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Klaus N. Frick:
Vielen Dank, Peter Pank

 

 

 

© 2005 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin
in Zusammenarbeit mit dem Verlag Thomas Tilsner
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

ISBN Print: 3-86546-037-2

Peter Pank

Klaus N. Frick:
Vielen Dank, Peter Pank

1.

Das dauernde Dröhnen nervte, es fräste sich in meine Gehörgänge und zermürbte mein Hirn. Mit einem Ruck riß ich die Augen auf, stöhnte kurz. Mein Kopf schmerzte, alles um mich herum schien zu kreisen, tausend grelle Lichter bohrten sich ins Hirn, mein Mund war trocken, und ich hatte das Gefühl, gleich sterben zu müssen. Wieder einmal. Wie so oft in letzter Zeit.

Ich schloß die Augen, versuchte einfach weiterzuschlafen. Unmöglich. Das Dröhnen blieb; es war unrhythmisch, ich konnte es nicht genau einplanen: Mal war es lauter, mal leiser, mal rauschte es vorbei, mal rumpelte es geradezu. Da konnte ich nicht länger schlafen, so gerne ich es getan hätte. Einfach wegschlafen, weg von dem Dröhnen, weg von den Kopfschmerzen, weg von der Feuchtigkeit. Feuchtigkeit? Was zum Teufel war los? Ich wußte es nicht, und mir wurde auf einmal klar, daß ich mit geschlossenen Augen nicht herauskriegen konnte, was eigentlich mit mir geschehen war.

Erneut öffnete ich die Augen, wurde so langsam richtig wach. Ich lag auf dem Rücken, wie ich jetzt bemerkte; auf feuchtem Untergrund, denn meine Hose fühlte sich an, als hätte ich hineingepißt. Jetzt war mir auch klar, woher das feuchte Gefühl kam. Erleichtert rief ich mir ins Bewußtsein, daß es schlimmer hätte sein können.

Über mir war es hellgrau: ein Himmel, über den sich düstere Wolken jagten. Irgendein Instinkt sagte mir, daß es früher Morgen sein mußte; was über mir schimmerte, das war folglich das Morgengrauen. Und ich hatte Kopfschmerzen; damit waren schon zwei wesentliche Eckpunkte meines Problems ausreichend beschrieben. Den dritten konnte ich mir ohne größere Hirnerweichungen zusammenreimen: Das Zauberwort hieß »Alkohol«, mit großer Sicherheit in Verbindung mit dem Wort »zuviel«.

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Auf meiner rechten Wange war irgendwas, ich konnte es als Schatten sehen, wenn ich mich anstrengte, und ich hatte zudem ein völlig merkwürdiges Gefühl an genau dieser Stelle. Langsam – verdammt langsam! – bewegte ich meine rechte Hand nach oben. Ich registrierte die schmutzigen Fingernägel, die Killernieten am Armband, den zerfetzten Ärmel der alten Jeansjacke, und dann hatte ich endlich meine Hand nahe genug am Gesicht. Es war anstrengender, als ich gedacht hatte, und fast hätte ich es nicht hinbekommen. Mit einiger Mühe schaffte ich es jedoch, die Hand zielsicher auf die Wange zuzubewegen und diese zu berühren.

Meine Finger packten zu. Es war ein ekelhaftes, ein widerlich-schleimiges Gefühl. Eine Schnecke! Eine gottverdammte, widerliche Nacktschnecke! Das verdammte Vieh war in der Nacht über mein Gesicht gekrochen und hatte sich dort – ausgerechnet dort! – häuslich niedergelassen. Ekel schüttelte mich, fast hätte ich endgültig gekotzt. Wenn ich eines nicht leiden konnte, dann waren es Schnecken, vor allem die ekligen roten und schwarzen Nacktschnecken – ganz zu schweigen von den noch widerlicheren grau-schwarzen Viechern, die aus Kellerlöchern krochen. Mit einer hektischen Handbewegung wischte ich das Tier aus meinem Gesicht.

Da die Hand ohnehin schon in Gesichtsnähe war, fingerte ich kurz an mir herum. Bartstoppeln im Gesicht – also hatte ich mich seit einigen Tagen nicht mehr rasiert. Die Haare hingen eher schlaff herunter; was ehemals halbwegs anständige Spikes gewesen waren, hatte sich in eine miserable Ansammlung von Strähnen verwandelt. Die Haare waren feucht; sicher vom Tau.

Die ersten selbständigen Gedankengänge setzten ein. Wo zum Teufel bin ich? Und wie komme ich eigentlich hierher? Ich lag auf einer Wiese, ich hatte in der Nacht vorher eindeutig gesoffen, und ich hatte dreckige Klamotten an. Es war wieder einmal etwas vorgefallen. Nur was? fragte ich mich selbst mißmutig.

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Langsam stemmte ich mich hoch, blickte geradeaus. Direkt vor mir, keine zwei Meter von meinem Gesicht entfernt, war eine Leitplanke, und in genau diesem Moment donnerte ein Lastzug vorbei; rechts von mir lag mein zusammengerollter Schlafsack, immer noch im angerissenen Kunststoffsack, und daneben ein kleiner Rucksack, auf diesem wiederum eine leere Bierdose. Ich war an einer Straße gestrandet; wie ich mein Glück kannte, war es eine Autobahn, irgendwo in der deutschen Pampa.

Wieder ein Lkw; direkt vor meiner Nase. Der Luftzug erwischte mich, ein Haufen Staub, vermengt mit Gummiresten und Teer, wurde von der Straße hochgewirbelt und direkt in mein Gesicht geblasen. Mir wurde erneut übel; ich hielt die Luft an, aber es war zu spät, ich bekam den Schwall ab. Das war für den Moment zu viel: Ich schloß die Augen, ließ mich zurückfallen, dachte einige Sekunden lang so konzentriert nach, wie es mir in diesem Moment überhaupt möglich war.

Und erneut dieses Dröhnen! Wieder ein Lkw, der vorbeirauschte, wieder ein Dreckschwall, der mich erwischte; danach einige kleinere Fahrzeuge, die mit röhrenden Motoren vorbeiheizten. Ich drehte mich auf den Bauch, stützte mich auf die Hände, riß die Augen erneut auf, musterte mit ungläubigem Blick die schmutzigen Fingernägel und den Handrücken an der Rechten, auf dem eine schmutzverkrustete Kratzspur zu sehen war.

Oh Gott! raste es mir durchs Hirn. Ich muß eine Schlägerei hinter mir haben ... irgendwoher sind die Kratzer ... ich muß einem Typen die Faust durch die Fresse gezogen haben, und seine Zähne haben zumindest zu dem Zeitpunkt noch gesessen.

Mir tat nichts weh, ich hatte keine Schmerzen, sah man von dem dummen Gefühl im Magen ab. Also hatte ich keine abgekriegt; das hieß, daß die Schlägerei nicht zu derb gewesen sein konnte. Zu allem Überfluß war mir aber kalt; Kunststück, wenn man die Nacht ohne Schlafsack an einer Straße verbrachte. Die Kälte hatte ausreichend Zeit gehabt, in meine Knochen zu kriechen, und dort hockte sie jetzt, ziemlich fest sogar, und von dort würde ich sie so schnell nicht hinausbefördern können. Grauenhafte Aussichten!

Ich richtete mich auf; dann stand ich etwas wackelig auf den Füßen. Fast wäre ich umgekippt, aber das konnte ich gerade noch vermeiden. Ich schaute an mir hinunter: mehrfach geflickte Jeans, abgelatschte Springerstiefel, um den rechten Fuß eine Kette. Am Rand einer Buschgruppe stand ich, es war irgendwelches Dornengestrüpp, wie man es am Rand von Straßen häufig findet. Und die Straße entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Teil eines Autobahnkreuzes, an dem mit hohem Tempo allerlei Fahrzeuge beschleunigten, um auf die andere Autobahn zu wechseln. Wie zum Teufel kam ich an diesen Platz? Ich wußte es nicht; und mir war klar, daß das nicht mal das wichtigste Problem war. Wichtiger war, hier wieder wegzukommen.

Vor weiteren Überlegungen blieb ich bewahrt, denn jetzt rebellierte doch mein Magen. Das hektische Aufstehen brachte unangenehme Folgen mit sich. Der Schwall kam schneller, als ich reagieren konnte, und ehe ich weiter nachdenken konnte, kauerte ich auf allen Vieren auf dem Boden und kotzte, was ich kotzen konnte. Die Brühe lief mir übers Kinn und tropfte auf den Boden, zuerst als Schwall, dann nur noch in einzelnen Teilen. Viel festes war nicht darunter, es war fast nur Flüssigkeit; Bierreste eben, wie mir erneut bewußt wurde. Es war wieder mal zuviel gewesen.

Und jetzt fiel mir zumindest ein, welchen Tag wir schreiben mußten – wenn ich mich nicht völlig in den Wahnsinn gesoffen hatte. Sonntag, 21. September 1986 – und du Depp mußt morgen wieder arbeiten! Allein der Gedanke sorgte schon dafür, daß ein weiterer Schwall Kotze in mir hochkroch und sich auf den feuchten Rasen ergoß.

Nach einiger Zeit rappelte ich mich auf und wischte mir das Kinn ab. Es ging mir wieder einigermaßen erträglich, nur der widerliche Geschmack im Mund blieb. Scheußlich! Muß mir dringend die Zähne putzen! dachte ich, während ich zu meinem Rucksack ging und diesen durchwühlte. Eine weitere Bierdose, wie ich schon gehofft hatte, fand ich nicht; zum Ausgleich förderte ich einen Apfel zutage: zwar schon etwas angeschlagen, aber noch gut genug aussehend.

Ich biß kräftig ab, kaute, schluckte, dann noch einmal. Mit mehreren hektischen Bissen haute ich mir den Apfel in den Bauch, schleuderte den kärglichen Rest mit voller Wucht auf einen vorbeifahrenden Schwertransporter. Es wurde Zeit, daß ich mir meine Situation genauer klarmachte; also ging ich einige Schritte an der Autobahn entlang.

Nach einiger Zeit, in der meine Gedanken langsam etwas klarer verliefen, wußte ich immerhin, wo ich war: am Darmstädter Kreuz, an einer der konfuseren Stellen dieses ohnehin durch die Stadtauffahrt merkwürdig genug gestalteten Kreuzes. Keine schlechte Situation, dachte ich, wenn alles schlecht läuft, kann ich nach Darmstadt reinlatschen und Hermann besuchen. Vielleicht hat er etwas Gutes zu trinken daheim. Der wird sich freuen! Aber das war Schwachsinn, und das wußte ich auch; ich hatte keine Lust, meinen Job zu verlieren.

Sonderlich viele Möglichkeiten blieben mir nicht. Ich schaute mich ein letztes Mal um, dann ging ich zurück, holte meinen Rucksack sowie die Plastiktüte mit dem Schlafsack und marschierte an der Autobahn entlang: zu einer Stelle dieses Kreuzes, an der ich stehen konnte, ohne einen Unfall zu provozieren, an der ich wenigstens den Hauch einer Chance hatte, mitgenommen zu werden. Schwierig genug könnte es ohnehin werden.

Immerhin kam meine Erinnerung wieder, zumindest in Bruchstücken. Das war immerhin etwas. Ich erinnerte mich gut genug ... an mich selbst und an den Tag vorher.

Bonn, Kaiserplatz, Samstagmittag. Einige Dutzend Punks, mit Bierdosen und Weinflaschen bewaffnet, einige Penner am Rand, im Hintergrund tauchten ab und zu grüne Wannen auf, gemütlich-ruhige Stimmung. Das Wetter war nicht so gut, aber es regnete nicht, und so konnte man sich bei dummen Geschichten und noch dümmeren Aktionen ganz gut die Zeit vertreiben. Irgendeiner hatte einen Cassetten-Recorder dabei, und die Musik war nicht so laut, daß man keinen zusätzlichen Ärger bekam. Den hatte ich in letzter Zeit zu oft gehabt, und die anderen Punks auf dem Kaiserplatz ebenso.

Struppi und ich gingen aufs Klo; als anständige Menschen suchten wir uns einen sauberen Laden aus und nahmen deshalb McDonald’s, beim Bahnhof gleich ums Eck. Zumindest die Klos waren sauberer als alle anderen; ich hockte mich rein, drückte einen guten Bierschiß ab. Und als ich rauskam, hüpfte Struppi wie ein Idiot zwischen den Pissoirs herum und bespritzte die Wände, den Boden und jedes der einzelnen Pissoirs mit einem dicken gelben Strahl. Lachend verließen wir den Schnellimbiß, zurück zu den Freunden.

Später tanzte Fröschle, der irgendwo aus dem Schwäbischen kam, mir aber seinen Heimatort nie verraten wollte, auf einem Bein über eine Mauer, torkelte ganz unglücklich zur Seite und flog gut auf die Nase; es passierte ihm aber nichts. Noch später, als es schon dämmerte und ich schon schwer einen sitzen hatte, gingen wir quer durch die Fußgängerzone rüber zum Friedensplatz, wo wir uns mit einigen Leuten aus Köln treffen wollten.

Und noch später, da war es schon dunkel, stand ich am Born-heimer Eck, irgendein Typ sprach mich schräg von der Seite an, es gab einen überflüssigen, sehr aggressiven Wortwechsel, er stieß mich vor die Brust, ich zog ihm die Faust durch die Zahnreihen, er fiel um und blieb liegen, irgend jemand sagte, »hey, Peter, hey, Peter Pank, nix wie weg, bevor die Bullen kommen«, und dann rannten, nein, torkelten!, wir durch die Stadt, ich hatte einen ortskundigen Führer dabei, denn ich hätte zu dieser Zeit nicht mal mehr zurück an den Kaiserplatz gefunden, und dieser Ortskundige schleppte und schleuste mich quer durch die Innenstadt, bis zu einer Bundesstraße, wo ich den Daumen raushielt und erstaunlich schnell wegkam. Und irgendwann in dieser Nacht hatte mich ein Autofahrer, dem ich wohl zu sehr auf die Nerven ging, mitten auf dem Autobahnkreuz rausgeschmissen.

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Schöne Aussichten! Ich war ernsthaft besorgt. Was, wenn ich den Kerl ernsthaft verletzt hab’? Oder gar umgebracht? So ein verdammter Dreck! Wenn ich Pech hab’, lande ich noch mal im Loch, nur wegen so ‘nem Scheiß!

Das Sinnieren brachte nichts ein, ich mußte erst mal weg, ab Richtung Süden. Nachdem ich einige Zeit hin- und hergegangen war, hatte ich eine halbwegs erträgliche Tramperstelle gefunden; ich stellte mich an den Straßenrand und hielt den Daumen in die Luft, als der erste Wagen heranfuhr. Überzeugend sah ich nicht aus, das wußte ich, aber die Chance, daß mich bereits am frühen Morgen eine Polizeistreife aufgriff, war sehr gering.

Die ersten Autos fuhren einfach vorüber, mit stur geradeaus blickenden Fahrern hinter den Windschutzscheiben, aufs Ziel und die Arbeit fixiert; einige Transporter und Lastwagen donnerten vorüber und nahmen mir mit ihrem Luftzug jedes mal fast den Atem; irgendein Idiot zeigte mir aus seinem Mittelklassewagen heraus seinen Stinkefinger; alles in allem eine völlig normale Tramper-Situation, mit dem einen Unterschied, daß ich an einer reichlich dämlichen Stelle rumstand.

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Und mich selbst ganz schön ausgekotzt fühlte. Die Wirkung des Apfels ließ nach, der schale Geschmack im Mund tauchte wieder auf, und der Alkoholpegel machte sich erneut bemerkbar.

Plötzlich hielt ein Auto, eine Mittelklasse-Limousine, kein ganz so schlechtes Modell, mit Münchener Kennzeichen, wie ich sofort registrierte. Alte Tramper-Manie. Ich rannte hin, das Gepäck unterm Arm.

Der Beifahrer machte die Tür auf. Ich bemerkte einen Schnauzbart und eine durchschnittliche Krankenkassen-Brille, den Fahrer nahm ich erst gar nicht wahr. »Wo willst du denn hin?« fragte der Schnauzbart, nicht gerade sehr freundlich, aber auch nicht völlig abweisend.

»Ich muß nach Süden, Richtung Stuttgart, so was wäre nicht schlecht«, haspelte ich hervor.

»Da stehst du völlig richtig!« rief der Schnauzbart und lachte laut auf, knallte die Tür zu; der Fahrer gab Gas, die beiden düsten davon; ich bildete mir ein, ihr Hohngelächter noch eine ganze Weile hören zu können. Ein netter Spaß am Morgen – wunderbar! Die zwei hatten den Tag für sich gut eingeleitet. Für eine Reaktion war ich allerdings zu müde; Steine zum Nachwerfen lagen keine in Reichweite, und getroffen hätte ich in meinem Zustand ohnehin nicht.

Müden Schrittes ging ich zurück zu meinem Gepäck, stellte mich erneut in Positur, versuchte, so normal wie möglich zu schauen, und hielt meinen Daumen in den Wind. Ein halbes Dutzend Transporter rollten vorbei; die Scheiben waren so verschmiert, daß ich die Fahrer nicht einmal erkennen konnte. Jetzt fiel mir ein, warum so wenig Lastkraftwagen unterwegs waren: Sonntags hatten die, bis auf wenige Ausnahmen, Fahrverbot, und wahrscheinlich waren die paar zugelassenen Ausnahmen am frühen Morgen an mir vorbeigerauscht und hatten mich aus dem Schlaf gerüttelt. Auch recht. Der Dreck normaler Fahrzeuge reichte mir schon völlig, da brauchte ich nicht noch den Dreck schwerer Jumbo-Fahrzeuge in mich reinzuziehen und meine Lungen zum Kollaps zu treiben.

Die Zeit verrann zäh; ich hatte keine Ahnung, wie spät oder wie früh es war, und vor allem wußte ich nicht, wie lange ich schon an diesem Autobahnkreuz rumstand. Wenn ein Fahrzeug kam, hielt ich den Daumen raus; wenn der Fahrer mich erst gar nicht registrierte oder mehr als zwei Personen drinsaßen, ließ ich die Hand gleich wieder sinken. Es war ein Morgen, und das an einem Sonntag im frühen Herbst – da standen die Chancen, per Anhalter wegzukommen, ohnehin nicht sonderlich gut. Ich richtete mich also auf eine längere Wartezeit ein.

Nach einiger Zeit wurde mir das zu bunt. Ich begann damit, eines meiner beliebten Tramperspiele zu spielen: Ich zähle auf hundert – und wenn die hundertste Karre vorbeigefahren ist und keiner angehalten hat, dann gehe ich nach Darmstadt rein und besuche Hermann. Ein guter Trick, der immer funktionierte: Er verkürzte die Wartezeit und machte halbwegs realistische Hoffnungen, endlich mitgenommen zu werden. Und meist funktionierte er auch, ohne daß ich begründen könnte, warum.

An diesem Morgen war der Verkehr – angesichts der frühen Zeit verständlich – eher behutsam; es waren nicht so viele Fahrzeuge unterwegs. Für das Darmstädter Kreuz war das geradezu Totenstille; trotzdem hielt bei Nummer sechsundzwanzig einer an, gerade als ich mir überlegte, zum Pinkeln ins Gebüsch zu hüpfen.

»Du weißt ja hoffentlich, daß du beschissen stehst«, begann der Fahrer das Gespräch, nachdem er die Scheibe an der Beifahrertür automatisch runtergemacht hatte.

»Ja«, sagte ich mißmutig, »total beschissen. Aber es ging heute morgen nicht anders.«

Der Mann grinste breit. Sein Fahrzeug, ein recht neuer BMW der Fünfer-Klasse, sein Jackett, sein Backenbart und seine graumelierten Schläfen ließen mich sein Alter auf Ende 40 schätzen; seinen Beruf schätzte ich spontan auf selbständigen Handelsvertreter ein. Im Laufe der Tramperzeit hatte ich mir ein Bündel von Vorurteilen erworben, die gar zu oft mit der Realität übereinstimmten.

»Wo willst du eigentlich hin?« fragte der Mann weiter; er schien nicht mal unfreundlich, nur ein bißchen ungeduldig.

»Irgendwo Richtung Süden; ich muß nach Stuttgart. Wenn Sie mich bis Karlsruhe mitnehmen könnten ...«

Er überlegte kurz. »Ich fahre nach Karlsruhe rein, aber das bringt dir ja nichts. Ich lasse dich am Rasthof Bruchsal raus.« Er machte eine einladende Geste.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Rasch hatte ich das Gepäck auf den Rücksitz gelegt, dann ließ ich mich im Vordersitz nieder. »Danke«, meinte ich, dann fuhr er schon los.

Ich überlege schon, mit welchem Thema er sein Gespräch beginnen würde, da fing er auch schon an. »Sag mal, bist du ein Punker?« fragte er.

»Ja, so was ähnliches.« Ich grinste und nickte kurz.

»Und natürlich arbeitslos und voller Haß auf den Staat.«

»Nein, eigentlich nicht.« Ich hatte keine Lust auf Diskussion, trotz der ehernen Tramper-Regel, nie mit dem Fahrer Streit anzufangen. Also gab ich möglichst rasch Auskunft. »Ich arbeite in einem Supermarkt im Lager, drei- oder viermal die Woche, das reicht fürs Leben.« Vor allem drückte ich mich in solchen Fällen gern um eine direkte Anrede. Gerade die graumelierten Typen, die einen so leutselig mitnahmen und duzten, erwarteten dann, daß man sie – aus purer Dankbarkeit natürlich! – siezte, und darauf hatte ich meist nie Lust.

Er schien doch überrascht zu sein. »Hast du einen Beruf gelernt?«

Ich schüttelte den Kopf. »Warum denn?«

»Dann hättest du doch wesentlich bessere Zukunftsaussichten.« Mittlerweile fuhren wir 150 Stundenkilometer, mein Fahrer gab flott Gas, übertrieb sein Tempo aber nicht, blieb recht locker. »Du könntest später mal richtig gut Geld verdienen.«

Jetzt bekam er die direkte Anrede! »Weißt du«, sagte ich so beiläufig wie möglich, »ich glaube nicht, daß ich so alt werde wie du, und eigentlich habe ich das auch gar nicht vor. Weshalb soll ich mir also um meine Zukunft Gedanken machen?«

Es kam keine Antwort von ihm, aber sein Gesicht schien sich zu verhärten. Er schaltete kurz und hektisch, und dann beschleunigte der BMW zuerst auf 160, auf 180 und 190 Stundenkilometer. Recht rüde schaltete der Mann kurz das Fernlicht ein, verscheuchte einen langsameren Opel von der linken Seite, trotz 130er-Zone, und raste dann links weiter. Er sprach kein Wort mehr, schaute mich nicht einmal an.

Mich sollte das nicht stören. Ich lehnte mich in den Sessel zurück, fühlte mich jetzt relativ wohl. Und die Schlägerei in Bonn? dachte ich noch kurz, aber das interessierte mich jetzt doch nicht. Auf einmal fühlte ich mich sehr müde.

Ich hatte das Gefühl, nur kurz eingenickt zu sein, als mich plötzlich eine Hand an der Schulter packte. »He, Bursche, wir sind da!« dröhnte die Stimme des Fahrers durch den dichten Nebel, der sich über mein Hirn gelegt hatte. »Das hier ist Bruchsal, der Rasthof, du mußt raus.«

Von einer Sekunde zur anderen wurde ich wach; ich riß meine Augen auf und schaute mich um. Der Typ neben mir blickte nicht mal unfreundlich, aber er war wohl in Eile und wollte mich rasch loshaben. Ich bedanke mich kurz bei ihm, er nickte mir zu; dann packte ich meinen Kram zusammen und verließ seinen Wagen. Er winkte mir sogar zu, als er Gas gab, ich winkte kurz zurück, das verlangte die Höflichkeit; er gab noch mehr Gas und verschwand auf dem Beschleunigungsstreifen.

Er hatte mich freundlicherweise direkt an der Tankstelle rausgelassen; wahrscheinlich ging er davon aus, daß ich Autofahrer ansprechen wollte, normalerweise eine sehr gute Tramper-Taktik. Dazu hatte ich an diesem frühen Morgen keine Lust. Ich kramte in meinen Taschen, förderte den Geldbeutel zutage und stellte fest, daß ich über genügend Bares verfügte. Kurzerhand stellte ich mein Gepäck vor dem Laden ab, ging hinein; der Tankstellenwärter beäugte mich sehr mißtrauisch, aber als ich ein Bier kaufte und ohne nachzudenken mit einem zerknüllten und extra für ihn glattgebügelten Zehnmarkschein zahlte, wurde er richtig freundlich und bedankte sich sogar.

Gemütlich packte ich mein Gepäck und ging zur Auffahrt, trank dabei von meinem Bier. Das Getränk lief mir gut rein, so langsam wurde ich wach, und ebenso langsam fühlte ich mich auch besser. An der Uhr hinter der Kasse hatte ich erkannt, daß es immer noch recht früh war, ich würde also nicht zu spät heimkommen. Streß war überflüssig, ich konnte mir wirklich Zeit lassen. Und wenn ich in Bonn wirklich Scheiße gebaut hatte, würde ich das früh genug mitbekommen.

Am Beschleunigungsstreifen fand ich einen Kartonrest, in meiner Jacke steckte ein noch brauchbarer Edding, den ich an meinem Arbeitsplatz abgestaubt hatte, und während ich gemütlich immer wieder an meinem Bier nuckelte, verzierte ich den Karton mit einem großen, deutlich lesbaren »S« für »Stuttgart«. Ich trank die Dose aus, warf sie auf den unordentlichen Haufen, der sich bereits auf dem Rasen angesammelt hatte, stellte mich in Positur und wartete, das Schild so in der Hand, daß es auch ein rest-alkoholisierter Autofahrer erkennen konnte.

Ich hatte erneut Glück: Keine zehn Minuten später hielt ein Auto neben mir. Der Fahrer – anfangs 30, mittellange Haare, ein dünner Schnauzer, Durchschnittsklamotten, Hemd und Jeans und Cowboystiefel – wirkte tatsächlich so, als habe er noch einen kräftigen Schuß Alk in der Krone. Wir verhandelten kurz. Er sagte, »ich fahr’ halt nach Degerloch rein«, ich überlegte mir, daß das auch nicht schaden könne, und willigte ein.

Kaum saß ich in seinem Wagen, wurde ich schon wieder müde. Aber er ließ mich nicht einpennen.

»Weißt du, ich war bei meiner Schnalle«, begann er unvermittelt, »wir haben schwer gesoffen, und dann haben wir die halbe Nacht gefickt, und jetzt muß ich schnell fahren, weil ich heute mittag wieder fit sein muß; ich arbeite für die Stadt, weißt du, voll der wichtige Job, da muß ich manchmal auch an Sonntagen und nachts arbeiten; das ist manchmal voll hart, aber da kann ich eben gut Überstunden schieben und viel Geld verdienen, und das nutze ich dann natürlich wieder, um zu meiner Schnalle nach Koblenz zu fahren, die ist nämlich echt voll geil, so mit Riesentitten und so ...«

Er plapperte vor sich hin, schaute ab und zu rüber zu mir, wohl, um mein Einverständnis oder eine Art Lob für seine Heldentaten zu kassieren; aber ich war dafür einfach zu schlapp; ich war aber ebenso zu schlapp, ihm in irgendeiner Art in die Parade zu fahren und ihm zu sagen, er solle sein Gelaber unterbrechen. Aber er war wohl nicht an einem echten Gespräch interessiert, es ging ihm darum, seinen Sermon abzulassen und mir seine Lebensgeschichte auszubreiten – oder das, was er für seine Lebensgeschichte hielt.

»Weißt du, früher, da waren wir noch echt hart, da haben wir uns jeden Samstag getroffen und sind auf die Dörfer rausgefahren, weißt du, in die Diskos auf dem Land, Chicken aufreißen, denn die auf dem Dorf, die fahren auf echte Feger aus der Stadt einfach ab, die mußt du nur breit angrinsen, ihnen ein Bier oder ein Cola-Asbach bezahlen, dann fallen die schon reihenweise um; ich hatte jedes Wochenende eine andere, mal waren sie hübsch, mal nicht, das war mir egal, Hauptsache, sie waren geil, und das waren sie immer, ich steh’ nämlich auf Titten, weißt du, das macht die Weiber auch scharf, wenn du die entsprechend anpackst, die brauchen das nämlich ...«

Er überholte, glücklicherweise fuhren wir zügig; also brauchte ich mir keine Sorgen um mein Nervenkostüm zu machen. Ich würde die Fahrt bis Stuttgart schon irgendwie überleben, ohne wild schreiend durchs geschlossene Fenster auf die Autobahn hinauszuspringen – nur weg von diesem aufgeblasenen, ständig selbstgefällig vor sich hin brabbelnden Kerl.

»Manchmal gab’s auch Schlägereien, ist ja klar, wir waren ja auch harte Jungs; da ging’s zur Sache, kann ich dir sagen, auf jeder Seite immer so zehn Mann, und wir haben uns gut die Fressen poliert, aber wir haben immer gewonnen; okay, ich seh’ heute nicht mehr so fit aus, aber damals, da war ich echt fit, da nannte man mich auch ›Boxer‹, weil ich so schnell und so kräftig zuschlagen konnte.«

Er holte tatsächlich mal Luft, überholte einen Langsamfahrer, den er von der linken Spur gescheucht hatte, zeigte dem Mann die Faust, bevor er sich wieder einfädelte. Wir näherten uns Karlsruhe, würden bald aufs Autobahndreieck kommen. Noch etwa eine Dreiviertelstunde, schätzte ich. Das war zu schaffen und zu ertragen, ich hatte schon schlimmere Fahrer erlebt.

»Weißt du, heute bin ich ruhiger geworden; ich fick’ halt meine Schnalle, mach’ nicht mehr mit allen Chicken rum, auch wenn die in der Abteilung und in der Verwaltung – vor allem die! – alle was von mir wollen; das kannst du dir ja gar nicht vorstellen, wie ich von denen angegraben werde, von morgens bis abends, das ist ja echt unglaublich; die sind zum Teil verheiratet, aber die werden von ihren Alten anscheinend nicht richtig befriedigt, und deshalb baggern sie mich an; na ja, die schätzen mich schon richtig ein ...« – er lachte laut auf – »... meine Schnalle sagt auch immer zu mir, ›Karle, du fickst am besten‹, muß wohl sein, hab’ ja auch früh angefangen, früh übt sich, wer ein Meister werden will.«

Er blickte mich an, gab mir einen Stoß gegen die Schulter. »Ficken ist geil, was?« rief er und lachte erneut. »Hast du ‘ne Freundin?« Ich schüttelte den Kopf.

»Nix als Ärger mit den Weibern, kann ich verstehen«, lamentierte er, »ich kenn’ das, du mußt ihnen in der Disco ein Bier zahlen und einen Sekt und einen Sekt-Orange oder einen Baccardi oder sonst was, und wenn du dann was von ihnen willst und ein bißchen an ihnen rumschraubst, dann kann es trotzdem passieren, daß sie dir eine schieben; die Welt ist wirklich ungerecht; aber ich bin ja so heilfroh, daß ich meine Schnalle in Koblenz habe, weißt du, die führt sich nicht so auf; die ist jetzt gerade mal zweiundzwanzig, arbeitet als Rechtsanwaltsgehilfin, verdient also nicht mal so schlecht Kohle, und ficken tut sie wie ein Karnickel, da fällt dir nichts mehr ein ...«

Wir passierten das Autobahndreieck Karlsruhe. Die Straße war frei, es gab beim Aufstieg danach keinen Stau; kein Wunder, es war Sonntagmorgen, und nur ganz selten war einer der Lkw mit Sondergenehmigung zu sehen. Mein Fahrer hatte sein Thema immer noch nicht gewechselt. Nachdem er dir körperlichen Vorzüge seiner »Schnalle« durchdekliniert hatte, ging er auf ihre seelisch-geistigen Vorzüge ein, bevor er – welch’ Überraschung! – wieder zu seinem eigenen Leben und seinen Millionen und aber Millionen erlebter Heldentaten wechselte.

»Ich bin jetzt einunddreißig, weißt du, das muß man sich mal vorstellen, da hab’ ich natürlich schon einiges durchgemacht in meinem Leben, Schlägereien und alles Drumherum, Ficken und so; na ja, an die eine Sache, da kann ich mich immer noch gut erinnern, da war ich so 22 oder so, da war so eine Massenschlägerei in einem Festzelt, ganz in der Nähe von Stuttgart, auf so einem Kaff, wenn man hinten Richtung Waiblingen rausfährt, mein Gott, da ging’s ab, und ich natürlich mittendrin; gegen Ende sind die Bullen gekommen, war ja klar, aber sie haben sich nicht mal so richtig reingetraut, hätte ich mich auch nicht an ihrer Stelle, war ja schließlich eine harte Sache, und wir waren alle sehr gut dabei, einige richtige Schränke hatten wir in unserer Clique. Ja, ja, das waren schon Zeiten, kann ich dir sagen ...«

Ich war am Rechnen, leise. Der Kerl ist 31, sagt er, also müßte er Jahrgang 55 sein, könnte passen – und wenn er dann mit 22 diese angeblich so tolle Schlägerei hatte, dann war diese Schlägerei praktisch 1977, überlegte ich vor mich hin. 1977, das war anscheinend das Jahr ...

»Weißt du, früher, da war ich vielleicht so ein harter Knochen, heute bin ich schon ein bißchen gemütlicher geworden; ich hab’ eine schöne Wohnung, und in der Wohnung, sind zwei Zimmer unterm Dach, da wohne ich; ist im selben Haus, das auch meine Eltern bewohnen; die beiden leben noch, wohnen drunter, lassen mich aber völlig in Ruhe; ist sehr bequem, weißt du, ich zahle keine Miete, wohne also superbillig, kann also mein Geld fürs Auto, für die Disko und für den Urlaub auf die Seite packen, dann hat man keine Probleme; einen Bausparvertrag habe ich auch schon angefangen, man weiß ja nie so recht, was die Zukunft bringt, kennst du sicher auch; vielleicht will ich das Haus mal ausbauen, wenn ich mit meiner Schnalle zusammenziehe, weißt du, aber das weiß ich eben noch nicht so recht ...«

Wir kamen an der ersten Abfahrt nach Karlsruhe vorbei, der Himmel zog sich zu, einige dunkle Wolken zogen auf, und es begann tatsächlich zu regnen. Der Kerl neben mir gab weiterhin fleißig Gas, und ebenso erzählte er weiterhin Abenteuer aus seinem früheren und jetzigen Leben. Ich wurde etwas schläfrig und erinnerte mich zurück, zurück an den Anfang, zurück an 1977.

Da saß ich also: Kindererholungsheim in Scheidegg, am Rand des romantischen Allgäus; von meinem Fenster aus konnte ich die Alpen sehen. Wir schrieben das Frühjahr 1977, ich war ein bißchen sehr depressiv, interessierte mich im Prinzip für nichts außer für Bücher, weil ich dachte, aus dem Alter der Kinderbanden und deren Kriege schon raus zu sein. Mit den Gleichaltrigen konnte ich nicht viel anfangen, die hatten völlig andere Gedanken als ich; ich fand keine gemeinsame Linie mit den Jungs – und vor allem den Mädchen! – in meinem Alter, und das begann mich immer mehr anzunerven. Ich besaß kein Geld, ich konnte mir nichts von den Dingen kaufen, die für Jungs begehrenswert waren, und zuhause hatten wir nicht einmal einen Fernseher, der mir die tägliche Dosis für Gesprächsstoff in der Schule ins Zimmer holte.

Weil meine Eltern der Meinung gewesen waren, mir würde eine Art Kindererholung guttun, hatten sie mich nach Scheidegg schicken lassen. Klammheimlich hatte ich ja den Verdacht, daß sie mich für einige Wochen einfach loshaben wollten; zuhause störte ich zurzeit wohl nur. Wir waren mit dem Ausbau unseres Hauses mittlerweile so gut wie fertig geworden, aber in der Zwischenzeit war die Wirtschaftskrise gekommen. Mein Vater hatte zwar nicht seinen Job verloren – »dann geb’ ich mir die Kugel«, hatte er einmal düster in meinem Beisein am Mittagstisch verkündet –, aber er war auf Kurzarbeit gesetzt worden. Die Folge: Das Geld reichte vorne und hinten nicht.

Kein Wunder, daß meine Mutter wieder zu arbeiten anfing, als Putzfrau in einer Druckerei; mein Vater nutzte die Zeit, die er als Kurzarbeiter »übrig« hatte, um zuhause im Bau tätig zu sein und nebenher »schwarz« anderen Leuten im Dorf zu helfen. Für mich blieb da keine Zeit übrig: Wenn ich nicht als Handlanger meinem Vater helfen mußte, war ich mir selbst überlassen und lungerte im Haus, in der Schule, auf dem Marktplatz der Stadt oder im Stadtpark rum. Dort hingen zu der Zeit gelegentlich Penner ab, die, wenn sie nicht schon zu betrunken waren, spannende Geschichten zu erzählen wußten.

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Eine weitere Folge des Geldmangels war, daß es zu Hause permanent Kartoffeln und Billig-Gemüse zu essen gab; meine Mutter gab sich zwar viel Mühe, und es gab immer eine ordentliche Mahlzeit, aber zum Dickwerden reichte es natürlich nicht. Der Arzt hatte elf Kilogramm Untergewicht festgestellt – ein Grund mehr, mich nach Scheidegg zu schicken, »damit der Bub mal was auf die Rippen kriegt«.

Ich kam in Scheidegg an, mit abgetragenen Klamotten, die keiner mehr hatte haben wollen, mit einer völlig ausgebeulten Jeans, die ziemlich scheiße aussah, mit einer rausgewachsenen Langhaarfrisur und schlechter Laune. Warum ich mein Zimmer mit dem absoluten Langweiler des Heimes teilen mußte, wußte ich nicht; es war mir auch egal – auf diese Weise landete ich in einem Zweibett- und nicht in einem Sechsbett-Zimmer. Ich war dreizehn Jahre alt, ich konnte niemand leiden, und ich hockte abends in meiner Bude rum, schmökerte in dickleibigen Büchern, die ich in der schlecht sortieren Bibliothek des Heims fand, und hörte Radio, nahm gelegentlich mit dem Cassettenrecorder einzelne Musikstücke auf.

Das war schon etwas besonderes; ich hatte Popmusik erst relativ spät kennen gelernt. Bis 1975 lief im Radio meiner Eltern nur irgendwelche Schlager- und Volksmusik, selten verirrte sich ein Popstück dazwischen; mein Vater bevorzugte neben Volksmusik vor allem Militärmärsche. Nachdem aber das dritte Programm des Südwestfunks mit seinen Sendungen angefangen hatte, kam plötzlich ständig Pop- und Rockmusik im Radio.

Waren anfangs vor allem Bands wie Sweet und Slade meine Lieblinge gewesen, während die Mädchen eher auf Bay City Rollers und Smokie standen, hörte ich mit der Zeit immer mehr Hardrock und Heavy Metal. Das aber wurde im Radio so gut wie nicht gespielt, man mußte schon suchen; gelegentlich gab es im Radio der Schweiz und im Deutschlandfunk »Hardrock«-Sendungen.

1977 hatte ich mir auch meine erste eigene Langspielplatte gekauft: »Draw the Line« von Aerosmith. Die spielte ich, wenn meine Eltern nicht zuhause waren, gerne »volle Pulle« auf dem uralten Plattenspieler, den mein Vater in den frühen fünfziger Jahren zur eigenen Hochzeit gekauft hatte und auf dem er normalerweise den Badenweiler Marsch und andere Werke zu hören pflegte.

Es kam natürlich, wie es kommen mußte: Ich verliebte mich zum ersten mal in meinem Leben, und dann natürlich prompt unglücklich. Sie hieß Susanne und kam aus Tübingen, war klein, blond und frech und hatte sich unter uns Jungs natürlich einen Freund ausgesucht, einen großen Kerl namens Michael, den ich prompt nicht leiden konnte. Er war der beliebteste von allen, und unsere beidseitige Abneigung führte dazu, daß ich immer mehr in eine Außenseiterrolle gedrängt wurde.

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Da saß ich also: Es war abends, ich hatte keine Lust, irgendwas zu machen, etwa ins Spielzimmer zu gehen, um mit den Erzieherinnen und einigen anderen Gästen des Heimes zu spielen; und ich hatte auch keine Lust, schon schlafen zu gehen. Bis plötzlich im Rahmen einer Rock-Sendung die Rede von »neuer Musik« war, die jetzt in England für Furore sorgte. »Man nennt das ganze Punkrock«, meinte der Moderator im Radio, »und das ist jetzt der neue Sound, und die Leute, die so etwas hören, die tragen Hundehalsbänder um den Hals, haben abstehende, struppige Haare, bemühen sich, möglichst häßlich auszusehen – und sie nennen sich selbst Punks.«

Er nannte einige Bands; die Begriffe Sex Pistols, Clash, Stranglers und Ramones drangen zum erstenmal an mein Ohr. Dazu sagte er einige Titel an, die ich sofort wieder vergaß. Aber dann kam ein Stück, dessen Musik sich sofort in meinem Hirn festsetzte . Der Moderator spielte »Anarchy in the U.K.« von den Sex Pistols, gefolgt von »God Save The Queen«.

Solche Musik im öffentlich-rechtlichen Radio! Irgendwas knallte in meinem Hirn durch, es machte buchstäblich »Klick!«, ohne daß ich hinterher wußte, was genau passiert war. Ich saß senkrecht auf meinem Bett, drehte das Radio lauter; nach drei Tönen wußte ich, das ist meine Musik; der Sound fräste sich in mein Hirn, ich saß da, wippte mit den Beinen, wackelte mit dem Kopf. Und als die Textzeile »No Future« zum erstenmal ertönte und gleich mehrmals wiederholt wurde, da wußte ich, daß ich mein Ding gefunden hatte – zumindest für die nächsten Tage.

Ich saß da, sie spielten weitere Punk-Stücke, ich machte die Musik immer lauter, ich spürte meinen Haß auf die ganzen Leute rings um mich rum, ich kapierte zwar noch nicht, was das ganze für mich bedeuten könnte, aber ich kapierte, daß so etwas lautes, heftiges und aggressives außer mir garantiert keiner gut finden würde. Keiner!

Meine erste Begeisterung für Punkrock wurde rüde unterbrochen. Der erste Mensch, der kam und sich beschwerte, war ausgerechnet jener Michael, der sonst immer den harten Kerl raushängen ließ. Plötzlich stand er in meinem Zimmer; in dem Kindererholungseim hatten alle Türen zu den Zimmern offen zu stehen. »Was ist denn das für ein Krach?« fuhr er mich rüde an.

»Das ist Punkrock«, entgegnete ich und versuchte dabei, so cool wie möglich zu klingen. »Kennst du das nicht? Das ist die neue Musik aus England.« Jetzt hatte ich ihn in der Falle! Auf diesen Spruch war er nicht vorbereitet gewesen, er, der sonst immer so überlegen wirkte. Und das, obwohl er schon bald fünfzehn wurde, wie er stets stolz betonte, und obwohl er schon eine Freundin hatte.

»Klar kenne ich das, ich bin ja auf dem laufenden«, tönte er hochnäsig, »aber blöder Krach ist’s trotzdem.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging davon.

Im Radio spielten sie mittlerweile »Sheena is a Punkrocker« von den Ramones, und ich drehte das Gerät erneut ein bißchen lauter. Man mußte es mittlerweile über den ganzen Flur hören, und ich saß da, mit heißen Ohren und wippenden Beinen und freute mich. Das war’s! Das war Punkrock! Eine knallige Musik, die die Leute ärgerte, ein Rhythmus, gegen den alle Hardrock-Sachen nicht anstinken konnten, und eine Stimme, die die Texte rausbellte und nicht schön sang. Das war klasse!

Ich konnte mir unter dem Aussehen der sogenannten Punks noch gar nichts vorstellen, aber allein die Vorstellung, sich ein Hundehalsband umzuhängen und damit durch die Straßen zu ziehen, begeisterte mich. Wie die Leute glotzen würden! Wie sie sich aufführen würden! Alle wären entsetzt, viele würden mich hassen – aber das war mir egal, denn ich konnte die meisten Menschen ohnehin nicht ausstehen. Ich war hellauf begeistert von der Vorstellung.

Bis plötzlich eine Erzieherin vor mir stand. Ich hatte sie nicht einmal kommen hören. »Mach sofort den Krach aus!« schnauzte sie mich an. »Sofort!« Ich reagierte nicht, saß weiterhin mit wippenden Beinen da und schaute sie nur an. Sie griff zum Stecker des Radios, zog ihn, das Stück verstummte abrupt. »Du kommst sofort mit ins Büro!« befahl sie. »So geht das ja nicht! Du machst mir das halbe Haus rebellisch mit dem Krach.«

Ich bekam einen ordentlichen Anschiß und einen Eintrag in meine Akte; den durfte ich allerdings nie lesen, auch später nicht, als ich schon älter war und mich bei meinem Hausarzt danach erkundigte. Die Erzieherin hielt mir eine halbstündige Strafpredigt über meine schlechte Kindheit, über meine armen, schwer arbeitenden Eltern und die Auswirkungen gewalttätiger Musik auf heranwachsende Kinder und Jugendliche. Danach wurde ich entlassen; als ich das Büro verließ, hingen in allen Türen der Jungenzimmer die anderen Hausgäste und musterten mich. Ich kam mir vor wie ein Außerirdischer.

Drei Tage später ließ ich mich auf eine Prügelei mit Michael ein, die ich natürlich hoffnungslos verlor; es war wegen Susanne, die ich ohne seine Erlaubnis angesprochen hatte. Allerdings trug ich mein angeschwollenes Auge und meinen Riß auf der Wange hinterher mit Stolz durch die Räume des Heimes. Wir bekamen beide eine Verwarnung durch die Heimleiterin, und ich hatte einen weiteren Eintrag in der Akte stehen; denn mich hatte die verantwortliche Erzieherin sofort als den Unruheherd und Ausgangspunkt der Schlägerei entlarvt.

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Zwei Tage danach schüttete ich Michael in einem unbeobachteten Moment kaltes Wasser ins Bett, etwa eine Stunde vor offizieller Schlafzeit. Er hatte keine Chance, sein Bettzeug zu wechseln, ohne sein Gesicht zu verlieren, und mußte die Nacht im kalten, feuchten Bett verbringen. Jeder wußte, wer es getan hatte; die meisten lachten sich klammheimlich ins Fäustchen, keiner sagte etwas zu einer der Erzieherinnen, Michael ärgerte sich, und am nächsten Tag haute er mir während einer Bastelstunde mit einer dicken Mutter kräftig auf den Hinterkopf.

Das war mir zwar nicht völlig egal, aber mir war klar, daß solche Ereignisse im Moment an die zweite bis dritte Stelle zu treten hatten. Ich hockte Abend für Abend vor dem Radio, hatte ständig dieses »No Future« im Kopf, suchte in den Sendern nach Punk-Stücken, fand aber keine. Nachts träumte ich davon, durch die Innenstadt zu ziehen, mit abstehenden Haaren auf dem Kopf – eine unglaubliche Vorstellung!

Ich hatte einen Aspekt von Punk für mich gefunden und kapiert: Die »anderen«, die Leute, die ich nicht leiden konnte und die mich nicht leiden konnten, sie lehnten diese Musik ab – die Erzieherinnen, die größeren Jungs, sicher meine Eltern, meine Lehrer, der Pfarrer in der Kirche und garantiert der Großteil meiner Mitschüler.

Endlich hatte meine Abneigung gegen diese Leute, die mich alle nervten, ein passendes Ventil gefunden. Ich beschloß zu dieser Zeit, in einer der frustrierenden Nächte im Kindererholungsheim, irgendwann einmal mit einer Punkrock-Band auf der Bühne zu stehen und »Anarchy in the U.K.« zu singen. Ich wußte ohnehin nicht, was ich vom Leben wollte; ich wußte nur, daß ich nicht vierundzwanzig Stunden am Tag malochen wollte, wie es mir meine Eltern stets vormachten. Aber Punkrock-Sänger zu werden – das war meine feste Absicht!

»Na ja, weißt du, das mit dem Leben ist so eine Sache, ich hab’ schon viel von der Welt gesehen, war auf Mallorca und auf den Kanaren und in Thailand, sogar schon in Florida und auf Jamaica, und da siehst du schon, wie man in anderen Ländern lebt; ich weiß schon, was ich vom Leben will: auf jeden Fall mal mit meiner Schnalle zusammenziehen, sie heiraten, vielleicht ein Kind mit ihr haben, vielleicht auch zwei, je nach dem, weißt du, das muß man halt abchecken; irgendwann werden wir das Haus meiner Eltern übernehmen, das bau’ ich mir dann ganz toll aus, da kann man was machen, das glaubst du gar nicht, das wird sicher mal ein tolles Leben; ich hab’ ja einen guten Job, weißt du, und meine Schnalle auch ...«

Unglaublich! Der Typ faselte immer noch! Ich hatte ihm locker eine halbe Stunde lang nicht zugehört, hatte in Erinnerungen geschwelgt, mich gedanklich in meine frühe Jugend zurückgeholt, und er hatte meine geistige Abwesenheit nicht einmal registriert. Nach wie vor fuhr er recht flott; wie ich schnell sehen konnte, waren wir bereits auf der Höhe von Stuttgart. Es würde also kein großes Problem mehr sein, bis nach Degerloch durchzuhalten und den Rest seiner Sprüche anzuhören.

Zu allem Überfluß drückte jetzt meine Blase, das Bier vom Rasthof Bruchsal machte sich bemerkbar. Das wunderte mich, normalerweise bekam ich nach einem Bier schon früher einen Druck im Unterleib, und üblicherweise war es bereits nach einer halben Stunde nötig, ans nächstbeste Gebüsch zu eilen. Wahrscheinlich hatte die Tatsache, daß ich vor knapp zwei Stunden kotzend meinen Magen ausgeräumt hatte, dazu beigetragen, daß ich kein übermäßig dringendes Bedürfnis zum Pinkeln verspürte. Unangenehm war es trotzdem. Also rutschte ich auf dem Beifahrersitz hin und her und klemmte die Beine zusammen, versuchte gleichzeitig, meinen Chauffeur so weitgehend zu ignorieren, wie es nur ging.

»Das nächste, was ich vorhab’, ist allerdings, erst mal ein anderes Auto zu kaufen; ich krieg’ Geld von meiner Lebensversicherung, weißt du, und dann kaufe ich mir was besseres; den neuesten Kadett wahrscheinlich, die haben da diesen Sechzehn-Ventiler in einer neuen Auflage rausgebracht, und da gibt es jetzt auch einige Sondermodelle, weißt du, die hauen alles weg auf der Straße, wenn du mit denen richtig Gas gibst; Einspritzer natürlich, damit kommst du locker auf 180, 190, da kannst du auch einen Daimler oder einen BMW abhängen, da fällt dir nichts mehr ein ...«

Rasthof Stuttgart, der nervtötende Kreisel, an dem ich fast jedesmal nur vom Zuschauen schon die Orientierung verlor, dann das kurze Stück über die vierspurige Bundesstraße bis nach Degerloch. Der eifrige Erzähler, mit dem ich – unfreiwillig – immerhin gut eine Stunde verbracht hatte, war für einige Zeit still und paßte seinen Fahrstil den wenigen Baustellen und Fahrbahnverengungen an.

»Ich lass’ dich da vorne an der Ecke raus«, sagte er zu mir, »links geht’s dann in die Stadt runter, ich muß rechts weiterfahren, zu meinen Alten; aber du kennst dich ja wohl aus.«

»Ja, geht so«, reagierte ich zum ersten mal seit einiger Zeit auf seine Bemühungen, mich in seine Monologe einzubeziehen. Viel reden wollte ich nicht, die Blase drückte mittlerweile etwas mehr.

Er lachte völlig unmotiviert und hielt am Straßenrand. »Na, dann wünsch’ ich dir mal viel Glück beim Weiterkommen«, sagte er, während ich mein Gepäck zusammenraffte. »War echt eine nette Fahrt mit dir, war auch saumäßig angenehm, mit dir zu plaudern.« Mir wurde schlecht, aber dann war ich schon aus dem Auto raus; ich schlug die Tür zu, er gab Gas und fuhr los.

Mein Druck auf die Blase war mittlerweile unerträglich geworden: Ich knallte mein Gepäck neben eine Litfaßsäule auf die Straße, stellte mich direkt neben die Säule an einen Gartenzaun, machte die Hose auf und begann zu pinkeln. Es tat ausgesprochen gut.

»Da fällt mir ja gar nichts mehr ein«, ertönte eine barsche Stimme in voller Lautstärke hinter mir, »pißt doch der Kerl da mitten auf die Straße, das darf doch nicht wahr sein!« Aus den Augenwinkeln erblickte ich einen Mann, etwa Mitte der fünfzig, der im besten Sonntagsanzug schräg hinter mir stand und mich wie wild beschimpfte. »So eine Punkersau! Mitten auf die Straße pissen! Wo gibt’s denn so was? Wir sind doch nicht im Urwald bei den Wilden!«

Ich hatte keine Lust, mich mit dem Alten rumzuärgern. »Nein, sind wir nicht«, knurrte ich nur und drehte mich um, setzte dem Kerl einen tiefgelben Urinstrahl direkt vor die blankgeputzten schwarzen Schuhe.

Erschrocken sprang der Alte einen halben Meter zurück und starrte mich an, offensichtlich sprachlos vor Entsetzen. Ich schüttelte kräftig ab und machte meine Hose zu, wischte mir die zwei Tropfen, die prompt daneben gegangen waren, am ohnehin schon schmutzigen Beinkleid ab; dann grinste ich breit. »Sei doch froh, daß ich dir nicht in die Fresse gepißt hab’«, spottete ich.

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Der Kerl stand immer noch an der Litfaßsäule, als ich, mein Gepäck auf dem Rücken, schon gut hundert Meter weitergegangen war und mich einmal kurz umdrehte. Ich hob die Hand, grinste breit zu ihm hinüber und winkte fröhlich. »Bis zum nächsten Mal!« rief ich. »Und einen schönen Sonntag wünsch’ ich dir auch!«

Per Bus fuhr ich in die Stadt hinunter; mittlerweile wurde es wärmer, der Nieselregen, der mich auf der Autobahn begleitet hatte, war längst verschwunden. Feine Nebelschwaden tanzten auf dem Asphalt, großflächig verzog sich die Feuchtigkeit von der Straße. Ich döste vor mich hin, während der Bus die Alte Weinsteige hinunterzuckelte, und ich döste auch in der Bahn weiter, mit der ich bis zum Hauptbahnhof fuhr.

Unten in der Klett-Passage hatte ich mir gerade an einer Bude eine Dose Bier besorgt und eine fettige Pizza-Schnitte in mich reingeschlungen, als ich zwei Polizisten sah, die gemütlich vom Ausgang zum Schloßpark herüberschlenderten. Bei Uniformierten wurde ich immer nervös, meist gab es Ärger. Ganz vorsichtig begann ich mich zurückzuziehen, doch ich hatte kein großes Glück.

»He, schau mal, ein Punker«, sagte der eine, ein schlanker Blonder mit dünnem Schnauzbart, so laut zu seinem Begleiter, daß ich es ebenfalls hören konnte. Der andere – breitschultrig, aber nicht untersetzt, mit schwarzen Haaren – schaute zu mir herüber, ich blickte geflissentlich an den beiden vorbei und ging, das Bier locker-lässig in der Hand, in Richtung Aufgang zum Hauptbahnhof. Es waren zwar zahlreiche Passanten unterwegs, aber ich sah keine Punks, und das machte mich nervös; daß sich niemand um die zwei Beamten und mich kümmerte, konnte ich in dieser Situation nur als positiv empfinden.

Irgendwas ist faul, dachte ich, irgendwas stimmt da nicht. Entweder suchen die einen, oder es gab Ärger mit Punks. An mir allein kann’s garantiert nicht liegen.

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»He, du da, Bursche!« rief der eine blonde Schnauzbart mir zu. »Bleib mal stehen, wir wollen mit dir reden.« In diesem Moment setzten sie sich schon in Bewegung, nicht gemütlich, sondern gleich richtig mit Tempo.