Leopold Ritter von Sacher-Masoch.

Inhaltsverzeichnis

Hüllst in einen dichten Pelz
Deine Venus – Gott vergelt’s!

Ein Vorwort.

Seitdem Mein erhabener und beinahe ebenbürtiger College aus dem klassischen Alterthum, der Vater Homer, trotz seiner abgeschabten Pikesche und mottenzerfressenen Pelzfäustlinge aus dem römischen Capitol zum größten Dichter der Christenheit gekrönt worden war, ja eigentlich noch länger, seitdem der göttliche Orpheus die Thiere des Waldes, den Zobel und den Marder, zuzuhören gezwungen hatte, – ist ein so unglaublicher Erfolg in der Buchhändlerwelt nicht erhört worden, wie derjenige der ersten Auflage dieses Buches war. Schoppenhauer’s (sic) Werke waren dreißig Jahre nach ihrem Erscheinen noch unbekannt. Mein Buch aber wird nach drei Jahren von Keinem mehr gelesen werden, und zwar aus dem einzigen Grunde, weil es bis dahin alle Menschen der Erde entweder im heiligen Original oder in einer der Tausende Uebersetzungen werden gelesen haben.

Denn wer liest Meine Werke nicht? Dort die dralle Mädchengestalt, die mit glühenden Wangen und mit wogendem Busen über dem Herd gebeugt steht, um der Herrin den Kaffee zu bereiten, die Köchin eines gräflichen Hauses, hat die halbe Nacht bei Meinen Büchern verbracht. Knaben, die zu geistesträge sind, um ihren Lehrern in die Labirrinte (sic) der Wissenschaften zu folgen, befeuern an abgelegenen Orten ihre bildsame Fantasie mit Meinen Poesien, welche ihnen eine Einsicht in die Welt des falschen Nerz gestatten, wie sie sonst nur Greise nach einem verfehlten Leben zu erlangen pflegen. Und diese Greise selbst, wie gierig greifen sie mit zitternden Händen nach Meinen Blättern – und wenn sie sich von den Scheingestalten Schiller’s auch längst blasirt abgewendet hätten – um vor den Bildern Meines Genies es zu versuchen, ihre ausgelöschten Lebensgeister wieder anzufachen. Selbst dorthin, wo die barmherzigste Samariterin nicht zu gehen wagt, weil sie die Berührung mit dem tiefsten Laster und Elend trotz ihrer Pelzhandschuhe scheut, selbst dorthin dringen meine Bücher als Tröster und Freunde. Allgemein, höchst allgemein, wie das Sonnenlicht und der Häring ist meine Popularität. Ich bin überhaupt der populärste deutsche Dichter und alle Meine Collegen sind überflüssig. Dieselben schreiben ja nur, damit auch andere Verleger als der Meinige etwas zu thun bekämen.

Die Welt ist bewohnt von Mir, Meinen Lesern und Wahnsinnigen. Zu den Letzteren gehören auch Meine Kritiker. Daß einige steife Herren die Pietät soweit treiben, den alten Herrn von Goethe über Mich zu stellen – vielleicht nur deßhalb, weil sie von der Protektion dieses langweiligen Dichterministers ein Aemtchen erhoffen – das würde ich noch verzeihen. Wenn sie aber schlechterdings unfähig sind, sich zum künstlerischen Verständniß Meines glorreichen Schaffens aufzuschwingen, so liegt es eben daran, daß sie, wie viele Heldinnen der besten Romane nichts als Pelz im Gehirne haben.

Meine Muse ist aber ein Weib von so gewaltiger Kraft, daß es nicht möglich ist, ihr auf die Dauer zu widerstehen. Wie soll ich sie nennen? Fantasie? Ehrgeiz? Eitelkeit? Wollust? Herrschsucht? Ueppigkeit? Genug daran, sie ist Meine Muse und Mein Verstand liegt in ihren Banden.

Dort liegt sie nackt ausgestreckt, Meine Muse, auf einem schwarzen Bärenfell; sie hat das rechte Bein über das linke geschlagen, ihr rothes Haar liegt wirr in den Zotten des Fells und ihre schimmernde Hand führt langsam eine duftende Cigarrette zu dem lachenden Munde. Wie das wogt! Wie das lockt! Und Mein Verstand, ein furchtsamer Geselle slavischer Abkunft mit struppigem Haar und lüsternen Augen, hockt zu ihren Füßen und wimmert um ihre Gnade und weint um ihre Gunst. Er windet sich und krümmt sich, er flüstert sinnlose Liebesworte, sie aber bläst ihm türkischen Rauch in’s Gesicht.

Da bäumt sich der Sklave empor. Er stürzt auf die Kniee nieder und bedeckt ihre kleine Zehe mit unzähligen Küssen … .

– »Du Narr, was willst Du von mir?« sagte sie, indem sie ihm die brennende Cigarrette an die Nase warf.

– »Ich weiß es selbst nicht genau, Gebieterin! Aber mir ist, als könnten wir zwei die Unsterblichkeit erringen, wenn wir uns ganz, ganz vereinigten.«

Sie lachte, daß das Bärenfell unter ihr in leises Schwanken gerieth, wie ein wogendes Aehrenfeld.

– »Du willst was Unsterbliches fertig bringen, ängstlicher Wicht? Du?! Du bist nichts ohne mich. Du kannst nichts ohne meine Befehle. Jetzt aber sei es und ich gebiete es Dir: Werde auf der Stelle unsterblich.«

Der Unglückliche! Vor dem höhnischen Blicke seiner Herrin schwand plötzlich sein Muth, sich den Unsterblichen beizuzählen. Er bat, ihn doch jetzt zu schonen, ihn nur noch bis morgen, nur eine Stunde ruhn zu lassen. Da lachte sie aber und zog unter dem Rücken eine Ruthe hervor; sie schwang sie erst lustig in der Luft und ließ sie dann in scherzhaftem Uebermuth auf Finger und Nase und Ohren und Schulter und Rücken u. s. w. des Sklaven niederfallen.

Er kicherte erst und lachte unter ihren Schlägen, denn wie das Gekribbel weicher Kinderhände kos’ten und streichelten die feinen Striche seine Nerven. Aber immer schneller und wuchtiger folgten die Schläge, immer wilder wälzte sich die Muse auf ihrem Bärenfell, immer gellender klang ihr Lachen an das Ohr, immer schärfer schnitt die Ruthe in sein Fleisch. Mürber und mürber wurde es unter dem Klopfen der kräftigen Muse, bis es sich endlich loslöste von fremder Herrschaft und als emancipirtes Fleisch frei geworden zuckte nach dem Willen der Muse.

Er aber sah das Alles, wie in einer Vision. Er sah die Gestalt der Muse sich erheben und wachsen, sah, wie sie umwogt von den weichen Wellen des Bärenfells die Welt durchzog und mit mächtiger Peitsche knechtete und mißhandelte, was immer im Besitze einer Sklavenseele war. Da tauchten in seiner Erinnerung die Flagellanten des Mittelalters auf, er fühlte ein tiefes Verständniß für ihr Schwärmen und Rasen und sehnte sich mit unsäglichem Drang nach einer Flagellantin. Schon glaubte er sie zu umarmen, da schwanden ihm die Sinne. – –

So zwingt die unmenschliche Muse den armen Verstand zu unsterblichen Werken.


Gregor Samarow

Weil’s dir baß Vergnügen macht,
Hab’ ich dich in höh’re Gesellschaft gebracht.

Der unbewußte Ahasverus oder Das Ding an sich als Wille und Vorstellung.

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Bühnen-Weh-Festspiel in drei Handlungen.

In Anbetracht des insonderheit providentiellen Umstandes, daß Mein aus Gold und Elfenbein allein im Mittelpunkt der Erde herzustellendes, für die mimo-plasto-canto-chronische Aufführung Meines neuesten Wunderwerkes gewidmetes Allgebäu »Asyl für Wahnfriedlinge« durch die ihrer Natur nach essentielle Zugeknöpftheit der durch Mich aus ihrem Nichtsein zum theilweisen Sein zu wecken versucht gewordenen Jüden nicht in der für Mein Da-und-vorhanden-sein gesetzten Zeit zu Stande gekommen ist, theile ich Mein Drama als Buch Meinen Lesern mit. Niemand wird es verstehn, und so einer behauptet, er verstehe Mich, so lügt er; denn Meines gleichen wächst nicht. Für höher entwickelte Wesen künftiger Epochen theile Ich jedoch schon im 19. Jahrhundert dieser gegen Meine Größe verschwindenden Zeitrechnung mit, daß in der Ganzheit dieses musikalischen Werkes vor Allem der große Gedanke sich ausstrahlen wird, daß nicht nur die Jüden im Allgemeinen, sondern der »ewige Jude« besonders etwas höchst Antimusikalisches ist, so daß Ich sein der Tiefe der musikalischen Spekulation feindliches Wesen am Besten durch eine die Grenzen des unmusikalisch-Erreichbaren hinter sich lassende Thonthat dargestellt habe. Der historischen Echtheit wegen habe Ich nicht gezögert, an den geeigneten Stellen Motive aus – mit Respekt zu melden! – Mendelssohn und Meyerbeer, natürlich gewaltig umgearbeitet, anzubringen. Uebrigens sehe Ich nicht ein, warum Ich Meine Leser eines weiteren Wortes würdige.


Erste Handlung: Die walkyrige Großmutter.

(Ein wabernder Wald. Aus finsterer Ferne hört man Hiefhörner schauerlich schallen. Die Musik deutet deutlich an, daß die Handlung anno 1781 spielt, dem Geburtsjahre der Kritik der reinen Vernunft. Sie schwillt immer schwerer an. Wie sie am schwersten angeschwollen, tritt auf:)