VVorwort

„Es gibt für alles eine App“. Fast könnte man meinen, dieser Werbe-Slogan von Apple sei Wirklichkeit geworden. Über 1,2 Millionen Apps bietet Apple mittlerweile an.1 Und auch die Konkurrenz schläft nicht. Mit Google Play (früher: Market) und 1,3 Millionen angebotenen Apps hat Google den ehemaligen Vorreiter Apple nun offenbar sogar übertrumpft. Auch Microsoft, Nokia, Samsung, Research in Motion (Blackberry) und sogar Amazon2 bieten eigene Marktplätze für Apps an.

Längst sind Apps kein reines Spielzeug für Technik-Freaks mehr. Apps sind ein Massenmarkt, wie die Absatzzahlen zeigen. Allein für Apple entspricht der Gesamtumsatz mit Apps im Jahr 2014 laut eigenen Angaben etwa zehn Milliarden Dollar im Jahr.3 Während 2011 insgesamt etwa 18 Milliarden Apps bereits aus dem AppStore von Apple heruntergeladen worden waren, hat sich diese Zahl innerhalb von vier Jahren fast verfünffacht und liegt derzeit bei mehr als 85 Milliarden.4 Google soll dies 2014 sogar erstmals noch übertrumpft haben.5

Juristisch ist dieser Massenmarkt trotz einiger Veröffentlichungen und erster Appsspezifischer Rechtsprechung noch wenig erschlossen. Zwar beschäftigt sich die Rechtswissenschaft schon seit Jahren mit dem sog. M-Commerce, dem mobilen Pendant zum E-Commerce. Die spezifischen Rechtsfragen rund um Apps sind bislang aber noch immer kaum beleuchtet worden. Dieses Buch soll einen Teil dazu beitragen, Licht ins Dunkel der Rechtsprobleme rund um Erstellung, Vertrieb und Nutzung von Apps zu bringen. Der Fokus soll dabei auf den Rechtsverhältnissen zwischen den beteiligten Parteien liegen. Was genau leisten die Betreiber von AppStores und was nicht? In welchem rechtlichen Verhältnis stehen Hersteller und Endnutzer zueinander und welche Folgen ergeben sich daraus? Daneben sollen auch grundlegende Fragen für die Konzeption und Entwicklung von Apps behandelt werden. Welche rechtlichen Anforderungen müssen erfüllt werden? Wo bestehen Haftungsfallen?

Maßstab für die Auswahl der hier dargestellten Rechtsfragen soll die Praxis sein. Viele Problemstellungen drängen sich förmlich auf, andere sind bereits aus anderen Bereichen des IT-Rechts und der täglichen Beratungspraxis bekannt. Wie kaum ein anderer Bereich in der IT sind Entwicklung und Vertrieb jedoch einem ständigen Wandel unterworfen – in technischer, wie in rechtlicher Sicht. Die Innovationszyklen im Mobile-Bereich sind extrem kurz, die Anbieter der mobilen Betriebssysteme arbeiten ständig an Neuerungen und auch die AppStores und ihre Nutzungsbedingungen ändern sich häufig von einem auf den anderen Tag.

VIDas macht deutlich, wie entscheidend Aktualität bei der rechtlichen Beurteilung von Apps sein kann. Die 2. Auflage dieses Buchs soll Ihnen die rechtlichen Grundlagen und einen Überblick über die wesentlichen Rechtsfragen liefern, die sich unabhängig kurzfristiger Änderungen und kleinerer Detailfragen stellen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein: Das Recht der Apps ist in einem ständigen Wandel.

Diese vielen Veränderungen waren auch für uns eine Herausforderung bei der Erstellung dieses Buches. Häufig haben uns neue Entwicklungen bei unserer Arbeit überholt, immer wieder kamen neue Aspekte hinzu, die es einzuarbeiten galt. Für die Unterstützung dabei danken wir den Rechtsanwälten Johannes Baumann, Felix Hilgert und Adrian Schneider, Rechtsanwältin Nadine Lederer sowie unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Leonie Schneider.

Köln/München, Oktober 2015

Konstantin Ewald
Ulrich Baumgartner

1 Stand Juli 2014, Statista, http://www.statista.com/statistics/276623/number-of-apps-available-inleading-app-stores/, abgerufen am 7.7.2015.

2 http://www.amazon.de/app-shop-download, abgerufen am 7.7.2015.

3 Apple, http://www.apple.com/pr/library/2015/01/08App-Store-Rings-in-2015-with-New-Records.html, abgerufen am 7.7.2015.

4 Statista, http://de.statista.com/statistik/daten/studie/20149/umfrage/anzahl-der-getaetigten-downloads-aus-dem-apple-app-store/, abgerufen am 7.7.2015.

5 Lead Digital, http://www.lead-digital.de/aktuell/mobile/umsatz_2014_google_play_uebertrumpft_erstmals_apple_app_store, abgerufen am 7.7.2015.

XIAbkürzungsverzeichnis

aA

anderer Ansicht

Abs

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

aF

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Art.

Artikel

A&R

Arzneimittel & Recht (Zeitschrift)

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

Beschl.

Beschluss

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

bspw.

beispielsweise

BT-Drs.

Bundestag Drucksache

BGH

Bundesgerichtshof

BVPA

Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)

BYOD

„Bring your own Device“

bzw.

beziehungsweise

CR

Computer & Recht (Zeitschrift)

DDA

Developer Distribution Agreement

ders.

derselbe

Dez.

Dezember

dh

das heißt

DSGVO

EU-Datenschutz-Grundverordnung

ENISA

European Network and Information Security Agency

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWR

Europäische Wirtschaftsraum

Feb.

Februar

FS

Festschrift

FSM

Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Dienstanbieter

GEMA

Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte

GewO

Gewerbeordnung

ggf.

gegebenenfalls

ggü.

gegenüber

GPL

General Public License

GPLv2

General Public License Version 2

GVL

Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GRUR-Int

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International (Zeitschrift)

GRUR-Prax

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter und Wettbewerbsrecht (Zeitschrift)

iOS

iPhone/iPad… Operating System

XIIIDFA

Identifier for Advertising

iDPLA

iOS Developer Program License Agreement (Lizenzvertrag für das iOS-Entwicklerprogramm)

iSd

im Sinne des

iSv

im Sinne von

iVm

in Verbindung mit

ITRB

IT Rechtsberater (Zeitschrift)

Jan.

Januar

JIM

Jugend, Information, (Multi-) Media

JMStV

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

JuSchG

Jugendschutzgesetz

KJM

Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten

K&R

Kommunikation & Recht (Zeitschrift)

LG

Landgericht

lit.

littera (= Buchstabe)

MDM

Mobile Device Management

MFM

Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing

MMR

Multimedia und Recht (Zeitschrift)

MPR

Medizinprodukterecht (Zeitschrift)

MüKo

Münchener Kommentar

mwN

mit weiteren Nachweisen

nF

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nov.

November

Nr.

Nummer

Okt.

Oktober

OLG

Oberlandesgericht

OSI

Open Source Initiative

PAngV

Preisangabenverordnung

PDA

Personal Digital Assistant

PinG

Privacy in Germany (Zeitschrift)

RDV

Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift)

Rn.

Randnummer

Richtlinie 95/46/EG

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281, 31 ff.

ROM I

Verordnung EG 593/2008 des Europäischen Parlamentes und des Ratesvom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

ROM II

Verordnung EG 864/2007 des Europäischen Parlamentes und des Ratesvom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

RStV

Rundfunkstaatsvertrag

S.

Seite

SDK

Software Development Kit

Sep.

September

sog.

sogenannt(e)

TKG

Telekommunikationsgesetz

TMG

Telemediengesetz

TOMs

technisch-organisatorische Maßnahmen

ua

unter anderem, und andere

UDID

Unique Device Identifier

UrhG

Urheberrechtsgesetz

XIIIUrt.

Urteil

usw.

und so weiter

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.

von

vgl.

vergleiche

Working Paper 185

Stellungnahme 13/2011 der Artikel-29-Datenschutzgruppe zu den Geolokalisierungsdiensten von intelligenten mobilen Endgeräten (Working Paper 185) vom 16. Mai 2011, abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/data-protection/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2011/wp185_de.pdf

Working Paper 202

Stellungnahme 02/2013 der Artikel-29-Datenschutzgruppe zu Apps auf intelligenten Endgeräten, angenommen am 27. Februar 2013 (Working Paper 202), abrufbar unter http://www.cnpd.public.lu/de/publications/groupe-art29/wp202_de.pdf

zB

zum Beispiel

ZD

Zeitschrift für Datenschutz

ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

XVLiteraturverzeichnis

Arndt/Fetzer/Scherer, TKG, 2008 (zitiert: Verfasser in Arndt/Fetzer/Scherer TKG § Rn.)

Auer-Reinsdorff/Conrad, Beck’sches Mandatshandbuch IT-Recht, 1. Auflage 2011 (zitiert: Verfasser in Auer-Reinsdorff/Conrad §)

Bach, Zahlungen über Mobilfunknetze (M-Commerce), K&R 2005, 308

Beck’scher Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 34. Ed. 1.2.2015 (zitiert: Verfasser in BeckOK BGB Gesetz § Rn.)

Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, 48. Ergänzungslieferung, Stand: Februar 2015 (zitiert: Bergmann/Möhrle/Herb BDSG § Rn.)

Beyvers/Herbrich: Das Niederlassungsprinzip im Datenschutzrecht – am Beispiel von Facebook – Der neue Ansatz des EuGH und die Rechtsfolgen, ZD 2014, 558

Bierekoven: Datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Gesundheits-Apps, ITRB 2015, 114

Conrad/Schneider, Einsatz von „privater IT“ im Unternehmen – Kein privater USB-Stick, aber „Bring your own device“ (BYOD)?, ZD 2011, 153

Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Auflage 2013 (zitiert: Verfasser in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG § Rn.)

Degmair, Apps – Die schwierige Suche nach dem Vertragspartner, K&R 2013, 213

Eckhardt/Schmitz, Datenschutz in der TKG-Novelle, CR 2011, 436

Feldmann, Mobile Apps: Zivilrecht – Telemedienrecht – Datenschutz, Tagungsband Herbstakademie 2011, 47

Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 1. Auflage 2014 (zitiert: Verfasser in Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, Kap., Rn.)

Frey, Haftungsprivilegierung der Access-Provider nach § 8 TMG? Auflösung eines Normwiderspruchs innerhalb des TMG, MMR 2014, 650

Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Auflage 2014 (zitiert: Verfasser in Fromm/Nordemann Urheberrecht § Rn.)

Gola/Schomerus, BDSG, 12. Auflage 2015 (zitiert: Gola/Schomerus BDSG § Rn.)

Graef, Die fiktive Figur im Urheberrecht, ZUM 2012, 108

Härting, Allgegenwärtige Prüfungspflichten für Intermediäre, Was bleibt noch nach „Kinderhochstühle“ und „Autocomplete“ von der Störerhaftung übrig?, CR 2013, 443

Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Auflage 2013 (zitiert: Verfasser in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig § Rn.)

von der Heide, iBeacon – Technischer Hintergrund und datenschutzrechtliche Aspekte, PinG 2014, 162

Heimhalt/Rehmann, Gesundheits- und Patienteninformationen via Apps, MPR 2014, 197

Hoenike/Szodruch, Rechtsrahmen innovativer Zahlungssysteme für Multimediadienste, MMR 2006, 519

Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 41. Ergänzungslieferung März 2015 (zitiert: Verfasser in Hoeren/Sieber/Holznagel Teil Rn.)

Hoeren, Google Analytics – datenschutzrechtlich unbedenklich? – Verwendbarkeit von Webtracking-Tools nach BDSG und TMG, ZD 2011, 3

Hoeren, Das Telemediengesetz, NJW 2007, 801

Hoeren, Recht und Risiko – Festschrift für Helmut Kollhosser, Band II, Karlsruhe 2004, S. 229, abrufbar unter http://goo.gl/j6mRF (zitiert: Hoeren FS Kollhosser)

Hoffmann, Apps der öffentlichen Verwaltung – Rechtsfragen des Mobile Government, MMR 2013, 631

Hopf/Braml, Die Entwicklung des Jugendmedienschutzes 2013/2014, ZUM 2014, 854

Jaeger/Metzger, Open Source Software, 3. Auflage 2011 (zitiert: Jaeger/Metzger Open Source Software Rn.)

XVIJaeger/C. Schulz, Gutachten zu ausgewählten rechtlichen Aspekten der Open Source Software, München 2003, abrufbar unter http://www.ifross.org/ifross_html/art47.pdf

Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 15. Auflage 2014 (zitiert: Jauernig § Rn.)

Jensen/Knoke, BGH legt EuGH die Frage vor, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind, ZD-Aktuell 2014, 04460

Jensen, Irischer High Court legt EuGH Fragen zum Safe Harbor-Abkommen vor, ZD-Aktuell 2014, 04284

Jung/Kremer, Die Visualisierung von Kundeninformationen im M-Payment – Der Rahmenvertrag als Ausweg, BB 2010, 1874

Kessel/Kuhlmann/Passauer/Schriek, Informationspflichten und AGB-Einbeziehung auf mobilen Endgeräten, K&R 2004, 519

Kilian/Heussen, Computerrecht, 32. Ergänzungslieferung 2013 (zitiert: Verfasser in Kilian/Heussen Computerrecht Teil Rn.)

Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflage 2015 (zitiert: Verfasser in Köhler/Bornkamm § Rn.)

Kremer, Vertragsgestaltung bei Entwicklung und Vertrieb von Apps für mobile Endgeräte, CR 2011, 769

Kremer, Datenschutz bei Entwicklung und Nutzung von Apps für Smart Devices, CR 2012, 438

Krieg, Anm. zu LG Köln, Urteil v. 6. August 2009 – 31 O 33/09, jurisPR-ITR 1/2010

Krüger/Apel, Haftung von Plattformbetreibern für urheberrechtlich geschützte Inhalte – Wie weit geht die Haftung und wann droht Schadensersatz?, MMR 2012, 144

Lachenmann, Mobile Apps: Entwicklungs- und Endkundenverträge, ITBR 2015, 99

Liesching, Beck'scher Online-Kommentar JMStV, 14. Edition 1. Jan. 2015 (zitiert: Verfasser in BeckOK JMStV Gesetz § Rn.)

Lober/Falk, Datenschutz bei mobilen Endgeräten – Roadmap für App-Anbieter, K&R 2013, 357

Maas/Rajagopalan, That’s no Phone. That’s my Tracker., NY Times vom 13. Juli 2012

Marly, Softwareüberlassungsverträge, 4. Auflage 2004 (zitiert: Marly Softwareüberlassungsverträge Rn.)

Müller-Broich, Telemediengesetz, 1. Auflage 2012 (zitiert: Müller-Broich TMG § Rn.)

Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 3. Auflage 2013 (zitiert: Verfasser in MAH Rn.)

Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012 (zitiert: Verfasser in MüKo BGB § Rn.)

Neubauer, Anmerkungen zu AG Göttingen, Urt. v. 4. Mai 2011 – 62 Ds 51 Js 9946/10, MMR 2011, 626.

Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 6. Auflage 2014 (zitiert: Verfasser in Ohly/Sosnitza § Rn.)

Ohst, Unterlassungsanspruch wegen Speicherung von IP-Adressen, GRUR-Prax 2015, 38

Ott, Impressumspflicht für Webseiten – Die Neuregelungen nach § 5 TMG, § 55 RStV, MMR 2007, 354

Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Aufl. 2015 (zitiert: Verfasser in Palandt Gesetz § Rn.)

Pauly, Die Vorverlagerung der Widerrufsbelehrung im Fernabsatzrecht: Praktische Konsequenzen für den M-Commerce, MMR 2005, 811

Raitz v. Frentz/v. Alemann, Die Übertragungsfiktion des § 137l UrhG für unbekannte Nutzungsarten, ZUM 2010, 38

Ranke, M-Commerce – Einbeziehung von AGB und Erfüllung von Informationspflichten, MMR 2002, 509

Redeker, IT-Recht, 5. Auflage 2012 (zitiert: Redeker IT-Recht Rn.)

Rehmann/Heimhalt, Rechtliche Aspekte von HealthApps, A&R 2014, 250

Rössel, Transparenzgebote im M-Commerce: AGB-Einbeziehung und Informationspflichten, ITRB 2006, 235

Roßnagel/Kroschwald, Was wird aus der Datenschutzgrundverordnung? – Die Entschließung des Europäischen Parlaments über ein Verhandlungsdokument, ZD 2014, 495

Schaffland/Wiltfang, BDSG, Ergänzungslieferung 6/2014, Stand: 2015 (zitiert: Schaffland/Wiltfang BDSG § Rn.)

Schippan, Können Schätze aus Zeitungsarchiven nun gehoben werden?, ZUM 2008, 844

Schleipfer, Datenschutzgerechte Gestaltung von Web-Eingabeformularen, RDV 2005, 56

XVIISchöttle, Der Patentleft-Effekt der GPLv3 – Risiken für das Patentportfolio beim kommerziellen Einsatz von Open-Source-Software, CR 2013, 1

Schöttle/Steger, Managing Open Source Software in the Corporate Environment, How to establish an open source license compliance program, CRI 2015, 1

Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010 (zitiert: Verfasser in Schricker/Loewenheim, § Rn.)

Schütze, USA: App-Store-Betreiber verpflichten sich zu mehr Datenschutz, ZD-Aktuell 2012, 02833

Simitis, BDSG, 8. Auflage 2014 (zitiert: Verfasser in Simitis BDSG § Rn.)

Solmecke/Taeger/Feldmann, Mobile Apps – Rechtsfragen und rechtliche Rahmenbedingungen, 1. Auflage 2013 (zitiert: Verfasser in Solmecke/Taeger/Feldmann Mobile Apps Kap. Rn.)

Spindler, Gutachten „Rechtsfragen der Open Source Software“, Göttingen 2003, abrufbar unter http://lehrstuhl-spindler.uni-goettingen.de/extern/ross/downloads/studie_final.pdf

Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Auflage 2015 (zitiert: Verfasser in Spindler/Schuster Teil § Rn.)

Stadler, Verstoßen Facebook und Google Plus gegen deutsches Recht? – Ausschluss von Pseudonymen auf Social-Media-Plattformen, ZD 2011, 57

Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG – und zu den Datenschutzvorschriften des TKG und TMG, 2. Auflage 2013 (zitiert: Verfasser in Taeger/Gabel BDSG § Rn.)

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, Safe Harbor-Vorlage zum EuGH begrüßt, ZD-Aktuell 2014, 04222

Venzke-Caprarese, Standortlokalisierung und personalisierte Nutzeransprache mittels Bluetooth Low Energy Beacons, DuD 2014, 839

Venzke-Caprarese, Google Universal Analytics und iBeacons, ITRB 2015, 97

Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Auflage 2014 (zitiert: Verfasser in Wandtke/Bullinger Urheberrecht § Rn.)

Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 36. Ergänzungslieferung 2015 (zitiert: Verfasser in Graf von Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke Buch und Abschnitt Rn.)

10Kapitel 2. Die Rechtsprobleme beim App-Vertrieb

25

Wie ist der Vertrieb von Apps nun rechtlich einzuordnen? Wer ist „Verkäufer“ einer App – AppStore oder Anbieter? Und: Was ist überhaupt ein „App-Vertrag“?

A. Der App-Vertrag

26

Wichtigstes Differenzierungsmerkmal bei der Klassifizierung eines „App-Vertrages“ ist die Frage, ob die App kostenlos oder gegen Entgelt vertrieben wird.

I. Kostenpflichtige Apps

27

Um was für einen Vertrag handelt es sich, wenn ein Nutzer eine App erwirbt? Im Kern ist diese Frage nichts Neues. Ein solcher „App-Vertrag“ ist letztlich nichts anderes als ein Softwareüberlassungsvertrag, über dessen Rechtsnatur bereits seit vielen Jahren ausgiebig diskutiert wurde.

Schon im Jahr 1987 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auf einen Vertrag über die dauerhafte Überlassung von Standard-Software Kaufrecht zumindest entsprechend anwendbar ist.31 Standard-Software meint dabei, dass das erworbene Programm nicht speziell für den Kunden erstellt oder in wesentlichen Teilen angepasst wurde. In der Praxis ist diese Ansicht auch nicht durchgreifend erschüttert worden. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber mit § 453 Abs. 1 BGB klargestellt, dass das Kaufrecht sowohl auf den Sach- wie auf den Rechtskauf anwendbar ist. Insofern spielt auch die Sachqualität von Software oder die Auslieferung in unkörperlicher Form nur noch eine untergeordnete Rolle.32 Für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen soll vielmehr der Vertragszweck entscheidend sein: Soll die (Standard-)Software auf Dauer überlassen werden, soll Kaufrecht anzuwenden sein, bei zeitlich begrenzter Überlassung in Form eines Dauerschuldverhältnisses Miet- oder Leasingrecht.33

28

Für Apps bedeutet das: In aller Regel wird man davon ausgehen können, dass auf den Erwerb von Apps im Rahmen von AppStores Kaufrecht anwendbar ist. Auch wenn sich die Anbieter der AppStores zum Teil vorbehalten, einzelne Apps zurückzuziehen (etwa falls Drittanbieter Schadsoftware über den AppStore verbreitet haben)34, ist die Überlassung von Apps dennoch im Grundsatz auf Dauer angelegt. Vergleichbar ist diese Konstellation mit einem Produktrückruf nach dem Produktsicherheitsgesetz: Wird dem Hersteller bekannt, dass von einem seiner Produkte eine Gefahr ausgeht, ist er ua dazu verpflichtet, dieses Produkt zurückzurufen. Ähnlich versuchen es auch die 11Betreiber der AppStores umzusetzen: Im Notfall soll es ihnen möglich sein, Schadsoftware, die über ihre Plattform vertrieben wurde, von den Endgeräten wieder zu entfernen und den Schaden einzugrenzen. Um dieses Vorgehen rechtlich abzusichern, lassen sie sich zum Teil in ihren Nutzungsbedingungen das Recht zu einer solchen Löschung einräumen. Dabei handelt es sich aber nicht um eine dingliche Beschränkung des Nutzungsrechts, sondern um eine Erlaubnis auf schuldrechtlicher Ebene, die Löschung auf dem Gerät des Anwenders vorzunehmen. Somit wird die App im Grundsatz auf Dauer überlassen und dem AppStore-Anbieter lediglich das Recht eingeräumt, im Notfall eine schadhafte App wieder zu entfernen.

29

Einen Sonderfall stellen Cloud-Computing-Angebote dar, wenn die App lediglich den Zugang zu einem Dienst bereitstellt, der im Wesentlichen im Netz stattfindet, wie etwa bei den Apps zu verschiedenen Google-Diensten wie GMail35 oder Google Docs36, oder bei Cloud-Hosting-Angeboten wie Dropbox37. Auch Online-Spiele können in diese Kategorie fallen. All diese Angebote haben gemein, dass der eigentliche Dienst fast ausschließlich über das Internet betrieben wird – die App selbst ist lediglich eines von mehreren möglichen Werkzeugen, um den Zugang zu diesem Online-Dienst zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Funktionalität besteht also nicht in der App, sondern in dem dahinter liegenden Dienst. In diesem Fall liegt zumindest kein reiner Kaufvertrag vor. So hat der BGH für das Application Service Providing – die Bereitstellung von Software als Online-Dienst – festgestellt, dass es sich um einen gemischttypischen Vertrag mit dienst-, werk- und mietvertraglichen Elementen handelt.38 Im Falle einer kostenpflichtigen App können außerdem noch kaufvertragliche Elemente hinzukommen. Letztlich kommt es hier auf die genaue Ausgestaltung der App an – so vielfältig die technischen Möglichkeiten im Zusammenspiel zwischen lokalen Anwendungen und Cloud-Computing sind, so verschieden können auch die einzelnen Vertragstypen im Detail ausgestaltet sein. Denkbar sind ebenso Verträge, deren Schwerpunkt ausschließlich in einem Dienstvertrag bestehen, wie auch reine Kaufverträge, obwohl eine App auch eine Online-Anbindung beinhaltet. Wie so oft bleibt es bei gemischten Funktionsmodellen eine Frage des Einzelfalls, die sich allerdings mit den klassischen juristischen Werkzeugen und den bisherigen Erkenntnissen des IT-Vertragsrechts gut beantworten lassen dürften.

30

Es lässt sich also festhalten: Im Normalfall handelt es sich beim kostenpflichtigen Vertrieb von Apps trotz einiger vertraglicher Besonderheiten um einen Kaufvertrag. Dennoch sind prinzipiell auch beim Vertrieb von Apps vertragliche Mischformen denkbar – etwa wenn eine App zwar dauerhaft überlassen wird, aber lediglich als Client für einen Software-as-a-Service-Dienst dient. Doch auch solche Grenzfälle sind mit den „klassischen“ Regeln des IT-Vertragsrechts ohne Weiteres lösbar.

II. Kostenlose Apps

31

Bei kostenpflichtigen Apps liegt also in aller Regel ein Kaufvertrag zugrunde. Doch was liegt bei kostenlosen Apps vor? Bekannt ist diese rechtliche Konstellation 12schon aus dem „klassischen“ IT-Vertragsrecht, genauer von Software, die als Freeware vertrieben wird. Dort gilt: Eine Schenkung kann dann angenommen werden, wenn die Software dauerhaft und ohne Gegenleistung überlassen wird.39

Wie auch bei kostenpflichtigen Apps ist auch hier zu berücksichtigen, dass sich einige AppStores eine Art Rückrufrecht vorbehalten, um Schadsoftware von den Endgeräten automatisch entfernen zu können. Auch bei kostenlosen Apps spielt das aber keine entscheidende Rolle: Im Grundsatz sollen die Apps dauerhaft überlassen werden – nur in engen Ausnahmefällen soll es aus Sicherheitsgründen möglich sein, schadhafte Apps wieder entfernen zu können.

32

Problematisch ist allerdings, dass bei einer Schenkung in aller Regel eine Vermögensverschiebung stattfinden muss. Durch die Vermögensvermehrung auf Seiten des Beschenkten, muss eine Vermögensminderung beim Schenker eintreten.40 Kurz: Der Schenker muss ärmer werden.41 Das ist beim Vertrieb von Software als Download jedoch selten der Fall: Die Vervielfältigung ist in beliebiger Zahl möglich, sie kostet nichts und ein reiner Download mindert damit nicht das Vermögen des Schenkers.42 Auch der bloße Verzicht auf einen Vermögenserwerb – etwa der Verzicht darauf, für eine App Geld zu verlangen – reicht nicht aus.43 Teile der Literatur schließen daher das Schenkungsrecht für den kostenlosen Vertrieb von Software aus.44

Die wohl herrschende Meinung wendet nichtsdestotrotz das Schenkungsvertragsrecht auch auf den Vertrieb von Free- und Open Source Software an.45 Die Entreicherung des Schenkers bestehe in der Übertragung der Nutzungsrechte. Das Schenkungsrecht verweise in § 523 Abs. 2 S. 2 BGB auf das Kaufrecht – und dieses stellt wiederum Sach- und Rechtskauf gleich. Dementsprechend komme es nicht darauf an, ob eine Software auf einem Datenträger oder nur in Form eines Nutzungsrechtes übergeben werde.46 Bildlich dargestellt: Der Schenker verfügt über einen „Pool“ an Nutzungsrechten, von denen er eines dem Beschenkten überlässt. Dies soll als Vermögensverschiebung ausreichen, um auch bei der Übertragung von Lizenzen eine Schenkung annehmen zu können.

33

Es lässt sich zusammenfassen: Nach herrschender Meinung stellt der kostenlose Vertrieb von Apps eine Schenkung iSv § 516 BGB dar. Das wirkt sich vor allem auf die Haftungssituation aus: Nach § 521 BGB hat der Schenker nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, Gewährleistungsrechte gelten nach § 524 BGB nur bei arglistigem Verschweigen. Wer keine Gegenleistung für die App erhält, ist im Gegenzug also auch weitgehend aus der Haftung befreit.

13Ganz von der Hand zu weisen sind die dogmatischen Bedenken jedoch nicht. Tatsächlich lässt sich bei der Übertragung von Nutzungsrechten kaum von einer klassischen Vermögensverschiebung sprechen. Der Urheber kann einfache Nutzungsrechte in unbegrenzter Zahl übertragen. Überlässt er ein einfaches Nutzungsrecht einem Dritten, stellt dies also keine Vermögensminderung dar – das Nutzungsrecht „verschwindet“ nicht aus seinem Vermögen.

34

Dennoch sprechen die überzeugenderen Argumente dafür, den kostenlosen Vertrieb von Apps als Schenkung anzusehen. Ob eine Software als Datenträger oder als Download vertrieben wird, kann für die Abgrenzung des Vertragstypes keinen Unterschied machen. Andernfalls könnte ein und dieselbe Software unterschiedlichen Vertragsregeln unterliegen – je nach Verbreitungsweg. Das ist jedoch ersichtlich nicht gewollt: Im Kaufrecht hat der Gesetzgeber Sach- und Rechtskauf gleichgestellt, um eine solche vertragliche Zersplitterung zu vermeiden. Es ist nicht einzusehen, warum im Schenkungsrecht Anderes gelten sollte. So lässt es sich dann auch rechtfertigen, ein individualisiertes Nutzungsrecht nicht als Teil des generellen Verfügungsrechts eines Urhebers über sein Werk zu betrachten, sondern als vermögenswertes Recht, das sich nach der Überlassung an einen Dritten nicht mehr im Vermögen des Rechteinhabers befindet.

35

Auch die rechtlichen Konsequenzen erscheinen sachdienlich: Wer etwas verschenkt, haftet nur in Ausnahmefällen, dies regeln die §§ 516ff. Ein Grundsatz, der nicht nur juristische Wurzeln hat: „Dem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul“, sagt der Volksmund. Bei keinem anderen Vertragstypus geht die gesetzliche Privilegierung eines Vertragsteils derart weit und kein anderer Vertragstyp entspricht dieser Interessenlage.

III. Abgrenzungsfragen

36

Doch Apps lassen sich nicht immer eindeutig in die Kategorie „kostenlos“ und „kostenpflichtig“ einordnen. So gibt es verschiedene Mischformen, bei denen sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können.

Viele Apps werden etwa kostenlos überlassen, finanzieren sich jedoch über Werbeanzeigen innerhalb der App. Stellt in diesem Fall die Nutzung der App, bzw. das Aufrufen der Werbeanzeigen eine Gegenleistung dar, die eine Schenkung ausschließen würde? In den meisten Fällen wird man auch bei Werbefinanzierung eine Schenkung annehmen können. Denn der Erwerber einer App wird in keinem Fall verpflichtet, die App zu nutzen, bzw. die Werbeanzeigen anzuschauen oder gar anzuklicken. Denn der bloße Wunsch einer Gegenleistung schließt eine Schenkung nicht aus.47 Auch die Tatsache, dass der App-Anbieter mit dem kostenlosen Vertrieb kommerzielle Interessen verfolgt, steht dem nicht entgegen.

37

Ein weiteres Abgrenzungsproblem ergibt sich bei Apps, die als Freemium-Version verbreitet werden. Die Basisversion der App ist also kostenlos, gegen Bezahlung lassen sich aber Zusatzfunktionen oder andere Extras erwerben. Hier stellt sich die Frage, ob die App immer noch unentgeltlich, also ohne Gegenleistung, angeboten wird. Hier ist zu bedenken, dass die Interessenlage eine andere ist, als bei vollständig kostenlosen Apps. Bei letzteren ist die Haftung des App-Anbieters auf ein Minimum beschränkt – 14der Endnutzer musste schließlich auch keine Gegenleistung erbringen. Anders ist die Lage aber bei Freemium-Apps. Hier muss der Nutzer zwar für die Basisversion auch nichts bezahlen, er investiert aber unter Umständen später in die Nutzung der App.

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In Rechtsprechung und Literatur ist diese Frage bislang noch nicht behandelt worden. Hier bietet es sich an, zu differenzieren: So kann das Überlassen der Basisversion als Schenkung betrachtet werden, der Zukauf von Premium-Funktionen wiederum als Kauf- oder Dienstvertrag. Für die Basisversion würden dann nur sehr eingeschränkte Gewährleistungsrechte bestehen, für die Premium-Features dafür im normalen gesetzlichen Rahmen. Dabei gilt es zu bedenken: Das Schenkungsrecht privilegiert den Schenker – wer etwas verschenkt, soll nicht auch noch voll dafür haften. Gleichzeitig ist der Beschenkte nur begrenzt schutzwürdig. Er hat schließlich keine Leistung erbracht. Auf kostenlose Apps ist diese Konstellation gut übertragbar, auf Freemium-Modelle aber nicht unbedingt. Der Nutzer hat zwar die Basis-App kostenlos erhalten, anschließend aber unter Umständen schutzwürdige Investitionen in Premium-Features getätigt. Zumindest im Hinblick auf diese erworbenen Zusatzinhalte kann der Nutzer also nicht schutzlos gestellt werden.

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Denkbar wäre es auch, in diesem Fall für die gesamte App einen Kaufvertrag anzunehmen; nämlich dann, wenn die Gegenleistung für die App nur zeitlich nach hinten verlagert wurde. Etwa bei Testversionen oder wenn bestimmte Features im weiteren Verlauf der Nutzung zwingend erworben werden müssen (beispielsweise bei einem Spiel, das nicht weiter nutzbar ist, wenn man keine Premium-Funktion nachbucht). Zumindest dann, wenn die App vergleichbar mit Shareware-Software ist, entspräche ein Kaufvertrag auch dem bisherigen Meinungsstand48 im IT-Recht. Diese Lösung erscheint allerdings nur in diesen speziellen Sonderfällen sinnvoll.

IV. Zusammenfassung

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Beim Vertrieb von kostenpflichtigen Apps handelt es sich in aller Regel um einen Kaufvertrag. Wird eine App kostenlos bereitgestellt, um eine Schenkung. Letztere Ansicht ist zwar durchaus umstritten, im Ergebnis sprechen jedoch gute Gründe dafür, eine Schenkung anzunehmen. Wird eine App mit Freemium-Geschäftsmodell angeboten, muss zwischen der kostenlosen Basis-Version und den kostenpflichtigen Zusatzinhalten differenziert werden. Unter besonderen Umständen kann auch dann ein Kaufvertrag vorliegen, wenn die eigentliche App kostenfrei ist, vorausgesetzt die App ist so gestaltet, dass der Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt zwangsläufig einen Kauf tätigen muss, um die App weiter zu nutzen.

B. Der Vertrag zwischen AppStore und Endnutzer

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Mit wem geht der Endnutzer einen Vertrag ein, wenn er eine App herunterlädt und installiert? Besteht das Vertragsverhältnis zwischen dem Nutzer und dem Anbieter der App? Oder schließt der Nutzer einen Vertrag mit dem Betreiber des AppStores? Die 15Antworten auf diese Fragen haben weitreichende Folgen – nicht nur im Hinblick auf die Pflichten dem Endnutzer gegenüber, sondern auch auf die Vertragsbeziehungen zwischen App-Anbieter und dem AppStore. Vor allen anderen Rechtsfragen muss deshalb die vertragliche Situation dem Endkunden gegenüber geklärt werden. Auch mehrere Jahre nach Erscheinen der Erstauflage dieses Buches hat sich zu dieser Problematik nur wenig geändert. Teilweise haben die AppStores reagiert und ihre Regelwerke angepasst. Tatsächlich wirken sich die Änderungen aber nur in begrenztem Maße auf die Frage nach dem Vertragspartner aus (dazu sogleich).

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Die naheliegendste Vertragskonstellation wäre ein Vertrag zwischen dem Nutzer und dem App-Anbieter – der Nutzer kauft die App von demjenigen, der sie auch entwickelt und in den AppStore eingestellt hat. Erster Anhaltspunkt für diese Ansicht sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der AppStores. Deutlich formulieren dies – nachwievor – die „iTunes Store Bedingungen“49 von Apple. Dort heißt es unter „Nutzung der Produkte und der Stores“:

„Wenn Sie ein Produkt von iTunes gekauft haben, begründet die Lizenz eine bindende Vereinbarung zwischen Ihnen und dem Veröffentlicher des Produktes […]“

Unter „Lizenz für die Produkte aus dem […] AppStore“ heißt es weiter:

„Es gibt folgende zwei (2) Kategorien von AppStore Produkten: (i) solche AppStore Produkte, die von Apple entwickelt wurden […] und (ii) solche AppStore Produkte, die von Dritt-Entwicklern entwickelt wurden […]. Sie wissen, dass, wenn Sie ein Dritt-Produkt von iTunes erwerben, Sie eine bindende Vereinbarung direkt mit dem Veröffentlicher des Dritt-Produktes abschließen […]; iTunes ist nicht Partei der Lizenzvereinbarung zwischen Ihnen und dem Veröffentlicher bezüglich dieses Dritt-Produktes.“

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Nicht ganz so ausführlich war dies noch 2012 in den „Google Play-Nutzungsbedingungen“50 geregelt. Dort hieß es unter 1.2:

„Einige dieser Produkte können von Google angeboten werden, während andere von Dritten, die nicht mit Google verbunden sind, verfügbar gemacht werden.“

Bei Google Play war die Formulierung damit bedeutend schwammiger. Denn das „Anbieten“ bzw. „Verfügbarmachen“ von Apps sagt nicht zwingend etwas darüber aus, mit wem ein Vertragsverhältnis bestehen soll.

Mittlerweile51 hat Google jedoch reagiert und die eigenen Nutzungsbedingungen klarer gefasst. Unter Ziffer 2 heißt es dort nun:

„Jedes Mal, wenn Sie „Inhalte“ […] bei Google Play erwerben, gehen Sie einen separaten Vertrag ein mit entweder:

  1. Google Commerce Limited auf der Grundlage der Nutzungsbedingungen (soweit anwendbar); oder
  1. 16im Falle von Zeitschriften und nur falls entsprechend gekennzeichnet, mit dem Anbieter der Inhalte („Anbieter“), wobei Google diesen vertritt; oder
  2. im Falle von Android Apps mit dem jeweiligen Anbieter der App.

Dieser separate Vertrag […] besteht zusätzlich zu Ihrem Vertrag mit Google Inc. Für die Nutzung des Dienstes auf Grundlage dieser Google Play Nutzungsbedingungen.“

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Reicht das aus, um einen Vertrag zwischen App-Anbieter und Nutzer anzunehmen? Für den Nutzer ergibt sich möglicherweise dennoch ein anderes Bild: Ihm gegenüber tritt ausschließlich der Betreiber des AppStores auf. Der AppStore stellt nicht nur die Plattform, über die die App angeboten wird, sondern übernimmt darüber hinaus auch Abrechnung, Auslieferung und Installation der App.

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In der juristischen Literatur werden hier verschiedene Ansichten vertreten. So geht Kremer in einer relativ frühen Veröffentlichung im Jahr 2011 davon aus, dass bei der Abwicklung eines App-Kaufs einzig der Betreiber des AppStores als Handelnder in Erscheinung tritt. Die bloße Erwähnung des „Entwicklers“ reiche nicht aus, damit Endkunden ihn als Vertragspartner wahrnehmen können.52 Im Ergebnis gleich, aber mit anderer Begründung sieht es Feldmann: Der Nutzer nehme die AppStores als Marktplatz wahr, ähnlich wie eBay oder Amazon Marketplace. Auch bei der Abwicklung der Bezahlung trete der Betreiber eher als technischer Dienstleister, denn als Vertragspartner auf. Der durchschnittliche Verbraucher gehe daher davon aus, direkt einen Vertrag mit dem App-Anbieter, dem „Entwickler“, zu schließen. Allerdings gelangt Feldmann letztlich doch zu dem Ergebnis, dass tatsächlich ein Vertrag mit dem Betreiber des AppStores vorliege: Die Nutzerperspektive sei falsch. Vielmehr sprächen die Verträge zwischen dem AppStore und dem Anbieter dafür, dass kein direkter Vertrag zwischen Nutzer und Anbieter zustande kommen solle.53 Dieser Betrachtungsweise schließt sich auch Lachenmann an.54Degmair kritisiert allerdings zu Recht, dass allein auf den objektiven Empfängerhorizont abgestellt werden müsse, das Innenverhältnis für das Vertragsverhältnis mit dem Nutzer folglich nicht berücksichtigt werden dürfe.55 Sowohl Degmair als auch Marly schließen sich dabei im Wesentlichen der hier im Folgenden näher dargestellten Ansicht an, dass es auf die Auslegung der Willenserklärungen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ankommt.56 Ob nun der AppStore Betreiber oder der Anbieter Vertragspartner des Nutzers ist, hängt daher von der konkreten Gestaltung des App-Vertriebs ab und kann nicht pauschal beantwortet werden.

I. Zustandekommen des Vertrages

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Bevor man zu der Frage der Auslegung gelangt, gilt es, bei den eigentlichen Willenserklärungen genau zu differenzieren. Wie genau kommt der Vertrag eigentlich zustande? Worin genau bestehen die auszulegenden Willenserklärungen?

17Generell gilt: Das bloße Anbieten eines Produktes stellt keine Willenserklärung, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum, eine Einladung zum Angebot dar.57 Wird beispielsweise ein Produkt in einem Online-Shop angeboten, kommt der Kaufvertrag in aller Regel nicht schon durch die Bestellung durch den Kunden, sondern erst durch Annahme des Shop-Betreibers zustande. Diese kann in einer (automatischen58) Bestellbestätigung bestehen oder im Zusenden der Ware.

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Anders verhält es sich regelmäßig bei vollautomatischen Systemen. Soll also ein Vertrag vollständig automatisch abgewickelt werden, ohne dass es noch einer Annahmeerklärung bedarf, liegt ein genereller Geschäftswille vor59, der Betreiber der Software erklärt ein Angebot an jedermann60. Der Vertrag kommt also bereits durch die Bestellung – oder genereller: durch die Interaktion des Nutzers – zustande. Eine Annahmeerklärung ist nicht mehr erforderlich. Anerkannt ist diese Konstruktion bei Automaten, die Waren gegen Einwurf von Geld ausgeben. Aber auch bei Software kann ein solches Angebot an jedermann vorliegen, wenn diese den Bestellprozess bestimmungsgemäß so abwickeln soll, dass es keiner Annahmeerklärung mehr bedarf.61

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Ob eine invitatio ad offerendum oder ein Angebot an jedermann vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommt es vor allem auf die Gestaltung der Verkaufsplattform an. Bei herkömmlichen Online-Shops, bei denen reale Güter verkauft werden, geht man üblicherweise davon aus, dass der Betreiber lediglich seine Produkte anpreisen will. Schließlich hat der Verkäufer ein berechtigtes Interesse daran, ein Kaufangebot auch auszuschlagen – etwa wenn die Ware vergriffen ist. Selbst wenn der Vertragsschluss nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Shops geregelt ist, wird man daher davon ausgehen können, dass der Betreiber keinesfalls schon mit dem Einstellen des Produktes in die Shop-Software ein verbindliches Vertragsangebot abgeben wollte.

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Anders kann es hingegen beim Vertrieb virtueller Güter aussehen. Ist der komplette Kaufprozess vollautomatisch gestaltet und besteht keinerlei Notwendigkeit und Interesse des Anbieters, in den Prozess eingreifen zu müssen, spricht viel für ein Angebot an jedermann. Hier kommt es jedoch sehr auf die Details an: Was ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt? Wie genau ist der Bestellprozess gestaltet? Handelt es sich um Massenprodukte oder sehr spezielle Software? All diese Faktoren können bei der Auslegung eine Rolle spielen.

49a

In Ziffer 4 der Google Play Nutzungsbedingungen heißt es beispielsweise:

„Ihr Vertrag für den kostenpflichtigen Erwerb und die Nutzung von Inhalten wird abgeschlossen, sobald Sie von Google eine Bestätigungs-E-Mail erhalten. Die Erfüllung des Vertrags beginnt, sobald der Erwerbsvorgang abgeschlossen ist.“

Auf den ersten Blick wirkt es folglich, als ob Google in dem Einstellen der Apps in den Play Store lediglich eine invitatio ad offerendum sähe und die Bestätigungs-E-Mail damit die Annahme auf den Antrag des Nutzers darstellen würde. Es ist aber 18fraglich, ob diese Klausel wirksam wäre und zumindest zweifelhaft, ob dies von Google tatsächlich so gewollt sein kann.

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Zum einen könnte sich die Unwirksamkeit daraus ergeben, dass die tatsächliche Gestaltung des Vertragsschlusses aus dem objektiven Empfängerhorizont etwas anderes suggeriert, sodass man eine überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB annehmen könnte. Zum anderen könnte die Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen, da gemäß § 150 Abs. 1 BGB die verspätete Annahme eines Antrags als neuer Antrag gilt, die Klausel dies jedoch nicht aufgreift. Das ist vor allem deshalb kritisch, weil von dem Erhalt der E-Mail gesprochen wird. Der Erhalt kann jedoch beispielsweise schon dadurch fehlschlagen, dass das Postfach des Nutzers voll ist. Dann läge kein Erhalt vor, bzw. möglicherweise ein verspäteter Erhalt sobald das Postfach wieder aufnahmefähig wäre. Der verspätete Erhalt würde aber nach § 150 Abs. 1 BGB dazu führen, dass die Annahme von Google zu einem neuen Antrag würde, den der Nutzer seinerseits wieder annehmen müsste. Dies kann von Google wohl kaum gewollt sein, zumal Google auch davon ausgeht, dass die Erfüllung des Vertrages beginnt, sobald der Erwerbsvorgang abgeschlossen ist. Faktisch beginnt jedoch die Erfüllung des Vertrages mit Klick auf „Kaufen“ bzw. „Installieren“. Die Regelung als invitatio ad offerendum hätte für Google also zur Folge, dass sie den Vertrag erfüllt hätten, bevor er nach eigener Auffassung zustandegekommen wäre.

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Entscheidend ist daher vor allem die genaue Gestaltung des AppStores, um zu ermitteln, welche Variante des Vertragsschlusses vorliegt. Aktuell spricht einiges dafür, ein Angebot an jedermann62 anzunehmen: Der komplette Prozess des Erwerbs einer App ist vollautomatisiert. Mit Klick auf einen Button bestätigt der Nutzer den Kauf, seine Kreditkarte wird mit dem fälligen Betrag belastet und der Download der App beginnt. Ersichtlich ist es nicht gewollt, dass zusätzlich eine Annahmeerklärung – ob durch den AppStore oder den App-Anbieter – erfolgen soll. Vielmehr soll die Frage, ob ein Vertrag über den Kauf einer App zustande kommen soll, einzig in den Händen des Nutzers liegen. Folgt man dieser Ansicht, besteht die Angebotserklärung zum Kauf der App also bereits im Einstellen der App in den AppStore. Indem der Nutzer auf den Button zum Kauf einer App klickt, erklärt er die Annahme dieses Angebots.63

Doch auch eine invitatio ad offerendum lässt sich gut vertreten. In diesem Fall bestünde das Angebot im Klick des Buttons durch den Nutzer, die Annahme bestünde in der Bestellbestätigung, die die AppStore-Betreiber per E-Mail versenden. Auch eine konkludente Annahme durch Bereitstellung des Downloads ist denkbar.

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