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Inhalt

Zum Geleit

»Ich sehe mich als verwirrten Linken.« Götz George über Schimanski, die Polizei und die Politik

„Am Anfang hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen.“ Ein Besuch bei Eberhard Feik

Ohne Busch­trommeln. „Gastarbeiter-Literatur“

Ein Kicker-Tag. Notizen vom Schlachtfeld

Die am lautesten schreien, sind am wenigsten gefährdet. Die „Anti-Antifa“ veröffentlicht eine „Fahndungsliste“ ihrer Gegner

„Kurzhaarige junge Herren“ Klaus Farin im Gespräch mit Mariam Niroumand

Zur Abwechslung mal Punks. Chaostage in Hannover

Terror der Idioten Oder: Wie Antifas ein antifaschistisches Skinheadfestival verhinderten

Wie weit ist der Weg nach Deutschland?

Mobile Jugendarbeit – Zwischen professionellem Handeln und sozialer Feuerwehr?

Zur Misere der deutschen Jugendforschung. „Einmal einen Heitmeyer in deutscher Übersetzung lesen …“

Jugendkulturen und Drogen

Mitwirkung und Partizipation - wollen Jugendliche das überhaupt?

Die Körperidee in Jugendkulturen

Kein Refugium für Couch-Potatoes. Die ästhetische Praxis in Jugendkulturen

Die Wieder­gänger des Untertan

Hassgesänge - Homophobie im Musikbusiness

„HipHop ist die letzte große Jugendkultur“

Fünf Thesen über die Jugend und andere Krankheiten

„Politisch intendierte Gewalt muss auch politisch vermittelbar sein.“ Der Staat, die Autonomen und der Archivar der Jugendfrisuren

Sind Jugendkulturen eigentlich Jungenkulturen? Ein genderorientierter Einblick in Jugendkulturen und Gewalt

„Heimat ist das Thema unserer Zeit.“ Ein Gespräch über Frei.Wild und Deutschrock

What the fuck, Menschheit?!

Stadt - Land - Flucht

Die Jugend

Zum Geleit

Immer wieder geschieht es nach Vorträgen oder Diskussionsveranstaltungen, dass der eine oder die andere interessierte Zuhörer_in mit der heiklen Frage auf mich zukommt: Wo kann man das denn nachlesen, was Sie gerade erzählt haben …? Es wäre natürlich schön, wenn ich dann einfach dem Veranstalter mein zerknittertes Manuskript in die Hand drücken könnte: Bitte 20-mal kopieren. Doch leider habe ich nie ein Manuskript bei meinen Vorträgen. Nur manchmal, in Universitäten oder vor besonders hochkarätigem professoralen Publikum, nehme ich einen kleinen Stapel Papier mit auf die Bühne, irgendwelche, meist leere Blätter, weil ich weiß, dann wird das, was ich gleich erzählen werde, sofort ernster genommen. Dabei gibt es nichts Langweiligeres für das Publikum als vom Blatt abgelesene Referate (außer vielleicht, man lässt das Publikum auch noch via Power Point den Vortragstext zeitgleich mitlesen). Meines Erachtens sollten Professor_innen und andere Lehrende, die nicht in der Lage sind, ihren Stoff spannend, in freier Rede und ohne Power-Point-Krücke zu vermitteln, zu Schulungen zwangsverpflichtet werden. Bildung, die nicht spannend, aufregend, provozierend, unterhaltend daherkommt, verpufft wirkungslos, nicht nur bei der durch Bilder geprägten Jugend. Es reicht nicht, Inhalte vermitteln zu wollen, man muss sie auch vermitteln können, wenn man möchte, dass sie ankommen. So trage ich grundsätzlich nur vor, was ich im Kopf habe. Anfragen zu Themen, bei denen ich noch schriftliche Gedächtnisstützen bräuchte, bescheide ich prinzipiell negativ – und beschäftige mich manchmal dennoch weiter mit dem Thema, um dann vielleicht ein Jahr später bei der gleichen Anfrage zuzusagen …

Trotzdem habe ich immer wieder Vorträge von mir mitgeschnitten oder Beiträge für Kongressdokumentationen oder Zeitschriften verschriftlichen müssen. In diesem Büchlein finden Sie nun eine kleine Auswahl davon – zu den am häufigsten gefragten Themen – zusammengestellt, ergänzt um einige – wie ich finde: heute noch sehr aktuelle – Kommentare und Kulturbeiträge.

Das Liebste an meiner journalistischen Arbeit war mir eigentlich nie das Schreiben, sondern das Führen von Interviews. Nicht nur, weil ich so als Kulturjournalist die Möglichkeit hatte, zahlreiche Künstler_innen, die ich mochte, persönlich zu treffen, wie etwa Herbert Grönemeyer und Ina Deter, Udo Lindenberg und Doro Pesch, Rio Reiser und Dietmar Schönherr, Joe Cocker und Rod Stewart, sondern vor allem, weil man dabei wirklich etwas lernte, andere Wirklichkeiten kennenlernte, während man beim Schreiben ja letztendlich nur reproduzierte, was man ohnehin schon im Kopf hatte. So habe ich als Tatort-Fan einmal die Gelegenheit genutzt, einige Tage an Dreharbeiten zu einem neuen Schimanski in Duisburg teilzunehmen. Dort konnte ich natürlich auch mit den beiden Hauptdarstellern Götz George und Eberhard Feik reden und mich mit ihnen für ausführlichere Interviews bei ihnen zu Hause verabreden. Beide haben mich sehr beeindruckt und angenehm überrascht. So hat etwa das Interview mit Götz George in seiner Villa in Zehlendorf viel länger gedauert als vereinbart, und abends lud er uns – mich und den Fotografen Marco Saß – ein, ihn noch auf einen Absacker in seine Stammkneipe zu begleiten. Dort konnten wir dann noch ein, zwei Bierchen mit ihm und Manfred Krug trinken. Beide sind leider schon verstorben. Götz George wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden, Eberhard Feik starb schon im Oktober 1994 im Alter von nur 50 Jahren. Die beiden Interviews habe ich auch in diesen Band aufgenommen.

Möge die Auswahl unterhaltsam und anregend sein und mir zukünftig einige Stunden zusätzlicher Freizeit verschaffen.

In diesem Sinne wünscht viel Vergnügen

Klaus Farin, Dierhagen im Februar 2018

»Ich sehe mich als verwirrten Linken.«

Götz George über Schimanski, die Polizei und die Politik

„Ein guter Filmproduzent wittert das gute Thema, ein Redakteur wittert nur Gefahr.“

Gibt es grundlegende Unterschiede zwischen dem Schimanski im Kino und dem TV-Schimanski?

Du kannst nicht völlig aus der vorgegebenen Rolle ausbrechen. Was wir machen konnten, ist, ihn suspendieren zu lassen, damit er freie Hand hat und nicht als deutscher Beamter durch die Gegend laufen muss. Im Fernsehen geht das natürlich nicht, da bekommst du sofort von der Bild eine reingewürgt, die sind ja die Gralshüter deutscher Moral. Aber im Kino geht das eben. Da hast du weniger Zuschauer, da darfst du frecher sein. Dann hat der Film ein höheres Budget, etwa 4,5 Millionen. Die brauchst du, um mehr Action aufzufahren. Allerdings haben wir nicht versucht, mit Rambo zu konkurrieren. Wir haben uns mehr auf innere Action konzentriert, den Verfall des Bullen gezeigt, aber auch seinen Gerechtigkeitssinn. Denn das lieben die Leute ja an Schimanski: dass er immer wieder auf die Schnauze fällt mit seinem extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der nicht immer identisch ist mit den herkömmlichen Vorschriften und Regeln. Mit so einem Gerechtigkeitssinn zu leben, heute in der BRD, bedeutet, mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das finde ich spannender als herkömmliche Action, denn so wird einiges aufgezeigt von der Situation hier im Land. Bei jedem Schimanski-Tatort ist ja irgendein soziales Moment drin. Im Kinofilm wird das besonders stark herausgearbeitet. Ich bin zwar kein besonders politischer Mann, nicht wie Eberhard Feik, der ja durch und durch ein Revoluzzer ist, aber in unserem Beruf kann man, weil eben Millionen die Filme sehen, einiges bewirken, wenn man ein Thema nicht so flach behandelt. Gerade in Duisburg, im Ruhrpott, sind soziale Probleme angesagt. Wenn du dort drehst, musst du dich einfach damit auseinandersetzen.

Bei den Dreharbeiten warst du noch sehr skeptisch. Das Drehbuch wäre keine Sensation.

Das war’s auch nicht. Aber wir haben es dreimal umgeschrieben und dann war ich damit als Basis einverstanden.

In Zahn um Zahn wird Schimanski Opfer einer rüden „Sonder­behandlung“ der Polizei. Allerdings in Marseille. Wäre es möglich, im Tatort entsprechende Methoden der deutschen Polizei aufzugreifen?

Ich glaube nicht. Aber ich würde es sehr befürworten. Natürlich müssten wir bloßlegen, was innerhalb der Polizei passiert, innerhalb dieses ganzen Staatsapparates. Undercover-Agenten, agents provocateurs, BKA – da bewegt sich doch fast alles in der Illegalität. Aber es kommt in der Regel nicht heraus, was da an Überschreitungen stattfindet. Da müssen sich schon Bullen direkt an die Autobahn stellen und abkassieren. Die Aufklärungsquote ist ja das Maß aller Dinge. Wer weiterkommen will, muss was vorweisen können. Dann der Druck der Presse, eines bestimmten Teils der Presse. Dass es so zu illegalen Maßnahmen kommt, ist logisch. Natürlich versuchen wir, das aufzugreifen. Im Film beispielsweise wollten wir unter die Rocker, die sich zu Beginn mit der Polizei eine Straßenschlacht liefern, ein paar agents provocateurs einschleusen, die Randale machen, um einzuheizen. Ich hätte einen im Rockerkostüm angesprochen, Mensch, dich kenn ich doch, du bist doch ein Kollege. Eine tolle Szene, aber die Poli­zei sagte, das ist nicht machbar, nicht mit uns.

Welchen Einfluss hatte denn die Polizei auf die Dreharbeiten?

Wir sind in Duisburg natürlich auf die Zusammenarbeit mit dem Polizeiapparat angewiesen. Ohne deren Unterstützung kannst du einen Tatort nicht machen. Also bekommen sie vorher die Drehbücher und haben ein Mitspracherecht, was die Darstellung ihres Polizeiapparates betrifft. Und in dem Moment, wo agents provocateurs oder Undercover-Agenten im Drehbuch stehen, verweigert die Polizei sofort ihre Unterstützung.

Schimanski wird also als nützlich angesehen für die Imagewerbung der Polizei?

Nicht unbedingt. Vor allem seine Ermittlungsmethoden sind doch so eigenwillig, dass man als Bürger schon Angst bekommen kann vor der Polizei. Wenn Schimanski nicht anklopft, sondern gleich die Tür eintritt, lässt sich wohl eine gewisse Schrecksekunde nicht vermeiden. Natürlich ist es vorprogrammiert, wie weit er gehen kann. Er wird immer wieder von Thanner oder anderen gebremst. Und er hat die Fähigkeit, sich zu entschuldigen, Buße zu tun. So sorgt die Dramaturgie des Drehbuchs schon dafür, dass der Rahmen des Öffentlich-Rechtlichen nicht gesprengt wird. Ich plädiere oft für viel extremere Situationen, weil ich meine, man muss einen Menschen auch im völligen Umkippen zeigen. Aber da komme ich nicht durch. Im Film kannst du natürlich mehr bringen. Die ganzen Italo-Western leben ja davon, dass sie extrem übertreiben. Aber die Oberen des Öffentlich-Rechtlichen urteilen nicht danach, was sie sich selbst zumuten können, die denken immer sofort ans Publikum, das sie zugleich verachten und fürchten. Da könnte ja unter Umständen so ein alter Opa, Marke vorgestern, in seinem Wohnzimmer sitzen und denken, oh Gott, was passiert da mit unserem Staat.

In der Realität möchte ich dem Bullen Schimanski auch nicht begegnen.

Ich glaube, du hättest bei ihm eine viel größere Chance als bei anderen Bullen, denn er ist ja eher links gezeichnet, eine soziale Figur, einer, der eher scharf gegen die großen Bosse wird, sich aber immer auf die Seite der Minderheiten stellt. Obwohl die Verantwortlichen immer sagen, das ist eine Unterhaltungssendung und kein politisches Forum, aber det seh ick nich ein. Wir erreichen 15 bis 20 Millionen Zuschauer, und da ist so ein bisschen politischer Unterricht als Zugabe schon ganz jut.

Du hättest den Tatort gerne politischer?

Ich hätte gerne einen richtigen Polit-Thriller. Das wäre mein Wunschtraum. Deshalb hab ich auch ein eigenes Drehbuch geschrieben, in dem es um Neonazis ging, weil ich finde, dass der normale Deutsche einfach viel zu wenig von dieser Szene weiß. Die sind sogar akzeptiert, wenn sie nicht gerade das Oktoberfest mit ’ner Bombe stören. Ich wollte darin auch eine Demonstration zeigen und wie die Bullen mit ihren Videokameras die ganze Szene abfilmen. Das hat schließlich mit unserer politischen Landschaft zu tun; das gibt es, also wollte ich es zeigen. Auch Ausschreitungen der Polizei und wie sie gedeckt werden. Ich hatte eine Szene drin, wo der Schimanski selbst als Ziviler von seinen uniformierten Kollegen eins aufs Maul kriegt. Aber ich sollte das dann alles umschreiben, und da ich diesen Prozess des Umschreibens kenne – am Ende ist alles raus, was dir am Herzen lag –, habe ich gesagt, so oder gar nicht, und damit war’s gar nicht. Aber ich denke, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die wissen ja schließlich, dass sie mich motivieren müssen, weiterzumachen. Und es ist ja nicht so, dass ich beruflich den Tatort brauche, um als Schauspieler zu existieren. Aber mir ist bei der Sache wieder einmal der Unterschied zwischen Film und Fernsehen aufgegangen. Ein guter Filmproduzent wittert das gute Thema, ein Redakteur wittert nur Gefahr. Der hat immer Angst, seinen Sessel zu verlieren.

Sind Kinoproduzenten also engagierter als Fernseh­produzenten?

Nein. Aber ihr Kriterium, ob ein Stoff taugt, ist der Gewinn, den sie sich damit versprechen. Deshalb sind im Kino auch provokante Themen möglich – wenn sie Action zu bieten haben. Als Autorenfilm, der nur engagiert ist, aber nicht als Action-Thriller produziert werden kann, hast du in Deutschland auch im Kino keine Chance. Wenn du überhaupt einen Produzenten findest, läuft der Film anschließend in den Kunstkinos, bekommt auch ’nen Bundesfilmpreis, spielt aber nichts ein. Die einzigen, die es sich heute leisten können, einen Krimi mit drei Personen in einem Büro handeln zu lassen, sind die Franzosen. Bei uns muss es im Kino brodeln.

Bis 1969 hast du 26 Kinofilme gedreht, steht in deiner Biographie, danach in 15 Jahren nur einen einzigen, Aus einem deutschen Leben, über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß. Wie kam das, dass ausgerechnet in einer Zeit, in der sich politisch und im Film endlich was tat, bei dir Funkstille eintrat?

Ich war für die Newcomer, die den deutschen Film umstürzen wollten, nur ein alter Opa. Ich hab ja meinen ersten Film 1958 gemacht und bekam dafür gleich den Deutschen Filmpreis und den Kritikerpreis. Dann habe ich die ganzen Karl-May-Filme gedreht, was mich für die Jungen natürlich sowieso abstempelte. Aber ich glaube, das hauptsächliche Problem dieser jungen Regisseure, mit einem wie mir zu arbeiten, war, dass es ja alles Laien waren. Natürlich hatten die auch Angst vor der Konfrontation mit Profis, dass ihnen plötzlich ein Schauspieler, der zehn, 15 Filme gedreht hat, sagt, dass das, was sie da gerade produzieren, Scheiße ist. Ich hab heute noch Probleme mit jungen Regisseuren, die absolut nicht wissen, wie sie sich artikulieren sollen. Wenn ihnen eine Szene nicht gefällt, sagen sie, mach doch mal anders. Sag ich: „Klar, mach ich, aber wie?“ – „Irgendwie“. Fassbinder hat mal bei mir angefragt, ob ich in einer Serie von ihm mitspielen will. Da wollte ich mit ihm über seine Bücher reden und der stand die ganze Zeit nur am Flipper und war überhaupt nicht in der Lage, darüber zu reden. Da hab ich abgesagt.

Ist Schimanski ein Rot-Grüner?

Ja, sicher. Die politische Couleur kriegt der schon allein durch seine Kleidung und sein rebellisches Auftreten. Und seine Handlungsweisen sind ja immer eindeutig. Auch seine Sprüche, die mir meist spontan einfallen oder die ich gemeinsam mit dem Eberhard noch einbaue. Er hat seine Freunde immer im kleinen Mief-Milieu. Es gibt auch kaum einen Schimanski-Tatort, wo nicht irgendein Nazi auftaucht, der „Heil Hitler!“ sagt und aus der Tür fliegt. Wir nehmen auch die Polizei hart ran. Die Bild regt sich ja regelmäßig auf, wenn ich wieder ein paar Bullen als Trachtengruppe bezeichnet habe.

Götz George und Schimanski sind auch hier einer Meinung?

Sicher. Früher SPD gewählt, dann alternativ, sobald es die gab, aber das war irgendwann auch nicht mehr das Wahre. Ich würde mich als verwirrten Linken bezeichnen, wobei ich, wenn man mich fragt, immer sage, ich bin unpolitisch. Denn wenn heute einer von mir ein politisches Statement zu irgendeiner aktuellen Sache erwartet, bin ich hilflos. Die Tagespolitik bekomme ich kaum mit. Während der Dreharbeiten habe ich einen 16-Stunden-Tag, da bleibt nicht die Zeit, mich mit anderen Dingen auseinanderzusetzen. Da fall ich abends nur müde ins Bett. Nach den Dreharbeiten fahre ich nach Sardinien, da schalt ich vollkommen ab, bereite mich auf die nächste Rolle vor. Außerdem gibt es da sowieso nur die Bild, und dieses Drecksblatt kaufe ich aus Prinzip nicht. Da komme ich dann aus Italien zurück und höre oder lese im Flieger wie neulich: Es gab in Mexiko ein schreckliches Erdbeben und in Deutschland ist Axel Springer gestorben – wobei eine der beiden Nachrichten natürlich ganz fürchterlich war. Politisch aufmerksam werde ich immer nur, wenn ich sehe, das kannst du irgendwie in eine Szene einbauen. Da muss ich auch die Produktion loben. Normalerweise wird ja ein Buch abgesegnet und dann darf daran nichts mehr geändert werden. Bei uns läuft das schon flexibler, ich entwickle viele Ideen spontan beim Dreh. Die segnen zwar ein Buch vorher ab, kriegen aber einen völlig anderen Film – und akzeptieren das. Aber deshalb fand ich auch unseren letzten Tatort Haus am Wald so langweilig. Der war nur auf Spannung gemacht, ohne irgendeinen sozialen Hintergrund. Deshalb hab ich mich mit dem Regisseur auch nicht vertragen und gesagt, ich hab keine Lust mehr, mit dem noch mal zu arbeiten. Ich möchte lieber politisch powern.

Könntest du dir vorstellen, wieder Wahlkampf zu machen wie 1972 für Willy Brandt?

Na logisch.

Für wen?

Na, da kommen ja nur SPD und die Grünen infrage. Denn es muss schon eine ernsthafte Partei sein, die auch regierungsfähig ist. Die Grünen geben wichtige Anstöße, aber ob sie auch in der Lage sind, diesen Apparat in den Griff zu kriegen, das weiß ich nicht. Das müssten sie aber, denn wir leben hier in einem vollkapitalistischen System, da braucht es zur Veränderung mehr als witzige Ideen. Wenn mich heute jemand fragt, würde ich sagen, ich gebe meine Stimme zwar ungern, aber doch der SPD. Aber die müssen mit den Grünen koalieren. Berlin ist natürlich eine besondere Situation, da ist die SPD so korrupt wie die CDU und eigentlich überhaupt nicht wählbar. Aber wir brauchen schon allein deshalb hier wieder eine SPD-Regierung, damit es eine weitere Annäherung mit der DDR gibt. Ich hab immer gearbeitet, meine Kohle verdient, hab mir ’n schönet Haus gebaut, aber engagier mich immer für die Kleenen. Hab ick immer gemacht, det is meine Denke. Deshalb bin ich im Herzen ein alter SPD-Mann geblieben. Aber ich trete nicht gerne auf. Das ist mir oft zu aufdringlich, wie manche Kollegen ihre politische Überzeugung verkaufen. Ich sag lieber, ich bin unpolitisch, und bringe klein, klein manchmal was unter.

Erstveröffentlicht in: Vorwärts vom 19. Oktober 1985