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Endnoten

1

Eigene Berechnungen nach Zahlen des Statistischen Bundesamts, http://bit.ly/1xB61Fl.

2

Vgl. Christopher Dell, Das Urbane. Wohnen. Leben. Produzieren, Berlin 2014.

3

Vgl. Erol Yildiz, »Stadt ist Migration«, in: Malte Bergmann / Bastian Lange (Hrsg.), Eigensinnige Geographien, Wiesbaden 2011.

4

Vgl. Tom Holert / Mark Terkessidis, Fliehkraft – Gesellschaft in Bewegung. Von Migranten und Touristen, Köln 2006.

5

Vgl. Elijah Anderson, The Cosmopolitan Canopy. Race and Civility in Everyday Life, New York 2011.

6

Vgl. Elisabeth Rangosch-Schneck, »Kulturelle Heterogenität in der Schule: Qualifizierungsbedarf und Ausbildungserfahrung aus der Sicht angehender Lehrpersonen«, in: E. R.-S. (Hrsg.), Migranten machen Schule, Tagungsdokumentation, Stuttgart 2010, http://bit.ly/2g2x4nK.

7

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Lehrplan Deutsch als Zweitsprache, 2001, http://bit.ly/2fIwyKY.

8

Vgl. Bedia Akbas, Pädagogischer Blick auf geflüchtete Kinder: Ungleiche Rechte, ungleiche Chancen, Vortrag auf der Fachtagung »Kinder aus Flüchtlingsfamilien – Hintergründe und Perspektiven für Kindertageseinrichtungen« am 1072015, http://bit.ly/2gFSLv4.

9

Vgl. Mark Terkessidis, Interkultur, Berlin 2010.

10

Vgl. Sinus Sociovision, Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Heidelberg 2007, http://bit.ly/2gupTFk.

11

Vgl. Elijah Anderson, The Code of the Streets. Decency, Violence and the Moral Life of the Inner City, New York 1999.

12

Vgl. Initiative Neue Qualität der Arbeit, Monitor Führungskultur im Wandel, Berlin 2014, http://bit.ly/1tdffQX.

13

Das Land Steiermark, Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark, beschlossen am 2162011, http://bit.ly/2gggHqB.

14

Vgl. Leo Kaas / Christian Manger, Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment, Forschungsinstitut Zukunft der Arbeit, Bonn 2010, http://bit.ly/2gFHBVZ.

15

Vgl. Pilotprojekt »Anonymisierte Bewerbungsverfahren«, Ergebnisse der Evaluierung durch die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität Viadrina (KOWA) sowie das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), 2012, http://bit.ly/2fIxMpg.

16

Vgl. Karim Freidooni, Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Schulwesen. Eine Studie zu Ungleichheitspraktiken im Berufskontext, Wiesbaden 2016.

17

Vgl. Mark Terkessidis, Psychologie des Rassismus, Opladen / Wiesbaden 1998; M. T., Die Banalität des Rassismus. Migranten zweiter Generation entwickeln eine neue Perspektive, Bielefeld 2004.

18

Vgl. Astrid Kaiser, »Vornamen. Nomen est Omen«, in: Regierung von Oberfranken, Oberfränkischer Schulanzeiger 12 (2009), http://bit.ly/2gtE126.

19

Vgl. Mechthild Gomolla / Frank-Olaf Radtke, Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, Wiesbaden 2007.

20

Vgl. Janet Ward Schofield, Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg. Forschungsergebnisse der pädagogischen Entwicklungs- und Sozialpsychologie, AKI-Forschungsbilanz 5, Berlin 2006, http://bit.ly/2fNoZpi.

21

Vgl. Wiebke Scharatow, Risiken des Widerstandes. Jugendliche und ihre Rassismuserfahrungen, Bielefeld 2014.

22

Josef Wilfling: »Zu viele sind zuständig«, Interview, in: die tageszeitung, 16112011, http://www.taz.de/!5107462.

23

Vgl. Aladin El-Mafaalani, Migrationssensibilität. Zum Umgang mit Globalität vor Ort, Weinheim 2017.

24

Vgl. Wilhelm Stratmann / Christoph Keller, Merhaba, Privjet und guten Tag – Interkulturelle Kompetenz in der Polizei NRW. Zugleich ein Bericht aus 10 Jahren Erfahrungen Fortbildungsarbeit, http://bit.ly/2gCKURw.

25

Vgl. Paul Mecheril, Einführung in die Migrationspädagogik, Weinheim/Basel 2004.

26

Vgl. Veronika Fischer, Interkulturelle Kompetenz – ein neues Anforderungsprofil für die pädagogische Profession«, in: V. F. [u. a.] (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz, Schwalbach/Ts. 2013, S. 3347, hier S. 40.

27

Sabine Kriechhammer-Yağmur, »Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen«, Interview, in: Der Paritätische 1 (2016), S. 6 f., hier S. 7.

28

Vgl. Claus Melter, Rassismuserfahrungen in der Jugendhilfe: Eine empirische Studie zu Kommunikationspraxen in der Sozialen Arbeit, Münster 2006.

29

Christian Geyer, »Barrierefreiheit für den Geist«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14112016.

30

Vgl. Deutscher Naturschutzring, Abschlussbericht zum DNR-Projekt Biodiversität – (Er)Leben und Gestalten in Vielfalt, Bonn 2009, http://bit.ly/2mBQJhD.

31

Vgl. Forum der Kulturen Stuttgart e. V. (Hrsg.), Auf gleicher Augen- und Herzhöhe – Über die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen, Stuttgart 2010, http://bit.ly/2fyXQrQ.

32

Vgl. Mark Terkessidis, Kollaboration, Berlin 2015.

33

Vgl. http://bit.ly/2fNjJlN.

34

Die Ordnung. Grundsatzprogramm der Christlich Sozialen Union, S. 14, http://bit.ly/2gSwMEe.

35

Vgl. http://bit.ly/2fNpuzR.

36

Vgl. http://bit.ly/2g2xnzd.

Schlechte Laune

Es herrschte nahezu Weltuntergangsstimmung, als neulich im Wartezimmer meiner Ärztin drei etwas betagtere Frauen sich über die Veränderungen auf der Straße unterhielten: Da »draußen« im Straßenverkehr, da gehe es ja so aggressiv zu, man könne ja kaum noch auf die Straße gehen, früher habe es das alles nicht gegeben. Nun liegt die Praxis in einem Viertel, das gemeinhin als bürgerlich bezeichnet wird – von einem Sicherheitsproblem kann keine Rede sein. Woher also kommt der Eindruck der Gefahr? Es kann kein Zweifel bestehen, dass sich auch die bürgerlichen Viertel in den letzten Jahren verändert haben. Junge Familien sind zugezogen, Familien mit Migrationshintergrund, auch viele »Expatriates«. Diese Personen leben oft weniger in geographischen Nachbarschaften als vielmehr in Netzwerken: Sie kennen oft die Leute nicht, die unmittelbar unter ihnen wohnen, haben aber Bekannte überall in Deutschland und manchmal auch rund um den Globus. Haben sie Migrationshintergrund, besitzen sie häufiger Wohneigentum im Herkunftsland oder pflegen zumindest andauernde transnationale Familienbindungen.

Diese Welt der Netzwerke bildet sich in den Vierteln oft nicht mehr physisch ab. Die traditionelle Bewohnerschaft trifft in den Bäckereien keine Bekannten zum Plausch mehr, der Einzelhandel ist in Händen von Geschäftsleuten türkischer oder afghanischer Herkunft, und in den Kneipen, in denen früher Mundart gesprochen wurde, hört man heute oft Englisch. Gefährlicher ist es durch diese Veränderungen keineswegs geworden, aber die Welt erscheint den angestammten Bewohnern nicht mehr vertraut. Selbst wenn sich gar nichts verändert hat, kursieren in den Medien all die Geschichten über das, was in Paris passiert ist oder in Köln oder in all den anderen Großstädten im »Multikultiwahn«. Das möchte man »bei sich« nicht haben – oft genug sind die Vorbehalte gegen die Einwanderungsgesellschaft dort am größten, wo kaum oder keine Personen Migrationshintergrund leben.

Seit der Flucht von etwa 900 000 Menschen nach Deutschland im Jahr 2015 sind die Auseinandersetzungen um das Thema »Migration« heftiger geworden. Tatsächlich hat dieses Ereignis auch den Letzten klargemacht, dass Einwanderung kein Randthema mehr ist, sondern zentrale Bedeutung auch und vor allem für unsere Zukunft hat. Doch mit der Normalität von Migration tut sich die Republik weiter schwer: Die oft blauäugig begeisterte »Willkommenskultur« schlug schnell um in einen ebenso unangemessenen Pessimismus. Die wohlwollenden Befürworter der Einwanderungsgesellschaft betonen oft, die Vielfalt an sich sei eine großartige Sache – »Vielfalt, das Beste gegen Einfalt«, hieß etwa zwei Jahre hintereinander das Motto der »interkulturellen Wochen«.

Doch ist Vielfalt tatsächlich immer gut? Kann Vielfalt nicht auch Vertrauen zerstören, allen Beteiligten auf die Nerven gehen, Ärger machen? Diversität hat immer dann positive Effekte, wenn sie auch bewusst gestaltet wird. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die üblichen Sondermaßnahmen und Reparaturarbeiten nicht ausreichen, sondern die Institutionen, Organisationen und Einrichtungen der Gesellschaft sich auf eine neue Weise an der unhintergehbaren Vielheit der Bevölkerung ausrichten müssen.

Diese Vielheit – (der stärkere Begriff ist hier bewusst gewählt) – hat keineswegs nur mit Migration zu tun. Es geht eben nicht um Sonderleistungen für die »Hinzugekommenen«. Die Gesellschaft benötigt »Vielheitspläne«, die sich an den unterschiedlichen Voraussetzungen, Hintergründen und Referenzrahmen aller Individuen orientieren. Reformen sind notwendig – und Einwanderung dient beständig als eine Art Passepartout, um viele grundsätzliche Probleme des Wandels zu erörtern. Damit wäre Migration aber auch ein Anlass, um zu lernen. Das wiederum wäre mit dem Eingeständnis verbunden, nicht immer alles zu wissen, sondern sich in einem Prozess der Veränderung zu befinden. Dieser Prozess mag Experimente erfordern, holperig sein und er mag auch mehr als ein paar Jahre dauern. Vielleicht erfolgt aber im Moment ein neues »Kennen-Lernen« der eigenen Gesellschaft, in dem das Vertrauen sich neu bildet.

I. Postmigrantische Bedingungen

Ausnahmezustand?

Wenn über die hohen Einwanderungszahlen des Jahres 2015 gesprochen wird, über die »Million«, die Deutschland aufgenommen hat, tauchte im Hintergrund sofort die Vorstellung eines Ausnahmezustandes auf. Eine so hohe Zahl von Einwanderern konnte ja nicht »normal« sein, wobei Normalität in der Bundesrepublik ganz selbstverständlich mit Sesshaftigkeit in Verbindung gebracht wird. Doch schaut man sich die Zahlen in puncto Einwanderung noch einmal genau an, die das statistische Bundesamt peinlich genau zusammenstellt, dann wirkt diese Zahl gar nicht so imposant. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland das europäische Land mit den größten Bevölkerungsverschiebungen. 1944 hielten sich acht Millionen »Ausländer« im Reich auf, Zwangsarbeiter die meisten, die dann als »Displaced Persons« in ihre Heimatländer zurückkehrten. Zwölf Millionen Ostflüchtlinge kamen ins Land, bis der Zuzug nach dem Bau der Berliner Mauer versiegte. Gleich danach begann die Masseneinwanderung aus jenen Staaten, mit denen die Bundesrepublik ab 1955 sogenannte Anwerbeabkommen geschlossen hatte. Schaut man sich die Statistik nach 1965 für die alte Bundesrepublik an, gab es bis 1990 etwa 18 Millionen Zuzüge und 13 Millionen Fortzüge über die Landesgrenze hinaus. Für das vereinigte Deutschland von 1990 bis 2014 sehen die Zahlen so aus: 23 Millionen kamen und 17 Millionen gingen. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 71 Millionen Menschen, die zwischen 1965 und 2014 ihren Wohnsitz wahlweise nach Deutschland oder ins Ausland verlegten, das sind ungefähr eineinhalb Millionen pro Jahr.1

Angesichts dieser Zahlen wirkt die große »Welle« des Jahres 20151525000003