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Amerikanische Originalausgabe:

2017 erstmals Deutsch im AMRA Verlag

Herausgeber & Lektor

Michael Nagula

Umschlaggestaltung

Guter Punkt

Cover & Innenillus

Kate Shannon

Satz & Layout

Birgit Letsch

Druck

CPI books GmbH

First published by Findhorn Press, Scotland

ISBN Printausgabe 978-3-95447-124-9

Alle Rechte der Verbreitung vorbehalten, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks.

Im Text enthaltene externe Links konnten vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Inhalt

Prolog: Die Kids begegnen sich

Die unheimlichen Gestaltwandler von Urggl

Der Supervulkan

Die Riesenspinnen

Die Babyspinnen richten ein Chaos an

Die Goldene Trompete

Die Feuerdrachen

Die fliegenden Scheiben

Schulung im Weltall

Lord Hilarion und die Spinne

Die Verschwörung zur Übernahme der Erde

Eine zweite Chance

Fliegende Scheiben auf der Erde?

Vaz denkt sich einen Streich aus

Die Klinik auf Sirius

Die Schlacht der Drachen

Die Interdimensionalen Audio-Sichtgläser (IDAS)

Finns Bruder hat einen Unfall

Der Tele-Link

Taras Großvater und der Tele-Link

Die Autorin

Die Zeichnerin

Dieses Buch widme ich

voller Liebe meinem Enkel Finn.

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Prolog

Die Kids begegnen sich

Finn langweilte sich. Noch eine Viertelstunde bis zum Unterrichtsschluss, dann konnte er nach draußen gehen und Fußball spielen. Er gähnte und strich sich, während er auf den Bildschirm des Computers blickte, das blonde Haar aus den Augen.

Finn war neun Jahre alt und hatte grüne Augen, die vor Begeisterung leuchteten, wenn er glücklich war – also auf keinen Fall im Matheunterricht. Er schielte zu einem Freund hinüber, der ihm gegenüber saß, und sein Freund schielte zurück, sodass Finn merkte, wie sehr auch er sich langweilte. Wie schafften die Lehrer es nur, den Unterricht dermaßen öde zu machen? Finn zuckte mit den Achseln, kam zu dem Schluss, dass es wohl keine Antwort auf diese Frage gab, und blickte aus dem Fenster.

Was ihn begeisterte, war Fußball – na ja, eigentlich jede Art von Sport. Seine Mutter erzählte ihm ständig, er müsse gut in der Schule sein, um später einen guten Job zu bekommen. Doch ihm war klar, dass er seinen Lebensunterhalt als Fußballspieler verdienen würde. »Dein Bruder wird wohl für dich sorgen müssen, wenn du mal alt bist«, setzte sie jedes Mal nach. Finns großer Bruder Blake war ein guter Schüler, deshalb wusste Finn, dass sie ihm damit eins auswischen wollte, doch er zuckte dann bloß mit den Achseln – darin war er seinerseits gut.

Wenn sein Vater dabei war, murmelte der nur: »In deinem Alter wollte ich auch Fußballspieler werden.« Und dann grinsten sie sich heimlich und verständnisinnig an.

In die eigenen Träume vertieft schaute er zum Himmel hinauf und überlegte, wie es wohl wäre zu fliegen – nicht in einem Flugzeug, sondern selbst, aus eigener Kraft. Das wird nie passieren, dachte er. Andererseits wusste er ja nicht, was die Zukunft für ihn bereithielt! Er gähnte nochmals, blinzelte unwillkürlich mehrmals ganz langsam und konnte die Augen kaum noch offen halten. Und ehe er wusste, wie ihm geschah, sackte sein Kopf nach vorn und er schlief ein.

In einer Schule am anderen Ende des Landes saß Agapay ganz hinten im Klassenzimmer und machte sich Sorgen um ihre Mutter. Sie hatte heute einen Termin im Krankenhaus, und Agapays Stiefvater hatte einen Tag freigenommen, um sie dorthin zu bringen. Agapays Mutter war krank und konnte nicht gut laufen. Also würde Agapay, die neun Jahre alt war, nach der Schule zu Hause auf ihre beiden kleinen Brüder aufpassen müssen. Einer war drei, der andere zwei.

Allerdings hätte niemand Agapay angesehen, dass sie so große Verantwortung trug. Sie war immer fröhlich, und oft machte sie sich bunte Strähnen in ihr langes blondes Haar oder band sich das Haar zurück und probierte ausgefallene Frisuren aus. Sie schaffte es, auf die Regeln, soweit sie die Schuluniform betrafen, zu pfeifen und damit sogar durchzukommen. Zum einen lag das an ihrem unwiderstehlichen breiten Grinsen, zum anderen daran, dass ihre Mutter so schrecklich krank war, wie alle wussten.

An diesem Tag trug sie eine vorgeschriebene graue Socke, am anderen Fuß jedoch eine grüne, und ihre Lehrerin tat so, als würde sie nichts merken.

Nur noch eine halbe Stunde bis zum Unterrichtsschluss. Dann kann ich nach Hause gehen und mich erkundigen, wie es Mam geht, überlegte sie gerade, als ihre Lider plötzlich schwer wurden und die Müdigkeit sie überwältigte. Sie legte den Kopf auf die Tischplatte und schlief ein.

Das arme Kind, dachte ihre gutherzige Lehrerin. Bei all dem, was Agapay zu Hause erledigen muss, ist sie sicher völlig erschöpft. Und wieder tat sie so, als hätte sie nichts bemerkt.

Weder Agapay noch Finn ahnten, was in Wirklichkeit vor sich ging.

In Bangalore, einer großen Stadt in Indien, am anderen Ende der Welt, war es später Abend. In einem sehr hübschen Haus, das in der Vorstadt lag, machte Vaz fleißig seine Hausaufgaben. Seine Mutter ging häufig in sein Zimmer und die Zimmer seiner Brüder, um nachzusehen, ob sie auch wirklich an ihren Schularbeiten saßen. In dieser Familie hielt man es für das Wichtigste im Leben, dass die Jungen gute Noten bekamen und später die Universität besuchten. Und auch der neunjährige Vaz hielt das für das Wichtigste überhaupt. Träumereien oder Abenteuer förderten seine Eltern nicht.

Als auch er plötzlich einschlief, mit dem Kopf auf den Büchern, war er deshalb schockiert über das, was als Nächstes geschah.

Denn auf einmal flog er durch die Luft – ja, er hob vom Boden ab und sauste durch den Himmel –, und dann landete er mit einem Plumps auf einem Stück Land, das offenbar eine Wiese war.

Und zwei Kinder, etwa so alt wie er, landeten zugleich neben ihm: ein Mädchen mit langem hellen Haar und seltsamen Socken und ein blonder Junge mit grünen Augen.

»Ich bin Finn«, meinte der blonde Junge und blickte sich um. »Wo sind wir hier überhaupt?«

»Keine Ahnung«, erwiderte das Mädchen mit den fröhlichen blauen Augen. »Ich heiße Agapay. Bin eingeschlafen, und jetzt bin ich hier.«

»Genau wie ich! Ich heiße Vaz«, sagte der indische Junge schüchtern. »Was geht hier vor?«

Ehe ihm jemand antworten konnte, hörten sie ein widerhallendes Kracks! und einen lauten Schrei. Einen Moment lang starrten sie einander an, dann rannten Agapay und Finn los, den Hügel hinunter auf den Lärm zu, und Vaz folgte ihnen. Finn kam als Erster an.

Eine Holzbrücke, die über einen kleinen Fluss führte, war eingestürzt. Überall lagen und trieben Stützbalken und Planken herum und mittendrin ein kleiner Junge, der ins Wasser gefallen war. Dabei hatte sich eines seiner Beine in den Holzbohlen verfangen. Er versuchte sich wieder nach oben zu kämpfen, doch das Wasser floss so schnell, dass er immer wieder unterging.

Finn dachte nicht zweimal nach. Er sprang ins Wasser und turnte über die Trümmer hinweg, um den Kopf des Kleinen über Wasser zu halten. Agapay und Vaz hüpften ebenfalls ins Wasser, allerdings hatte Vaz kurz gezögert, denn er überlegte, was wohl seine Mutter sagen würde, wenn er nass und von Schlamm verdreckt nach Hause kam. Gleich darauf versuchten sie mit aller Kraft, die Holzbohle vom Bein des Jungen wegzudrücken. Schließlich gelang es ihnen, aber dabei rutschte Agapay aus und wurde unter Wasser gezogen. Finn griff nach ihr, während Vaz den kleinen Jungen festhielt.

Irgendwie schafften sie es, sich gegenseitig aus dem Wasser zu helfen, und streckten sich, so nass, verdreckt und zerzaust, wie sie waren, am Ufer aus.

Agapay erholte sich als Erste. »Lass mich mal dein Bein sehen«, sagte sie zu dem Kleinen. Als er es ihr hinstreckte, entdeckte sie, dass sein Fußgelenk schlimm gequetscht war und blutete.

»Kannst du dein Gewicht auf den Knöchel verlagern?«, fragte Finn ihn.

Der Junge probierte aufzustehen, doch er zuckte vor Schmerzen zusammen und sank wieder auf den Boden.

»Das Fußgelenk könnte gebrochen sein«, sagte das Mädchen. »Ich weiß noch, wie mein Bruder sich den Knöchel gebrochen hat. Da konnte er ihn auch nicht belasten. Wo wohnst du? Wir müssen Hilfe holen!«

Der Kleine versuchte tapfer, die Tränen zu unterdrücken. Er deutete auf eine kleine Hütte in der Ferne. Vaz blickte zu der eingestürzten Brücke hinüber.

»Wenn wir eine breite Holzbohle als Trage benutzen, können wir ihn am besten transportieren«, meinte er.

Gemeinsam bauten sie eine recht passable Trage, auf die sich der kleine Junge legte, während Agapay, Vaz und Finn vorne und hinten anpackten.

Als sie sich der Hütte näherten, rannte ein großer schlanker Mann auf dem Pfad auf sie zu. Er war irgendwie seltsam gekleidet, denn er trug ein glitzerndes blaugrünes Hemd. Wortlos hob er den kleinen Jungen von der Trage und strich mit einer Hand über dessen Fußgelenk. Sofort sprang der Junge lachend auf den Boden und rannte in die Hütte.

Die drei Kinder starrten ihm hinterher und kamen sich dabei sehr blöde vor. Sie hätten schwören können, dass der Kleine schlimm verletzt gewesen war.

Der große Mann zwinkerte ihnen mit seinen hellen blauen Augen zu. »Ihr habt bestanden«, rief er, während er sich umdrehte, um in die Hütte zurückzukehren. »Ihr habt alle drei Ms gezeigt: Mitgefühl, Mut und Mitarbeit aller Beteiligten. Gut gemacht!«

Und die Tür schloss sich hinter ihm.

Was danach geschah, wussten sie nicht. Aber plötzlich merkte Finn, dass sein Lehrer ihn schüttelte und verärgert ansah.

Agapay rannte den Weg zum Haus entlang, um sich so schnell wie möglich zu erkundigen, wie es ihrer Mutter im Krankenhaus ergangen war.

Währenddessen bemühte sich Vaz, seinen Eltern zu erklären, warum seine Hosen völlig von Schlamm verdreckt waren.

Doch ihnen allen war bewusst, dass sie irgendeine Prüfung bestanden hatten und bald irgendetwas Aufregendes passieren würde.

Die unheimlichen Gestaltwandler von Urggl

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Finn wachte von einem silbernen Lichtschein auf, der von einem Winkel seines Schlafzimmers herüberdrang. Als es immer heller wurde, wusste er nicht, ob er sich unter der Bettdecke verkriechen oder aufsetzen sollte.

Nach und nach bildete sich in dem Licht eine Gestalt heraus. Es war ein großer Mann in einem silberblauen Raumanzug, der Kraft, aber keine Bedrohung ausstrahlte. Er hatte langes blondes Haar und durchdringende blaue Augen.

»Hallo Finn«, sagte er.

Finn versagte vor Schreck die Stimme, sodass er nur ein krächzendes »Hallo« herausbrachte.

»Ich bin Captain Ambrose von der Raumflotte«, stellte sich der Mann vor.

Finn fragte sich, ob er träumte.

Der große Mann lächelte. »Es ist höchste Zeit, dass du dich daran erinnerst, wer du bist.«

»Ich bin Finn White.«

»Ja, du bist Finn White – aber noch vieles mehr. Du hast besondere Gaben, und es ist an der Zeit, dass du sie nutzt.«

Finns Kiefer klappte herunter. Er konnte die Fernsehsendung hören, die seine Mutter unten eingeschaltet hatte, und zugleich unterhielt er sich mit diesem Mann. Das kam ihm völlig unwirklich vor.

Der Captain streckte die Hand aus und berührte Finns Schulter. Sofort spürte er so etwas wie einen Stromschlag.

»Das wäre erledigt«, bemerkte der Mann locker. »Von jetzt an kannst du Dinge aus dem Nichts erschaffen.«

»Wie bitte?«

»Du kannst Dinge aus dem Nichts erschaffen oder auch etwas Bestehendes zum Besseren verändern. Aber zuerst musst du üben. Siehst du diese wahrhaft hässliche Porzellankuh auf dem Regal?«

Als er auf die Kuh deutete, musste Finn unwillkürlich kichern. Die blaue Porzellankuh mit den rosa Flecken hatte ihm eine Freundin seiner Mutter geschenkt. Oft steckte sie ihm auch ein bisschen Geld zu, sodass er bis jetzt nicht gewagt hatte, die Kuh »aus Versehen« zu zerbrechen.

Finn sah mit seinen grünen Augen in die blauen Augen des Captains, die ihm zuzwinkerten, und sie tauschten einen wissenden Blick miteinander aus.

»Was würdest du denn in Wirklichkeit gern damit anstellen?«, fragte der Mann.

Ehe der Junge etwas erwidern konnte, schien die Kuh wie von selbst vom Regal auf den Boden zu springen, wo sie in unzählige winzige Stücke zerschellte. Finn schnappte nach Luft. »Ich hab doch gar nicht …!«

»Doch, du hast. Dir ist der Gedanke in den Kopf geschossen, und dadurch hast du die Kuh zerbrochen. Du wirst sehr vorsichtig mit deinen Gedanken umgehen müssen, sobald deine Fähigkeiten aktiviert sind.«

Das war Finn klar. »Aber die Kuh hat sich doch gar nicht zum Besseren verändert!«

»He, ruhig Blut, Kumpel. Du fängst ja gerade erst an. Und jetzt erschaffe sie neu.«

»Wie denn?«

»Mal dir einfach aus, wie du die Kuh gern hättest.«

Finn schloss die Augen und versuchte sich die Kuh erneut vorzustellen. Als er die Augen wieder öffnete, stand ein seltsames rosa-blaues Ding auf dem Regal, das kein bisschen wie die frühere Kuh aussah!

Finn starrte das Ding entgeistert an und schluckte.

»Nicht schlecht für das erste Mal. Allerdings wären vier Beine ganz nett gewesen.« Captain Ambrose grinste.

Plötzlich hatte Finn einen Lachanfall.

»Komm mit. Wir müssen uns um einen Notfall kümmern, und ich möchte, dass du das Team kennenlernst.« Der Mann verschwand.

Finn merkte, dass er sehr schnell herumwirbelte. Dann zog ihn irgendetwas ohne jede Mühe durch die Wand in den Garten und zu einem runden silbernen Raumschiff.

Darin saßen zwei Kinder, etwa in seinem Alter, und eine schwarze Katze. Die Kinder wirkten genauso benommen, wie er sich fühlte. Gleich darauf fiel Finn der eigenartige Traum ein, den er vor wenigen Tagen während des Matheunterrichts in der Schule gehabt hatte.

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War das überhaupt ein Traum gewesen? Egal – jedenfalls waren die beiden Kids darin vorgekommen. Er hatte sie schon früher getroffen!

Auch auf ihren Gesichtern zeichnete sich ein Wiedererkennen ab.

»Hallo, da seid ihr ja wieder«, sagte Finn mit rauer Stimme, weil er so aufgeregt war.

»Hallo Finn«, erwiderte Agapay, die sich einen rosafarbenen Schal um den Hals gebunden hatte. Er passte gut zu der rosafarbenen Strähne in ihren blonden Locken.

Der Junge – Finn wusste noch, dass er Vaz hieß – wirkte eher zurückhaltend, doch er lächelte ihm zur Begrüßung schüchtern zu.

»Habt ihr besondere Talente?«, fragte Finn.

»Ich kann mit Tieren und allen Lebewesen sprechen, wo sie auch herkommen mögen«, erklärte Agapay.

Die schwarze Katze beobachtete sie aufmerksam. Das Mädchen sah Finn an. »Der Kater sagt, dass er Nacht heißt und auf uns aufpasst«, setzte sie nach. Der Kater nickte dazu, und die Jungen schluckten vor Verblüffung.

»Ich kann angeblich Menschen und Dinge unsichtbar machen. Aber bis jetzt hab ich das noch nicht geschafft«, bekannte Vaz.

Allmählich entspannte sich Finn. »Und ich hab anscheinend die Fähigkeit, Dinge zu erschaffen oder sie zum Besseren umzugestalten. Aber bis jetzt hab ich nur eine Porzellankuh in ein Monster verwandelt.«

Sie lachten.

Nun tauchte Captain Ambrose auf und fragte mit ernsthafter Miene: »Seid ihr so weit? Tut mir leid, dass wir die Ausbildung überspringen müssen, aber es ist ein Notfall eingetreten und wir müssen euch zu einem Einsatz schicken.«

Alle wurden ziemlich blass. »Einsatz?«, hakte Finn nach.

»Ja, ihr werdet in ein anderes Universum reisen, zu einem Asteroiden namens Urggl, wo es nur sehr wenig Energie gibt und es sehr dunkel ist. Der Asteroid wurde überfallen, und man wird seine Bewohner vernichten, falls wir ihnen nicht helfen.«

»Wieso gerade wir?«

»Wir selbst können unsere Schwingungszahl nicht auf deren Schwingungszahl einstellen, deshalb müssen wir euch dorthin schicken. Denkt daran, dass ihr niemanden verletzen dürft. Höchste Zeit für den Aufbruch!«

Zu ihrer Bestürzung stellten die drei Kinder fest, dass sie plötzlich silberne Raumanzüge trugen. Agapay löste ihren rosafarbenen Schal und schlang ihn auf elegante Weise über dem Raumanzug um den Hals.

»Ihr verfügt über Fähigkeiten, die ihr brauchen werdet, solange ihr zusammenarbeitet«, fuhr Captain Ambrose fort. »Um euer Raumfahrzeug zu steuern, müsst ihr ins Cockpit gehen und euer Reiseziel in den Computer eingeben. Unterstützt euch gegenseitig – und viel Glück!«

Und schon war der Captain verschwunden.

Eine Weile rührte sich niemand. Schließlich sagte Finn: »Auf geht’s!«

Alle standen auf und rannten zum Cockpit, wo sie einen Computer mit einem riesigen Bildschirm entdeckten. Als Agapay URGGL eintippte, war ein Surren zu hören, und Sekunden später, während sie landeten, ein dumpfer Schlag. Auf dem Bildschirm tauchten die Wörter auf: ANGEKOMMEN AM ZIELORT URGGL.

Sie blickten auf eine Welt, in der graues Zwielicht herrschte.

Gerade wollten sie die Luke aufreißen, da rief Agapay: »Der Kater Nacht sagt, dass es hier gefährlich ist! Wir sollen das Raumschiff zur anderen Seite des Hügels bringen.« Auf einmal stürmte einen Meute riesiger einäugiger Monster auf das Raumschiff zu.

Mit klopfendem Herzen tippte Finn den Befehl ein: ZUR ANDEREN SEITE DES HÜGELS. Gleich darauf hörten sie zu ihrer Erleichterung erneut ein Surren und landeten unverzüglich an ihrem neuen Ziel.

»Cool«, keuchte Finn, obwohl ihm vor Aufregung und Angst schwindlig war.

Als sie diesmal die Luke aufmachten, fiel ihr Blick auf Pelztiere in der Größe von Kaninchen, die riesige Augen hatten. Sie hoppelten ängstlich vor dem Eingang zu einem unterirdischen Bau herum. Etwa zwanzig Meter weiter erkannten die Kinder die Umrisse von struppigen Sträuchern.

»Ich will versuchen, mit ihnen zu reden«, meinte Agapay.

Voller innerer Unruhe stiegen die Kinder die kleine Treppe des Raumschiffs hinunter und gingen auf die Tiere zu. Das Mädchen konzentrierte sich eine Weile auf sie, dann rang sie frustriert die Hände und rief dem Kater Nacht zu: »Kannst du mir helfen?«

Nachdem Agapay Nacht zugehört hatte, nickte sie. »Also gut, ihr beiden. Konzentriert euch mit mir zusammen, dann versuch ich’s noch mal.«

Mit Hilfe der Jungen erhielt sie schließlich Informationen von den Tieren – offensichtlich keine erfreulichen, denn als Agapay wieder sprach, war ihr Gesicht genauso grau wie diese sonderbare Welt.

»Diese kleinen Geschöpfe heißen Fizzits«, erklärte sie, »und sie brauchen wirklich unsere Hilfe. Manche der Sträucher da drüben sind in Wirklichkeit die Monster, die in Urggl eingefallen sind. Sie können ihre Gestalt wandeln.« Erschrocken bemerkten die Kinder, dass die »Sträucher« im Zwielicht auf sie zugerückt waren.

»Die Fizzits«, fuhr Agapay fort, »fressen die Blätter der echten Sträucher. Aber die Monster können deren Gestalt so wirklichkeitsgetreu nachahmen, dass die Fizzits darauf hereinfallen. Und dann schnappen sich die Monster die Tiere und fressen sie.«

Plötzlich verwandelten sich die »Sträucher« in riesige einäugige Monster und stürzten auf die Kinder zu, während die Fizzits blitzschnell in einem Bau unter der Erde untertauchten. Den Kindern war klar, dass sie vom Raumschiff abgeschnitten waren, deshalb rannten sie zum Höhleneingang der Fizzits hinüber und verschwanden – gerade noch rechtzeitig – in der Dunkelheit.

»Das war knapp«, keuchte Agapay.

»Falls die Monster sich in Schlangen verwandeln können, schaffen sie es auch in die Höhle«, japste Vaz.

»Still! Sie sind nicht schlau genug, um von selbst darauf zu kommen. Aber wenn sie deine Gedanken aufschnappen, tun sie es!«, mahnte Finn. »Mir ist eine Idee gekommen. In diesem Land gibt es keine Farben. Also werde ich versuchen, diesen Busch da rosarot zu machen.« Er deutete auf einen Strauch, der sich nicht bewegt hatte.

Draußen hörten sie die Monster grunzen und kratzen. Finn bekam schweißnasse Hände und zischte: »Helft mir!« Innerlich rief er sich Agapays leuchtenden rosafarbenen Schal vor Augen und konzentrierte sich darauf, dem Strauch diese Farbe zu verleihen.

Und es klappte! Im Zwielicht flammte der Strauch gleich darauf wie eine rosafarbene Glühbirne auf.

Die Wirkung war verblüffend: Die großen schwarzen Monster wichen knurrend zurück und flüchteten, während die Fizzits aus ihren Höhlen strömten und aufgeregt schwatzend zu dem in grellem Rosa leuchtenden Strauch eilten.

Auch die Kinder verließen nun die übel riechende Höhle. »Die Monster fürchten sich vor Licht und Farbe«, sagte Agapay. Kannst du noch mehr solche Sträucher erschaffen, Finn? Wir unterstützen dich dabei.«

Finn dachte an ihren Weihnachtsbaum zu Hause und malte sich aus, wie die anderen Sträucher genauso leuchteten. Zu seiner Verblüffung und Erleichterung flammten an vier weiteren großen Sträuchern unverzüglich bunte Lichter auf.

Die kleinen Fizzits waren begeistert.

»Diese Fizzits haben schon ewig lange in einer Welt des Halbdunkels gelebt«, bemerkte Finn. »Und jetzt essen sie bunte Blätter. Ich glaube, die Farbe macht das Leben für sie schöner.«

»Stimmt«, sagte Agapay aufgeregt. »Andererseits fürchten sich die Monster vor Licht und Farbe, also werden sie sich hier nicht mehr wohlfühlen und weiterziehen.«

»Falls ich es schaffe, uns unsichtbar zu machen«, warf Vaz ein, »könnten wir nahe an die Monster herankommen. Agapay könnte dann versuchen, sie zum Verschwinden zu überreden.« Der Gedanke machte sie so nervös, dass alle zunächst schwiegen.

»In Ordnung«, sagte Agapay schließlich mit ziemlich zittriger Stimme. »Ich werd’s versuchen, wenn du wirklich meinst, dass du uns unsichtbar machen kannst.«

»Ich kenne einen besonderen Zauberspruch«, erklärte Vaz. »Und je mehr Licht und Farbe wir haben, desto leichter ist es, uns unsichtbar zu machen.«

»Als Erstes konzentriere ich mich mal darauf, eine farbige Lichtkugel zu erschaffen, damit wir alle besser sehen können«, kündigte Finn an, der inzwischen mehr Selbstvertrauen hatte. »Und dann werden wir mit den Monstern reden.«

Die anderen stimmten ihm zu.

Finn konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, sich eine riesige, bunt leuchtende Kugel vorzustellen. Zu seiner Freude flammten gleich darauf die Farben Rot, Blau und Grün vor ihnen auf, und plötzlich kristallisierte sich ein helles Licht heraus. Geistig schob Finn dieses Licht auf die aufheulenden Monster zu, die entsetzt zurückwichen.

Als Nächstes sagte Vaz seinen speziellen Zauberspruch auf, der alle drei Kinder verschwinden ließ. Es war ein bisschen unheimlich, Vaz’ unsichtbare Hände zu spüren, die nach ihren Händen griffen. Hand in Hand gingen Vaz, Finn und Agapay auf die Meute der knurrenden Bestien zu.

Kurz vor den Monstern blieben sie stehen. Agapay versuchte, Verbindung mit ihnen aufzunehmen, aber sie waren so wütend und zugleich verängstigt, dass sie nur brüllten und knurrten. Agapay sprach weiterhin so ruhig auf sie ein, als wären sie ihre kleinen Brüder, und schließlich grunzte der Größte von ihnen: »Wer seid ihr? Und wo seid ihr?«

»Wir sind hier, um euch zu helfen«, entgegnete Agapay. »Ihr wärt auf eurem Heimatplaneten bestimmt besser aufgehoben und auch glücklicher.«

»Ha!«, fauchte das größte Monster. »Da wollte uns niemand haben.«

»Die haben gesagt, wir wären unreife Rabauken, völlig aus der Spur geraten und nicht mehr zu bändigen«, schnaubte ein anderes Monster. »Sie haben uns befohlen, abzuhauen und anderswo zu leben.«

Agapay hörte zu und zeigte durch leise Bemerkungen wie »aha« Anteilnahme, obwohl sie fand, dass das alles ganz schrecklich klang. Als die Monster schließlich zu schimpfen aufhörten, sagte sie mit sanfter Stimme: »Hört sich so an, als hätte man euch wehgetan.«

»Yrrr!«, brüllten die Monster zustimmend.

»Aber vielleicht haben eure Familien ihre Einstellung mittlerweile geändert.«

Die Monster zappelten unruhig, so als würden sie das gern glauben, hätten aber gewisse Zweifel.

Doch Agapay besaß sehr viel Überzeugungskraft. Sie erzählte den Monstern, sie hätten sich im Laufe ihrer Abenteuer ja verändert. Sicher würden sich ihre Familien freuen, wenn sie nun nach Hause zurückkehrten.

Es war genau das, was die verängstigten Bestien hören wollten, und es dauerte nicht lange, bis sie sich einverstanden erklärten, zurück zu ihrem Heimatplaneten zu teleportieren. Die drei Kinder sahen zu, wie alle wie eine einzige große schwarze Wolke in die Lüfte aufstiegen und schnell aus ihrem Blickfeld verschwanden.

»Puh!«, stöhnten die drei wie aus einem Munde erleichtert auf.

Als der Monsterschwarm verschwand, verlor der Zauberspruch seine Wirkung und die Kinder nahmen wieder sichtbare Gestalt an. Sie eilten zum Raumschiff hinüber und winkten den pelzigen Fizzits vom Innenraum aus zum Abschied zu, doch die Tiere beachteten sie gar nicht.

»Ha! Ein kleines Dankeschön wäre ja ganz nett gewesen«, meinte Vaz verärgert.

Auch Finn zog eine finstere Miene. »Stimmt«, sagte er. »Immerhin haben wir ihnen das Leben gerettet.«

Doch Agapay erklärte, die Fizzits seien so angespannt gewesen, dass sie nur noch an sich selbst hätten denken können. Das verstanden die Jungen.

Achselzuckend winkten sie den Fizzits trotz allem ein weiteres Mal zu.

Dann klatschten sie einander voller Freude über den Erfolg ab, wandten sich dem Computer zu und konzentrierten sich auf die Rückkehr.

Der Supervulkan

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Das vertraute silberblaue Licht weckte Finn, und er setzte sich hastig auf.

»Hallo Captain Ambrose«, sagte er grinsend, noch ehe der Astronaut vollständig Gestalt angenommen hatte.

Der hochgewachsene Mann lächelte zur Begrüßung. »Hallo Finn. Wir haben einen weiteren Auftrag für euch. Agapay und Vaz warten schon auf dich.«

Finns Herz schlug schneller vor Aufregung. Sofort spürte er, wie er durch die Wand seines Schlafzimmers hinausgewirbelt wurde und im Raumschiff landete.

Seine beiden neuen Freunde saßen dort bereits in ihren Raumanzügen. In dieser Nacht hatte Agapay eine blaue Strähne im Haar und sich, passend dazu, einen blauen Schal um den Hals geschlungen. Die Kinder begrüßten sich herzlich, was Captain Ambrose lächelnd bemerkte.

»Wir haben ein Problem«, verkündete er. »Und wir brauchen eure Hilfe.«

Die drei nickten. Sie waren ziemlich nervös, während sie darauf warteten, Näheres über ihren Auftrag zu erfahren.

»Ein Supervulkan auf einem kleinen Asteroiden wird demnächst ausbrechen«, fuhr der Captain fort. »Die Leute dort sind in großer Gefahr. Wir bitten euch, dorthin zu reisen und sie an einen Ort zu bringen, wo sie in Sicherheit sind. Wir selbst können leider keine Verbindung mit ihnen aufnehmen, da ihre Frequenzen zu niedrig sind.«

Finns Magen verkrampfte sich. »Wie viel Zeit bleibt uns, bevor der Vulkan ausbricht?«