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Andrea De Carlo

Zwei von zwei

Roman

Aus dem Italienischen von

Renate Heimbucher

 

 

 

 

 

 

 

 

Titel der 1989 bei

Arnoldo Mondadori, Mailand,

erschienenen Originalausgabe: ›Due di due‹

Copyright © 2005/2006 by

RCS Libri S.p.A, Bompiani, Milano

Die deutsche Erstausgabe erschien

1991 im Diogenes Verlag

Umschlagillustration:

Félix Vallotton, ›Les Barques‹,

1912 (Ausschnitt)

 

 

 

 

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Copyright © 2013

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 22584 6 (6. Auflage)

ISBN E-Book 978 3 257 60235 7

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

[5] Ich dachte, wie verschieden und zugleich wie ähnlich doch im Grunde unsere beiden Lebensläufe in diesen Jahren gewesen waren, zwei von zwei möglichen Wegen, die an der gleichen Gabelung begonnen hatten.

ERSTER TEIL

Eins

Das erste Mal, als ich Guido Laremi sah, waren wir alle beide so schmächtig und unsicher, so provisorisch in unserem Leben, daß wir wie Zuschauer zusahen, während das, was uns passierte, Vergangenheit wurde und unterging, ohne die geringste Perspektive. Meine Erinnerung an unsere erste Begegnung habe ich in Wirklichkeit aus ausgelöschten und hinzugefügten und veränderten Details rekonstruiert, um diese eine Episode aus dem Geflecht bedeutungsloser Episoden herauszulösen, dem sie damals angehörte.

In dieser rekonstruierten Erinnerung stehe ich auf der anderen Straßenseite und flicke auf das Gewimmel von Mädchen und Jungen, die aus einem alten grauen Gebäude hervorquellen, kaum eingedämmt von einem Eisengeländer, das auf eine Länge von etwa zehn Metern den Bürgersteig entlangläuft. Ich habe die Hände in den Taschen [6] vergraben und den Mantelkragen hochgeschlagen und versuche verzweifelt, mich so zu geben, als gehöre ich nicht zu der Szene, obwohl ich erst vor einer Viertelstunde aus dem gleichen Tor herausgekommen bin und die gleiche mühsame Wegstrecke hinter mir habe. Aber ich bin vierzehn und ich hasse die Kleider, die ich anhabe, ich hasse mein ganzes Aussehen und die Vorstellung, in diesem Augenblick hier zu sein.

Die Menge junger Menschen bewegt sich vorwärts wie ein von Baumstämmen und aus dem Wasser ragenden Felsblöcken in seinem Lauf gehemmter Sturzbach, ergießt sich, sowie das Geländer endet, auf die Straße und überschwemmt sie bis zu meinem Gehsteig. Und fast jedes Gesicht ist zu blaß oder zu rund oder zu lang, fast jeder Körper ist zu kantig oder zu weich, fast jede Gangart unausgewogen, als ob die Schulmappen, die sie alle in der Hand oder auf dem Rücken tragen, zu leicht oder zu schwer wären. Fast in jedem Blick, fast in jeder Bewegung, die in die allgemeine Verschwendung mechanischer Energie einfließt, liegt diese Spur von beflissener Gleichgültigkeit. Ich komme mir keineswegs besser vor als die anderen: was meinen Unmut verschärft und ringsum reflektiert, ist der Gedanke, meine eigenen Mängel in hundertfacher Vervielfältigung zu sehen.

Ich spähe in die wirre, bewegte Masse von Köpfen und Oberkörpern und hoffe das Haar eines Mädchens, das ich vor ein paar Tagen gesehen habe, wiederzuerkennen, statt dessen trifft mich der Blick von einem, der sich mit konzentrierter Außenseitermiene einen Weg zu bahnen sucht. Es ist der Blick eines ungebetenen Gastes, eines blinden Passagiers: ein Blick, der sich von den eigenen Gesichtszügen distanziert, von der eigenen Art und Weise, den Kopf nach rechts oder links zu drehen.

[7] Nun folgt in meiner rekonstruierten Erinnerung eine Lücke, in der Guido Laremi mit seinem unbeteiligten Außenseiterblick vom Hintergrund aufgesogen wird. Ich mache mein Mofa von der Kette los und lasse es an, und ich muß diese simplen Handgriffe mehrmals wiederholen, sie machen mir Mühe, Wut auf die Gegenstände. Endlich sitze ich im Sattel und versuche mich zwischen den Menschen und Autos durchzuschlängeln, und dabei fahre ich jemanden an. Ich spüre einen Schlag an der Lenkstange, komme ins Schwanken und kippe um; von meinem schweren Mantel und der mit Schulbüchern vollgestopften Segeltuchtasche hinabgezogen, lande ich auf dem Mofa.

Ein paar runde Köpfe und lange Hälse, ein paar Mondoder Birnen- oder Pferdegesichter, Brillen in Bunkerfenster- oder Flaschenboden- oder Panoramafernseherform drehen sich im wimmelnden Durcheinander zu mir; wenden sich sogleich wieder ab, als ich ohne nennenswerte Beschädigungen aufstehe. Guido Laremi preßt sich ein paar Meter von mir die Hand in die Seite, sagt »Verdammter Mist.« Er hat ungefähr mein Alter, helle Augen, aschblondes Strubbelhaar. Er trägt einen englischen Regenmantel, der ihm allerdings zu kurz ist; auch er hat den Mantelkragen hochgeschlagen. Er fixiert mich, und sein Blick ist jetzt nicht mehr nur unbeteiligt, sondern voller Ärger.

»Tut mir leid«, sage ich und zerre das Mofa hoch. Ringsherum schieben und rempeln unter Schimpfen und Schnattern und Lachen und kehligem Geschrei die immer noch herausströmenden Schüler. Die Autos fahren ruckweise vorwärts, verdichten mit ihren Abgasen noch die ohnehin schon schmutzige kalte Luft. Eine vertrocknete Lehrerin huscht vorüber wie ein sattes und vorerst keine gefährlichen Absichten hegendes altes Raubtier.

[8] Noch einmal sage ich zu Guido Laremi »Tut mir leid«. Er lächelt kaum merklich, sagt »Macht nichts«. Er hat eine leicht rauhe, kratzige Stimme. Beinahe förmlich drücken wir uns die Hand, in dieser prekären Position zwischen Straße und Gehsteig, mitten im Stimmengewirr und Motorenlärm. Dann fragt er mich, ob ich ihn nicht ein Stück mitnehmen könne: als Entschädigung sozusagen.

Ich lasse den Motor wieder an; er steigt hinten auf, und ich starte schwankend inmitten der Autos und Schüler. Es ist ein leichtes Mofa mit kurzem Sattel, kein Zweisitzer, es hat keine Beifahrer-Fußstützen. Guido Laremi streckt die Beine zur Seite, drei- oder viermal sagt er »Paß auf«.

Und es ist ein Novembertag, und Mailand ist so niederdrückend grau wie selten, die Wohnung, in der ich zum Mittagessen erwartet werde, lockt mich kein bißchen, für den Nachmittag habe ich nichts Interessantes vor. Weit und breit ist keine Verabredung mit einem attraktiven Mädchen in Sicht; alles um mich herum erscheint mir gleichermaßen langweilig und sinnlos, ohne Anregungen. Selbst aus der Distanz und als Rekonstruktion ist die Erinnerung an diese Fahrt auf dem vibrierenden Mofa durch die vom Verkehr verstopften alten Straßen mit Guido Laremi, der sich hinter mir an den Rahmen drückt, alles andere als idyllisch.

[9] Zwei

Nach unserer ersten Begegnung haben Guido Laremi und ich uns volle neun Monate nicht gesehen. Ich brachte ihn nach Hause, und wir verabschiedeten uns, und trotz der Sympathie und der Neugierde, die wir füreinander empfanden, sagten wir uns weder unsere Namen noch in welcher Klasse wir waren, noch unternahmen wir dann irgendeinen Versuch, uns in der Schule ausfindig zu machen. Es war eine Zeit, in der eine Sache geschah und sich gleich darauf wieder verflüchtigte, als sei sie nie dagewesen. Ich erinnere mich an diese Zeit, wie sich ein Insekt an seinen Larvenzustand erinnern mag: mit der gleichen Art von dumpfen Empfindungen, die eine nach der anderen auftauchen und gleich wieder verschwimmen.

Was mir in Erinnerung kommt, sind Zustände der Trägheit und des Wartens, Unausgeglichenheit, um sich selbst kreisende Überlegungen, bruchstückhafte Bilder, vages Geschwätz, Blicke aus der Distanz, aufgeschobene Verabredungen. Völlig mechanisch büffelte ich Latein, Altgriechisch und Algebra, ohne die innere Logik dieser Fächer oder ihre Anwendungsmöglichkeit außerhalb der Schule zu erfassen. Ich hörte den Lehrern zu und versuchte mir anhand ihres Tonfalls einzuprägen, was sie sagten: die Melodik der Formeln. Zu Hause saß ich jeden Nachmittag am Tisch und blickte auf die Seiten eines Buchs und blickte ins Leere.

Realistische Alternativen zum Schülerdasein schien es mir damals keine zu geben. Die einzigen Möglichkeiten, [10] die mir in den Sinn kamen, waren wie aus weiter Feme betrachtete Filmbilder, deren Töne für mich unhörbar waren: ich als Auswanderer; beim Erlernen einer körperlichen Arbeit; auf der Suche nach dem Glück. Ich hätte wohl in einer viel schwierigeren Lage sein müssen, um diesen Bildern näherzukommen: Hunger leiden vielleicht, bei alkoholsüchtigen oder gewalttätigen Eltern wohnen. Meine Familie war eine italienische Durchschnittsfamilie, durchschnittlich an meiner schulischen Entwicklung interessiert, durchschnittlich tolerant gegenüber meinen Interessenschwankungen, durchschnittlich beschützend und bestärkend. Ich hatte keinen um mich, der mir das Leben unmöglich gemacht, einen unwiderruflichen Bruch herbeigeführt hätte.

Mitunter versuchte ich herauszufinden, was ich tun könnte, sollte ich je aus diesem Zustand der Ungewißheit herauskommen, aber ich gelangte nie zu einem glaubwürdigen Schluß. Manchmal betrachtete ich mich im Badezimmerspiegel, um es aus der Entwicklung meiner Gesichtszüge, aus den Möglichkeiten meiner Mimik zu erraten. Mittags und abends aß ich mit meiner Mutter und ihrem Mann und spürte, wie ich mich innerlich versteifte, wenn zum hundertsten- oder tausendstenmal die gleiche Bemerkung fiel, der gleiche Ausspruch getan, der gleiche Charakterzug ins Licht gerückt wurde. Es kam mir morbid vor, immer noch hier bei ihnen zu sein, gefangen in dem enggeknüpften Netz mir so wohlbekannter Blicke und Gesten, aber ich tat auch nichts, um daraus zu entkommen, und man merkte mir wohl auch nicht an, daß ich darunter litt: ich hatte die Fähigkeit entwickelt, Mißstimmungen ohne erkennbare Reaktionen zu absorbieren. Sonntags schlief ich bis zwölf oder eins; bis meine Mutter ins Zimmer kam und die Rolläden hochzog und mir die Decken wegriß.

[11] Ich spielte Gitarre, aber ich konnte keine Noten lesen und hatte auch kein gutes Gehör, und so klimperte ich ewig die zwei, drei Akkordfolgen, die ich kannte, eine elliptische Frustrationsübung. Ich hing im Nichts, wenn ich nicht gerade meinen täglichen Pflichten nachging. Ich wartete vor allem, daß die Zeit verging; und es kam mir vor, als vergehe sie unwahrscheinlich langsam.

[12] Drei

Zu Beginn der Quinta wurde Guido Laremi in meine Klasse versetzt. Wir waren in das paranoische Fluidum einer Lateinstunde eingetaucht, da kam er hinter dem Rektor herein. Ich erkannte ihn nicht gleich, denn seine Haare waren noch wirrer und länger als bei unserer ersten Begegnung, und er war in einem anderen Stil gekleidet, ausgewaschene Jeans und Tennisschuhe. Auch sein Blick war anders: die Fremdheit darin hatte sich verdichtet und gab seinen hellblauen Augen ein lebhaftes, eindringliches Leuchten. Leicht vorgeneigt stand er neben dem Pult und beobachtete den Rektor, als warte er gespannt auf etwas, das ihn selbst ganz und gar nicht betraf.

Der Rektor war ein aufgeplustertes, untersetztes Männchen mit einem schmalen Schnurrbart wie ein Polizeikommissar; halblaut gab er unserer Lehrerin, sie hieß Dratti, irgendwelche Erläuterungen. Die Dratti deutete auf Guido Laremi und sagte: »Der Schüler Laremi gehört aus ordnungstechnischen Gründen von heute an zu eurer Klasse.«

Die Lehrerin wie auch der Rektor wirkten leicht verlegen; Guido Laremi musterte sie, die Hände in den Taschen. Dann ging der Rektor hinaus, während wir alle unter Stühlerücken und Rascheln und Räuspern aufstanden; die Lehrerin forderte Guido Laremi auf, sich einen Platz zu suchen.

Er ging nach hinten, sah sich die Gesichter von drei, vier Schülern an, die allein in einer Zweierbank saßen. Er kam [13] bis zu mir und setzte sich, ohne mich anzusehen, neben mich; mit zusammengekniffenen Augen fixierte er mit höchst interessierter Miene das Pult. Erst nach einigen Minuten drehte er sich zu mir, sagte: »Hallo.«

Als wir nach Schulschluß die Treppen hinuntergingen, fragte ich ihn, wieso er zu uns versetzt worden sei. »Das ist eine dramatische Geschichte«, sagte er ohne die geringste Absicht, sie mir zu erzählen. Ich fragte ihn, ob ich ihn auf dem Mofa mitnehmen solle; er lehnte dankend ab und sagte, er müsse noch bleiben. Es war klar, daß er auf ein Mädchen wartete, aber er war so sonderbar verschlossen, tat geheimnisvoll. Er ging über die Straße zum gegenüberliegenden Gehsteig, zu der gleichen Stelle, an der ich stand, als ich ihn zum ersten Mal sah.

Auch am nächsten Tag setzte er sich zu mir in die Bank in der vorletzten Reihe, und von da an wurden wir Freunde. Es war ein langsamer Prozeß, der der trägen Dynamik jener Zeit folgte, in der sich alles in schwer wahrzunehmender Weise veränderte. Keiner von uns beiden hatte engere Beziehungen zu den anderen Klassenkameraden, ich aus Schüchternheit nicht und weil ich sie als Teil einer Welt betrachtete, die ich nicht akzeptieren wollte, Guido, weil er zu anders war als sie. In Wirklichkeit hatten die zwei plumpen Jungintellektuellen der Klasse, Ablondi und Farvo, denen sein Aussehen und seine Redeweise imponierten, anfangs versucht, ihn für ihre Clique zu gewinnen. In den Pausen hatten sie ihn beiseitegezogen und sich bemüht, ihn über ihre angelesenen und den Gesprächen ihrer Eltern abgelauschten Ansichten über Film und Literatur und moderne Malerei ins Bild zu setzen. Guido hatte nicht das geringste Interesse gezeigt; ohne nach einem Vorwand zu suchen, hatte er sich nach wenigen Sätzen von [14] ihnen losgemacht, und die Anziehung, die er auf Ablondi und Farvo ausgeübt hatte, schlug in Abneigung um. Mit einer Mischung aus maßvoller Feindseligkeit und physischem Mißtrauen in ihren kurzsichtigen Augen guckten sie von weitem zu ihm herüber.

Guido schien es nicht einmal zu bemerken, aber mich freute es jetzt um so mehr, daß er mich zu seinem Banknachbarn erkoren hatte. Fast unbewegt saßen wir auf unseren Plätzen und hörten uns die Ausführungen über Grammatikregeln und mathematische Lehrsätze an; wie alle anderen von der Angst gepeinigt, über Regeln und Formeln abgefragt zu werden, die so gut wie keiner wirklich begriffen hatte.

Unsere Lehrerinnen versuchten erst gar nicht zu verbergen, wie genüßlich sie über Menschen, die jünger und zumindest potentiell freier und glücklicher waren als sie, unumschränkte Gewalt ausübten. Es mußte ihnen wahre körperliche Lust bereiten, die so gut wie jede Unzufriedenheit in ihrem Gefühlsleben oder mit ihrer finanziellen Lage oder dem Gesundheitszustand zu kompensieren vermochte. Wie scheußlich ihre Wohnung oder wie unerträglich ihre Ehe oder wie anstrengend die Fahrt, die sie allmorgendlich auf sich nehmen mußten, auch sein mochten, kaum standen sie im Klassenzimmer und hatten die Tür hinter sich geschlossen, waren sie wie ausgewechselt. Sie hängten ihre runden oder schmalen Hüte, ihre bläulichen oder grünlichen Mäntel an den Garderobenständer, setzten sich ans Pult und fixierten mit halbgeschlossenen Augen ihre dreißig Opfer, die wehrlos im gleichen Rhythmus atmeten. Sie, die Lehrerinnen, gaben die Zeit vor, zogen den Augenblick, in dem sie zuschlagen würden, hinaus, um ihn dann um so besser auszukosten, ließen den Zeigefinger gemächlich die Namensliste im Klassenbuch [15] hinabgleiten, sagten »Kommen Sie nach vorne, Ba… nein, Ge…« Die Luft wurde dünn: es herrschte diese Leere, in der die kleinste Geste bedeutsam wurde, die kleinste Tonschwankung beängstigendes Gewicht gewann.

Halb nach hinten gewandt, saß Guido geduckt neben mir und machte unablässig über alles Bemerkungen. Anfangs sprach er wie zu sich selbst, mit der Zeit aber erhob er die Stimme ein wenig, um mich teilhaben zu lassen. So gut wie nie sahen wir uns an: die Kommunikation zwischen uns lief wohlverborgen hinter der scheinbaren Aufmerksamkeit für die Lehrerinnen ab. Bald entstand zwischen uns eine selbstverständliche Komplizenschaft, ähnlich der bei einigen Partner-Sportarten wie Bob oder Motorradrennen mit Beiwagen. Ich war sein Sozius: ich bildete das Gegengewicht und half die Spur halten, ich war das Minipublikum für seine Beobachtertätigkeit.

Er hatte eine echte Begabung dafür, Akzente, Verhaltensweisen, Gewohnheiten, einen bestimmten Tonfall, körperliche Absonderlichkeiten und Ticks zu erkennen; er isolierte und kombinierte sie mit ungewöhnlicher Leichtigkeit. Dabei folgte er fieberhaften, unvorhersehbaren Eingebungen: manchmal sprang er von einem Thema zum anderen, stellte Besonderheiten nebeneinander, verglich sie miteinander; dann wieder hielt er sich bei einem einzigen Detail auf und legte es aus verschiedenen Blickwinkeln dar, walzte es bis zur Unerträglichkeit aus.

Ab und zu merkte es eine der Lehrerinnen: blitzschnell hoben die Dratti oder die Cavralli ihren Raubtierblick, schlugen mit der flachen Hand aufs Pult, riefen: »Wer ist das da hinten?« Dann wurde das Klima noch gefährlicher; den dreißig auf ihren Plätzen festgenagelten Opfern stockte der Atem. Guido wartete sekundenlang ab und legte dann erneut los, seine heisere Stimme war jetzt nur [16] ein Flüstern. Die gestiegene Spannung lud seine Bemerkungen noch mehr auf, erfüllte sie mit Elektrizität.

Rockmusiker, sagte er, seien die einzigen jungen Leute, die genau das tun konnten, was sie wollten. Er erzählte mir, wie er einmal vor drei Jahren die Rolling Stones im Fernsehen gesehen hatte. Es war nur ein kleiner Ausschnitt aus einem Live-Konzert gewesen, die Musik teilweise überdeckt von der Stimme eines miesen, ironisch sein wollenden Kommentators, und trotzdem hatte es ihn unwahrscheinlich beeindruckt. »Das war Leben«, sagte er. »Da waren diese fünf voller Energie und Wut und Spaß an ihrer Sache, ohne Rücksicht auf irgendwen und ohne irgendeine Verpflichtung und ohne irgendwas zu erklären und irgendwem einen vernünftigen Zweck vorzugaukeln.«

Gitarre lernen wollte er aber nicht. In Italien, meinte er, könne man keine Rockmusik machen; die italienische Sprache sei zu starr und artifiziell, als daß sie sich zu etwas anderem als Opernmusik singen ließ; alle, die es versuchten, würden in ihm peinliche Gefühle und Traurigkeit hervorrufen.

Dafür übersetzte er Songtexte, mit der gleichen Leidenschaftlichkeit, als spielte er sie. Auf diese Weise lernte er viel besser Englisch als im Unterricht. Er brachte immer ein kleines Taschenwörterbuch in die Schule mit und entschlüsselte Strophe um Strophe, auch wenn die Hälfte der Ausdrücke, die er nachschlug, zu ausgefallen oder zu neu waren, um schon kodifiziert zu sein. Mit seinem rauhen und ein wenig unreinen Timbre summte er die Passagen halblaut vor sich hin; bemühte sich, mir die Eindringlichkeit eines Bilds oder einer Tonfolge nahezubringen. »Ist das nicht irre?« sagte er. Manchmal wiederholte er eine Phrase so oft, bis ich sie im Ohr hatte, während die Dratti [17] weiter lateinische Deklinationen skandierte wie eine ausgeflippte Maschine.

Er hatte auch so etwas wie einen Schreibtick: er kritzelte mit Bleistift auf das faserige Holz der Schulbank, von dem der Lack abgeblättert war, mit dem Füller in die linierten Schulhefte, mit Filzstift auf das militärgrüne Segeltuch seiner Büchertasche. In seiner flinken, schrägen Handschrift schrieb er Liederverse oder Sätze, die er erfunden oder gelesen oder irgendwo gehört hatte, und alle schienen sich auf unsere Situation zu beziehen. Er brüstete sich nie damit, er betrachtete sie nicht als Gesetzesartikel, an die man sich zu halten hatte. Es beeindruckte ihn, wenn er auf einen Satz stieß, der einen Gedanken oder ein Gefühl lebendig und unkonventionell ausdrückte; studierte ihn bewundernd, wie man es mit einem kleinen Gemälde tun mag. Er dachte sich auch angebliche Zitate oder Gedichte aus, die völlig einleuchtend klangen.

Wir waren gefangen in diesem neurotischen Gespinst aus geschriebenen und geflüsterten Sätzen, auf einer Ebene parallel zu der unserer Lehrerinnen. Nur hin und wieder kam es unvermittelt zu einer Berührung zwischen beiden Ebenen, hervorgerufen durch ein Wort, einen Blick oder einen Mißton: wir tauchten für einen Augenblick aus unserer Besessenheit auf, und dann war es, als bemerkten wir zum ersten Mal die ihre.

Wenn Guido nicht am Ausgang stehenblieb, um auf seine mysteriöse Freundin zu warten, fuhr ich ihn mit dem Mofa nach Hause. Ich vermied es ihm vorzuschlagen; ich wartete, daß er mich darum bat. Er sah mich kurz an, fragte: »Stört’s dich, mich ein Stück mitzunehmen?« Es klang, als sei es ihm ziemlich egal; als könne er genausogut zu Fuß nach Hause gehen.

[18] Kurz vor der Stadtautobahn setzte ich ihn ab, vor einem großen Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert mit gelber Fassade. Er ging ein paar Schritte zurück, winkte mir zu. Ich sah ihn nie hineingehen; er blieb immer zur Straße gewandt stehen und besah sich den Verkehr: zerzaust und mager, stets ein wenig zur Seite geneigt.

Vormittags waren wir uns so nahe und auf der gleichen Wellenlänge, nachmittags oder an schulfreien Tagen und in den Ferien sahen wir uns nie. Ein paarmal fragte ich ihn, ob er zum Lernen zu mir kommen wolle; er sagte, er habe zu tun, im gleichen Ton, in dem er sagte, er müsse vor der Schule warten. Dann redeten wir nicht mehr davon; es war eine Art stillschweigender Übereinkunft, daß die Schulstunden das einzige Terrain unserer Freundschaft waren. Es kam mir auch nicht weiter sonderbar vor, denn die Schulzeit war der wichtigste Teil des Tages; der Nachmittag nur ein schwacher Abglanz des Vormittags, leer und ohne Spannung.

[19] Vier

Mit seinem ausgefallenen und romantischen Aussehen hatte Guido unsere Klassenkameradinnen vom ersten Tag an beeindruckt. Beim geringsten Anlaß scharwenzelten sie um ihn herum, übertrumpften sich gegenseitig mit ihren kindlichen Versuchen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er machte das Spiel mit und drehte den Spieß mit Leichtigkeit um, es fiel ihm nicht schwer, sie einzuschüchtern; die Vorstellung, daß seine echten Interessen außerhalb der Schule lagen, steigerte nur seinen Reiz, ließ ihn gefährlicher erscheinen.

Unsere Schulkameraden beobachteten ihn aus der Distanz, mit eifersüchtigen Augen. Es war eine Eifersucht, die wie alle unsere damaligen Gefühle wirkungslos war; sie blitzte an der Oberfläche der Blicke auf und zog sich sofort wieder zurück. Bis auf Ablondi und Farvo, die ihm spinnefeind waren, wußten sie nicht recht, wie sie sich Guido gegenüber verhalten sollten, der sich um die Normen, an die sich alle unter so großer Anstrengung anzupassen suchten, überhaupt nicht scherte.

Die Mädchen in unserer Klasse waren im allgemeinen sympathischer als die Jungen, auch wenn mich ihre unbeholfene Vertraulichkeit kaum zu reizen vermochte. Die attraktiveren Mädchen schienen mir alle unerreichbar: in Klassen und Abteilungen, die durch lange Korridore und Treppen und wieder Korridore von meiner Klasse getrennt waren, fest liiert mit jungen Männern, die reifer und interessanter waren als ich; mit Wünschen und [20] Gewohnheiten, die ich mir nicht mal vorzustellen vermochte. Manchmal kreuzte ich in der Halle für einen Augenblick ihren Weg, inmitten von hundert anderen Leuten, aber sie waren gegen meine Blicke völlig immun.

Die einzigen Hübschen in unserer Klasse waren eine Blondine namens Paola Amarigo, die immer von einem Achtzehnjährigen mit einem schweren Motorrad abgeholt wurde, und eine Brünette, die Margherita Tardini hieß. Ich war mir sicher, daß ich bei der Amarigo keinerlei Chance hatte, so hatte ich es mehr auf die Tardini abgesehen. Manchmal blickte ich während des Unterrichts unverwandt zu ihr hinüber, bis sie es merkte und sich umdrehte: einige Sekunden lang hatten wir Blickkontakt, was mir schon als großer Erfolg vorkam. Auch in diesen Dingen neigte ich dazu, die Zeit als unerschöpfliches Gut zu betrachten: als müsse jede Gelegenheit so lange zyklisch wiederkehren, bis ich sie würde zu nützen wissen.

Guido wartete jetzt nicht mehr vor dem Schulhaus auf sein mysteriöses Mädchen, zehn Tage lang war er düster und niedergeschlagen. Beim Hinausgehen steuerte er schnurstracks mein Mofa an, sagte »Fahren wir?«, ohne sich umzusehen. Während des Unterrichts kritzelte er nervös Sätze in ein Heft, sprach fast nicht mit mir, summte zwanghaft kleine Liedfetzen vor sich hin. Das eigentümliche Vertrauen, das zwischen uns bestand, schloß die Möglichkeit, darüber zu sprechen, aus, es zwang uns zu tun, als ob nichts wäre.

Dann wurde Guido auf Paola Amarigo aufmerksam und lebte binnen kürzester Zeit wieder auf. Unsere Klassenkameraden hielten Paola Amarigo allesamt für unerreichbar, und sie hatte nie das geringste Interesse für einen von ihnen gezeigt: sie saß allein in einer Bank in der ersten [21] Reihe, wie auf einem kleinen Thron, ohne über das Allernotwendigste hinaus ein Wort oder einen Blick zu vergeuden. Anscheinend betrachtete sie die Schule als bloßen Ort des Wartens, von dem sie der Kerl mit dem schweren Motorrad oder ein noch Besserer wegholen würde, um ihr ein glanzvolles Leben zu bieten. Obendrein war sie strohblond, und Blondinen genießen hierzulande, sofern sie nicht ausgesprochen häßlich sind, gegenüber anderen Frauen seit jeher eine Vorzugsstellung.

Guido benutzte sie anfänglich nur als Zielscheibe seiner spöttischen Bemerkungen: er mokierte sich über die Steifheit, mit der sie dasaß, über ihre übertrieben gepflegte Frisur. Wegen ihres Getues und weil ihr Vater Bankier war, nannte er sie ›Barbie‹ oder ›Prinzessin Caveau‹. Aber er sprach immer häufiger von ihr, und sein Spott wirkte immer unglaubwürdiger. Er stellte mir Fragen wie »Meinst du, daß Paola Amarigo ißt?« oder »Meinst du, Paola Amarigo macht Pipi?«, und es war ihm anzumerken, wie er sich zu diesem makellosen und bis an die Grenze der Unnatürlichkeit geschniegelten Mädchen hingezogen fühlte.

Eine Zeitlang trieben wir dieses doppelte Wechselspiel: ich tauschte Blicke mit der Tardini und Guido mit der Amarigo. Die wenigen, mit Bänken vollgestellten Meter, die uns trennten, erschienen uns als unüberwindliche Distanz, über die hinweg sich ferne Brennpunkte des Interesses gerade noch beobachten ließen. Die Anziehungskraft dieser Mädchen war für mich etwas Abstraktes, mit Verwirklichungschancen, die sich in der zyklischen Zeit und in teleskopischer Entfernung verloren. Trotzdem waren es faszinierende Vorstellungen, viel intensiver als die Gedanken, die sich um die Schule drehten.

Gemeinsam mit mir verharrte Guido eine ganze Weile in dieser kontemplativen Dimension, als dächte er genauso [22] wenig wie ich daran, sie je zu verlassen; dann sagte er eines Tages kurz vor dem Ende der Pause »Jetzt tu ich’s«, und ich sah, wie er das Klassenzimmer durchschritt, geradewegs auf Paola Amarigo zu, und etwas zu ihr sagte. Sie schien verdutzt, lächelte aber, schüttelte ihr wohlfrisiertes Blondhaar.

Sie sprachen nur wenige Minuten miteinander, bis die Pause zu Ende war, und doch kam ich mir, als die nächste Stunde begann und Guido sich wieder in unsere Bank setzte, unwahrscheinlich träge gegenüber dem Leben vor. Guido äußerte sich in keiner Weise über das eben Geschehene, aber man merkte ihm an, daß es ihn erregte, Kontakt aufgenommen zu haben, und sein Interesse lud sich mit Hoffnungen und Erwartungen auf.

Er sorgte dafür, daß sich die Distanz nicht wieder vergrößerte: anderntags ging er wieder zu ihr, sprach mit ihr und brachte sie erneut zum Lächeln. Er schaffte es, dabei fast völlig natürlich zu bleiben, er versteckte sich nicht hinter irgendwelchen Posen, um sich sicherer zu fühlen. Er redete mit ihr, als trieben ihn weniger Eroberungsabsichten als vielmehr Neugierde: er setzte ihr nicht unentwegt mit seinem Blick zu. Aber wenn er sie ansah, war in seinen Augen ein eigentümliches Leuchten: ein weicher und leicht grausamer Widerschein, den ich bei ihm sonst nie gesehen hatte.

Nach und nach ließ Paola Amarigo ihn den Lack der Makellosigkeit ankratzen, der sie wie eine Schutzschicht umhüllte: während des Unterrichts drehte sie jetzt öfters den Kopf zu unserer Bank, hielt ihr Lächeln weniger unter Kontrolle, wenn er mit ihr sprach. Unsere Klassenkameraden waren fassungslos darüber, daß sie doch nicht so unnahbar war; nun hatten sie einen Grund mehr, Guido als Wesen einer anderen Spezies zu betrachten.

[23] Der Schulunterricht kümmerte Guido immer weniger. Er schrieb in sein Heft, als mache er sich Notizen, statt dessen verfaßte er kleine Erzählungen von ein, zwei Seiten, minuziöse ineinander verflochtene Schilderungen, die sich zu einem raffinierten Gewebe fügten, dessen Feinheiten sich erst aus nächster Nähe betrachtet offenbarten. Ich las über seine Schultern hinweg, noch während er schrieb, und verfolgte staunend, wie die Wörter auf das Blatt flössen und im Handumdrehen eine Figur oder eine Stimmung erstehen ließen. Sein Urteil schien noch schärfer, als wenn er sprach, noch treffender und unversöhnlicher. Manchmal dachte er sich komprimierte und surreale kleine Zweipersonen-Komödien aus: warf Satz um Satz aufs Papier, ohne je aus dem Rhythmus zu kommen oder die Spannung zu lockern oder in vorhersehbare Bahnen zu geraten. Er erfand Titel wie ›Bekenntnisse eines Manteltaschendiebs‹, bezog mich in diese Denkspiele ein, bis mir auch ein paar Ideen kamen.

Mit der Zeit wurden die Dratti und die Cavralli auf unsere heimlichen Aktivitäten aufmerksam, setzten uns mit wütenden Blicken, Zischen, Fingerschnalzen zu. Dann hörte Guido auf, hielt sekundenlang den Mund, um mit noch größerem Eifer von neuem loszulegen. Die Gefahr schreckte ihn nicht; er wollte bei Paola Amarigo ankommen, einen Widerschein seiner kreativen Fähigkeiten zu ihr hinübersenden. Ich spielte weiter die Sekundantenrolle; ich wollte das Interesse von Margherita Tardini auf mich ziehen. Unsere Schulkameraden überliefen Schauer verbotenen Vergnügens, und beim kleinsten Gefahrenzeichen rückten sie von uns ab: mit angestrengten Unschuldsmienen.

Eines Morgens sah ich vor einer Mathematikstunde Guido und Paola Amarigo am Fenster stehen: er strich ihr mit den Fingern sanft über das Kinn, sie lachte.

[24] Wir redeten noch eine ganze Weile nicht darüber, obwohl er trotz seiner Geheimnistuerei nicht mehr viel verbergen konnte. Wir lebten wie in einem Aquarium, in dem jede Geste und jeder Gesichtsausdruck jederzeit für jeden sichtbar waren, was unsere gegenseitige Zurückhaltung noch absurder und zugleich wertvoll machte.

Ich begann, mich um Margherita Tardini zu bemühen. Ich hätte gern dieselbe lockere und natürliche Taktik wie Guido angewandt, aber ich schaffte es nicht. In den Pausen versuchte ich mich ihr zu nähern, und schon auf dem Weg zwischen den Bänken hindurch kam ich mir linkisch und unsicher vor, mein Herz pochte heftig und machte meine Bewegungen unbeholfen. Ich sprach sie an, und mein Gesicht verzog sich in unkontrollierbarer Verlegenheit. Ich glaubte mich mit ihren Augen zu sehen: voller Unsicherheit, unfähig, in irgendeiner Weise zu überraschen.

Tagelang beobachtete Guido mich in seiner zurückhaltenden Art und tat, als ob nichts wäre. Eines Morgens dann, als die Dratti gerade ohne die leiseste Gefühlsbewegung einen unerträglichen Sermon von Cato Censorius herunterübersetzte, sagte er zu mir: »Ich weiß, wie dir zumute ist. Du fühlst dich wie hinter einer Glasscheibe, du siehst alles und kannst es nicht anfassen. Drei Viertel meines Lebens war ich auf diese Weise ausgeschlossen, bis ich begriffen habe, daß man sie zerschlagen muß. Das ist die einzige Möglichkeit. Und wenn du Angst hast, dir wehzutun, dann versuch dir vorzustellen, daß du uralt und halbtot bist und dem Versäumten nachtrauerst.«

Es war seltsam, denn so intensiv unsere Gespräche, unsere Schreiberei und heimlichen Gedankenausflüge auch gewesen waren, hatten wir uns bis zu diesem Augenblick doch wie zwei Zugreisende benommen, die die Landschaft betrachten und sich gegenseitig aus ihrem Gesichtsfeld [25] ausgrenzen. Es war, als würden wir plötzlich zugeben, daß wir uns sehen: daß wir an der Szene beteiligt sind.

Und es gelang mir, die Glasscheibe zwischen mir und Margherita Tardini zu zerschlagen: ich brachte ihr den ins Italienische übersetzten Text von Just like a Woman von Bob Dylan, mit zwei, drei auf sie zugeschnittenen Veränderungen. Sie wartete, bis ich wieder in meiner Bank war, und öffnete den vierfach gefalteten Zettel, überflog ihn rasch. Sie drehte sich zu mir um, und ich sah die Röte auf ihren hübschen glatten Wangen; mein Herz klopfte sofort schneller.

Tags darauf sprach ich sie beim Hinausgehen auf dem Korridor an und begleitete sie zu Fuß vier Häuserblocks weit.

In der Woche darauf brachte ich sie mit dem Mofa bis nach Hause. Guido blieb im Gedränge vor der Schule stehen und schaute uns nach; mit der Hand machte er mir ein Zeichen, das besagen sollte »Nur zu«.

[26] Fünf

Ich wollte mich jetzt auch anders kleiden. Ich kaufte mir ein paar Cordjeans und zwei amerikanische Hemden und eine lange karierte Wolljacke. Als ich das Geschäft verließ, kam ich mir wie ein anderer Mensch vor: mit neuen körperlichen und geistigen Möglichkeiten. In der Schule sagte Guido mit einem subtilen Lächeln »Na endlich«. Er merkte, daß ich seinem Beispiel nacheiferte, und ich wußte es, aber es machte mir nicht viel aus: ich wollte weg von dem, was ich immer gewesen war, und er entsprach fast allem, was ich gerne sein wollte. Ich ließ mir die Haare wachsen, kämmte sie nicht mehr. Sie wurden nicht strubbelig wie die seinen: glatt und ordentlich lagen sie helmförmig um meinen Kopf, und auch so langhaarig sah ich immer noch wie ein braves Muttersöhnchen aus.

Meine Mutter war alles andere als erfreut, sie fand mich schlampig und unordentlich, wie sie mir immer wieder sagte. Sie hatte gegen Unordnung eine regelrechte Aversion, die, glaube ich, teils von ihrer deutschen Abstammung, teils von der katastrophalen Ehe mit meinem Vater herrührte. Das Wissen um die Beweggründe ihres Verhaltens trieb mich, jeden noch so geringfügigen Anlaß zur Reibung zu verschärfen, unsere Beziehungen immer näher auf einen möglichen Bruch zuzutreiben.

Eines Tages lud ich Guido nach der Schule zum Essen zu mir ein. Ein paar Sekunden lang war er unschlüssig, bevor er einwilligte. Von einer Bar aus rief ich meine Mutter an, [27] um sie zu benachrichtigen; so wenig Vorbereitungszeit zu haben, brachte sie in Panik, aber ich ließ ihr keine Zeit, es mir zu sagen, und legte einfach auf.

Wir kamen bei mir zu Hause an, und sowie wir durch das Haustor traten, befielen mich Zweifel. Guido registrierte in seiner unbarmherzigen Art jedes Detail: den grauen Marmor in der Halle und die Topfpflanzen im Aufgang zu den Wohnungen, die verglaste Pförtnerloge, die Silberbeschläge am Aufzug. Am Treppenabsatz sah ich ihn an, querköpfig und mager und unduldsam wie er war, und mir wurde klar, daß es eine Art Selbstverstümmelungstrieb gewesen war, ihn hierher zu bringen.

Meine Mutter öffnete ganz aufgeregt die Tür und begann sich sofort zu entschuldigen, weil das Haus nicht aufgeräumt sei. Ich stellte ihr Guido vor, und er küßte ihr die Hand. Es war ein vollendeter Handkuß, wie ich nie zuvor einen gesehen hatte: weder alberne Anbiederei noch mechanische Hampelmannsgeste noch stilisierte Andeutung. Er nahm einfach die Hand meiner Mutter und küßte sie, als sei es das Normalste auf der Welt, und meine Mutter strahlte für einen Augenblick in reinster Freude. Aber als Guido sich zu mir wandte, sah ich, daß er sich keineswegs sicher war, das Richtige getan zu haben: in seinem Blick lag eine Spur Ratlosigkeit. Aber er fing sich fast sofort wieder; unbefangen reichte er dem Zimmermädchen seine Jacke, sah sich die Bilder an den Wänden an.

Wir setzten uns zu Tisch, und nach fünf Minuten, die wir mit Betrachtungen über das Klima und die Jahreszeiten verbracht hatten, kam der Mann meiner Mutter; Guido erhob sich und gab ihm die Hand. Schon wie er den leeren Platz angeschaut hatte, während er sprach, hatte gezeigt, daß er nicht gerade erpicht war, auch noch das Familienoberhaupt in die Situation einbezogen zu sehen.

[28] Der Mann meiner Mutter machte seine üblichen mechanischen Gesten: er küßte meine Mutter aufs Haar, sagte »Bleib nur sitzen«. Dann setzte er sich an seinen Platz und musterte Guido, sagte: »Sehen wir dich also endlich mal.« Guido zeigte ein kleines höfliches Lächeln; ich spürte, wie ich innerlich zurückwich.

Dann trug das Dienstmädchen die Pasta auf, und der Mann meiner Mutter schaufelte mit der furiosen Energie, mit der er immer aß, das Essen in sich hinein, als müsse er irgend jemandem oder zumindest sich selber irgend etwas beweisen. Er hob eine Gabelvoll hoch und schnellte mit gierigen Lippen vor, wie ein Seehund oder ein Walroß, das einen Fisch im Flug zu schnappen versucht. Ich war den’ Anblick gewöhnt und sagte mir immer, daß er sich wenigstens in diesem Punkt von Sinnenfreude mitreißen ließ, die bei seinen anderen Aktivitäten schwerlich zu erkennen war; aber in Guidos Anwesenheit brachte ich es nicht einmal über mich, ihn anzusehen, mit meiner Mutter neben sich, die stocksteif auf ihrem Stuhl saß und mit der Gabel im Essen stocherte. Ich kam mir wie ein Schauspieler vor, der bei einer Theateraufführung voller Stereotypen mitwirken muß; am liebsten wäre ich davongelaufen.

Guido schien sich nicht sonderlich unbehaglich zu fühlen: er aß und beantwortete die Fragen meiner Mutter über die Schule. Seine Aufmerksamkeit war geradliniger, als wenn wir in unserer Schulbank saßen, leichter zu verfolgen, ansonsten aber machte er keinen Hehl aus seinen Ansichten. Dreiviertel dessen, was wir lernen mußten, sagte er, sei ohne Bezug zum Leben; unsere Lehrerinnen Dratti und Cavralli seien zwei regelrecht sadistische Biester.

Der Mann meiner Mutter machte ein paar Bemerkungen über die Schule und das Leben und das Jungsein und das Erwachsenwerden. Er war, was mich betraf, ziemlich [29] nachlässig; er machte sich um mich eher allgemeine Sorgen, die ihn über Einzelheiten meines Tagesablaufs hinwegsehen ließen. Er war Anwalt für Zivilrecht und hatte meine Mutter kennengelernt, als er sie im Scheidungsverfahren gegen meinen Vater vertrat, das sich dann erübrigte, weil mein Vater an Leberzirrhose starb, noch bevor der Prozeß zu Ende war. Er war ein im Grunde gutmütiger Mensch, nicht kleinlich oder herrschsüchtig, aber antriebslos. Gerade das aber war es, was meiner Mutter, die nach der Ehe mit meinem Vater, der Maler und Alkoholiker gewesen war, nur Stabilität und feste Bezugspunkte suchte, das Gefühl der Sicherheit vermittelte.

Aber unter der Oberfläche ihres geordneten Lebens zog sie die Eigenwilligkeit einer Künstlerseele noch immer an: ich merkte es daran, wie sie jetzt Guido ansah, mit dem gleichen vibrierenden Interesse, mit dem sie von einem Gemälde oder einem Theaterstück oder einem Konzert sprach. Sie wußte nicht recht, wie sie sich ihm mitteilen sollte: sie fuhr sich in ihrer Rolle fest, machte, hinter ihre Mütterlichkeit verschanzt, nichtssagende Bemerkungen.

Als wir beim Kaffee angelangt waren, fragte der Mann meiner Mutter Guido: »Und was macht dein Vater?«

Guido wartete einen Augenblick mit der Antwort, dann sagte er: »Er ist im Investment tätig.«

»Wo?« wollte der Mann meiner Mutter weiter wissen. Hinter seiner Frage steckten keine negativen Absichten; sie war nur ein Ausdruck seiner linearen, unsensiblen Neugier.

Wieder zögerte Guido ein wenig: lang genug, daß ich am liebsten die Tischdecke weggerissen und Teller und Gläser auf den Boden geschmissen hätte. »Ich glaube, er arbeitet hauptsächlich in der Dritten Welt. In Afrika und im Orient hauptsächlich.« Er sagte es hastig und stolperte [30] dabei über das erste »hauptsächlich«, so daß er es ein zweites Mal sagen mußte.

Als das Essen zu Ende war und wir auf den Flur hinaustraten, nahm ich mir vor, nie wieder jemanden zu mir einzuladen, bevor ich nicht eine eigene Wohnung hatte.

[31] Sechs

Margherita Tardini und ich sahen uns außerhalb der Schule nur Samstag nachmittags. An den anderen Nachmittagen telefonierten wir nicht einmal; sonntags fuhr sie mit ihrer Familie zum Lago di Varese. Samstags verabredeten wir uns mit anderen Pärchen aus unserer Klasse, um uns einen Film anzusehen oder durch die Innenstadt zu flanieren. Alles war vernunftbestimmt und altersgemäß, ohne Leidenschaft oder gefährliche Improvisationen. Wir küßten uns im Halbdunkel des Kinosaals, ich streichelte ihr die Hüften oder sogar den Busen, bis sie meine Hand wegschob. Und es gab die Seitenblicke der anderen Pärchen: die beruhigende Kontrolle durch die Clique.

Guido nahm nie an diesen Ausflügen teil, er hatte immer andere Verabredungen, über die er nicht sprechen wollte. Die Situation mit Paola Amarigo war für ihn nicht gerade einfach, denn obwohl sie immer vertrauter miteinander wurden, ließ sie sich nach wie vor von dem Jungen mit dem schweren Motorrad abholen. Wenn sie nach der Schule die Treppe hinunterging, warf sie Guido verstohlene Blicke zu, und kaum war sie am Ausgang, setzte sie wieder ihre untadelige Miene auf, als würde sie ihn nicht einmal kennen. Sie drehte ihr Profil mit der ebenmäßigen Nase nach allen Seiten und hielt mit unschuldigen Blicken Ausschau nach ihrem Kerl, der schon auf sie wartete. Guido strebte, ohne sich umzudrehen, zu meinem Mofa: als hätte er es eilig, nach Hause zu kommen.

Eines Samstagmorgens dann tuschelte er in der Pause [32] mit Paola, und als er zu unserer Bank zurückkam, sagte er zu mir: »Wir treffen uns bei mir zu Hause, mit dir und Margherita.« Ich fragte nicht viel; allein der Gedanke erregte mich.

Ich schickte sofort einen Zettel an Margherita, um ihr den Plan zu unterbreiten; es bedurfte zweier weiterer Briefchen und vieler drängender Blicke meinerseits, längeren Augenzwinkerns zwischen ihr und Paola Amarigo, bis ich sie soweit hatte.

Um halb drei holte ich sie vor der Haustür ab. Sie sah viel hübscher als sonst aus: lebhaft und aufgekratzt bei der Vorstellung, einmal nicht im Schutz der Gruppe auszugehen. Bei der ersten Ampel, an der wir halten mußten, gab ich ihr einen Kuß, bis die Autos hinter uns zu hupen begannen.

Guido wartete an der Ecke der Straße, in der er wohnte, einige Meter von der Stelle entfernt, an der ich ihn immer absetzte. Er hatte ein kleines Paket mit Gebäck in der Hand und blickte nervös in die Richtung, aus der seiner Meinung nach Paola Amarigo kommen mußte. Wir waren kaum vom Mofa abgestiegen, da fragte er Margherita schon: »Glaubst du, daß sie kommt?« Margherita bejahte, ich weiß nicht, aufgrund welcher Anhaltspunkte. Wenn sie mit Guido sprach, nahm ihre Stimme einen lebhafteren Ton an als sonst: an der Art, wie sie ihn anguckte, wie sie sich mit der Hand durch die Haare fuhr und lachte, sah ich, welche Anziehungskraft er hatte. Nahezu allen Frauen, die mit ihm zu tun hatten, erging es so, ich war zu sehr daran gewöhnt, als daß es mich sehr eifersüchtig gemacht hätte.

Gleich darauf kam aus der entgegengesetzten Richtung ein Taxi und hielt vor Guidos Haustür. Er lief und öffnete [33] die Wagentür, sah zu, wie Paola ausstieg: blond und mit fast weißer Haut, in einem dunkelblauen Mantel und hohen Stiefeln. Sie sah eher wie eine junge Dame als wie eine Gymnasiastin aus; nüchtern und erwachsen in einem Maß, das mich an Guidos Stelle befangen gemacht hätte.

Guido wandte kein Auge von ihr, interessiert an jedem Detail. Noch nie hatte ich ihn so von jemand eingenommen gesehen: auf so enge Distanz und mit so offenem Lächeln. Er führte uns durch die Halle zu einem Aufzug aus altem, poliertem Holz. Guido war angespannt, auch wenn er sich bemühte, es sich nicht anmerken zu lassen; er deutete in den Aufzugschacht mit den Seilen und Treibscheiben, die sich über uns bewegten, sagte: »Er ist tödlich langsam.«

Im fünften Stock fummelte er mit den Schlüsseln herum, ließ uns in eine große Wohnung eintreten, die noch bürgerlicher und protziger war, als ich mir vorgestellt hatte. Das Wohnzimmer war mit absolut gleichförmiger Strenge eingerichtet: Vorhänge und Teppiche und Sofas und Sessel und Tische und Tischchen und Schränke besetzten den Raum ohne das leiseste Zögern. Verglichen damit sah es bei mir zu Hause leer und salopp aus.

Guido setzte das Kuchenpaket auf einem Tisch ab. Paola und Margherita sahen sich um, schnupperten in die Luft. Guido nahm ihnen die Mäntel ab und hängte sie in den Vorraum. Er kam ins Wohnzimmer zurück und versuchte die Stimmung aufzulockern: klopfte Paola auf die Schultern und sagte »He«. Es herrschte eine seltsam unbehagliche Atmosphäre; inwieweit es an der Einrichtung lag und inwieweit an der aufgestauten Spannung zwischen uns, war nicht klar. Paola machte eine coole kleine Drehung, fragte: »Wo ist dein Zimmer?«

Guido führte uns durch eine mit großen dunklen [34] Schränken überladene Diele, öffnete eine Tür, sagte »da«. Das Zimmer war genauso eingerichtet wie die übrige Wohnung: so streng, daß es feindselig wirkte. Es gab ein schmales Bett an der Wand, einen Schreibtisch am Fenster, ein Regal mit in Reih und Glied aufgestellten Büchern. An der Wand hingen zwei kleine Bilder: zwei Meerlandschaften mit klaren, konventionellen, in der Zeit erstarrten Linien. Ich blickte mich suchend um, aber ich konnte keine Spur von Guidos Wesen entdecken, so wie ich es zu kennen glaubte: keine Spur der Farbigkeit und Phantasie und Unordnung, die ich mir in seinem Zimmer vorgestellt hatte. Es sah aus wie das Zimmer eines jungen Offiziers im neunzehnten Jahrhundert, eines jungen Adligen in Gefangenschaft, dem noch die kleinste Spielerei verwehrt war. Das Licht, das durchs Fenster fiel, schuf um jeden Gegenstand einen Nimbus der Reglosigkeit, als sei er noch von keinem Menschen berührt worden. Paola und Margherita waren genauso entgeistert wie ich, sie wußten nicht, was sie sagen sollten.

Guido bemerkte unsere Bestürzung; er kam mir sonderbar ratlos vor, und um ihm zu Hilfe zu kommen, fragte ich, ob es hier nicht irgendwo Musik gäbe.

»Doch, doch«, sagte er erleichtert aufatmend; schob uns hinaus in Richtung Wohnzimmer. Auf einem kleinen Tisch neben der Tür war ein Stapel Schallplatten; Guido zog Between The Buttons von den Rolling Stones hervor und legte es auf den Plattenteller. Es war eine Stereoanlage für symphonische Musik mit riesigen Lautsprecherboxen in Nußbaumholz: das erste Stück dröhnte daraus zehnmal lauter hervor, als ich es von meinem kleinen Jugendplattenspieler gewöhnt war.

Guido drehte den Ton noch lauter, bis die Fensterscheiben und das Porzellan und die Gläser auf den Konsolen zu [35] vibrieren begannen. Paola hielt sich die Ohren zu und schrie »Spinnst du?«, so empört, als sei sie doppelt so alt. Guido packte sie an den Schultern, schüttelte sie und kniff sie, bis sie lachen mußte und Leben in sie kam. Die starre Atmosphäre zerbrach und löste sich in rasche Bewegung auf: wir begannen alle vier zwischen den erdrückenden Möbelstücken zu tanzen. Guido schwenkte Paola mit verwegen leuchtenden Augen umher; umkreiste sie mit ungezügelten Bewegungen, stieß gegen Sessel und Türpfosten. Er achtete aber auch darauf, den Kontakt zu mir und Margherita nicht zu verlieren: alle paar Sekunden schaute er zu uns und lächelte uns zu, bemühte sich, die Situation zusammenzuhalten, sie unter Strom zu halten, alle verfügbare Energie pulsieren zu lassen, die Leere des riesigen Zimmers zu füllen.

Dann kam ein langsames Stück, und wir tanzten auf der Woge der tiefen Töne, die uns in den Ohren und im Zwerchfell dröhnten. Paola und Margherita hinterließen in der Luft blumige Parfümwölkchen, die sich mit jeder ihrer Bewegungen zu immer betörenderen Kombinationen vermischten. Durch die Fenster kam jetzt nur noch wenig Licht herein; wir wiegten uns im Halbdunkel wie Fischotter in einer lauen Strömung. Ich schmiegte mich immer enger an Margherita, versunken in die Temperatur und die Konsistenz ihres Körpers, in das vernehmliche Pochen ihres Herzens. Noch nie hatte ich mich so vom Atem eines Mädchens, von seiner inneren Wärme aufgesogen gefühlt. Noch nie hatte ich eine nächtliche Phantasie oder Urlaubsschwärmerei oder aufwallende Begierde gehabt, die so die Grenzen zwischen den Empfindungen aufzuheben, sie zu einem einzigen Schwebezustand zu verschmelzen vermocht hätte.

Am Rand meines Gesichtsfelds ließ sich Guido mit [36] Paola auf ein Sofa gleiten, aber das war nur ein vorbeiziehendes, kaum registriertes Bild. Ich preßte Margherita jetzt ohne den geringsten Abstand an mich, ohne den geringsten Sinn für Humor. Ich legte ihr eine Hand auf die Hüfte, strich ihr mit der anderen vom Nacken aus über den Rücken, jedesmal ein Stück tiefer hinab zum Gesäß. Ich spürte die Festigkeit ihres Bauchs an meinem, die lustvolle Reibung. Dann schob ich meine Hand zu ihrer Brust hinauf, und sie stieß einen leisen Seufzer aus, faßte mein Handgelenk, aber ohne ihm Einhalt zu gebieten; die Innenfläche ihrer Hand war warm und feucht von Schweiß. Ich öffnete einen Knopf an ihrer Bluse, fuhr mit der Hand unter den elastischen Rand ihres BHs, ließ die Finger zwischen den weichen Baumwollstoff und ihre Haut gleiten. Ich hörte, wie sie schluckte; wie ihr Atem langsamer wurde als der langsame Rhythmus der Musik. Ich schob sie zu einem Sofa, und wir fielen aufeinander: versanken fast ohne die Augen zu öffnen wie in einem sanften Traum. Ich küßte sie am Halsansatz und knöpfte die Bluse noch weiter auf, schob den BH