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Band 39/40

 

Welt am Abgrund

 

Wächter der Unsterblichkeit

 

Horst Hoffmann

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Menschen in den Weiten des Alls – sie müssen sich bewähren

Auf der Spur eines Spions gelangt der terranische Mutant Ras Tschubai zur Kolonialwelt Doomsday. Sie trägt ihren Namen durchaus zu Recht. Bevor er seinen Auftrag erfüllen kann, muss Tschubai sich mit der feindlichen Natur des Planeten auseinandersetzen – und um das Schicksal dieser Welt kämpfen, die einer doppelten Bedrohung ausgesetzt ist ...

 

Auf der Welt Lando im Andromedanebel lassen die mysteriösen Meister der Insel Bewohner des Planeten Erde in einer Art Zoo inhaftieren; sie wollen die Terraner studieren. Auch eine terranische Familie aus den fünfziger Jahren wird dorthin entführt. Langsam kommen die Menschen dem Geheimnis der Welt auf die Spur – und in Kontakt mit deren Hüter ...

 

Die beiden Romane wurden von Horst Hoffmann verfasst und erstmals 1980 sowie 1992 veröffentlicht. Sie liefern wenig bekannte Hintergründe zu den Zyklus »Die Cappins« sowie »Die Meister der Insel«, die das dortige Geschehen abrunden.

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Buch

Welt am Abgrund

 

Zweites Buch

Wächter der Unsterblichkeit

 

 

 

Welt am Abgrund

 

Eine Kolonie des Solaren Imperiums im Würgegriff der Sternenreiche

Die Hölle von Doomsday

 

»Wenn ihr gekommen seid, um in dieser Zeit der Wirren auf einem gottvergessenen Planeten eine neue Heimat zu finden, Frieden und Ruhe für euch und eure Familien, dann beeilt euch, um das Schiff noch zu erwischen, bevor es ohne euch wieder abfliegt. Doomsday ist nicht die Welt, die ihr sucht.

Wenn aber einige unter euch wissen, worauf sie sich eingelassen haben, wenn sie bereit sind, in die Urwälder zu gehen, um sie zu roden oder in ihnen zu jagen und Fallen zu stellen, wenn sie es mit Kreaturen aufnehmen wollen, die die tiefste aller Höllen ausgespuckt hat, wenn sie gegen eine Welt zu kämpfen bereit sind, die uns Menschen jeden Tag von Neuem zu ersticken versucht, und sich klar darüber sind, dass ihre Lebenserwartung allenfalls ein paar Jahre beträgt, dann sollen sie bei uns bleiben und mit uns kämpfen.

Und eines noch: Wir haben uns nicht nur der Feinde auf Doomsday selbst zu erwehren, sondern auch jener, die von außen kommen werden, aus dem Weltraum, die gierig ihre Finger nach allen Welten ausstrecken, die ihnen Gewinn bringen können – nun, wo es keine Erde, kein Solsystem und keine Solare Flotte mehr gibt, die uns schützen.«

 

(Auszug aus der Standard-Begrüßungsrede des Regenten Tay E'Cuuna anlässlich der Landung eines Flüchtlingsschiffs auf Doomsday, 8. Januar 3432)

1.

 

Stace Maccabor steckte das Buschmesser in den Gürtel zurück und legte auch die schwere Büchse wieder an ihren Platz neben den Decken. Er setzte sich und blickte in die Dunkelheit.

Wir machen uns alle verrückt!, dachte er. Kein Mooner wagt sich in die Nähe der Leuchtpflanzen. Nicht bei Nacht.

Stace blieb wachsam. Schlaf würde er nicht finden. Er hatte etwas gehört, irgendwo im Dickicht zwischen den bläulich schimmernden Büschen. Wenn es keine Mooner waren, dann vielleicht Tiere, die wie die Mooner nachts aus ihren Löchern kamen und auf Beutefang gingen.

Am Tag jagten die Menschen – in der Nacht Doomsday.

Die Büchse griffbereit neben sich, nahm Maccabor eine Flasche vom Schlittenwagen und trank. Es war kalt, und kein Fallensteller, der alle Sinne beisammen hatte, machte in der Dunkelheit Feuer. Sie hatten andere Mittel, um sich zu wärmen – innerlich.

Es blieb still und Maccabor wachsam. Er hatte Jäger gekannt, die sterben mussten, weil sie nur einen Augenblick lang unachtsam gewesen waren.

Ein Tagesmarsch bis zur Niederlassung. Maccabor verfluchte die Tatsache, dass er seinen Partner im Streit an eine andere Gruppe verloren hatte und so nur langsam vorankam. Der Schlitten war mit Fellen, Hörnern und Beuteln schwer beladen, die Pfade durch die Wildnis zugewachsen.

Es war nicht das erste Mal, dass Stace aus dem Dschungel zurückkehrte, zu den verlorenen Außenposten dessen, was man auf Doomsday Zivilisation nannte.

Niemals hatte er sich so sehr nach dem Anblick der Baracken und Zäune gesehnt. Er hatte seine eigene Meinung zu den Gerüchten über einen Amoklauf der Mooner. Sie waren immer gefährlich. Wer diesen weiß bepelzten Halbmenschen in die Hände fiel, war verloren. So war es immer gewesen. Was sollte sich nun geändert haben?

Dennoch war Maccabor unruhiger als sonst. Er spürte, dass Unheil in der Luft lag, aber er wehrte sich gegen die Hysterie, der er beim Zusammentreffen mit anderen Jägern begegnet war.

Stunden vergingen, ohne dass etwas geschah. Keine glühenden Augen im Unterholz, kein Laut mehr. Maccabor glaubte schon, dass sich das, was um seinen Lagerplatz herumgestrichen war, verzogen hatte, als er den Schrei hörte.

Er fuhr ihm durch Mark und Bein. Stace sprang auf, das Gewehr im Anschlag.

Eine Frau schrie ganz in der Nähe. Sie schrie wie ein Mensch, der Schlimmeres als den Tod vor Augen hatte. Einen Moment war Stace wie gelähmt. Schon einmal hatte er jemanden so schreien gehört, auch eine Frau. Aber das war lange her.

Stace warf einen flüchtigen Blick auf den Schlitten mit dem gesamten Ertrag von fast einem Jahr Wildnis. Er unterdrückte einen Fluch und schlug sich in die Büsche. Jedes unnötige Geräusch vermeidend, arbeitete er sich durch Unterholz und die hohen, leuchtenden Rankengewächse, von denen die abergläubischen Mooner glaubten, dass in ihnen ihre Naturgeister lebten. Solange er sich dicht an ihnen hielt, war er sicher.

Das Schreien wurde lauter. Nun kamen andere Geräusche dazu. Stace erstarrte. Wieder fühlte er sich um Jahre zurückversetzt, und die Erinnerung trieb ihn vorwärts. Er begann zu laufen, teilte das Dickicht mit dem Messer und ignorierte die Dornenranken, die in sein Gesicht peitschten. Die Schreie brachen abrupt ab. Stace rannte. Er durfte nicht zu spät kommen! Nicht noch einmal!

Bäume und Büsche teilten sich. Eine Lichtung. Nur das fahle Licht des Mondes beschien die gespenstische Szene, die sich Maccabors Augen bot.

Mooner! Ein halbes Dutzend von ihnen!

Stace stieß einen Schrei aus und stürzte sich, ohne zu überlegen, auf die weißen, zottigen Gestalten mit den rot glühenden Augen. Seine Büchse krachte dreimal kurz hintereinander. Drei Halbmenschen stürzten zu Boden. Die anderen drei erfassten die Situation augenblicklich. Zwei zerrten die Frau in die Büsche. Der dritte stürzte sich auf den Jäger.

Stace empfing ihn mit dem Messer. Auch in der Faust des Mooners blitzte Stahl. Stace blockierte den Hieb mit dem linken Arm und schlug dem Gegner das Buschmesser in den Leib. Er stieß ihn von sich. Etwas in ihm machte fast übermenschliche Kräfte frei. Er war bei den anderen, bevor diese die Frau fallen lassen und sich verteidigen konnten. Stace streckte einen von ihnen mit zwei gezielten Faustschlägen gegen die Schläfe zu Boden. Die Frau schrie auf. Stace wirbelte herum und sah etwas auf sich zukommen. Ein furchtbarer Schlag traf ihn am Kopf. Er taumelte zurück. Der Mooner ließ ihm keine Zeit, zu sich zu kommen. Ein weiterer Schlag. Eine schwere Keule traf Maccabors Stirn. Sterne tanzten vor den Augen des Jägers. Er verfing sich mit dem Fuß in einer Wurzel und fiel. Benommen streckte Stace beide Hände aus und bekam den Gegner am Hals zu fassen, als dieser sich auf ihn warf. Er sah in die glühenden Augen, spürte, wie sich raue Finger gegen seine Kehle drückten. Stace versuchte, sich herumzuwälzen und die Beine hochzuziehen, um den Mooner abzuschütteln, doch der Halbmensch klammerte sich an ihn wie eine Katze.

Die Hand mit der Keule hob sich zum tödlichen Schlag. Maccabor ließ den Hals des Gegners los und griff nach dessen Arm. Stace bäumte sich mit all seiner Kraft auf und konnte den Mooner von sich kippen. Eng umschlungen wälzten sie sich über den Boden. Stace wusste, dass er im Nahkampf so gut wie keine Chance gegen dieses Wesen aus ungebändigter Wildheit hatte. Gelbe Reißzähne schlugen sich in seine Schulter. Der Mooner ließ die Keule fallen. Wieder gruben sich seine Klauen in Staces Hals. Der Jäger bekam keine Luft mehr. Er schlug nach dem Gegner, ohne auch nur die geringste Wirkung zu erzielen. Seine Kräfte erlahmten.

Stace sah die Keule wieder über sich. Doch der Mooner hatte beide Hände an seinem Hals.

Stace verriet sich durch seinen Blick. Der Mooner ließ von ihm ab, fuhr herum und war schon im Sprung, als ihn die massive Keule mit voller Wucht traf.

Noch halb aufgerichtet hockte er über Maccabor, als seine Augen erloschen. Blut rann von der Kopfwunde und sickerte in das weiße Fell. Stace schnappte nach Luft, bekam ein Bein frei und stieß den Toten von sich.

Die Frau starrte den Mooner ungläubig an, dann die Keule in ihrer Hand, als ob sie nicht glauben könnte, dass sie es gewesen war, deren Hand sie geführt hatte. Sie warf sie weit von sich.

Stace richtete sich unter Schmerzen auf und blickte die Fremde an.

Es ist Karba! Komm zu dir!

Maccabor schüttelte den Kopf. Er stützte sich auf und sah sich um. Sechs Mooner am Boden. Hier in der Nähe der Leuchtenden Felder, wo sie niemals hätten sein dürfen.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Stace sah in das Gesicht der Fremden. Sie war jung, viel jünger, als er erwartet hatte. Beulen und Schrammen zeugten von ihrem Kampf gegen die Halbmenschen. Ihre Fellbekleidung war an einigen Stellen zerrissen.

»Danke«, hörte er sich sagen. Er musste sich von der Erinnerung losreißen. Dies war nicht Karba! Nichts brachte die Gefährtin zurück.

»Du bedankst dich bei mir?« Die Fremde lachte hysterisch. »Wofür? Dass ich eine der Kreaturen ...?«

Stace gab sich einen Ruck. Er spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten. Er stand auf.

Im gleichen Augenblick ging eine Veränderung mit dem Mädchen vor. Erst jetzt schien sie sich ihrer Situation voll bewusst zu werden. Der Kampf hatte sie für Minuten abgelenkt. Sie schlug die Hände vor die Augen und begann zu schluchzen. Ihre Beine gaben nach. Stace fing sie auf, als sie fiel. Er legte sie sanft auf das Moos und sah in starre, blicklos in die Ferne gerichtete Augen.

»Es ist vorbei«, sagte er. »Vorbei, hörst du? Du lebst?«

»Ich lebe!«, schrie sie. »Aber die anderen! Sie sind bei ihnen! Sie ...!«

Stace wusste nicht, was diese Fremde, eine Jägerin wie er, Schreckliches erlebt hatte, bevor er ihr zu Hilfe kommen konnte, aber jetzt traf es sie mit voller Wucht. Ihre Lippen schlossen sich. Stace redete auf sie ein, immer eindringlicher, aber er erhielt keine Antwort mehr. Apathisch lag sie vor ihm und rührte sich nicht mehr.

Aus den Augenwinkeln heraus gewahrte er eine Bewegung. Er fuhr herum.

Der Mooner, den er nur durch Faustschläge betäubt hatte, versuchte sich davonzuschleichen. Stace war mit wenigen Schritten bei ihm, warf ihn auf den Rücken und setzte ihm die Knie auf die Schultergelenke.

Heißer Atem schlug ihm entgegen. Die Augen des Wesens waren wie glühende Kohlen, die ihn wild anfunkelten. Der Mooner schnappte nach Staces Händen, als er den Hals des Halbmenschen packte.

»Du verstehst mich!«, schrie der Jäger in der Sprache der Mooner. »Ich weiß, dass ihr uns versteht! Die Frau war nicht allein! Wo sind die anderen?«

Der Mooner röchelte und versuchte sich aufzubäumen. Stace hielt ihn fest umklammert. Er schlug mit der Faust in sein Gesicht.

»Du wirst reden!«, fuhr er ihn an, als er keine Antwort erhielt. Er sah sich schnell um. Noch war keine Bewegung um die Lichtung herum zu erkennen, aber falls das Mädchen die Wahrheit gesagt hatte, mussten sich weitere Mooner in unmittelbarer Nähe befinden. Stace wurde sich dessen bewusst, dass er hier wie auf einem Präsentierteller saß, aber wenn er schon nicht lebend aus dem Dschungel kommen sollte, wollte er zumindest wissen, warum nicht.

Stace sah sein Messer in Griffweite am Boden liegen. Er hob es blitzschnell auf und setzte es an den Hals des Mooners.

»Rede!«

Der Zottige schloss den Rachen. Sekundenlang sahen er und der Jäger sich stumm in die Augen. Ein kalter Schauer überlief Maccabor, der jahrelang in der Wildnis mit all ihren Gefahren gelebt hatte – in der Hölle dieses verwunschenen Planeten.

Dann kam Leben in den Halbmenschen.

»Alle Glatthäutigen werden geopfert, bevor der Mond achtmal versinkt!«

Bevor Stace eine weitere Frage stellen konnte, bäumte der Mooner sich erneut auf, riss den Kopf in die Höhe und schnitt sich selbst an Staces Buschmesser die Kehle durch, bevor der Jäger reagieren konnte.

Fassungslos sah Maccabor, wie die Augen des Wesens erloschen.

Die gezischten, kaum verständlichen Worte hallten in seinen Ohren nach. Wieder dachte Stace an das, was er von den anderen Jägern gehört hatte, und allmählich begriff er, dass es keine Gräuelmärchen gewesen waren.

Was ging im Dschungel vor?

Stace stand auf. Hier durfte er nicht bleiben. Er nahm die apathische junge Jägerin und warf sie sich über die Schulter. Mit dem Messer und der Büchse bahnte er sich den Weg zurück zu seinem Schlittenwagen.

Er legte das Mädchen ab, holte einen Schlauch mit Trinkwasser vom Schlitten und benetzte ihr Gesicht. Sie schlug die Augen auf. Schnell gab Stace ihr von seinem Schnaps zu trinken, bevor sie wieder in Hysterie verfallen konnte. Das selbst gebrannte Gebräu tat seine Wirkung.

»Und jetzt wirst du mir sagen, was los war. Wer sind diese anderen? Leben sie?«

Sie starrte ihn mit halb geöffnetem Mund an. Ihre Augen waren suchend. Sie schien noch immer nicht begreifen zu können, dass sie lebte.

»Wer ... wer bist du?«, fragte sie flüsternd. »Es kann keine Menschen mehr im Dschungel geben. Wir waren die letzten, die ...«

»Sehe ich aus wie ein Geist?«, fragte Stace ungehalten. Dabei dachte er daran, dass er tatsächlich für einen Fremden wenig vertrauenerweckend aussah. Sein dunkelbraunes Gesicht war voller Narben und blutiger Striemen von Dornenranken, die ihm in die Stirn und über die Wangen gepeitscht waren. Sein dunkelbraunes Haar hing ihm strähnig über die Schultern. Die Pelz- und Lederkleidung war schmutzig und zerrissen. Ein Mann von gut vierzig Jahren, vom Leben in der Wildnis geprägt.

Und dieses Mädchen war noch nicht sehr lange im Dschungel.

Er versuchte zu lächeln, was ihm angesichts seiner Lage gründlich misslang.

»Ich bin Stace Maccabor«, sagte er. »Auf dem Weg zur Niederlassung.«

Mit Fellen, Hörnern und Zähnen und Extrakten, die ihm genug einbringen könnten, um ein bequemes Leben in der Stadt zu führen, dachte er bitter. Er sprach es nicht aus, denn es war weit mehr als eine Ahnung, dass er den Schlitten nie mehr bis zur Niederlassung bringen würde.

»Maccabor?« Das Mädchen bekam große Augen. Für einen Moment vergaß sie ihre Situation, den Dschungel und die Mooner. »Stace Maccabor, der Wildläufer? Der Mann, der von ...?«

Stace winkte ab.

Hörte er Geräusche?

Wieder sah er sich um, eine Hand schnell auf den Mund des Mädchens gelegt. Keine glühenden Punkte im Dickicht, aber sie konnten da sein, sich anschleichen, auf leisen Sohlen ...

Was trieb sie in die Nähe der Leuchtenden Felder, in denen ihre Naturgeister wohnten, und die für jeden Mooner tabu waren – mit Ausnahme weniger Priester?

Stace ließ seine Hand auf dem Mund der Jägerin und betrachtete sie nun genauer. Dunkle Augen sahen ihn an. Das Mädchen war vielleicht 25 Jahre alt. Ihr langes, strähnig in die Stirn und über die Schultern hängendes Haar schimmerte im Mondlicht leicht silbern. Sie war trotz ihres rauen Gesichts auf eine besondere Art und Weise schön. Die schmalen, aufgesprungenen Lippen, die etwas zu weit auseinanderstehenden Augen.

Verdammt, sie war nicht Karba!

Dort, wo die Pelzkleidung aufgerissen war, sickerte Blut durch. Stace betrachtete die Wunden und reinigte sie mit Alkohol. Die Jägerin biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. Kein Schmerzenslaut kam über ihre Lippen.

»Wer sind die anderen, von denen du sprachst?«, fragte er flüsternd, immer wieder Blicke um sich werfend. Stace nahm sein zweites Jagdgewehr vom Schlitten, kontrollierte die Ladung und kniete sich wieder neben die Frau.

»Jehatt, Merl und Sotzer«, flüsterte sie. Ein Ruck ging durch ihren Körper. Sie richtete sich unter Schmerzen auf und sagte schnell: »Vielleicht können wir sie noch retten. Die Mooner haben sie fortgeschleppt. Vielleicht bringen sie sie nicht sofort um!«

Die Worte des Wilden:

Alle Glatthäutigen werden geopfert, bevor der Mond achtmal versinkt!

Das waren acht Tage.

Stace bewunderte den Mut des Mädchens. Auch ihn drängte es danach, herauszufinden, was in die Mooner gefahren war. Und wenn nur die geringste Chance für die drei Verschleppten bestand ...

Die Jäger im Dschungel Doomsdays waren wie Brüder. Niemand ließ einen anderen in der Not im Stich. Stace sah fast wehmütig zum Schlitten hinüber.

Plötzlich erklangen dumpf die Trommeln der Halbmenschen. Das Mädchen schrak auf. Flehend hingen ihre Blicke an Staces Augen.

Irgendwo ganz in der Nähe, in einem der Mooner-Dörfer, begann eine rituelle Zeremonie, über deren Zweck kaum Zweifel bestehen konnten. Stace spürte, wie ihn eine Gänsehaut überzog. Er stand auf, packte das Gewehr fester und reichte der Jägerin die Hand.

»Solange sie trommeln, leben deine Freunde«, flüsterte er. »Und wir werden sie finden, das schwöre ich!«

Die Zeit des Zauderns war vorbei. Die Jägerin mochte die grimmige Entschlossenheit spüren, die Maccabor erfasst hatte. Der Schlitten war vergessen. Was nun noch zählte, waren die drei Verschleppten und das eigene Leben.

»Komm!«, sagte Stace. »Wie heißt du?«

»Alle nennen mich nur Sharla.«

Stace reichte ihr sein Messer.

»Du kannst damit umgehen?«

»Ich war lange genug im Dschungel.«

Stace setzte sich in Bewegung. Sharla ließ seine Hand nicht los. Sie zitterte, aber sie folgte ihm entschlossen. Vielleicht machte sein Name ihr Mut. Stace wusste, dass er für viele, die noch nicht lange in den Wäldern lebten, fast eine legendäre Figur war.

Sie erreichten den Schauplatz des Kampfes. Die toten Mooner lagen noch so am Boden, wie er sie zuletzt gesehen hatte. Es waren also keine anderen zurückgekommen.

Alle steckten im Dorf. Wie viele mochten von den Trommeln gerufen worden sein?

Unheilvolle Stille lag über dem Dschungel. Außer den Trommeln war nichts zu hören. Es war fast so, als hätten sich die Tiere in ihre Löcher und Verstecke zurückgezogen. Alles hielt den Atem an.

Stace folgte dem Pfad, den die Entführer von Sharlas Begleitern ins Dickicht getreten hatten. Dann und wann mussten die beiden Jäger einen Bogen um fleischfressende Pflanzen machen, die ihre klebrigen roten Stränge über den Pfad geschoben hatten.

Die Trommeln wurden lauter, und es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, als Stace den Feuerschein zwischen den dicht beieinanderstehenden Bäumen gewahrte.

»Langsam jetzt«, flüsterte er Sharla zu. »Es könnten noch Nachzügler unterwegs sein.«

Sie gingen weiter, darauf bedacht, jedes unnötige Geräusch zu vermeiden. Der Pfad verbreiterte sich nun. Stace blieb wieder stehen und sah im Schein mehrerer Feuer die ersten Hütten der Halbmenschen.

»Dort vorne!« Stace deutete mit dem Gewehr auf einen umgestürzten Baumstamm direkt am Rand der Lichtung. Sharla nickte tapfer und folgte ihm. Hinter dem mächtigen Stamm knieten sie nieder. Das Dorf der Mooner lag nun direkt vor ihnen, und was sie sahen, ließ das Blut in ihren Adern erstarren.

Etwa zwei Dutzend Mooner tanzten wild um die Feuer herum, heisere Schreie ausstoßend und Lanzen schwingend. Vor einer der fünf primitiven Hütten standen drei Weißpelze mit Dämonenmasken über den Köpfen. Neben ihnen saßen die Trommler mit wirbelnden Händen. Stace sah auf den ersten Blick, dass die Mooner berauscht waren.

Und zwischen den Feuern, auf drei gefällte Baumstämme gefesselt, lagen drei Menschen mit durchgeschnittenen Kehlen.

Maccabor sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Sharla schreien wollte. Er packte sie blitzschnell von hinten und presste seine Hand auf ihren Mund.

Er hatte Mühe, sich zu beherrschen. Sie waren zu spät gekommen. Die Opferung war bereits vollzogen. Auch dies widersprach der Gewohnheit der Halbmenschen. Warum trommelten und tanzten sie noch?

Unbändiger Zorn erfasste den Jäger, der seine ganze Willenskraft aufbieten musste, um nicht in die rasende Meute zu feuern. Er konnte die Toten nicht wieder lebendig machen. Außerdem würde eine unbeherrschte Reaktion nur den eigenen Tod zur Folge haben, und jemand musste den Menschen auf Doomsday von dem berichten, was hier vorging.

Die Mooner schafften ihre Gefangenen nicht mehr zu den Leuchtenden Feldern, um sie ihren Göttern zu opfern. Warum nicht? Warum wagten sie sich jetzt ohne ihre Priester dorthin?

Das Trommeln erstarb schlagartig. Stace hielt Sharla fest an sich gepresst, unfähig, ihr Worte des Trostes zuzusprechen. Er sah, dass eine der fünf Hütten von zwei Halbmenschen bewacht wurde, die offenbar nicht berauscht waren. Weshalb?

Einer der drei Priester trat zwischen die Feuer. Die Tanzenden erstarrten mitten in der Bewegung und kauerten sich um ihn herum auf den kahlen Boden.

Im Schein der Feuer wirkte die Maske des Priesters noch unheimlicher, als er nun einen Arm in die Luft streckte und mit dem anderen auf die Geopferten zeigte.

Stace hielt den Atem an. Sharla sank kraftlos neben ihm zu Boden.

Dann begann der Maskierte zu sprechen. Stace verstand die heiseren, gebellten Laute. Er verstand jedes Wort, und dennoch glaubte er, dass ihm seine Fantasie einen bösen Streich spielte.

»Was ... was sagt er?«, fragte Sharla leise. Ihre Stimme klang erstickt. Es kostete nicht nur sie ungeheure Überwindung, ruhig zu bleiben und nicht zu schreien.

Stace nahm den Blick nicht von dem Mooner, dessen Arme beschwörend in den Himmel zeigten. Seine Stimme steigerte sich zu einem Brüllen.

»Deine Begleiter wurden irgendwelchen ›Neuen Göttern‹ geopfert«, flüsterte Maccabor. »Diese Götter sollen aus dem Himmel gekommen sein und den Moonern Macht und Stärke gegeben haben, die sie befähigen soll, die Glatthäutigen, also uns, von ihrer Welt zu vertreiben. Sie ...« Stace lauschte wieder. »Sie werden angeblich wiederkommen. Er bittet sie darum und verspricht weitere Opfer. Sie sollen die Mooner gegen unsere Niederlassungen und die Hauptstadt führen.«

»Neue Götter?«

Wieder musste Stace die Tapferkeit des Mädchens bewundern, die mit Sicherheit schwerste Qualen litt. Wieder musste er mit aller Gewalt gegen den Impuls ankämpfen, sich mitten in die Halbmenschen hineinzustürzen.

»Frag mich jetzt nicht.«

Sharla schwieg. Nur ihr leises Schluchzen war zu hören. Zitternde Hände legten sich um Maccabors Hüften.

Der Priester senkte die Hände. Wieder begannen die Trommeln zu dröhnen, und die Mooner sprangen auf und umtanzten die toten Jäger.

Stace durfte nicht mehr hinsehen. Nur schnell fort von hier. Es waren keine Schauermärchen gewesen, die er von den anderen Jägern gehört hatte. Etwas von unübersehbarer Tragweite kündigte sich an, und die »Neuen Götter« der Mooner hatten etwas damit zu tun.

Raumfahrer?

Stace zwang sich, den Kopf noch einmal über den Baumstamm zu schieben. Die bewachte Hütte. Was war in ihr, das Wachen erforderte? Stace beobachtete die Tanzenden. Keiner von ihnen wagte sich in die Nähe der Hütte. Wie leibhaftige Teufel huschten sie zwischen den Feuern umher, mit glühenden Augen.

»Warte hier«, flüsterte der Jäger. »Beweg dich nicht fort, ganz egal, was geschieht. Sollte ich nicht zurückkommen, dann versuche, dich allein zur Niederlassung durchzuschlagen.«

Sie klammerte sich noch fester an ihn.

»Was hast du vor? Nein, bleib hier ...«

Stace löste ihre Hände, nahm ihr das Messer ab und reichte ihr sein Gewehr.

»Ich bin so schnell wie möglich wieder hier.«

Bevor sie erneut nach ihm greifen konnte, sprang er auf und lief geduckt über den Pfad. Sharla streckte ihre Hände in seine Richtung, wollte ihm auf allen vieren folgen, doch schon war er im Dickicht verschwunden.

Am ganzen Körper bebend kauerte sie sich hinter den Stamm.

 

Stace arbeitete sich durch das Dickicht, bis er hinter der bewachten Hütte war. Mit den Händen teilte er die Blätter einer Kletterpflanze, deren Laub einen dichten Vorhang zwischen zwei Urwaldriesen bildete, und schob den Kopf hindurch.

Noch tanzten die Mooner. Noch war ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Geopferten und die Priester gerichtet.

Stace konnte es nicht riskieren, die Wachen zu überwältigen und von vorne in die Hütte einzudringen. Sie bestand aus geflochtenen trockenen Gräsern und Bambusstämmen. Er musste es von hinten versuchen.

Maccabor ließ sich auf alle viere nieder und schob seinen Körper durch das Dickicht, das Messer zwischen den Zähnen. Er erreichte die Hütte, überzeugte sich ein letztes Mal davon, dass die Mooner noch um die Feuer tanzten, und machte sich an die Arbeit.

Nach wenigen Minuten hatte er eine Öffnung in die rückwärtige Wand geschnitten, die groß genug war, um ihn durchschlüpfen zu lassen. Es war dunkel in der Hütte. Nur der durch den bewachten Eingang einfallende Feuerschein beleuchtete schwach die in ihrer Mitte gestapelten Kisten.

Stabile Holzkisten!

Maccabors Herz schlug wild. Er spürte, dass er hier einem Geheimnis auf der Spur war, dass er im Begriff war, an etwas zu rühren, das für das Leben der Menschen auf Doomsday von entscheidender Bedeutung sein konnte. Diese Kisten waren weder von den Wilden hergestellt noch von Jägern erbeutet worden. Sie alle waren gleichgroß und hatten Scharniere aus Metall.

Leise richtete Maccabor sich auf. Wenn nur jetzt die Trommeln nicht erstarben!

Die mannshoch aufeinandergestapelten Kisten zwischen sich und den Wachen, die ihm nach wie vor den Rücken zukehrten, versuchte er, die oberste zu öffnen. Wider Erwarten ließ sich der Deckel leicht hochstemmen. Stace öffnete sie nur so weit, dass er eine Hand hineinschieben konnte. Seine tastenden Finger spürten etwas Hartes, Metallisches, etwas, dessen Berührung ihm vertraut vorkam.

Stace zog einen der Gegenstände heraus, und obwohl er schon eine Ahnung gehabt hatte, worum es sich handelte, glaubte er, seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er nun sah, was er in der Hand hielt.

Maccabor unterdrückte einen Fluch, überzeugte sich schnell davon, dass die Wachen nicht aufmerksam geworden waren, und holten einen zweiten Gegenstand aus der Kiste. Dann ließ er den Deckel wieder zuklappen und beeilte sich, aus der Hütte zu verschwinden.

Sharla erwartete ihn mit fiebrigen Augen.

»Hier«, flüsterte er und reichte ihr einen der beiden Strahler. »Damit sollten wir bessere Chancen haben, lebend zur Niederlassung zu kommen.«

»Energiestrahler!«, entfuhr es ihr. »Aber woher ...?«

»Sei still!«, flüsterte er. »Ich erkläre dir alles, wenn wir hier weg sind. Jetzt ...«

Aber es war zu spät. Sharlas Aufschrei war von den Moonern gehört worden. Die Tanzenden fuhren herum. Die Trommeln erstarben.

Stace packte Sharlas Hand. Er brauchte ihr nun nicht mehr zu sagen, dass sie zu rennen hatten, wenn ihr Leben noch einen Schuss Pulver wert sein sollte. Die Mooner hatten ihre Überraschung überwunden und stürmten heran.

Sharla riss sich los.

»Verdammt!«, schrie Maccabor. »Was ...?«

Sie hörte ihn nicht. Sie lief zurück bis zum Baumstamm, war mit einem Satz auf ihm und richtete den Strahler auf die drei wie versteinert zwischen den Feuern stehenden Priester.

»Das ist für Jehatt, für Merl, für Sotzer!«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme. Bei jedem Namen schoss sie. Blendend helle Energiefinger durchschnitten das Dunkel der Nacht und brannten sich in die Dämonenmasken der Priester.

Die Mooner, die bis auf wenige Meter heran gewesen waren, erstarrten. Ungläubig fuhren sie herum und sahen, wie ihre Priester zu Boden sanken, gefällt von dem furchtbaren Licht der Götter.

»Bist du verrückt geworden?«, schrie Stace, war mit drei Sätzen bei Sharla und riss sie vom Baumstamm.

»Vielleicht!«, keuchte sie. »Aber jetzt ist mir wohler!«

Sie rannte so schnell, dass Stace Mühe hatte, ihr zu folgen. Unbeschreibliches Geschrei brach bei den Hütten los. Noch saß der Schock in den Nacken der Mooner und lähmte sie. Noch glaubten sie vielleicht daran, dass ihre »Neuen Götter« erschienen seien, um sie zu bestrafen. Götter brauchten für Wesen wie sie keinen besonderen Grund dazu. Aber früher oder später würden sie die richtigen Schlüsse ziehen.

Bis dahin mussten Stace und Sharla untergetaucht sein.

 

Als der Morgen dämmerte und sie immer noch keine Mooner hinter sich hörten, wussten sie, dass sie vorerst mit dem Leben davongekommen waren. Tagsüber zogen die Weißpelze sich in ihre Hütten oder die Höhlen zurück, in denen viele hausten und erstarrten. Sie ertrugen das Licht der Sonne nicht. Warum das so war, war immer ein Geheimnis geblieben.

Auf einer Lichtung machten Stace und Sharla halt. Sie ließen sich ins weiche, vom Morgentau bedeckte Gras fallen und atmeten schwer. Erst nach Minuten richtete Maccabor sich wieder auf und sah das Mädchen an. Während der Flucht hatten sie kein einziges Wort miteinander gesprochen. Sharla war einige Male gestrauchelt, und Stace hatte sie tragen müssen, als sie dem körperlichen Zusammenbruch nahe war. Und auch er hätte nicht viel weiter laufen können.

»Du hättest nicht schießen dürfen«, sagte er nun zornig.

»Sie haben drei von uns auf bestialische Weise ermordet«, entgegnete sie ohne sich aufzurichten. »Abgeschlachtet wie Tiere! Sie hatten den Tod verdient!«

»Feige aus dem Hinterhalt zu schießen, macht dich nicht besser als sie!«, knurrte Stace. »Davon abgesehen wissen sie jetzt, dass wir ihre Waffenvorräte entdeckt haben.«

»Stace Maccabor, du magst sie besser kennen als ich, aber ich habe genug gesehen, um zu wissen, dass sie nicht besser sind als Tiere. Außerdem habe ich uns das Leben gerettet.«

»Nachdem du sie erst auf uns aufmerksam machtest!« Maccabor fluchte. Warum versuchte er, die Mooner zu verteidigen? Hatte sie denn nicht recht? Solange es Menschen auf Doomsday gab, wurden sie von den Moonern gejagt und getötet. Selbst aus der Stadt wurden Frauen und Kinder entführt, um in den Leuchtenden Feldern ihr Leben auszuhauchen. Auf keinen Versuch, sich mit ihnen auf friedliche Weise zu arrangieren, waren die Mooner eingegangen. Die Angst vor ihnen war so groß, dass alle vorgeschobenen Niederlassungen der Handelsgesellschaften von elektrisch geladenen Zäunen umgeben waren und bis an die Zähne bewaffnete Posten Tag und Nacht patrouillierten. Und trotzdem kehrten viele Männer und Frauen nach ein paar Monaten im Dschungel als zitternde Wracks in die Städte zurück.

Stace zog die entwendete Waffe aus dem Gürtel, der seine Fellkleidung nur noch zum Teil zusammenhielt. Endlich hatte er Gelegenheit, sie näher zu betrachten, und jetzt bestätigte sich, was er längst vermutet hatte.

Dieser Waffentyp war nicht der gleiche, den die Menschen in den Niederlassungen und in der Hauptstadt benutzten. Die Bedienung war ähnlich, nur deshalb hatte Sharla schießen können. Doch damit waren die Ähnlichkeiten auch schon erschöpft. Ein Handgriff, der Auslöser, der dicke, spiralförmig gedrehte Lauf selbst. Die Handstrahler, die Maccabor bisher zu sehen bekommen hatten, waren schlanker und kürzer.

Sharla hatte sich aufgerichtet und saß nun vor Stace, den zweiten Strahler in der Hand.

»Energiewaffen, und du hast sie in dieser Hütte gefunden?«

Stace nickte. »Kistenweise liegen sie dort. Und sie haben sie nicht von uns.«

»Die ›Neuen Götter‹? Stace, du glaubst doch nicht, dass Fremde auf Doomsday gelandet sind, ausgerechnet im Dschungel, und ihnen ...«

»Wo sonst? Ich habe gehört, dass es die Erde nicht mehr gibt. Die Sternenreiche teilen die Galaxis unter sich auf. Glaubst du, sie werden in der Stadt landen, wenn sie als Eroberer kommen?«

»Aber ...«

Stace winkte ab.

»Sollen sich andere die Köpfe darüber zerbrechen. Unsere Sorge ist es, bis zum Abend in der Niederlassung zu sein.«

»Falls sie noch existiert«, murmelte Sharla.

»Sie muss existieren! Unsere Leute müssen wissen, dass nicht plötzlich alle Waldläufer verrückt geworden sind. Wir haben den Beweis.«

Er legte sich wieder zurück. Sie hatten noch einen langen, anstrengenden Weg vor sich. Dazu mussten sie ausgeruht sein. Stace täuschte die Ruhe nur vor, die er jetzt zur Schau trug. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Als er merkte, dass sie sich im Kreis bewegten, fragte er, mehr um sich abzulenken als aus echtem Interesse:

»Du bist noch jung. Wie lange bist du im Dschungel?«

»Zwei Jahre vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Ich kam mit meinen Eltern und einem Bruder nach Doomsday, aber in der Stadt hielt ich es nicht aus.«

»Der Reiz des Abenteuers«, sagte Stace sarkastisch.

»Mag sein. Aber vielleicht kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man in einer Insel aus Beton lebt, inmitten einer Wildnis, vor der alle zittern. Man will wissen, wovor man Angst hat, und dann ...« Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung sah Maccabor, die Jägerin schwach lächeln. »Dann steckt man mittendrin. Es packt dich, das, was du Abenteuer nennst. Du liebst die grüne Hölle und hasst sie zugleich, und bald kannst du dir nicht mehr vorstellen, in einem sauberen Bett zu schlafen, die stickige Luft eines Zimmers zu atmen und durch Betonschluchten zu gehen.«

Stace nickte. Genauso hatte er es empfunden, als er mit Karba zum ersten Mal in den Dschungel ging. Wie lange war das her?

»Zwei Welten«, murmelte er. »Die Stadt und der Dschungel. Wir laufen sogar mit veralteten Gewehren herum und verzichten auf Strahler. Bist du stolz auf dich?«

»Stolz worauf?«

»Dass du es geschafft hast. Die ersten Monate in der Wildnis, du weißt schon. Und dass du noch lebst.«

»Jehatt, Merl und Sotzer sind tot«, sagte Sharla niedergeschlagen. »Dass ich noch lebe, verdanke ich allein ihnen.«

Sie schwiegen eine Weile, in der beide ihren Gedanken nachhingen.

»Und du?«, fragte Sharla dann. »Man erzählt sich Wunderdinge von dir. Stace Maccabor, der Mann, der den Dschungel kennt wie kein anderer, der sogar in ihm geboren sein soll.«

»Von wilden Tieren großgezogen.« Maccabor lachte rau. »Die Leute in den Niederlassungen reden viel, wenn der Tag lang ist. Sehe ich aus wie Tarzan?«

»Wie ... wer?«

»Irgendjemand erzählte mir einmal uralte Geschichten.«

»Du siehst aus wie ...« Sharla rückte ein Stück näher an ihn heran, »wie jemand, an den ich mich gewöhnen könnte.«

Mit einem Schlag sah Maccabor wieder das Bild seiner toten Gefährtin vor sich. Er steckte den Strahler in den Gürtel zurück, nahm sein Gewehr und stand auf.

»Es wird Zeit für uns«, sagte er und suchte die Sonne zwischen den dichten Wipfeln der Urwaldriesen, um sich zu orientieren.

»Oh, ich wollte dir nicht zu nahe treten!«

»Bist du nicht. Vielleicht komme ich später darauf zurück. Jetzt komm.«

Seufzend stand sie auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Kaum etwas an ihr erinnerte jetzt an das wimmernde Bündel Mensch, das noch vor Stunden neben Maccabor hinter dem Baumstamm gelegen hatte. Konnte sie so schnell vergessen, oder spielte sie sich selbst etwas vor?

Stace konnte es gleichgültig sein. Dennoch ertappte er sich dabei, wie er sie beobachtete, als sie an ihm vorbeiging. Ihre kräftigen und doch so graziösen Bewegungen, ihren geschundenen, aber schönen Körper, ihre Haltung. Alles an ihr war Herausforderung.

Es war völlig hell, als sie die Lichtung verließen. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen durch die Bäume.

»Pass auf Fallen auf«, warnte Stace. »Die Mooner verkriechen sich zwar bei Tag, aber nachts kommen sie, um ihre Beute zu holen.«

»Ich weiß, großer Mann, ich weiß.«

»Ist es dir so verdammt gleichgültig, was geschehen ist?«, schrie Stace, von seiner eigenen Heftigkeit überrascht.

Sie fuhr herum. Ihre Augen blitzten auf.

»Nein, du Narr! Es wird mir nie gleichgültig sein! Ich werde nie das Bild meiner hingeschlachteten Gefährten vergessen – ebenso wenig, wie du sie vergessen kannst!«

»Sie?«

»Die Frau! Glaubst du, eine Frau merkt nicht, was mit dir los ist?«

Sie drehte sich um und schlug mit dem Messer eine Bresche in das Unterholz, ohne Maccabor weiter zu beachten.

Stace packte das Gewehr fester und folgte ihr.

Sie kannten die Geräusche des Dschungels und wichen jagenden Raubtieren so oft wie möglich aus. Nur einmal war Stace gezwungen, von der Waffe Gebrauch zu machen.

»Wenigstens etwas«, brummte er, nachdem er der erlegten Großkatze das Elfenbein aus dem Rachen geschnitten hatte. »Reicht vielleicht für ein gutes Essen in der Niederlassung.«

Und ihm knurrte der Magen. All seine Vorräte, auch das Wasser, hatte er auf dem Schlitten zurückgelassen.

Sie wechselten sich in der Führung ab. Gegen Mittag erreichten sie eine Lichtung, deren Gras niedergetrampelt war und sich noch nicht wieder aufgerichtet hatte. Was sie am gegenüberliegenden Rand sahen, ließ Maccabors letzte Zweifel an dem, was den Menschen auf Doomsday bevorstand, schwinden.

»Stace!«, flüsterte Sharla. »Sieh dir die Bäume an!«

Es waren nur noch verkohlte Stümpfe, und kein auf natürliche Weise entstandenes Feuer hatte die Urwaldriesen in Brand gesetzt. Hier war kein Blitz eingeschlagen. Aus den Stämmen waren meterlange Stücke regelrecht herausgebrannt worden.

»Ein Schießplatz«, stellte Maccabor erschüttert fest. »Ein Schießplatz der Mooner, Sharla.«

»Lass uns schnell weitergehen«, drängte sie.

Stace ging an einen der schwarzen Stümpfe heran. Einige fingerdicke Löcher befanden sich darin. Hier war mit extrem gebündelten Strahlen geschossen worden. Stace ging um den Stumpf herum und sah, dass die Strahlen ihn ganz durchschlagen hatten.

Er trat zurück auf die Lichtung, blieb in ihrer Mitte stehen und zog die entwendete Waffe aus dem Gürtel. Er suchte kurz nach der Schaltvorrichtung für die Fächerung, dann zielte er.

»Was soll das, Stace?«

»Ich will wissen, wie gut sie sind.«

Er schoss. Der Lichtfinger schlug zwischen zwei Einschusslöchern in den Stumpf. Stace schaltete auf weiteste Fächerung und bedeutete Sharla, sich hinter ihn zu stellen.

Diesmal zielte er auf einen der unversehrten Bäume. Geblendet schloss er die Augen, als der gefächerte Strahl den Baum in Brand setzte. Als er sie wieder öffnete, sah er nur noch einige kleine blaue Flämmchen, die über den neuen Stumpf züngelten.

Krachend kam der Wipfel des Urwaldriesen herunter. Stace schrie auf und zog Sharla schnell mit sich von der Lichtung fort. Scharen von Vögeln flatterten kreischend aus dem Laub.

»Sie können mit den Strahlern umgehen«, murmelte Stace. »Verdammt gut sogar. Ich frage mich, ob ihre Götter ihnen auch Schießunterricht gaben.«

»Komm fort von hier, Stace!«

Diesmal ließ Maccabor sich von ihr ziehen. Sie schwiegen, bis sie einen Pfad erreichten, auf dem sie nun schneller vorankamen. Stace erkannte einige Markierungen an den Bäumen, die zum Teil von ihm selbst stammten. Noch wenige Stunden bis zur Niederlassung.

»Acht Tage«, murmelte der Jäger. »In acht Tagen wollen sie alles menschliche Leben ausgelöscht haben.«

»Das ist Wahnsinn!«, entfuhr es Sharla.

»Wahnsinn, ja. Und es bedeutet, dass sie kurz davor stehen, die Niederlassungen niederzubrennen. Acht Tage, das heißt, dass sie in acht Tagen die Städte überrannt haben wollen.« Als Sharla ihn ungläubig ansah, fügte er hinzu: »Und ich glaube, sie schaffen es, wenn wir es nicht verhindern können.«

Er war plötzlich nicht mehr so sicher, dass sie die Niederlassung noch vorfinden würden. Maccabor beschleunigte seine Schritte. Sharla stellte keine Fragen mehr. Sie hielt mit, auch als er nach einer Weile zu laufen begann.

Es war später Nachmittag, als sie die Zäune vor sich sahen, dann die flachen Gebäude auf einer gerodeten Fläche von vielen Quadratkilometern. Maccabors Erleichterung war unbeschreiblich, als er die beiden bewaffneten Posten am Gatter stehen sah.

Er blieb stehen. Sharla sah ihn an und wischte sich Schweiß aus dem Gesicht.

»Gib mir den Strahler«, bat er sie.

»Warum?«

»Sie brauchen nicht gleich zu sehen, was wir gefunden haben. Gib ihn mir. Du wirst schon sehen.«

Sharla zuckte die Schultern und tat ihm den Gefallen. Maccabor ließ die beiden Strahler unter seiner Bekleidung verschwinden.

Die Posten hatten sie erblickt und kamen mit vorgehaltenen Waffen näher.

Maccabor nahm Sharla bei der Hand und winkte ihnen zu.

»Macht auf! Oder kennt ihr mich plötzlich nicht mehr? Was ist los, Shennan?«

»Du bist's tatsächlich, Stace! Wo ist dein Schlitten? Gegen die Kleine eingetauscht?«

Wenn der Posten einen Scherz machen wollte, so klang es nicht danach. Seine zaghaften Bewegungen, seine Blicke, als er den Strom abschaltete und das Gatter öffnete, ließen zu deutlich erkennen, dass er Angst hatte.

Maccabor und Sharla traten an ihm vorbei. Das Gatter schwang zu und wurde sofort wieder unter Strom gesetzt.

»Wieso kommt ihr erst jetzt?«, fragte Shennan.

»Erst jetzt?«

»Alle anderen, die im Dschungel waren, sind in den letzten Tagen zurückgekommen.« Shennan senkte den Blick. »Alle, die es noch schafften.«

»Wie viele?«

»Achtzehn von circa fünfzig. Sie fantasierten. Alle, Stace. Die Mooner müssen ihnen so zugesetzt haben ...« Shennan sah Maccabor unsicher an. »Aber du weißt besser als wir, dass sie Amok laufen.«

»Amok«, knurrte Maccabor. Er lachte rau. »So kann man's nennen.«

Sie wissen gar nichts!, durchfuhr es ihn. Sie glauben wirklich, dass die Jäger, die sich bis hierher durchschlagen konnten, fantasierten!

»Bring uns zu Temm. Er ist doch noch hier?«

»Natürlich, Stace. Wo sollte er sonst sein? Sag, warum kommst du ohne Schlitten? Was passiert wirklich im Dschungel?«

»Später, Shennan«, wehrte Maccabor ab. Er sah sich um. Nur zwei Gleiter der Handelsgesellschaft standen zwischen den Gebäuden. Keine Kampfgleiter der Schutztruppe. Nichts zeigte deutlicher, dass Temm den Jägern keinen Glauben schenkte, was immer sie auch im Dschungel gesehen haben mochten.

»Wo sind die Zurückgekehrten?«, fragte Stace. Shennan deutete in die Richtung, in der die ferne Hauptstadt lag.

»Dieser verfluchte Dickschädel!«, knurrte Maccabor.

»Temm ist verdammt schlecht auf euch zu sprechen, Stace. Vorgestern gab es eine Schlägerei zwischen ihm und Maboc. Maboc und sein Haufen nahmen sich einen Gleiter, bevor wir es verhindern konnten, und verschwanden damit.«

»Er wird gleich noch schlechterer Laune sein«, versicherte Maccabor. »Und ihr seht euch besser vor. Steht nicht bei den Zäunen herum. Bleibt hinter den Gebäuden in Deckung.«

Bevor Shennan wieder Fragen stellen konnte, hatten Maccabor und Sharla das Lagerhaus der Niederlassung erreicht, in dem sich Temms Büro befand. Stace riss die Tür auf.

2.

 

Nodger Temm war schon der Leiter dieses Außenpostens gewesen, als Maccabor zum ersten Mal in den Dschungel ging. Nun saß er vor ihm, in seinem Sessel hinter einem aktenübersäten Schreibtisch weit zurückgelehnt und musterte den Jäger mit dem gleichen Blick wie damals – abschätzend und spöttisch.

Temm war groß und korpulent, hatte eine Glatze und eine lange Narbe quer über der Stirn. Er trug die gleiche weiße Jacke mit dem Emblem der Layan-Handelsgesellschaft wie immer, wenn Stace ihm begegnet war. Freunde waren sie nie gewesen.

Nun beugte er sich vor, nachdem er Sharla intensiv gemustert hatte, und legte schwer die Arme auf die Tischplatte.

»Maccabor, ich habe mir in den letzten Tagen viel Unsinn anhören müssen, wobei ich den Männern zugutehielt, dass der Dschungel sie krank im Kopf macht. Wir alle kennen das. Nur kam es bisher nie vor, dass alle zur gleichen Zeit vom Dschungelkoller gepackt wurden. Aber was du mir weiszumachen versuchst, setzt allem die Krone auf.«

Temm, eben noch scheinbar gelassen, sprang auf und schlug mit der Faust auf die Akten. »Natürlich machen die Mooner Jagd auf euch! Das taten sie, solange Männer und Frauen wie ihr in die Wildnis gingen, um für gutes Geld ihren Kopf zu riskieren. Niemand zwang euch dazu! Wenn die Mooner jetzt Amok laufen, werden sie neue, junge Priester haben, die ihre Macht dadurch zu festigen versuchen, dass sie die Halbmenschen in einen Blutrausch treiben! Es ist alles ganz einfach erklärbar! Ich sagte es jedem von euch, aber ...«

»Temm!«, schrie Maccabor. »Du redest von Menschen, die ihr Leben für euch riskierten, die sterben mussten, damit deine verdammte Gesellschaft noch dickere Profite mit den Fellen und dem anderen Zeug machen kann, die wir für euch heranschaffen! Und ich sage dir nur noch einmal, dass es ein Blutbad geben wird, wenn du nicht sofort die Hauptstadt benachrichtigst, Truppen anforderst und der Regierung berichtest, was du von uns gehört hast! Und ich schwör dir, ich tue es selbst, wenn du nicht gleich ...«

Temm sprang zurück, schrie nach Wachen und holte blitzschnell einen Strahler aus einer Schublade.

»Das werden wir sehen, was du tun wirst, Stace Maccabor! Andere mögen sich vom großen Jäger einschüchtern lassen. Ich nicht. Ich kenne dich zu lange und zu gut. Es gibt keine bewaffneten Mooner, von ihren lächerlichen Speeren und Messern abgesehen und den Gewehren, die sie euch abgenommen haben! Es ... was ist mit dir los, Maccabor? Angst vor der eigenen Courage?«

Stace war einen Schritt zurückgetreten. Sharla war aus ihrem Stuhl aufgestanden und starrte ungläubig auf die Waffe in Temms Hand.

»Woher hast du den Strahler?«, frage Stace stockend.

»Aus der Schublade! Woher sonst?«

»Temm, sei jetzt vernünftig.« Maccabor hörte, wie einige Männer in den Raum stürzten. Er drehte sich nicht um, sondern beugte sich langsam weiter über den Schreibtisch. »Temm, greif unter meinen Pelz hier, über der Brust.«

»Was soll das?«

»Kein Trick, Temm. Sag einem deiner Männer, er soll es tun. Ich habe keine Lust, von dir erschossen zu werden, weil du vielleicht glaubst, ich wollte dir mit dem Strahler ...«

»Strahler?« Temm kniff die Augen zusammen und versuchte, in Maccabors Miene zu lesen. Dann winkte er einen der Bewaffneten heran und deutete mit der Waffe auf die Brustbekleidung des Jägers.

Der Mann griff hinein und zog die beiden Strahler hervor. Fassungslos starrte er sie an, bevor er sie auf den Tisch legte.

Und Temm bekam große Augen.

»Woher ... wie kommst du an die Dinger, Maccabor?«

Stace verspürte keine Genugtuung, als Temm nun völlig entgeistert vor ihm stand.

Er spürte einen Kloß in seinem Hals sitzen. Diese beiden Strahler hatte er aus der Kiste bei den Moonern genommen – und nun hielt Temm, der Leiter der Niederlassung, eine Waffe des gleichen Typs auf ihn gerichtet!

Stace wusste aber genau, dass es Energiewaffen dieser Art niemals auf Doomsday gegeben hatte. Ein neuer Transport, eine Lieferung noch von der Erde, als Stace im Dschungel war und alle Brücken zur Zivilisation hinter sich abgebrochen hatte?

War dann all das, was ihn seit der Nacht wie ein Albtraum verfolgt hatte, gegenstandslos? Hatten die Mooner die Kisten bei einem Überfall auf einen Waffentransport hierher erbeutet?

Temm ließ ihm diese Hoffnung nicht lange.

»Maccabor!« Temm hatte die eigene Waffe jetzt neben die beiden anderen gelegt und sich ebenfalls weit über den Tisch gebeugt, sodass sich die Stirnen der beiden ungleichen Männer fast berührten. »Woher hast du sie?«

»Von ihnen«, murmelte Stace, noch halb geistesabwesend. »Von den Moonern, wie ich dir sagte, Temm. Und sie haben mindestens ein Dutzend Kisten davon. Und sie dankten irgendwelchen ›Neuen Göttern‹ dafür.«

»Hör auf damit!« Temm wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. »Diese neuen Waffen haben wir erst gestern aus der Hauptstadt bekommen! Es ist ganz und gar unmöglich, dass die Mooner sie haben. Wir hätten erfahren, wenn ein Transport überfallen worden wäre – oder ein Depot am Rand der Stadt.«

Sharla stand plötzlich neben Stace. Sie sah in Temms Augen, mit einem Blick, der erkennen ließ, wie schwer sie sich mit ihrer Beherrschung tat.

»Sie haben sie. Und seit Tagen! Sie hatten die Strahler vor euch, Mister. Und sie wissen verdammt gut damit umzugehen. Alles, was Stace sagte, ist wahr.« Sie deutete auf die Strahler. »Welche Beweise braucht ihr noch, oder könnt ihr uns erklären, wie wir an die Dinger kommen sollten – im Dschungel?«

Temm richtete sich auf. Lange starrte er auf den Tisch, dann in Sharlas Augen. Er kämpfte mit sich.

»Gib dir nur keine Blöße, Temm«, knurrte Maccabor. »Schließlich ist der Glaube deiner Männer an deine Unfehlbarkeit wichtiger als unsere Leben, oder? Du warst es doch, der die Jäger für verrückt erklärte und in die Stadt abschob!«

Temm war kreidebleich geworden. Er schrie Stace nicht an, sondern winkte zwei Bewaffnete heran.

»Ihr passt auf, dass sie keine Dummheiten machen. Ich setze mich mit der Hauptstadt in Verbindung.«

»Dummheiten!«, entfuhr es Stace. »Begreifst du denn immer noch nichts? In ein paar Stunden ist es Nacht, und vielleicht greifen sie die Niederlassung schon heute an. Fordere Truppen an, Temm! Augenblicklich!«

Temm war schon bei der Tür, ohne auf Maccabors heftige Worte zu reagieren. Jetzt blieb er stehen.

»Temm, woher habt ihr die Waffen?«

Der Leiter der Niederlassung drehte sich langsam um.

»Hinterweltler!«, knurrte er aggressiv. »Hat's euch der Dschungel nicht geflüstert? Unsere Städte könnten in Schutt und Asche versinken, ohne dass ihr ...« Er winkte ab. »Raumschiffe sind gelandet. Wir haben die Strahler und vieles andere mehr von den Methans.«

»Von ... wem?«, fragte Stace entgeistert.