sich ihrem Mahl von unten nähern oder sogar in die Ameisenleichen hineinkriechen, um sie zu verzehren. Wenn eine Arbeiterin eine solche Larve angreift, richtet diese zur Abwehr die Abdomenspitze gegen den Kopf der Angreiferin; aus einer Drüse verstäubt sie Chemikalien, die sofort eine besänftigende oder ablenkende Wirkung auf die Ameise ausüben. Auch die adulten Pella funesta verschmähen Ameisenleichen nicht, jagen jedoch außerdem auch lebende AmeisenAmeisenkolonien, manchmal in Gruppen. Wie ein Löwenrudel nehmen sie die Verfolgung auf, und einer der Käfer versucht dann, einer Ameise auf den Rücken zu klettern, seine Kiefer in ihren Hals zu schlagen und Nerven und Kehle zu durchtrennen. Diese Jagden misslingen oft, ist eine jedoch von Erfolg gekrönt, labt sich die ganze Käfermeute an der Beute.

Das Eldorado des Nests sind für die Ameisengäste jedoch die Brutkammern. Hierhin bringen die AmeisenAmeisenkolonien für die neugeborenen Larven nur Futter in Premiumqualität (frisch getötete Insekten zum Beispiel). Viele Myrmekophilmyrmekophile KäfereKäfermyrmekophile Käfer haben hier ihre Traumnische gefunden, wo sie entweder Futter von den Arbeiterinnen erbetteln, indem sie sich mit den entsprechenden chemischen Signalen selber als Ameisenlarven ausgeben oder gleich die Larven selbst auffressen. Aber Brutkammern werden auch heftig verteidigt. Jeder entdeckte Eindringling wird auf der Stelle umgebracht. Deswegen mussten die von der Evolution zu Spezialisten für Brutkammern gemachten Myrmekophilen hoch entwickelte Methoden ausbilden, wie sie die Freund-Feind-Erkennung der AmeisenAmeisenkolonien unterlaufen können. So auch der eigenartige Keulenkäfer Claviger testaceusClaviger testaceus (Käfer). Claviger trägt die Kennzeichen millionenjähriger Anpassung an das Leben in Ameisennestern. Er ist fahl, hat eine merkwürdig verlängerte, augenlose Kopf- und Brustpartie, ungewöhnliche, keulenähnliche Antennen und dichte goldgelbe Haarbüschel auf dem Rücken. Wieder einmal liegt das Geheimnis in diesen Haarbüscheln. Die Drüsen unter ihnen produzieren Chemikalien, die offensichtlich den Geruch des Todes ausströmen. Von Insektenkadavern, genauer gesagt. Stößt eine Arbeiterin auf einen ClavigerClaviger testaceus (Käfer), hält sie ihn für ein frisch getötetes Beutetier (umso eher, da er sich tot stellt). Sie kriegt ihn an seinem praktischerweise einem Stiel ähnelnden Vorkörper zu fassen und trägt ihn dann zur Brutkammer, wo die schmackhaftesten Happen deponiert werden. Hier packt sie vielleicht noch ein paar Brocken Gammelfleisch auf den KäferKäferin Ameisenkolonien, bedeckt den Haufen mit erbrochenem Speichel, der Verdauungsenzyme enthält, und wendet sich ab von der Szene, anderen Aufgaben zu – überzeugt, den heranreifenden Larven eine Wohltat erwiesen zu haben. Die Wirklichkeit sieht so aus: Sobald der Claviger sich unter dem Haufen von Insektenüberresten hervorgewühlt hat, macht er sich daran, AmeisenAmeisenkolonieneier, -larven und -puppen zu verschmausen.

Claviger testaceusClaviger testaceus (Käfer), Pella funesta und Amphotis marginataGlanzkäfer (Amphotis marginata) sind gerade mal drei der etwa 10000 myrmekophilen Spezies, die es nach Einschätzung von Wissenschaftlern gibt und die zusammen zu mindestens hundert verschiedenen Familien der Wirbellosen zählen. Diese explosionsartige evolutionäre Ausbreitung der Myrmekophilie ist wahrscheinlich schon im Gange, seit es Ameisengesellschaften gibt – mindestens seit 75 Millionen Jahren. Der Grund dafür: AmeisenAmeisenkolonien zählen zu jener Elitetruppe von »Machern«, die Ökologen als ›Ökosystem-Ingenieure‹ bezeichnen.

Den Fachausdruck ›Ökosystem-IngenieurÖkosystem-Ingenieur‹ prägten die Ökologen Clive JonesJones, Clive, John LawtonLawton, John und Moshe ShachakShachak, Moshe in einem 1994 in der Zeitschrift Oikos veröffentlichten Aufsatz. Dort heißt es: »Ökosystem-Ingenieure sind solche Organismen, welche […] die Verfügbarkeit von Ressourcen für andere Spezies modulieren, indem sie in biotischen oder abiotischen Materialien Änderungen des physikalischen Zustands bewirken. Damit modifizieren, erhalten und schaffen sie Habitate.« Oder, um es einfach zu sagen: Ökosystem-IngenieureÖkosystem-Ingenieur kreieren ihr eigenes Ökosystem. Man sieht auf Anhieb, wie AmeisenAmeisenkolonien in diese Definition passen. Sie schwärmen aus in ihre Umgebung und machen ihr Nest, kraft eines hohen Maßes an Selbstorganisation, zum zentralen Lagerplatz von Ressourcen. Das Nestinnere ist ein neuartiges Ökosystem mit konstantem Zufluss von Energie in Gestalt des von den AmeisenAmeisenkolonien herbeigetragenen Futters – ein ÖkosystemÖkosystem-Ingenieur, das auch von anderen Spezies genutzt werden kann. Jene 10000 Myrmekophile sind die neuen Arten, die sich entwickelt haben, um die Chancen und Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihnen mit dem von den AmeisenAmeisenkolonien konstruierten Ökosystem geboten sind. Aber selbst Arten, die man kaum als Myrmekophile ansehen kann, können von den Veränderungen beeinflusst sein, die die Ameisen in ihrem Umfeld vornehmen. Erinnern Sie sich an die Brennnesseln auf dem ammoniakreichen Flecken Erde rund um das Nest der Roten Waldameisen, das ich ausgehoben habe!

Außer den Ameisen sind noch viele andere Organismen bedeutende ÖkosystemÖkosystem-Ingenieur-Ingenieure. Denken Sie an andere Tiere, die Gebilde schaffen, die sehr viel größer als sie selbst sind. TermitenTermiten und KorallenKorallen zum Beispiel! Aber Ökosystem-Ingenieure müssen nicht unbedingt Winzlinge sein. Nehmen Sie die BiberBiber. Es gibt kein besseres hydrologisches Ingenieursteam als eine Biberfamilie. BiberBiber fällen Bäume, indem sie deren Stämme benagen, und verwenden sie zusammen mit anderem Baumaterial – Ästen, Zweigen, Steinen, Schlamm –, um bis zu 100 Meter lange Dämme zu errichten. In langsam fließendem Wasser bauen sie einen geraden Damm, in einem schneller fließenden Fluss hingegen konstruieren sie eine gewölbte Form, weil die dem Wasserdruck besser widersteht. Die Dämme verlangsamen den Fluss, zwingen ihn damit zur Ausbreitung und schaffen so ein Sumpfgebiet, das zum einen für natürliche Feinde wie zum Beispiel Wölfe schwieriger zu durchqueren ist und zum anderen den Winter über die dauerhafte Versorgung mit Biberfutter (Wasserpflanzen und Jungholz) gewährleistet. Die Tiere graben Kanäle, in denen sie Holzklötze transportieren, die so schwer sind, dass sie nicht über den Boden geschleift werden können. Und sie bauen sich Unterkünfte: hüttenähnliche ›Wohnkessel‹ aus Ästen, Zweigen und Gras, gefestigt mit Schlamm, Holzspänen und Borke. Diese ganze Umweltoptimierung der BiberBiber ist von so übermäßiger Auswirkung, dass sie zugleich neue Nischen für ganze Schwärme von anderen Spezies mit sich bringt. Selbst wenn Biber ein Gebiet verlassen haben und ihre Dämme verkommen und brechen, erhält die resultierende Überflutung noch über Jahrzehnte nach dem Wegzug der BiberBiber Auwiesen am Leben und Gedeihen.

Eines der Gebiete, wo BiberBiber in der Vergangenheit mit ihrem Treiben eine solche Wirkung zeitigten, ist eine lang gestreckte Insel an der Ostküste von Nordamerika, im Mündungsgebiet des Muhheakantuck-Flusses. Der Boden dort ist sanft gewellt – der Name, den die Ureinwohner, die Lenni Lenape, der Insel gegeben haben, bedeutet »Land der vielen Hügel«. Bis vor 200 Jahren waren die meisten dieser Hügel üppig bedeckt mit Kastanien-, Eichen- und Hickory-Mischwald, der das reichliche Regenwasser aufnahm und dann nach und nach wieder abgab. Dies hatte zur Folge, dass sich 100 Kilometer langsames Fließgewässer in Gestalt von Bächen und Flüsschen über die ganze Insel zogen. In diesem herrlichen Biber-Habitat gab es, was Wunder, jede Menge BiberBiber. An einem bestimmten Ort im Südteil der Insel flossen in einer sanften Talsenke zwei Bäche zusammen. BiberBiber dämmten die Bäche, und das Tal verwandelte sich in ein Rotahorn-Sumpfgelände, das nach und nach auch von anderen Tieren besiedelt wurde, die sich in einem solchen Habitat zu Hause fühlen: Brautenten, SchreifröscheFrösche und Katzenwelse. Und außer dem Rotahorn gefiel es hier auch Froschlöffelgewächsen und dem Amerikanischen Veilchen (Viola cucullata). Dass wir dies alles wissen, verdanken wir einer in mehr als einem Sinne wegweisenden Studie, die unter der Leitung des Landschaftsökologen Eric W. SandersonSanderson, Eric von der Wildlife Conservation SocietyWildlife Conservation Society (New York, USA) in New YorkNew York City (USA)Manhattan (New York, USA) entstand. Anhand von Erkenntnissen über das Klima, die Bodenarten und die Topografie der Insel, von alten niederländischen und englischen Aufzeichnungen über die Landschaft und die Tierwelt und von Computermodellen des gesamten NahrungsnetzNahrungsnetzes dieses Teils von Nordamerika, vermochten die beteiligten Forscher zu rekonstruieren, wie die Landschaft und alles von ihr getragene Leben vor 400 Jahren aussah.

Heute ist von alledem nichts mehr übrig. Denn diese Insel ist der New Yorker Stadtbezirk ManhattanManhattan (New York, USA): Eric SandersonSanderson, Erics Arbeit ist unter dem Namen Mannahatta ProjectMannahatta-Project bekannt. Ziel der Unternehmung war es, eine Website mit einer navigierbaren Landkarte des heutigen ManhattanManhattan (New York, USA) aufzubauen, auf der die simple Eingabe einer Ortsbezeichnung, ergänzt durch einige Mausklicks, bewirkt, dass der fragliche Ort, auf der historischen Zeitachse um Jahrhunderte zurückversetzt, sich ohne jeglichen zivilisatorischen Überbau präsentiert. In voller Farbe und allen Einzelheiten enthüllt das einstige Habitat mitsamt seinem Reichtum an Tier- und Pflanzenleben, wie es nach gewissenhaftester Einschätzung der Modellkonstrukteure aussah, bevor Europäer den Fuß auf die Insel setzten. »[Nach 400 Jahren] Fortentwicklung uns eine anschauliche Vorstellung von diesem früheren Reichtum der Natur zu bilden, fällt uns Heutigen ebenso schwer, wie es wahrscheinlich jenen ersten europäischen Kolonialisten und ihren indianischen Nachbarn fallen würde, sich unsere modernen Straßen, Wolkenkratzer und Reichtümer vorzustellen«, schreibt SandersonSanderson, Eric. Das Mannahatta ProjectMannahatta-Project erreichte sein Ziel am 12. September 2009, noch rechtzeitig zur Vierhundertjahrfeier des Tages, an dem Henry HudsonHudson, Henry auf dem Dreimaster »De Halve Maen« (Halbmond) der Niederländischen Ostindien-KompanieNiederländische Ostindien-Kompanie als erster Europäer die Insel zu Gesicht bekam und in sein Logbuch kritzelte: »Ein Land, wie man es schöner nicht unter den Füßen haben könnte.«