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Nr. 11

 

Auf dem Wandelstern

 

Perry Rhodan erreicht die phantastische Welt – ein Drahtzieher kämpft um seinen Plan

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Während die Lage in der Milchstraße eigentlich friedlich erscheint, entwickelt sich im Kugelsternhaufen Thantur-Lok – den die Terraner als M 13 bezeichnen – ein unerklärlicher Konflikt. »Dunkle Befehle« erschüttern das mächtige Kristallimperium der Arkoniden, sie lösen einen Amoklauf unter den Bewohnern aus. Raumschiffe attackieren sich gegenseitig, Planeten werden angegriffen. Wenn sich die Kämpfe ausweiten, ist der Friede in der gesamten Galaxis bedroht.

Doch Perry Rhodan ist den Drahtziehern des Plans der ARK-SUMMIA-Bewegung auf der Spur. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky sowie Sahira, eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nach wie vor wenig weiß.

Auf der arkonidischen Prüfungswelt Iprasa haben die drei ein uraltes Portal durchschritten und dabei einen Einblick in die tiefe Vergangenheit erhalten. Dieser hat einige ihrer Fragen beantwortet – weitere Antworten erhoffen sie sich AUF DEM WANDELSTERN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner sucht Sidhars Erben.

Sahira Saedelaere – Alaska Saedelaeres Tochter erkennt ihr Schicksal.

Gucky – Der Ilt trifft die kristalline Harmonie.

Rantom da Traversan – Der Sohn des Nert wird zum Feind.

1.

Der Wandelstern

15. Juni 1402 NGZ

 

Perry Rhodan schlug die Augen auf. »Das ist nicht das Portal!«

Taumelnd kam er auf die Beine und entdeckte neben sich seine Begleiter Sahira Saedelaere und Gucky, die unversehrt waren. Sie setzten sich soeben auf und sahen verwirrt zu ihm hoch.

»Geht es euch gut?«

»Mir schwirrt der Kopf ...«, antwortete die jahrhundertealte Frau in dem Mädchenkörper, deren Blick sich nur langsam klärte. »Als hätte ich soeben ein ganzes Leben auf wenige Sekunden komprimiert durcheilt ...«

»Sidhars Leben?«

»Ja.«

»Dann haben wir wohl alle dieselbe Geschichte erzählt bekommen.« Gucky rieb sich die großen runden Ohren. »Mir geht es wie Sahira – sehr viel Input in kürzester Zeit, da schwirrt einem der Kopf. Vor allem die geistige Zerrüttung ... das ist ... schwierig.«

Die Dreierstimme des Gijahportals von Iprasa hatte ihnen die Geschichte des Hirtenjungen Sidhar, des Gründers der ARK SUMMIA, übermittelt, und dadurch einige Antworten auf ihre Fragen gegeben. Sidhar hatte zwei Maschinen gebaut – und eine davon gab aktuell den Arkoniden mit aktiviertem Extrasinn die dunklen Befehle.

»Ihr müsst so schnell wie möglich auf emotionale Distanz gehen«, empfahl Rhodan. »Bedeutend ist: Wir sind einen Schritt weiter.«

Er hielt Sahira die Hand entgegen, die sie ergriff und sie ließ sich hochziehen. Eine Geste, die angesichts ihrer jugendlichen körperlichen Konstitution nicht erforderlich war, aber Verbundenheit und Nähe schuf.

»Wie es scheint«, fügte Rhodan hinzu, »haben wir den Wandelstern erreicht.«

»Iprasa ist das jedenfalls nicht mehr«, stimmte Gucky mit leiser Ironie in der Stimme zu.

Sahira sah sich um. »Es ist faszinierend«, bemerkte sie staunend. Wenn eine Feststellung dieser Art von jemandem kam, der einst mit den Nocturnen getanzt hatte und sein Leben rückwärts lebte, sollte das etwas heißen.

 

*

 

Sie befanden sich auf einer Welt, die nur aus Kristall bestand – oder aber sie waren zur Winzigkeit zusammengeschrumpft und standen in einer mindestens mannsgroßen Druse.

»Das wäre es doch«, sagte Gucky trocken. »Wenn jetzt gleich wolfsgroße Flöhe ankommen, um uns zu vernaschen, wissen wir, woran wir sind.«

Das Rötliche überwog bei den Farben, doch sahen sie auch Schattierungen von zartem Rosa bis zu tiefem Violett. Die vielfältigen geometrischen Formen der Kristalle waren kaum aufzuzählen, mit ihren Schichten und Auswüchsen bildeten sie abwechslungsreiche Landschaften. Schmale Pfade wanden sich zwischen Stachelhecken hindurch, Hügel wogten auf und ab wie in der Zeit erstarrte Wellen eines Meeres. Hinzu kamen höhere Erhebungen, die in ihren kristallinen Auswüchsen als Türme, Mauern, sogar als blattlose, geometrische Bäume gedeutet werden konnten. Richtung Horizont türmten sich die Hügel zu bizarren Gebirgen auf, schroff und mit verschieden großen Obelisken, Prismen, Quadern, Polyhexagonen kreuz und quer aufgetürmt.

Über das kristalline Reich wölbte sich ein blasser, leicht violett schimmernder, von glitzernden Schlieren durchzogener Himmel, der einigermaßen Licht spendete, weich und ein wenig verschlafen wie zu Beginn der Morgendämmerung.

Es konnte keine Jahreszeiten geben, keinen Wind, keine Sterne, keinen Mond und keine Sonne, denn der Wandelstern wurde nicht von ungefähr so bezeichnet – er befand sich im Zustand der permanenten Semi-Transition und war somit dem normalen Universum entrückt und auf direktem Wege unerreichbar. Zumindest war ihnen das in ihrer Vision so vermittelt worden.

Es existierten nur drei Gijahportale, durch die man hierhergelangen konnte, und jedes bestand aus einer mannsgroßen Geode aus Kristall, mit der die Bewusstseine von zwei Gijahthrakos und einer Feuerfrau verschmolzen waren.

Selbst wenn man eines der Portale entdeckte, war noch lange nicht gesagt, dass der Zutritt auch gewährt wurde – zuerst fand eine eindringliche Befragung statt. Anhand der Beantwortung wurde entschieden, ob der Transport durchgeführt wurde. Rhodan und seine beiden Begleiter waren ganz offensichtlich für würdig erachtet worden, den Wandelstern zu betreten.

Den Transport selbst hatte keiner von ihnen wahrgenommen, sie hatten sich übergangslos am Ziel wiedergefunden. Die Anzüge hatten sich nicht automatisch geschlossen.

Guckys schwarze Knopfnase bewegte sich, als würde er wittern, seine Brust hob und senkte sich intensiv. »Die Atmosphäre ist sehr angenehm ...«

Sie atmeten eine wie speziell auf ihre Verhältnisse abgestimmte, mit dem richtigen Gehalt an Sauerstoff angereicherte Luft, angewärmt auf etwas über zwanzig Grad Celsius, sehr trocken, aber ohne die empfindlichen respiratorischen Epithele zu reizen.

Rhodan zeigte keinen Sinn für Schwärmerei. »Gucky, ich scanne mit dem Anzugsystem die Umgegend, übernimm du den mentalen Part«, bat er, während er auf die Anzeigen an seinem Armband blickte.

Die Mikropositronik gab nach Auswertung der Messdaten akustisch Auskunft, dass die Kristallkruste zwischen einem halben und mehreren Metern dick war. Was darunter lag, konnte nicht festgestellt werden, und auch nicht, wie Atmosphäre und Lichtverhältnisse erzeugt wurden. Lediglich der Status der Semi-Transition wurde bestätigt. Die Position des Wandelsterns konnte dadurch jedoch nicht ermittelt werden.

Nüchterne Erkenntnisse, die nicht weiterhalfen. Perry Rhodan war frustriert – und musste feststellen, dass seine beiden Begleiter schmerzverzerrte Gesichter hatten.

 

*

 

Rhodans vordringliche Sorge galt Sahira Saedelaere, die mit einem schwachen Seufzen die Augen verdrehte und zusammenzusinken drohte. Er fing sie auf und stützte das zierliche Mädchen, dessen Gewicht er kaum im Arm spürte.

Sahira rieb sich die Stirn. »Es geht schon wieder«, murmelte sie. »Tut mir leid ...«

»Was redest du für einen Unsinn?«, unterbrach der Terraner fast unwirsch. »Du bist eine sehr starke Frau. Diese Schwäche hat einen ernsten Grund.«

Die Mikropositronik von Sahiras SERUN meldete stark erhöhten Puls, und sie stand kurz vor der Hyperventilation. Dabei hatte sie sich bisher alles andere als labil gezeigt. Das Anzugsystem empfahl ein Beruhigungsmittel, aber Rhodan wollte nicht sofort zu drastischen Mitteln greifen. Er war sicher, dass die junge Frau sich auch so wieder unter Kontrolle bekam.

»Es ist nur ... diese Wucht«, stieß sie abgehackt hervor. »Wie ... wie können die Arkoniden das ertragen ...?«

»Hast du Schmerzen?«

»Nur das Echo davon, zum Glück. Wie ein Nachhall. Meine Fünf-D-Sinne empfangen jetzt ungefiltert die dunklen Befehle. Viel klarer und deutlicher als auf Glynth oder Iprasa.«

Sie blickte aus geweiteten Augen zu Rhodan hoch. »Es macht mir Angst, Perry. Diese Befehle ... sie bedeuten Tod und Vernichtung, es scheint mir fast wie ... wie brennender Hass ... ich kann es nicht erklären, warum ich das so fühle ...«

»Atme langsam und gleichmäßig«, sagte der Terraner in beruhigendem Tonfall. »Lass zu, dass du die Befehle auffangen kannst, aber stelle dich als reinen Zuschauer vor, aus weiter Distanz. Wenn es zu viel wird, lass dich einfach fallen, ich halte dich.«

Sahira schloss halb die Augen, lehnte sich tatsächlich vertrauensvoll an ihn, und kurz darauf beruhigte sich ihr Pulsschlag und pendelte sich auf einem leicht erhöhten, aber unbedenklichen Niveau ein. Sie atmete normal, und in ihren dunklen Augen lag keine Furcht mehr, als sie die Lider erneut hob.

Schwach lächelte sie und nickte dem Terraner zu. »Es geht wieder. Danke.«

Rhodan verstand und ließ sie los.

»Die Endphase hat begonnen«, berichtete Sahira. »Im Arkonsystem herrscht Ausnahmezustand. Die Befehlshaber stehen kurz vor der Eröffnung der Schlacht, doch immer mehr Besatzungen meutern und greifen sie an. Tote und Verletzte, explodierende Schiffe. Der Druck der dunklen Befehle nimmt dadurch nur noch mehr zu. Erbarmungslos. Gnadenlos. Die Übernommenen haben keine Chance, sie müssen gehorchen, ansonsten ...«

Ihr Blick flackerte kurz, und sie schluckte. »... explodieren förmlich ihre Gehirne ...«, schloss sie wispernd.

»Wenn du diese Befehle so stark wahrnehmen kannst ...«, setzte Perry zu einer Vermutung an.

Sahira nickte. »... werden sie von hier kommen«, vollendete sie den Satz. »Vom Wandelstern. Wir haben wohl das Ziel erreicht.«

»So hat man es uns auch unterwegs mitgeteilt. Sidhar hatte eine Weiße und eine Schwarze Maschine erschaffen.«

»Und die Schwarze Maschine ist immer noch hier.«

Rhodan fuhr sich durch die dunkelblonden Haare und rieb sich dann das Kinn. »Nach all den Tausenden Jahren hat jemand den Wandelstern gefunden und die Schwarze Maschine. Er hat herausgefunden, welche Macht sie bietet – und es verstanden, diese Macht für sich zu nutzen.«

Sahira hob die Arme und drehte den Oberkörper. »Diese Person ist hier. Steuert die Maschine und durch sie die Träger des Extrasinns, wie ein Marionettenspieler seine Puppen.«

»Einschließlich des Imperators und ...« Der Terraner sprach nicht weiter, der Name wollte ihm nicht über die Lippen, es schmerzte ihn zu sehr. Langsam ballte er die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. »Wir müssen die Maschine finden und zerstören oder zumindest desaktivieren. Wer sie steuert, ist momentan sogar zweitrangig – demjenigen oder derjenigen werden wir uns anschließend widmen.«

»Die Suche nach der Schwarzen Maschine könnte ein bisschen kompliziert werden«, meldete sich da Gucky mit dünner Stimme zu Wort.

 

*

 

Erst jetzt fand der Terraner die Zeit, sich um den jahrtausendelangen Freund zu kümmern, dessen geringe Größe nicht über den scharfen Verstand und die außerordentlichen Mutantenfähigkeiten hinwegtäuschen durfte. Der Ilt sah verknittert aus, das Kopffell wirkte struppig und glanzlos. Die Anstrengung stand ihm in das pfiffige kleine Gesicht geschrieben, und im Moment schien er nicht einmal zu einem flapsigen Spruch fähig.

»He, Kleiner«, sagte Rhodan besorgt und streichelte ihn leicht hinter den Ohren, um ihn zu beruhigen. »So erlebe ich dich selten.«

»Es sind so viele«, flüsterte Gucky. »Und ich kann sie nicht auseinanderhalten ... sie stürmen ungefiltert auf mich ein, es ist ein einziges Chaos ...«

Mit stockender Stimme berichtete er, dass er Tausende, wenn nicht Hunderttausende Gedanken wahrnahm, die alle ungehindert auf ihn einprasselten. Es gelang ihm weder, sie abzuschirmen noch einzelne Gedankengänge herauszufiltern, um einen verständlichen Sinn zu erhalten. Es ging alles wirr und chaotisch durcheinander, schwappte herum wie eine Mixtur verschiedener Flüssigkeiten, die heftig geschüttelt wurde, um die jeweiligen Molekülketten aufzubrechen und miteinander zu vermischen, jedoch nicht neu zusammenzufügen.

»Ein stürmisches Unwetter, der schlimmste Orkan, Tornado, Blizzard, Taifun und alles, was du dir an Katastrophen ausdenken kannst, zusammengenommen.«

»Ich kann es mir jetzt ungefähr vorstellen.«

»Nein, kannst du nicht. Selbst wenn du vierzig Holofilme in vierzig Sprachen gleichzeitig bei voller Lautstärke anschauen würdest, wären das immer noch zehn Prozent dessen, was da in meinem Kopf herumrauscht. Ich espere gar nicht, es ist da, ob ich will oder nicht, Mentalstabilisierung hin oder her, ich kann es nicht abschalten.«

Gucky presste sich die kleinen Hände gegen die Ohren. »Das ist genauso unmöglich wie dieser ganze Planet hier mit seinem Zustand, seinem Licht und der Atmosphäre und allem.«

Sahira starrte hinunter und hob einen Fuß. »Dann ... dann stehen wir auf den Gijahthrakos?«

»Du hast es erfasst«, piepste Gucky. »Diese ganze Mineralkruste hier, jeder Kristall, den wir sehen, ob mikroskopisch klein oder groß wie ein Berg, das alles sind die Gijahthrakos. Ich weiß nicht, wie viele von ihnen. Sie haben die perfekte Harmonie des Miteinanders gefunden, ihre Gedanken fließen ineinander und bilden eine Art Schwarmintelligenz, obwohl jeder von ihnen trotzdem ein Individuum bleibt. Aber sie spüren einander und teilen jede Sekunde, egal über welche Distanz hinweg. Es geschieht alles gleichzeitig, eigene Gedanken und der Zusammenfluss aller.«

»Sie haben gelernt, damit umzugehen, ohne im Chaos zu versinken ...«

»Ja, was für mich ein einziges Durcheinander ist, ist für sie harmonische Ordnung, jeder ist an seinem Platz und gleichzeitig überall. Und das Wichtigste ... ich kann keine negativen Strömungen erkennen, es ist alles ... wie soll ich es euch entsprechend verdeutlichen ... wattewarm

Der Mausbiber schluckte und starrte seine beiden Begleiter an. »Wenn ich nicht meinen Verstand dabei verlieren würde, wäre das eines der schönsten Erlebnisse, die ich jemals hatte.«

»Aber was meintest du damit, dass die Suche nach der Schwarzen Maschine schwierig werden könnte?«, fragte Sahira konsterniert. »Sicher, wir wissen nicht, wo sie ist und wie wir mit der Suche ansetzen sollen, doch das hast du nicht gemeint, oder?«

»Nein. Und ich kann keine Worte formulieren, weil ich – wie gesagt – keinen zusammenhängenden Gedanken erfassen kann. Aber ich kann etwas spüren. Sie wissen, dass wir hier sind. Es ist fast wie ein leichtes Vibrieren unter meinen Füßen.«

Sahira ging unwillkürlich einen Schritt zurück, auf einen von den schmalen Wegen zwischen den Kristallen hindurch, der weniger kristallin erschien.

»Und ...?«, hakte Rhodan nach, obwohl er sich die Antwort denken konnte.

»Ich glaube, die Bewohner dieser Welt haben etwas dagegen, dass wir hier sind. Friedlich hin oder her, sie mögen es nicht, gestört zu werden.«

2.

Traversan

9. November 1376 NGZ

 

Aus den historischen Aufzeichnungen Traversans, 21484 da Ark: Mit großer Freude verkünden Imchar III. und Endra da Orbanaschol, geborene da Jacinta, die Geburt von Zwillingssöhnen. Sie gelten als die Hoffnungsträger des Khasurns und werden entsprechend ab ihrem ersten Prago auf eine bedeutende Laufbahn vorbereitet.

 

*

 

»Nein, nein, nein!«, rief der alte Bauchaufschneider Xantham und weigerte sich, vor das Holo zu treten, in dem sich Imchars III. markantes Gesicht zeigte. »Wir wollen jetzt nicht gestört werden, und wir werden es auch nicht, auf gar keinen Fall! Wir teilen es mit, wenn es so weit ist, und ...«

»Schon gut«, tönte es aus dem Lautsprecher. »Ich habe verstanden und werde mich gedulden.«

»Das wird auch gut sein! Es ist so weit, wenn es so weit ist! Ende der Verbindung!«

Xantham war der angesehenste Bauchaufschneider des vierten Planeten im Brysch-Sektor. Der Sternhaufen lag zwölftausend Lichtjahre von Arkon entfernt und damit zwar einigermaßen zentral gelegen innerhalb des Imperiums, verharrte jedoch strategisch und politisch in Bedeutungslosigkeit.

Gerade deswegen empfand der werdende Vater, der Familienpatriarch Imchar III., es als besonders wichtig, dem Khasurn durch die Geburt seiner Söhne neuen Glanz zu verleihen und ihn Zug um Zug an den Hof zurückzuführen.

Dabei wollte er nichts dem Zufall überlassen – und genau hier stieß er auf Widerstand. Endra entstammte dem Tai-Khasurn Jacinta, der zwar bei den Medien durch seine Unauffälligkeit nicht sonderlich viel Beachtung fand, aber auf wirtschaftlicher Ebene einige mächtige und einflussreiche Positionen innehatte und vor allem aus dem Hintergrund heraus agierte.

Die Jacinta betätigten sich nicht politisch, dennoch waren sie an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt. Sie lieferten vor allem dem Militär Bauteile für die Kriegsschiffe, ebenso Positroniken. Sie waren bodenständige, sich auf ihren Verstand verlassende Arkoniden, die sich nicht sonderlich für ausschweifende Genüsse, Intrigenspiele und sonstige Abwechslungen des Hochadels bei Hofe interessierten, sondern für alles, was greif- und formbar war – angefangen bei Erzen, endend bei hoch spezialisierten positronischen Bauteilen für Steuersysteme, Antriebe und vieles mehr. Sie waren Tüftler und Erfinder und besaßen durch viele Patente einen beachtlichen Reichtum, ohne dass es jemandem auffiel, da sie sich im Hintergrund hielten.

Abgesehen von wirtschaftlichen Mitbewerben gab es darüber hinaus keine Konkurrenten oder Neider in Bezug auf ihren Status, sie wurden eher ein wenig belächelt. Die Position als Mittlerer Adel war bei allen Khasurnen unbeliebt – von oben verachtet, von unten geneidet.

Imchar III. hatte alles andere als Heiratsabsichten gehegt, als er einer Einladung Seiner Millionenäugigen Erhabenheit an den Hof gefolgt war, wie es sie in regelmäßigen Abständen für alle wichtigen Vertreter der Khasurne gab: eine Massenveranstaltung mit ungefähr zweitausend Gästen, die bis zu vier Pragos dauerte und Gelegenheit bot, jeden auszuspionieren, neue Geschäfte anzubahnen, Feinde auszuloten – und Bündnisse einzugehen.

Hier waren sich Imchar und Endra begegnet, und sie hatten schneller geheiratet, als ihre Familien überhaupt Zeit gehabt hatten, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen, Vorteile oder Nachteile eine Verbindung der beiden Khasurne haben mochte. Imchar hatte gerade nach dem Tod seines Vaters die Führung des Khasurns Orbanaschol übernommen und keine Brautschau im Sinn gehabt – aber ab dem Moment am ersten Prago des Festes, da die zehn Jahre jüngere Endra ihm vorgestellt worden war, änderte sich alles. Er lud sie ein, mit ihm spazieren zu gehen, und offenbarte ihr dabei schon seinen Ehrgeiz und vieles mehr, was er als Zukunft für seine Familie plante.