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© 2017 JUMBO Neue Medien & Verlag GmbH, Hamburg

Die deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

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Inhalt

Familie Janssen

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

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Der Wind fegte über den Deich wie der fauchende Atem eines wütenden Drachen, der dem Meer entstiegen war. Es war, als würde eine riesige unsichtbare Hand nach der alten Villa Janssen greifen und sie schütteln. Wie unterwürfige Diener verneigten sich die Bäume vor dem majestätischen Sturm in dieser Nacht. Dachpfannen segelten wie Papier durch die Luft und zerschellten am Boden.

Lukas konnte nicht schlafen. Er liebte den Sturm und die raue Nordsee. Es zog ihn geradezu magisch nach draußen.

Zu gerne hätte er sich das Naturschauspiel auf dem Deichkamm angesehen.

Mama Sarah war entschieden dagegen.

Frierend stand sie im Schlafanzug bei ihren Kindern und rieb sich die Oberarme.

„Bist du verrückt, Lukas? Du kannst jetzt nicht da raus. Das ist lebensgefährlich“, sagte sie. „Dir kann eine Dachpfanne auf den Kopf fallen oder ein Ast.“

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Emma kroch aus ihrem Bett. Am liebsten hätte sie sich etwas Warmes angezogen und wäre mit Lukas zum Meer gelaufen.

Andererseits wusste sie, dass ihre Mutter recht hatte.

„Okay, Mama“, seufzte Emma. „Dann dürfen wir aber morgen auf den Deich, ja?“

„Erst morgen?!“, protestierte Lukas. „Da ist die Sturmflut ja vorbei. Ich will jetzt raus!“ Sarah Janssen schüttelte den Kopf.

„Nichts da! Lasst uns lieber eine Runde durchs Haus gehen und nachsehen, ob alle Fenster und Türen verschlossen sind.“

Draußen fiel ein großer Ast aufs Dach und rollte scheppernd hinunter.

Ängstlich blickte Emma zur Decke.

„Das hört sich an, als würde da oben ein Einbrecher herumlaufen.“

Es rumpelte laut und etwas krachte zu Boden.

Lukas grinste. „Wenn das ein Einbrecher ist, dann ist er jetzt vom Dach gefallen.“

In diesem Moment zerbrach klirrend die Fensterscheibe. Unzählige Glasscherben verteilten sich im Kinderzimmer.

„Zieht schnell eure Hausschuhe an!“, rief Mama Sarah. „Nicht, dass ihr noch in die Scherben tretet.“ Der Wind fegte durchs Zimmer. Regen peitschte ihnen ins Gesicht. „Oje!“, rief Sarah. „Schnell, wir brauchen einen Pappkarton, Nägel und einen Hammer!“

Emma rannte ins Detektivbüro und kehrte kurze Zeit später mit der Pappe und dem Werkzeug zurück. Sarah und Emma hielten den Karton vors Fenster und Lukas nagelte ihn am Fensterrahmen fest. Papa Mick bekam von alldem nichts mit. Er hatte an seinem neuen Roman geschrieben und war dabei eingeschlafen.

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Laut schnarchend träumte er davon, ein berühmter Schriftsteller zu werden.

Draußen bogen sich die Bäume im Wind.

Astgabeln knickten wie Streichhölzer ab und aktivierten die Alarmanlage in Kunschewskis Garten. Die Flutlichtscheinwerfer sprangen an und es wurde taghell.

Kunschewskis neuer, großer Wachhund, der das Grundstück verteidigen sollte, jaulte vor Angst auf und verkroch sich unter dem Bett.

„Stell dich nicht so an, Hasso!“, schimpfte Kunschewski. „Du bist kein Meerschweinchen, sondern ein Wachhund.“

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Für die beiden Gangster Lang und Finger waren der Sturm und der Starkregen ein Geschenk des Himmels. Das Gefängnis, in dem die beiden einsaßen, war völlig überschwemmt. In der Justizvollzugsanstalt war sogar der Strom ausgefallen.

Die Toiletten liefen über und das Abwasser überflutete die Zellen. Auf den Gängen standen die Gefängniswärter knöcheltief im Wasser.

Finger war begeistert und sah nach oben zur Decke. „Lass es noch mehr regnen, lieber Gott“, bat er.

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Lang hielt sich die Nase zu. „Sag mal, bist du bescheuert, du Knalltüte? Das Abwasser stinkt wie Sau!“

Finger spottete: „Du kapierst auch gar nichts, du Schwachkopf. Willst du hier wirklich drei Jahre einsitzen? Ich jedenfalls nicht.“

„Wieso denn nicht?“ Lang zuckte mit den Schultern. „Hier drinnen ist es warm und die kochen tausendmal besser als du. Außerdem will ich nicht noch mal draußen auf irgendwelchen Parkbänken übernachten.“

„Mach doch, was du willst!“, brummte Finger. „Ich hau jedenfalls heute Nacht ab.“

„Ja, und wie?“, wollte Lang wissen. „Hier ist doch alles elektronisch gesichert.“

„Ach ja? Dann mach doch mal das Licht an“, sagte Finger.

„Wie soll das denn gehen?“, fragte Lang.

„Der Strom ist doch ausgefallen.“

„Eben, du Schnellmerker! Dann funktioniert auch die Alarmanlage nicht …“

Ein Wärter riss die Zellentür auf. „Los, ihr zwei! Ihr müsst mit anpacken. Der ganze Knast säuft uns ab.“

Lang und Finger guckten sich an. „Und was genau sollen wir machen?“, fragte Finger.

„Säcke mit Sand befüllen!“, antwortete der Wärter. „Damit dichten wir dann alles ab.“

„Warum das denn?!“, stöhnte Lang.

„Frag nicht so blöd!“, schimpfte der Beamte. „Tu, was ich dir sage. Ich bringe euch runter zu den anderen Gefangenen.

Dort stehen die Laster mit dem Sand.

Und jetzt bewegt euch, bevor das Regenwasser die ganze Küche lahmlegt.“

Finger beugte sich verschwörerisch zu Lang hinüber und raunte in sein Ohr: „Das wird unsere große Chance heute Nacht. Wann sollen wir abhauen, wenn nicht jetzt?“

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Papa Mick hatte prächtig geschlafen und bereitete ein leckeres Frühstück für seine Familie zu. Er wollte Sarah, Emma und Lukas mit seinen berühmten KrabbenRühreiern überraschen. Mick schlug sechs Eier in eine Schüssel und verrührte sie mit einem Schneebesen. Er hackte Zwiebeln in kleine Stücke. Krabben und Speck brutzelten schon in der Pfanne.

Auf Radio Nordseewelle kamen gerade die Nachrichten. Acht Häftlinge waren letzte Nacht während des heftigen Sturms aus der Justizvollzugsanstalt geflohen.

„Was für ein Sturm soll das denn gewesen sein?“, fragte sich Mick, denn er hatte ja alles verschlafen. Er gab die Zwiebeln zu dem Speck und den Krabben in die Pfanne. Dann goss er die Eier dazu.

„Kinder! Sarah!“, rief er fröhlich. „Wo bleibt ihr denn? Das Frühstück ist fertig. Ein neuer Tag beginnt und die Sonne lacht.“

Wenig später schlurfte Lukas im Schlafanzug die Treppe herunter. „Mann … Warum schreist du denn so rum, Papa? Es ist Wochenende“, maulte er. Gähnend kam Emma hinterher. „Mmh!“, schwärmte sie. „Das riecht aber lecker, Papa.“

„Kinder, ich muss euch unbedingt von meinem Traum erzählen!“, freute sich Mick.

„Mein neuer Roman war ein Riesenerfolg. Die Schaufenster der Buchhandlung waren voll mit meinen Büchern. Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung. Und wisst ihr, was das für uns bedeutet?“

Die Kinder guckten sich an und zuckten mit den Schultern.

„Jede Menge Geld!“, antwortete Mick.

Sarah kam in die Küche. „Prima, Schatz!“, sagte sie und zwinkerte Emma und Lukas zu. „Dann können wir auch die Sturmschäden von letzter Nacht reparieren lassen. Also, falls dein Traum wahr wird … Uns ist fast das halbe Dach weggeflogen.“

Sofort lief Papa Mick nach draußen, Emma und Lukas folgten ihm. Im Garten lagen überall zerbrochene Dachpfannen.

Die Regenrinne war abgeknickt und hing an einer Seite herunter.

„Papa, das kriegen wir wieder hin!“, sagte Emma. Lukas nickte. „Wir helfen dir, alles zu reparieren.“

„Das ist nett von euch!“, sagte Mick Janssen. „Ich fürchte nur, da muss ein Fachmann ran. Ich rufe später Peter Grendel an.“

Emma streckte die Nase in die Luft.

Es roch verbrannt. „Oje, Papa! Deine berühmten Rühreier …“

Mick rannte zurück in die Küche und nahm die qualmende Pfanne vom Herd.

„So ein Mist!“, schimpfte er.

In der Nähe der alten Villa saßen Lang und Finger hinter einem Busch und beobachteten Emma und Lukas. Dabei ließen sich die beiden Gangster die belegten Brötchen schmecken, die sie im Café ten Cate in Norden geklaut hatten.

„Die Salami ist so gut, ich könnte drin baden“, schwärmte Finger.

Lang tippte sich an die Stirn. „In Salami kann man nicht baden, du Volltrottel.“

„Sei leise, du Doofkopf!“, schimpfte Finger.

„Oder willst du etwa, dass uns die Kinder hören? Wegen der beiden Rotzlöffel sind wir in den Knast gewandert.“

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Lang leckte sich Butter von der Unterlippe.

„Stimmt, dann lass uns lieber abhauen!“ Finger schüttelte den Kopf. „Abhauen? Ich will es denen heimzahlen!“

„Bist du blöd?!“, maulte Lang. „Die beiden sind echt gefährlich.“

In diesem Moment lief Kunschewskis riesiger Wachhund hinter den Busch.

Lang, der selbst vor Dackeln und Pudeln Angst hatte, stand erschrocken auf.

Als Hasso an ihm hochsprang und ihm über das Gesicht leckte, verlor er das Gleichgewicht und fiel auf den Hintern.

Das Salamibrötchen landete auf dem Boden. Das war ein gefundenes Fressen für den Wachhund.

Finger grinste. „Dem schmeckt dein Brötchen auch.“

„Hasso! Hasso! Wo bleibst du denn? Hierher!“, hörten sie Kunschewski brüllen.

„Der Köter ist noch schlechter erzogen als diese Janssen-Kinder“, brummte der Nachbar ärgerlich.

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Die Wolken hatten sich verzogen. Wie so oft nach heftigen Stürmen war es ein besonders klarer und schöner Tag.