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XVVorwort

Dieses Buch ist als Orientierungshilfe für Frauen gedacht, die sich in der Trennungs- bzw. Scheidungssituation befinden. Jede Frau, die sich zu einer Scheidung entschlossen hat, ist nicht nur mit großen psychischen Belastungen und oft schmerzhaften Auseinandersetzungen konfrontiert, sondern auch mit einer Vielzahl von rechtlichen Fragen und Problemen. Zu diesen rechtlichen Aspekten einer Scheidung, angefangen von den Scheidungsvoraussetzungen bis zu den mit einer Scheidung einhergehenden Folgen – juristisch kurz: Folgesachen –, bietet dieser Ratgeber die wichtigsten Informationen, leicht nachvollziehbare Erläuterungen sowie zahlreiche Tipps. Jeder Abschnitt wird mit konkreten Fallbeispielen illustriert, um daran anschließend systematisch die rechtlichen Fragen rund um Trennung, Scheidung und deren Folgen zu erläutern. Die Fallbeispiele sind so ausgesucht, dass die Initiative zur Trennung oder Scheidung jeweils von der Ehefrau ergriffen wird. Soweit es sich um Probleme handelt, die bereits während der Trennungsphase zu regeln sind, finden sich diese als gesonderte Unterpunkte bei der jeweiligen Scheidungsfolgesache. Der Darstellung des Prozessverlaufs, der Kosten des Scheidungsverfahrens und der erbrechtlichen Konsequenzen sind gesonderte Kapitel gewidmet.

Ferner wurden zu den Themen Kindes-, Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sowie Hausrat und Zugewinnausgleich persönliche Checklisten erarbeitet, die es ermöglichen, dass erworbene Wissen auf den eigenen Fall anzuwenden. Der Adressenteil gibt einen Überblick über Beratungsstellen für Frauen in Deutschland.

Die Zahl der Scheidungen nimmt weiter zu!

Eine Ehe kann nur durch einen gerichtlichen Beschluss aufgehoben werden. Während früher religiöse Vorbehalte oder das alte Scheidungsrecht, dass auf dem Schuldprinzip basierte, die Zahl der Scheidungen sehr niedrig hielt, kann heute im Prinzip jede Ehe, die als zerrüttet gilt, geschieden werden. In Deutschland endet derzeit ca. XVIjede dritte Ehe vor dem Scheidungsrichter – Tendenz steigend. Dabei werden die meisten Scheidungsanträge von Frauen eingereicht. Dies hat unter anderem seinen Grund darin, dass eine Scheidung inzwischen nicht mehr unbedingt gesellschaftliche Ausgrenzung und sozialen Abstieg bedeuten muss. Positiv formuliert heißt das, dass sich im Zuge der Emanzipation, Frauen zunehmend ihrer Rechte und Möglichkeiten bewusst werden und den Schritt wagen, eine unerträgliche oder unzumutbare Ehesituation aufzulösen.

Seit dem Erscheinen der Vorauflage gibt es einige Änderungen im Familienrecht. Sämtliche Neuerungen inkl. der aktuellen Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2016 sind in der 3. Auflage berücksichtigt worden.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Kollegin Rechtsanwältin Julia Ehm für Ihre Mitarbeit und zahlreichen Anregungen bedanken.

Düsseldorf/Duisburg, im Oktober 2016 Heike Dahmen-Lösche

Heike Dahmen-Lösche

1 1. Kapitel

Scheidungsvoraussetzungen

Am 1.7.1977 trat in der Bundesrepublik Deutschland im Zuge der Reform des Ehe- und Familienrechts ein neues Scheidungsrecht in Kraft. Wesentliche Änderung ist die Ablösung des Schuldprinzips durch das sogenannte Zerrüttungsprinzip. Nach dem alten Recht konnte die Ehe nur dann geschieden werden, wenn ein Ehegatte schuldhaft gegen die ehelichen Pflichten verstoßen hatte, z. B. wenn er die Ehe gebrochen, den Anderen böswillig verlassen oder ihm nach dem Leben getrachtet hatte. Konsequenz war, dass der beklagte und schuldig gesprochene Ehegatte dem Schuldlosen Unterhalt zahlen musste, während das Sorgerecht grundsätzlich dem schuldlosen Ehegatten übertragen wurde. Nach dem Zerrüttungsprinzip dagegen kann die Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Der entscheidende § 1565 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) lautet:

§ 1565 Abs.1 BGB

Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

Voraussetzung für die Scheidung ist demnach nicht mehr ein ehewidriges Verhalten eines Ehegatten, sondern die Feststellung, dass es zu einem endgültigen Bruch zwischen den Eheleuten gekommen ist, bei dem es sich um einen Dauerzustand handelt. Das „Scheitern der Ehe“ muss vom Gericht festgestellt werden. Die strittige Frage ist nun, ab wann eine Ehe als zerrüttet gilt.

2Gem. § 1565 Abs.1 BGB wird „unwiderlegbar vermutet“, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

I. Einverständliche Scheidung

BEISPIEL: Frau Anne B. aus Duisburg lebt mit Ihrem Mann Jochem B. seit einem Jahr innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt. Sie schläft im vormals gemeinsamen Schlafzimmer, er im Wohnzimmer. Bereits seit einem Jahr wirtschaften die Eheleute B. nicht mehr gemeinsam. Jeder hält seinen Wohnbereich sauber und kocht für sich selbst. Beide Eheleute wollen geschieden werden.

Die Ehe der Eheleute B. kann ohne Probleme geschieden werden, da die Voraussetzungen des § 1565 Abs.1 BGB in Verbindung mit § 1566 Abs.1 BGB vorliegen. Die Partner leben seit einem Jahr „von Tisch und Bett“ getrennt, werden ihre eheliche Lebensgemeinschaft aller Voraussicht nach nicht wieder aufnehmen und wollen beide geschieden werden. Zum Getrenntleben im Sinne des Gesetzes gehört neben der Einstellung sexueller Kontakte auch die Verweigerung wechselseitiger Versorgungsleistungen wie z. B. Kochen, Waschen, Bügeln, Einkaufen, etc. Ein kurzfristiger Versöhnungsversuch während der Trennungszeit ist unschädlich. Haben sich die Eheleute bspw. am 25.1.2016 getrennt, und leben sie im Monat April im Rahmen eines Versöhnungsversuches für ein paar Wochen wieder zusammen, ändert dies nichts am Beginn des Trennungsjahres, wenn der Versöhnungsversuch scheitert. Um später die Trennung beweisen zu können, ist es ratsam, dem Ehemann schriftlich den Trennungszeitpunkt mitzuteilen. Selbstverständlich kann auch dieses Schreiben durch einen Anwalt an den Ehemann gesandt werden.

Für die einverständliche Scheidung ist es nach § 133 FamFG weiter unabdingbar, dass sich die Eheleute über die Folgesachen der Scheidung einigen; hierzu gehören unter anderem die Regelung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder, der Kindesunterhalt, das Umgangsrecht, der Ehegattenunterhalt sowie die Verteilung von 3Hausrat und Ehewohnung. Entgegen der früheren Fassung des § 630 ZPO ist es nunmehr ausreichend, dass die Ehegatten erklären, ob sie eine Regelung über die elterliche Sorge, den Umgang und die Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern, sowie die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und an den Haushaltsgegenständen getroffen haben. Diese besonderen Anforderungen an das Verfahren der einverständlichen Scheidung rechtfertigen, dass die Scheidung nach § 1566 Abs.1 BGB gegenüber dem Grundtatbestand des § 1565 Abs.2 BGB erleichtert ist: Bei einjähriger Trennungszeit und gemeinsamen Scheidungsbegehren wird die Ehe ohne Prüfung ihrer Zerrüttung geschieden, wohingegen im Falle der streitigen Scheidung die Zerrüttung zweifelsfrei nachgewiesen werden muss.

Zusammengefasst kann man sagen, dass bei einer einverständlichen Scheidung drei Voraussetzungen zusammen kommen müssen:

II. Streitige Scheidung

BEISPIEL: Helma K. aus Mülheim lebt seit einem Jahr mit ihren beiden Kindern in einer eigenen Wohnung. Sie möchte schnellstmöglich geschieden werden. Ihr Ehemann lehnt die Scheidung ab. Er schreibt ihr nach wie vor glühende Liebesbriefe, versucht immer wieder, sich mit ihr zu treffen und gibt die Hoffnung einfach nicht auf. Helma K. dagegen empfindet nichts mehr für ihren Ehemann und ist entschlossen, die Scheidung zu beantragen.

Im Gegensatz zu der einverständlichen Scheidung trifft hier die sogenannte „Zerrüttungsvermutung“ des § 1566 Abs.1 BGB nicht zu. Das Scheitern der Ehe muss daher von Helma K. bewiesen werden.

4Erfahrungsgemäß werden dabei seitens des Gerichts keine allzu hohen Maßstäbe angelegt. Im Regelfall wird eine Ehe dann als gescheitert angesehen, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und der Scheidungswillige klar zu erkennen gibt, dass er keine ehelichen Gemeinsamkeiten mehr will. Helma K. lebt bereits seit einem Jahr in einer eigenen Wohnung; die eheliche Lebensgemeinschaft besteht demnach nicht mehr. Auch in der mündlichen Verhandlung wird Frau K. dem Richter erklären, dass sie eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnt. Helma K. wird geschieden werden, es sei denn, ihrem Ehemann gelingt es, im Einzelnen überzeugend darzulegen, dass die Ehe keineswegs zerrüttet, vielmehr mit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu rechnen ist.

Von einer streitigen Scheidung spricht man demnach, wenn

III. Scheidung wegen unzumutbarer Härte

In besonderen Fällen kann auch ohne Abwarten des Trennungsjahres eine Ehe geschieden werden. Dies ist nach § 1565 Abs.2 BGB dann der Fall, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dabei müssen schwerwiegende Tatbestände vorliegen. Sogenannte Härtefälle sind in der Regel:

5Allerdings ist hier keine einheitliche Rechtsprechung festzustellen. Einige Gerichte lassen den Fall der ehelichen Untreue gelten, andere verlangen zumindest Offenkundigkeit, wobei es auf die Art und Weise sowie die Begleitumstände der Treueverletzung ankommt. Diese können unter Umständen so gravierend sein, dass es dem Antragsteller wegen der besonders tiefgreifenden Persönlichkeitsverletzung nicht zugemutet werden kann, das Trennungsjahr einzuhalten. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 1565 Abs.2 BGB hat der Antragsteller, also derjenige, der sich auf die Härtefallregelung beruft. Kann z. B. die körperliche Misshandlung oder die eheliche Untreue des anderen Ehepartners vor Gericht nicht bewiesen werden, wird das Scheidungsbegehren keinen Erfolg haben. Möglicherweise ist dann aber aufgrund der Dauer des Verfahrens mittlerweile das Trennungsjahr abgelaufen, so dass das Scheidungsbegehren auf § 1565 Abs.1 BGB gestützt werden kann.

BEISPIEL: Irene D. aus Oberhausen ist von ihrem Ehemann brutal misshandelt worden. Sie hat einen Nasenbein und einen Schulterbruch erlitten, sowie zahlreiche Prellungen und Hämatome am ganzen Körper. Eine Nachbarin hat die Polizei zur Hilfe geholt, die den Ehemann sofort festnahm. Irene D. ist zunächst stationär in einem Krankenhaus behandelt worden und lebt inzwischen in einem Frauenhaus in der näheren Umgebung. Sie möchte so schnell wie möglich geschieden werden, obwohl sie erst seit einigen Tagen von ihrem Ehemann getrennt lebt.

Irene D. kann hier schon vor Ablauf des sonst obligatorischen Trennungsjahres geschieden werden, weil die Fortsetzung der Ehe aus Gründen, die in der Person des Ehemannes liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Da sie keine Probleme haben wird, das schwerwiegende Fehlverhalten ihres Ehemannes vor Gericht, z. B. mit Hilfe von Zeugenaussagen und ärztlichen Attesten, zu beweisen, kann sie das Scheidungsverfahren sofort einleiten.

6IV. Scheidung nach 3-jähriger Trennung

BEISPIEL: Christina H. aus Berlin lebt seit 3 Jahren von ihrem Ehemann getrennt. Im Scheidungsverfahren erklärt der Ehemann, nicht geschieden werden zu wollen.

Nach § 1566 Abs.2 BGB wird „unwiderlegbar vermutet“ so heißt es juristisch – das eine Ehe gescheitert ist, wenn die Eheleute seit 3 Jahren getrennt leben. Diese Regelung hat der Gesetzgeber an Hand der allgemeinen Lebenserfahrung getroffen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Entschluss sich scheiden zu lassen, nach 3-jähriger Trennungszeit endgültig ist. Auf den entsprechenden Willen des Antragsgegners kommt es somit nicht mehr an. Das Gericht braucht auch nicht mehr das Scheitern der Ehe festzustellen oder gar zu überprüfen. Die Ehe der Christine H. wird daher geschieden werden.

V. Keine Scheidung auf Grund von Härteklauseln

BEISPIEL: Dagmar L. aus Hattingen lebt schon seit 3 Jahren von ihrem vermögenden Ehemann getrennt. Bei Durchführung der Scheidung müsste der Ehemann erhebliche Vermögenswerte auf seine Ehefrau übertragen. Der Ehemann lehnt die Scheidung ab mit der Begründung, dass diese ihn finanziell ruinieren würde.

Trotz des Scheiterns wird eine Ehe nicht geschieden, wenn die Voraussetzungen des § 1568 BGB gegeben sind:

§ 1568 BGB

Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe, im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig 7ist oder die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragsteller ausnahmsweise geboten erscheint.

Es handelt sich hierbei um eine Schutzvorschrift zu Gunsten der minderjährigen Kinder und des Ehepartners, der die Scheidung ablehnt. Sie kann in extremen Ausnahmefällen sogar dazu führen, dass eine Ehe auf Lebenszeit nicht geschieden werden kann. Wegen ihres Ausnahmecharakters sind strenge Maßstäbe anzulegen.

Die in der Vorschrift enthaltene Kinderschutzklausel kommt dann zum Tragen, wenn festgestellt wird, dass das Festhalten an der bereits zerrütteten Ehe dem Wohle der Kinder dient, wobei es in erster Linie um immaterielle, psychische Gründe geht, die in der Person des Kindes liegen. Es könnte z. B. der Fall eintreten, dass sich durch eine Scheidung die psychische Befindlichkeit eines Kindes so sehr verschlechtern würde, dass das Kindeswohl gefährdet wäre. Da es sich hierbei um ein subjektives Merkmal handelt, dessen Vorliegen nur sehr schwer feststellbar ist, wird das Problem häufig ohne Einschaltung eines psychologischen Sachverständigen nicht zu lösen sein. Stellt z. B. das Gericht aufgrund eines Gutachtens fest, dass bei einem Kind im Fall der Scheidung die ernsthafte Gefahr der Selbsttötung besteht, so dürfte die Voraussetzung des § 1568 BGB gegeben sein.

Auch die in der Vorschrift enthaltene Ehegattenschutzklausel stellt einen seltenen Ausnahmefall dar.

Ob für den betroffenen Ehegatten die Scheidung aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellt, dass diese abzulehnen ist, ist objektiv kaum messbar. Die Intensität einer schweren unzumutbaren Härte ist auch hier in der Regel nur mit Hilfe eines psychologischen Sachverständigen feststellbar. Ergibt die psychologische Untersuchung bei dem Betroffenen, dass die Scheidung für diesen zu einer tiefen Depression oder dem Verlust des seelischen Selbstwertgefühls führt und sich somit der Gesundheitszustand des nicht scheidungswilligen Ehepartners erheblich verschlechtert, so kann unter Umständen der Scheidungsantrag unter Berufung auf § 1568 BGB zurückgewiesen werden.

8Allerdings ist zu bedenken, dass die Anwendung der Härteklausel nicht vor Trennung oder Auszug des Partners schützt.

Im vorliegenden Fall jedoch kann der Ehemann allein mit Hinweis auf die drohenden finanziellen Nachteile die Scheidung nicht verhindern.

VI. Neue Bundesländer und Scheidungsvoraussetzungen

Auch für die Ehen, die in der ehemaligen DDR geschlossen wurden, gelten die zuvor genannten Scheidungsvoraussetzungen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Artikels 234 Abs.1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Dort heißt es:

Art. 234 Abs.1 EGBGB

Das vierte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt für alle familienrechtlichen Verhältnisse, die am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts bestehen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.

VII. Scheidung ausländischer und gemischt-nationaler Ehen

Durch die am 21.6.2012 geltende Rom III-VO ist es möglich, dass die Ehegatten das auf ihre Scheidung anwendbare Recht notariell vereinbaren. Liegt keine Rechtswahl des Art.5 der Rom III-VO vor gilt gem. Art.8 Rom III-VO folgende zwingend einzuhaltende Rangfolge:

Die Zuständigkeit des Gerichtes und das anzuwendende Recht müssen im Einzelfall genau geprüft werden!

11 2. Kapitel

Scheidungsfolgen I: Scheidungsfolgen, die zwingend von Amts wegen geregelt werden müssen

Mit der Eherechtsreform im Jahre 1977 ist der Versorgungsausgleich erstmals gesetzlich geregelt worden. Das frühere Scheidungsrecht kannte eine solche Regelung nicht, was zur Folge hatte, dass viele, insbesondere nicht berufstätige Frauen im Alter Sozialhilfe in Anspruch nehmen mussten. Entweder waren die eigenen Rentenanwartschaften der Frauen sehr gering oder sie hatten sich nach der Eheschließung ihre Rentenanwartschaften auszahlen lassen.

Der Versorgungsausgleich bezweckt, dass die Renten- und Pensionsanwartschaften, die von beiden Eheleuten während der Ehezeit erworben wurden, ausgeglichen werden. Berufstätigkeit und Haushaltsführung sollen dabei gleichgestellt werden.

Mit dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRef) sind die gesetzlichen Regelungen zum Versorgungsausgleich grundlegend geändert worden. Das neue Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) ist Teil des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleiches. Ziel der Reform ist eine gerechtere und schnellere Aufteilung an den gemeinsam erworbenen Ansprüchen.

Mit dem Versorgungsausgleichsgesetz wird jedes Anrecht eines Ehegatten auf Versorgung grundsätzlich intern geteilt. Durch die Reform können auch betriebliche und private Anrechte schon im Wertausgleich bei der Scheidung geteilt und damit abschließend geregelt werden. Dadurch kann jeder Ehegatte zugleich ausgleichsberechtigt 12und ausgleichspflichtig sein, wenn beide Partner Versorgungsanrechte erworben haben. Die berechtigten Ehepartner erhalten jeweils die Hälfte des Ehezeitanteils der Anrechte auf ein eigenes Versorgungskonto beim Versorgungsträger des Pflichtigen. Nur im Ausnahmefall erfolgt der Ausgleich der Anwartschaften durch externe Teilung.

Unter Ehezeit versteht man nach § 3 Versorgungsausgleichsgesetz:

§ 3 VersAusglG

(1) Die Ehezeit im Sinne dieses Gesetzes beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist; sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich kommt in einigen Fällen als Auffanglösung auch nach dem neuen Recht weiterhin in Betracht. Die Anwendungsfälle sind im Gesetz abschließend geregelt.

l. Klärung der Versorgungsansprüche

Alle Versorgungsansprüche, die von den Ehegatten während der Ehezeit erworben wurden, sind ausgleichspflichtig. Ausgleichungsfähig sind die Rentenanwartschaften in der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Knappschaftsversicherung, der Beamtenversorgung sowie die Anwartschaften auf eine Betriebsrente etc. Bestimmte Renten – wie z. B. Schadensersatzrente nach einem Unfall – sind vom Versorgungsausgleich ausgenommen.

BEISPIEL: Wilhelmine W. aus Duisburg ist mit ihrem Ehemann Willi W. seit 30 Jahren verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder, Peter, Christoph und Petra hervorgegangen. Der Ehemann hat während der gesamten Ehezeit versicherungspflichtig als Angestellter gearbeitet. Wilhelmine W. ist nicht berufstätig; sie hat sich um den Haushalt und die Kinder gekümmert. Jetzt will Wilhelmine W. geschieden werden und fragt nach dem Versorgungsausgleich.

13Sobald der Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht ist und die Gerichtskosten eingezahlt sind, werden beiden Eheleuten zur Ermittlung des Versorgungsausgleiches vom Gericht umfangreiche Formulare zugestellt, die ausgefüllt und unterschrieben wieder an das Gericht zurückgesandt werden müssen.

Die zuständigen Versicherungsämter sind beim Ausfüllen der Unterlagen behilflich; sie erteilen auch gern weitere Auskünfte. Den Fragebögen ist aber auch ein Erläuterungsbogen beigefügt, so dass wahrscheinlich jeder Ehepartner die Fragen beantworten kann. Beide Eheleute erhalten jeweils eine Kopie des Antragsformulars des anderen Ehepartners. Beide können schon jetzt gegenseitig kontrollieren, ob die Angaben wahrheitsgemäß gemacht wurden.

Fortsetzung des BEISPIELS: Willi W. hat während der Ehezeit 1.000,00 € Rentenanwartschaften erworben. Aus den Erziehungszeiten errechnet sich für Wilhelmine W. ein Rentenanteil in Höhe von 300,00 € monatlich. so dass sich eine Differenz zwischen beiden Rentenanwartschaften in Höhe von 700,00 € ergibt. Von dem Rentenkonto des Willi W. bei der Deutschen Rentenversicherung ist die Hälfte des Differenzbetrages, in diesem Fall also 350,00 € auf das Rentenkonto der Wilhelmine W. zu übertragen.

Eine Verrechnung ist in diesem Beispielsfall auch nach neuem Recht möglich, da hier die Versorgungsanrechte bei dem gleichen Rentenversicherungsträger erworben wurden. Damit ist sichergestellt, dass Wilhelmine W. bei Eintritt ins Rentenalter einen eigenen Rentenanspruch gegenüber dem Versicherungsträger in Höhe von 650,00 € hat. Willi W. hingegen wird im Rentenfall eine um 350,00 € verminderte Rente beziehen. Will er dies verhindern, muss er seine Rente durch zusätzliche Einzahlungen aufstocken. Hierzu sollte er sich bei einem Rentenberater informieren.

14II. Durchführung des Versorgungsausgleiches

1. Interne Teilung

§ 10 Versorgungsausgleichsgesetz

(1) Das Familiengericht überträgt für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (interne Teilung).

(2) Sofern nach der internen Teilung durch das Familiengericht für beide Ehegatten Anrechte gleicher Art bei demselben Versorgungsträger auszugleichen sind, vollzieht dieser den Ausgleich nur in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung. Satz 1 gilt entsprechend, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und Vereinbarungen zwischen ihnen eine Verrechnung vorsehen.

(3) Maßgeblich sind die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht.

Mit der vorstehenden Regelung erhält der ausgleichsberechtigte Ehepartner ein eigenes Anrecht im Versorgungssystem des Ausgleichspflichtigen. Die Anwartschaft des Ausgleichsverpflichteten wird gleichermaßen gekürzt. Haben die Eheleute gleiche Rentenanwartschaften, findet der Ausgleich nur in Höhe der Wertdifferenz statt. Bei der Aufteilung der betrieblichen Altersversorgung erhält der ausgleichsberechtigte Ehepartner die Hälfte der Anrechte, die in die Ehezeit fallen. Er wird dann so wie ein ausgeschiedener Arbeitnehmer mit unverfallbaren Ansprüchen im Sinne des BetrAVG behandelt.

2. Externe Teilung

§ 14 Versorgungsausgleichsgesetz

(1) Das Familiengericht begründet für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei einem anderen Versorgungsträger als demjenigen, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (externe Teilung).

15Eine externe Teilung wird gemäß § 14 Versorgungsausgleichsgesetz nur dann durchgeführt, wenn der Ausgleichsberechtigte mit dem Versorgungsträger des Ausgleichsverpflichteten eine Einigung darüber trifft oder der Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehegatten eine externe Teilung verlangt und es sich um einen Bagatellbetrag handelt. Dabei hat der berechtigte Ehepartner grundsätzlich ein Wahlrecht, ob z. B. eine bestehende Lebensversicherung aufgestockt wird oder eine neue Versorgung für ihn begründet wird (vgl. § 15 VersAusglG). Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, wird das Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Werden Betriebsrenten ausgeglichen fließt die anteilige Rente in die Versorgungsausgleichskasse, wenn kein Wahlrecht ausgeübt wurde.

Hinweis

Aufgrund dessen, dass die Verwendung in der gesetzlichen Rentenversicherung sehr teuer ist, hat der Gesetzgeber beschlossen, ab dem 1.9.2009 eine „Versorgungsausgleichskasse“ einzurichten. Diese Versorgungsausgleichskasse ersetzt die gesetzliche Rentenversicherung als Zielversorgungsträger.

Achtung

Das Wahlrecht muss in sachdienlicher Weise ausgeübt werden! Die Auszahlung des anteiligen Kapitalwertes kann auch eine Steuerpflicht beim ausgleichspflichtigen Ehepartner auslösen. Vor Ausübung des Wahlrechtes sollte ein individueller juristischer Rat eingeholt werden!

Es wird häufig keinen Sinn machen, die externe Teilung über die gesetzliche Rentenversicherung durchzuführen. In den meisten Fällen dürfte es sinnvoller sein, eine bestehende Lebensversicherung auf Rentenbasis zu erhöhen oder eine neue Versicherung abzuschließen. Bei der externen Teilung zahlt der Versorgungsträger des ausgleichspflichtigen Ehepartners den Ausgleichswert als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger des ausgleichsberechtigten Ehepartners (vgl. § 14 Abs.4 VersAusglG).

163. Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

§ 20 Versorgungsausgleichsgesetz

(1) Bezieht die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, so kann die ausgleichsberechtigte Person von ihr den Ausgleichswert als Rente (schuldrechtliche Ausgleichsrente) verlangen. Die auf den Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbaren Aufwendungen sind abzuziehen. § 18 gilt entsprechend.

Anrechte, die nicht im Verbund bei der Scheidung durch den Wertausgleich ausgeglichen werden können, müssen später ausgeglichen werden.

Diese Ausgleichsansprüche sind allerdings gegenüber dem Wertausgleich bei der Scheidung subsidiär. Sie kommt nur insoweit in Betracht, als der Wertausgleich kraft Gesetzes oder infolge einer Vereinbarung der Ehepartner ausgeschlossen ist. Am häufigsten wird der schuldrechtliche Versorgungsausgleich für alle im Scheidungsverfahren noch nicht ausgeglichenen Rechte, insbesondere für die erst nach der Ehescheidung unverfallbar werdenden Anwartschaften, in Betracht kommen. Ansprüche auf Betriebsrenten werden unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer das 30. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage für ihn mindestens 5 Jahre bestanden hat (§ lb I 1 BetrAVG).

Der Anspruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ist jedoch erst fällig, wenn der ausgleichsberechtigte Ehepartner selbst Rentner ist und der ausgleichsberechtigte Ehepartner

(1) eine eigene laufende Versorgung im Sinne des § 2 VersAusglG bezieht,

(2) die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat, oder

(3) die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine laufende Versorgung wegen Invalidität erfüllt hat (vergl. § 20 Abs.2 Vers AusglG).

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich soll nicht durchgeführt werden, wenn er geringfügig ist, § 20 Abs.3 VersAusglG.

17Diese Regelung hat Nachteile und bedeutet für manchen Berechtigten eine unzumutbare Härte, z. B. dann, wenn der Verpflichtete stirbt, bevor er den Versorgungsausgleich erlebt, sodass der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nicht mehr durchgeführt werden kann, mit der Folge, dass der Berechtigte keine Geldrente mehr vom Verpflichteten erhält. Dies ergibt sich aus § 31 III 1 VersAusglG.

Es bleiben jedoch Ansprüche auf Erfüllung bzw. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit und können gegen die Erben geltend gemacht werden, vgl. § 31 III 2 i.V.m. § 1586 II 1 BGB. Zu Gunsten des ausgleichsberechtigten Ehepartners kann aber ein verlängerter schuldrechtlicher Ausgleich durch Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung gem. § 25 VersAusglG in Betracht kommen. Selbst nach dem Tode des ausgleichspflichtigen Ehegatten behält der Berechtigte einen Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsrente gegenüber dessen Versorgungsträger.

Der eher seltene schuldrechtliche Versorgungsausgleich tritt am häufigsten dann ein, wenn die Betriebsrente noch verfallbar ist.

BEISPIEL: