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Roman Braun
Die Macht der Rhetorik
Roman Braun
Die Macht der Rhetorik
Besser reden – mehr erreichen
Für Fragen und Anregungen:
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6. Auflage 2022
© 2018 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Umschlaggestaltung: Laura Osswald, München
Umschlagabbildung: Shutterstock/Alex74, Shutterstock/Michal Sanca, Shutterstock/ArtMari
Satz: Jürgen Echter, Redline GmbH; Satzwerk Huber, Germering
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86881-700-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-010-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-011-5
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Für meine erste Rhetoriklehrerin,
meine Mutter
Hertha Braun

Inhaltsverzeichnis

Willkommen in der Welt der Worte
Im Anfang war das Wort
„Worte sind Taten“ (Friedrich Nietzsche)
„Worte waren einst Zauber“ (Sigmund Freud)
1.Zehn Tipps, um Anfängerfehler zu vermeiden
1.Tipp: Freude statt Angst
2.Tipp: Machen Sie Platz!
3.Tipp: Wie Wörter wirken
4.Tipp: Die Last der Entschuldigung
5.Tipp: Die Macht des Humors
6.Tipp: Augen, die Fenster der Seele
7.Tipp: Runter vom hohen Ross
8.Tipp: Fels in der Brandung
9.Tipp: Der gute Ton
10.Tipp: Sprechpausen richtig nützen
Zusammenfassung
2.Typus – Ihre drei Rollen als Redner
Der Mentor
Der Macher
Die Muse
Die drei Typen in der Praxis
Zusammenfassung
3.Design – Zwölf Schritte zur erfolgreichen Rede
1.Generelles Thema der Veranstaltung
2.Ziele und Absichten
3.Erforsche das Publikum
4.Sammle unterstützendes Material
5.Finde deine Botschaft
6.Finde einen Titel
7.Thesen und Aussagen
8.Strukturiere das unterstützende Material
9.Plane das Ende
10.Plane den Anfang
11.Grobentwurf festhalten
12.Verfeinern
Zusammenfassung
4.Charakter – Wie man seine Glaubwürdigkeit steigert
Einsicht – die Voraussetzung für Durchblick
Tugend – gute Menschen tun gut(es)
Wohlwollen – wer mich liebt, ist toll
Zusammenfassung
5.Logisch – Beeindrucken durch Sachargumente
Schlüsse und Scheinschlüsse
Fünf Quellen für Sachargumente
Wie man Sachargumente vorbringt
Zusammenfassung
6.Emotionen – Überzeugen durch Gefühlsargumente
Freud und Leid
Fünf Quellen für Gefühlsargumente
Wie man Gefühlsargumente vorbringt
Zusammenfassung
7.Suggestionen – Einführung in die Hypno-Rhetorik®
Miltons magische Muster
Das Basismuster der Hypno-Rhetorik®
Zehn Techniken der Hypno-Rhetorik®
Zusammenfassung
8.Action – Autorität durch richtige Körpersprache
Kleidung
Gehen
Stehen
Sitzen
Mimik
Gestik
Stimme
Kraftorte
Zusammenfassung
9.Eleganz – Der letzte Schliff
Geschliffene Sprache – zehn Rhetorikfiguren
Aktivierung durch Abwechslung
Multimedia in der Sprache
Zusammenfassung
10.Etuden – Vorbereitung statt Lampenfieber
Bereite deine Unterlagen vor
Übung macht den Meister
Lampenfieber
Zusammenfassung
11.Paroli – Zehn typische Angriffe und wie Sie ihnen begegnen
Nicht die Bäume, sondern der Wald
Theorie und Praxis
Mein Name ist Hase
Ober sticht Unter
Himmel oder Hölle
Der scheinbare Widerspruch
Zorn macht dumm
Keine Ahnung
Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
Angst und bang
Zusammenfassung
12.Events – Spezialstrategien für zehn wichtige Anlässe
1. Veränderungen oder Neueinführungen
2. Schulung
3. Verkaufen
4. Stegreifrede
5. Verhandeln und Vermitteln
6. Feedback
7. Small Talk
8. Brainstorming
9. Workshop-Moderation
10. Handy
11. Interview
12. Vorstellen und Verabschieden eines Redners
Zusammenfassung
Hören Sie auf, damit anzufangen
Sind Sie ein Glückspilz?
Sieben Tipps auf den Weg
Ein Tipp von Johann Wolfgang von Goethe
Anhang
Danksagung
Literatur
Übungen, Formblätter, Links und mehr Literatur
Kontakt
Stichwortverzeichnis

Willkommen in der Welt der Worte

Im Anfang war das Wort

DIE GESCHICHTE HAT ES GEZEIGT: NICHT WEIL ER UMSICHTIGER, EDLER, GÜTIGER IST, UNTERSCHEIDET SICH DER MENSCH VOM TIER, SONDERN WEIL ER WORTE FINDEN KANN, MIT DENEN ER DAS GRÖßTE LEID IN NOTWENDIGES ÜBEL VERWANDELT, TIEFSTE TRAUER IN GUTE HOFFNUNG UND ALTE TRÄUME IN NEUE WIRKLICHKEITEN.
UND WORTE BEWEGEN MENSCHEN IMMER SCHON: ARISTOTELES, JESUS, BUDDHA UND MOHAMMED, VON IHNEN HABEN WIR KEINE FOTOS, KEINE TONAUFZEICHNUNGEN UND KEINE VIDEOS. WIR HABEN NUR IHR WORT. ES PRÄGTE DAS ANTLITZ UNSERER ERDE UND TUT ES IMMER NOCH. ES WIRD GEHASST, GEKÄMPFT UND GETÖTET WEGEN IHRER WORTE. ABER AUCH GELIEBT, ERRETTET UND ERSCHAFFEN DURCH IHRE WORTE.
UNSER EIGENES LEBENSGLÜCK WIRD BESTIMMT DURCH DAS RECHTE WORT ZUR RECHTEN ZEIT, AUCH NOCH JAHRZEHNTE DANACH. WORTE, DIE UNSERE ELTERN AN UNS RICHTETEN, UND JENE, DIE SIE NICHT ÜBER DIE LIPPEN BRACHTEN. WORTE, DIE WIR SPRACHEN, UND JENE, MIT DENEN WIR ZU LANGE WARTETEN, DIE WIR JETZT NUR MEHR SPRECHEN KÖNNEN, OHNE ZU WISSEN, OB SIE GEHÖRT WERDEN.
EIN EINFACHES „JA“ ODER „NEIN“ ZUR RECHTEN ZEIT, UND UNSER LEBEN WIRD NIE MEHR SO SEIN, WIE ES EINMAL WAR. WORTE, DIE WIR AN GELIEBTE MENSCHEN RICHTEN, BESTIMMEN ÜBER GLÜCK UND UNGLÜCK IN DIESER STUNDE. UND WAS WIRD BLEIBEN, EINES TAGES? DIE WORTE IN DEN LIEDERN ÜBER UNS, DIE JENE, DIE BLEIBEN, SINGEN WERDEN, WENN WIR FÜR SIE DIE RECHTEN WORTE FANDEN ZUR RECHTEN ZEIT.
BIS DORTHIN SCHMIEDEN WIR UNSER GLÜCK – MIT DEM WORT.
UND WIR SOLLTEN GUT DARIN SEIN!

„Worte sind Taten“ (Friedrich Nietzsche)

Wie wichtig sind Worte? Wie weit wirken sie durch Raum und Zeit? Wie lange wirken sie noch, nachdem wir gewesen sind? Hier ein Beispiel als Antwort auf diese Fragen:
20. Juli 1969, 21.17 MEZ, Mond, Meer der Ruhe.
„Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed.“
Der Astronaut Neil Armstrong meldete die erfolgreiche
Landung der Mondfähre an die Bodenkontrolle in Houston.
Worte als Mittler zwischen Traum und Tat. John F. Kennedy hatte am 25. Mai 1961, zu einem Zeitpunkt, als dies niemand für möglich hielt, vor dem amerikanischen Kongress erklärt, dass es gelingen könnte, einen Mann auf den Mond zu schicken. Und zwar noch im Laufe dieses Jahrzehnts.
Acht Jahre später klettert Neil Armstrong die Leiter der Mondfähre herunter und sagt den berühmt gewordenen Satz: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit.“ In Europa ist es jetzt 3.56 Uhr am Morgen des 21. Juli. Der Flug zum Mond dauerte insgesamt 8 Tage, 3 Stunden und 18 Minuten, die maximale Entfernung zur Erde betrug 389.645 Kilometer. Zehn weitere Astronauten sollten in den nächsten drei Jahren den Mond betreten. Eugene Cernan, Kommandant der Apollo-17-Mission, war im Dezember 1972 der letzte.
Hier ein Auszug aus John F. Kennedys Worten, die den Mann auf den Mond brachten:
Zuallererst glaube ich, dass sich diese Nation dem Ziel widmen sollte, noch bevor dieses Jahrzehnt zu Ende ist, einen Mann auf den Mond und sicher wieder zurück auf die Erde zu bringen ...
Ich glaube, wir sollten zum Mond fliegen. Aber ich glaube, jeder Bürger sowie jedes Mitglied des Kongresses sollte diese Angelegenheit, der wir während der letzten Wochen und Monate so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben, sorgfältig abwägen, um zu einer Ansicht zu gelangen, weil es eine schwere Bürde darstellt. Und es macht keinen Sinn es gutzuheißen oder zu wünschen, daß die Vereinigten Staaten eine positive Haltung zur Raumfahrt einnehmen, es sei denn, wir sind bereit, die Arbeit zu machen und die Bürde zu tragen, um dabei erfolgreich zu sein. Falls nicht, sollten wir es heute und dieses Jahr entscheiden.
Neue Ziele und neues Geld können dieses Problem nicht lösen. Sie könnten es tatsächlich weiter verschlimmern – es sei denn, jeder Wissenschaftler, jeder Ingenieur, jeder Servicemitarbeiter, jeder Techniker, Lieferant und Beamter gibt seine persönliches Versprechen, dass sich diese Nation vorwärtsbewegt, mit der vollen Geschwindigkeit der Freiheit hinein in das aufregende Abenteuer des Alls.
John F. Kennedy erlebte die Verwirklichung seines Traumes nicht mehr.
Aber 500 Millionen Menschen an ihren Fernsehapparaten.
Und seine Worte wirken noch immer.

„Worte waren einst Zauber“ (Sigmund Freud)

Der amerikanische Traum. Der Grund, warum in diesem Buch häufig amerikanische Sprecher zitiert werden, hat mit der einfachen Tatsache zu tun, dass es in der Neuzeit mehr begeisternde amerikanische Sprecher gab als europäische. Das kommt unter anderem daher, weil es in der ältesten Demokratie der Welt schon immer notwendig war, Träume zu kommunizieren, Ideen in Wettstreit treten zu lassen und Menschen zu überzeugen. Durch Jahrhunderte mussten sich amerikanische Politiker in Wahlkämpfen bewähren, während europäische Monarchen mit Heiratspolitik beschäftigt waren. Die freie Marktwirtschaft der Ideen und das Überleben der besseren Rhetorik hat daher jenseits des großen Teiches eine lebendigere Tradition. Heute ist das immer noch zu bemerken im Vergleich zwischen amerikanischen und europäischen Werbeagenturen, amerikanischer und europäischer Unterhaltungsindustrie und den Reden amerikanischer und europäischer Manager.
Sprich nur dann, wenn du etwas Wertvolleres zu sagen hast als dein Schweigen.
(Dionysius)
Die Voraussetzung. Dabei stand die Wiege der Redekunst, wie auch bezeichnenderweise die der Demokratie, in Europa. Wir gehen also davon aus, dass die Menschen diesseits des Atlantiks genauso viel zu sagen haben wie die jenseits. Und wir gehen im Besonderen davon aus, dass Sie persönlich etwas zu sagen haben und den großen Wunsch hegen, es auch zu tun. Denn erst dann sollten Sie anfangen, daran zu denken, vor ein Publikum zu treten.
Anfänger und Amateure. Haben Sie das, können Sie anfangen. Und Anfänger machen Anfängerfehler, auch in der Rhetorik. Anfängerfehler sind vorhersehbar, denn es sind immer die gleichen. Sie sind ausdrücklich erlaubt, denn nur so sind wir unbefangen genug für einen guten Anfang. Und sie sind verzeihlich, denn wir können aus ihnen lernen! Fehlt aber das Lernen, werden aus Anfängerfehlern schlechte Gewohnheiten, und aus Anfängern werden lebenslange Amateure.
Könner und Sprachmagier. Könner haben aus ihren Anfängerfehlern gelernt. Sie sind nicht mit dem zufrieden, was sie haben. Sie wollen das, was ihnen machbar erscheint, auch können. Deshalb heißen sie auch so: Könner! Sprachmagier sind Spitzenkönner. Sie lernen immer weiter, lustvoll und lebenslang. Sie lernen, daheim zu sein in den Herzen und Köpfen ihres Publikums, und bezaubern es damit. So entstehen neue Lösungen, neue Ideen und neue Welten. Und wir danken es ihnen mit Anerkennung, Bewunderung und Zuneigung.
Viel Spaß und gutes Gelingen!

1. Zehn Tipps, um Anfängerfehler zu vermeiden

Was Sie für den Anfang schon mal ändern könnten
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und hilft zu wachsen.
(Hermann Hesse)
Fangen Sie hier an! Egal was Sie anstreben: Verlernen Sie zuerst die gängigsten Anfängerfehler. Sie werden sich alleine dadurch schon enorm verbessern! Die folgenden zehn Ratschläge entspringen unseren langjährigen Vergleichen zwischen Amateuren und Sprachmagiern. Bevor Sie ausgefeilte Strategien der Rhetorik und Hypno-Rhetorik® kennenlernen, üben Sie schon mal, die folgenden weitverbreiteten Unsitten zu vermeiden. Beginnen Sie gleichzeitig, die empfohlenen Tipps umzusetzen. Sie werden bemerken, wie Sie dabei immer mehr Bewusstheit und Kontrolle über Ihren Redestil bekommen. An den freundlicheren Rückmeldungen Ihrer Zuhörer, werden Sie Ihre zunehmende Kompetenz als Redner ablesen können.

1. Tipp: Freude statt Angst

Sagen Sie nicht „Ich freue mich ...“, sondern: Freuen Sie sich!
Der Kontakt mit dem potenziellen Kooperationspartner war von langer Hand vorbereitet. Rosis Chef setzt hohe Erwartungen in diesen Kontakt. So sitzt Rosi nun fünf Entscheidungsträgern gegenüber, denen sie die Produkte und die Services ihres Unternehmens schmackhaft machen soll.
„Ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, Ihnen unsere Leistungen zu präsentieren.“
Ihre Stimme kann die Nervosität nicht verheimlichen. Sie klingt zittrig und unsicher. Unruhig spielen ihre Finger mit den Tasten ihres Laptops.
Wirkung? Kein Mensch glaubt ihr die Freude. Wir haben ein untrügliches Gespür für Stimmungen. Wenn die Worte etwas anderes sagen als Tonalität, Haltung und Körpersprache, bemerken wir es sofort – wir misstrauen den Worten und bald auch dem Sprecher. Schlimm genug, dass Rosi freudlos in dieses Meeting geht. Wenn sie schon keine Freude empfindet, dann sollte sie diesbezüglich nicht auch noch lügen. Die Zuhörer kaufen es ihr ohnehin nicht ab.
Freude, schöner Götterfunken. Wer selten vor Publikum spricht, neigt dazu, eher defensiv zu sein. Leider ist das eine ungünstige Ausgangsposition. Die Umsetzung aller folgenden Tipps ist davon abhängig, ob Sie in einer halbwegs annehmbaren Stimmung sind. Außerdem zeigt die häufige Verwendung der Floskel „Ich freue mich“, dass wir wissen, wie wichtig es wäre, wenn wir uns wirklich freuten. Konfuzius sagte: „Wer nicht lächeln kann, soll kein Geschäft aufmachen!“ Warum? Weil sich die Stimmung vom Redner auf das Publikum überträgt. Und intuitiv streben wir an, dass sich unser Publikum freut. Denn guter Stimmung treffen Menschen leichter Entscheidungen, wagen eher neue Wege und haben mehr Lust, weiterzumachen. Und wenn wir wollen, dass sich unser Publikum freut, gerne mit uns zusammen ist und mit uns Geschäfte macht, dann müssen wir den ersten Schritt tun.
Der Weg zur Freude. Die Faustregel lautet: zuerst Worst Case, dann Best Case: Malen Sie sich am Anfang Ihrer Vorbereitung ruhig aus, was alles passieren könnte. Benützen Sie dann Ihre Fantasie, um Lösungsmöglichkeiten zu finden und Wege umzusetzen. So lange, bis Sie trotz aller Worst-Case-Szenarien ein ungetrübtes gutes Gefühl haben. Der zweite Teil geht dann von alleine: Unmittelbar vor Ihrer Performance stellen Sie sich jetzt das Best-Case-Szenario vor. Erleben Sie das Happy End mit allen angenehmen Auswirkungen. Machen Sie das möglichst mit allen Sinnen. Sehen Sie sich, die Früchte ernten, hören Sie Ihre zufriedene Stimme, spüren Sie das angenehme Gefühl des Gelingens, schmecken Sie den Erfolg. Halten Sie sich vor Augen, dass Sie diese Erfolge nur mit Ihrem Publikum erreichen können, und stellen Sie sich (nur hypothetisch) vor, man würde Sie nun daran hindern, mit Ihrem geliebten und notwendigen Publikum zusammenzutreffen. Dann machen Sie sich klar, dass Sie die Möglichkeit haben, es zu treffen – lassen Sie die dazugehörige Freude zu und zeigen Sie sie! Ihren Zuhörern ist ein lachendes Gesicht tausendmal lieber als jede Beteuerung.
Rosis zweiter Anlauf wirkt schon um vieles professioneller:
Sie richtet kurz ihre Gedanken auf die künftige Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen. Lockende Provisionen und das Bild dieser sympathischen Menschen als zukünftige Partner lassen in ihr ein Gefühl von Vorfreude entstehen. Ihr Gesicht beginnt zu strahlen. Sie strafft ihre Haltung, muss ihr immer breiteres Lächeln fast zügeln und mit warmer, herzlicher Stimme sagt sie: „Ich präsentiere Ihnen heute unsere möglichen Leistungen für Sie. Und wenn es Ihnen recht ist, werde ich Sie, als einen unserer wichtigsten Partner, auch zukünftig persönlich betreuen. Dadurch werden Sie in mir eine vertraute Ansprechpartnerin haben.“
Wirkung! So wirkt Rosi authentisch und ehrlich. Ihre heitere Stimmung breitet sich rasch über ihre Zuhörer aus. Sie spürt schon nach den ersten Sätzen, dass es gut gehen wird. Kann Ihnen etwas Besseres passieren?

2. Tipp: Machen Sie Platz!

Sprechen Sie nicht von sich, sondern vom einzig Wichtigen – dem Publikum
Peter ist Entwickler in einem Softwarehaus. Zum ersten Mal präsentiert er den Servicetechnikern der eigenen Firma die Vorteile der neuesten Softwaremodifikationen. Zeitrahmen: eine Stunde, die die Zuhörer normalerweise an ihren Servicebildschirmen verbringen.
„Ich habe noch nie vor so vielen Leuten gesprochen und bin daher etwas aufgeregt. Ich hoffe, ich habe mich genügend vorbereitet, um alle Ihre Fragen ausreichend beantworten zu können.“
Wirkung? Was ist unsere Reaktion als Publikum? Wahrscheinlich so ähnlich wie: „Na das hoffen wir auch, denn wozu sind wir sonst hergekommen!“ Ist es denkbar, dass Peter diese Wirkung wollte? Höchstwahrscheinlich nicht, eher im Gegenteil! Trotzdem ist es eine weitverbreitete Eröffnungsform von Anfängern und Amateuren. Die Botschaften sind zwar ehrlich, aber irrelevant für das Publikum. Es gibt bessere, die genauso ehrlich und noch dazu relevant und interessant sind. Der Schlüssel ist erstaunlicherweise: Bescheidenheit!
Mehr Bescheidenheit. Lassen Sie sich nicht durch die Szene täuschen. Die Augen und Ohren der Zuhörer sind zwar auf den Redner gerichtet, er steht aber nicht im Mittelpunkt – im Mittelpunkt steht, auch wenn es nicht so aussieht, immer das Publikum! Egal ob Sie vor Tausenden oder mit einem Menschen sprechen. Und für das Publikum ist es unwichtig, zum wie vielten Mal Sie öffentlich sprechen, ob Sie viel oder wenig Zeit für Ihre Vorbereitung hatten, ob Sie zum Vortrag gedrängt wurden oder ihn freiwillig halten, ob Sie ein Manuskript zu Hilfe nehmen oder frei sprechen werden, ob Sie zum ersten Mal Ihre Stimme über Mikrofon hören oder nicht. Ab dem ersten Wort des Vortrages stehen die Gedanken, Wünsche und Gefühle des Auditoriums im Mittelpunkt. Ziel ist nicht, dass Sie etwas sagen, sondern dass das Publikum informiert, motiviert und berührt wird.
Peter sollte seinem Publikum nicht zumuten, seine emotionalen Probleme mit ihm zu teilen. Wenn er aufgeregt ist, dann sollte er froh darüber sein. Es bedeutet, dass er engagiert ist und seinem Publikum viel bieten möchte. Hat er sich jedoch schlecht vorbereitet oder setzt er sich gewohnheitsmäßig zu sehr unter Druck und hat bis jetzt noch nichts dagegen getan, dann ist das schlimm genug. Er sollte aber sein Publikum damit verschonen. Es wird sich nach den ersten Minuten sowieso eine Meinung über ihn gebildet haben. Überflüssig, darüber noch Worte zu verlieren.
Ihr Fokus: das Publikum. Wir sagen nicht, dass Sie Ihre Aufregung überspielen sollten, denn Ihr Engagement ist entscheidend für die Qualität Ihres Vortrages. Und dafür braucht es schon ein wenig Feuer. Das spüren Sie, wie jeder Sprachmagier, den wir kennengelernt haben, als Lampenfieber. Außerdem werden weit mehr Zuhörer, als Sie glauben, Ihre emotionalen Probleme gar nicht bemerken, sie Ihnen nachsehen oder sich ganz einfach nicht dafür interessieren. Denn wie die meisten Menschen, interessieren sich Ihre Zuhörer in der Regel viel mehr für sich selbst und ihre eigenen Angelegenheiten. Deshalb lautet die Devise, dass Sie sich für Ihre Zuhörer mehr interessieren sollten als für sich selbst. Stellen Sie sich ein paar Fragen zu den Menschen in Ihrem Publikum:
Woher kommen sie?
Welche Stimmung haben sie?
Welche Ängste und Wünsche haben sie?
Was brauchen sie?
Welche besonderen Erwartungen haben sie?
Wie groß ist ihre Eigenmotivation?
Was gilt es zu würdigen?
Wenn Sie diese Hausaufgaben gemacht haben, dann zeigen Sie es gleich zu Beginn Ihrer Präsentation! Sprechen Sie über die Ausgangssituation des Publikums. Eröffnen Sie so, dass sich der größte Teil der Zuhörer verstanden und angesprochen fühlt. Das Publikum wird es Ihnen mit Zuneigung danken. Und das ist eines der größten Geschenke, das Sie von Ihrem Publikum bekommen können. Ein Nebeneffekt ist, dass sich Ihre Aufregung umso schneller verflüchtigt, je mehr Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit bei anderen Menschen sind. Lassen wir es Peter also noch einmal versuchen:
„Herzlich willkommen! Danke, dass Sie sich für diese Stunde von Ihren Servicebildschirmen getrennt haben. Wie ich Sie kenne, ist das einigen von Ihnen schwerer, anderen leichter gefallen. Jedenfalls erwarten Sie jetzt von mir lohnende Neuigkeiten, und Sie können sich freuen, dass es die wirklich geben wird. Um Ihre Zeit zu schonen, lassen Sie uns gleich mit den ersten drei Verbesserungen beginnen, die Ihnen Ihre Arbeit in Zukunft leichter machen werden.“
Wirkung! Wenn Sie so beginnen, ist es dem Publikum ziemlich egal, ob Sie aufgeregt sind oder nicht. Es fühlt sich gewürdigt, ist neugierig auf das, was Sie präsentieren, und merkt: Ihnen ist klar, was wichtig ist – nämlich das Publikum. Und damit haben Sie es auf Ihrer Seite.

3. Tipp: Wie Wörter wirken

Verwenden Sie nur Wörter, die Ihr Ziel stützen, denn – Wörter sind Bilder im Kopf!
Herbert ist Geschäftsführer. Nach einigen schwierigen Zeiten ist er stolz auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr. Zum Abschluss des Geschäftsjahres möchte er sich bei seinen Mitarbeitern bedanken. Nun stehen sie ihm mit einem Glas Sekt in der Hand gegenüber und warten auf seine Ansprache:
„Meine Damen und Herren, hoffentlich kommt jetzt nicht gleich Bürostimmung auf, wenn ich Sie bitte, für ein paar Minuten Ihr Feiern zu unterbrechen. Ich möchte Sie mit den Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres nicht langweilen, aber wir sollten sie nicht ignorieren. Auch wenn wir sie bald wieder vergessen. Sie werden sehen, dass sie bei weitem nicht so schlecht sind, wie die letzten. Wir haben ja auch keine Mühe gescheut und das wird auch für die zukünftige Entwicklung nicht unser Schaden sein.“
Wirkung? Alles, was er nicht will, verursacht Herbert mit den Wörtern, die er verwendet: „Bürostimmung“, „Ihr Feiern zu unterbrechen“, „langweilen“, „ignorieren“, „vergessen“, „so schlecht“, „Mühe gescheut“, „unser Schaden sein“.
Wörter sind schneller als der Satz. Sie meinen, Herbert habe ja ganz klar und deutlich gesagt, was er nicht will. Na gut, dann machen wir ein kleines Experiment: Denken Sie jetzt bitte auf keinen Fall an einen herrlich duftenden, rotbackigen, saftigen Apfel, in den Sie in Kürze nicht genussvoll hineinbeißen. Denken Sie auch nicht an den süßsauren Geschmack, auch nicht daran, wie er sich auf Ihrer Zunge breitmacht. Denken Sie nicht daran, wie es sich anfühlt, wenn Ihre Zähne das Fruchtfleisch zerdrücken, sodass Sie noch mehr süßsauren Saft auf Ihrer Zunge schmecken; denken Sie nicht an diesen verstärkten Speichelfluss ... Jetzt schlucken Sie erst mal, und bemerken Sie, dass Sie reagiert haben, sogar körperlich, obwohl Sie sich ja all das nicht vorstellen sollten. Alfred Korzybski, der Begründer der Neuro-Linguistik, nannte das „Semantische Reaktion“. Er meinte damit: Wir hören und verstehen die einzelnen Wörter, bevor wir den Satz verstehen. Daher reagieren wir auf die Bedeutung der Wörter schneller und unbewusster als auf die Bedeutung des Satzes, in dem sie stehen. Und Verneinungen gehören zur Satzaussage. Sie kommen erst viel später an als die einzelnen Wörter und deren Wirkung. Wenn überhaupt!
Das Publikum folgt aufs Wort. Lassen wir also nur jene Wörter an die Zuhörerohren, die auch wirklich dort ankommen sollen. Nicht nur die Sätze, die wir sprechen, transportieren unsere Botschaft, auch die darin enthaltenen Wörter tun das. Sie müssen zu unserer Absicht passen und sie unterstützen. Wenn Sie also loben wollen, dann nehmen Sie das Wort „schlecht“ gar nicht erst in den Mund. Nicht einmal verneint. Vermeiden Sie also: „Nicht schlecht!“, sagen Sie stattdessen schlichtweg: „Sehr gut!“ Und wenn wir schon einmal das anführen, was wir nicht wollen (so wie im letzten Beispiel), dann sollten wir wenigstens unmittelbar danach nur zu unserer Botschaft passende Wörter verwenden. Geben Sie also auch mit Ihrer Wortwahl den Zuhörern die richtige Denkrichtung vor – und beachten Sie immer: Die Stimmung bestimmt! Und die Wörter wirken unbewusst auf unsere Stimmung. Nun Herberts zweite Chance:
„Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Ihre feierliche Stimmung mit, während Sie mir für ein paar wichtige Momente Ihre Aufmerksamkeit schenken, denn es gibt ja heute wirklich etwas zu feiern. Zum ersten Mal seit zwei Jahren können wir mit Neugier und mit Vergnügen auf die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres warten. Wenn sie in Kürze hier auf der Wand erscheinen, werden Sie sie vielleicht etwas länger im Gedächtnis behalten als die letzten. Und das nicht nur deshalb, weil sie wesentlich besser sind, sondern auch, weil Sie wissen: Wir alle haben etwas dazu beigetragen und wir alle werden davon schon in nächster Zukunft profitieren.“
Wirkung! Diese zweite Version drückt exakt den gleichen Sachverhalt aus. Die verwendeten Wörter sind gänzlich anders und damit auch die Wirkung. Lassen Sie die beiden Einleitungen von Herberts’ Rede auf sich einwirken und vergleichen Sie Ihr Gefühl, das Sie beim Lesen empfinden. Welche Version fühlt sich für Sie angenehmer an? Welche wird die Zuhörer mehr begeistern und motivieren? Positive Wörter machen positive Stimmung. Und auf die Stimmung Ihrer Zuhörer kommt es an.

4. Tipp: Die Last der Entschuldigung

Sie brauchen sich nur für eines zu entschuldigen – für Ihre dauernden Entschuldigungen
„Guten Morgen. Wir haben alle miteinander nicht viel Zeit.
Am besten wir gehen gleich in medias res.“
Thomas ist gerade dabei, seiner Führungsmannschaft die
Planzahlen für das neue Geschäftsjahr vorzustellen.
„Entschuldigen Sie bitte die Qualität der Folien. Ich habe sie heute Nacht fertiggestellt. Auf Schönheit konnte ich da weniger Rücksicht nehmen. Außerdem schmiert der Drucker schon wieder. Ach ja, und meine Stimme bitte ich Sie auch zu entschuldigen. Ich habe in der Nacht zu viel geraucht. Ich hoffe, ich kann mich dennoch verständlich machen.“
Wirkung? „Entschuldigung!“ heißt: „Tun Sie etwas: Nehmen Sie die Schuld von mir!“ Das ist wohl ein bisschen viel verlangt. Zuerst mutet Thomas den Zuhörern schlechte Vortragsqualität zu. Und dann fordert er sie auch noch auf, ihn zu entschuld(ig)en – die Schuld von ihm zu nehmen. Diese Absolution werden ihm die Zuhörer allerdings höchstens oberflächlich erteilen. Auf einer unbewussten Ebene hat er seine Schuld vergrößert.
Stehen Sie dazu. Besser ist, das, wofür Sie sich entschuldigen, gleich gar nicht zu tun. Wenn Ihnen etwas so unangenehm ist, dass Sie glauben, sich entschuldigen zu müssen, dann lassen Sie es erst gar nicht so weit kommen. Möglicherweise hatte Thomas aber auch gute Gründe, weniger Zeit auf die Gestaltung der Folien zu verwenden. Vielleicht entschied er sich für wichtigere Vorbereitungen für die heutige Präsentation und dachte: „Die Qualität der Folien wird schon reichen.“ Dann sollte er nachher aber auch so ehrlich sein, dazu zu stehen.
Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Wenn Sie eine Entschuldigung noch dazu so vorbringen, als würden Sie den Wetterbericht lesen, glauben Ihnen die Menschen sowieso nichts mehr. Wenn es in Ihrem Vortrag etwas gibt, das Sie aufrichtig bedauern, sagen Sie lieber: „Es tut mir leid!“ Diese Formulierung bürdet dem Zuhörer wenigstens keine Absolution auf – und umso eher wird sie erfolgen. Ansonsten stehen Sie einfach zu Ihren Unterlassungen und Leistungen – wecken Sie das Interesse Ihre Zuhörer, machen Sie sie neugierig auf das, was kommen wird. Denn positive Gefühle sind den Menschen viel lieber als die Klärung der Schuldfrage. Aber Thomas könnte ja auch anders:
„Ich sage Ihnen voraus: die Planzahlen für das nächste Geschäftsjahr werden Ihnen gefallen. Die Zuwächse sind so groß, dass sie selbst auf diesen einfachen Folien eindrucksvoll aussehen. Ich wollte, dass Sie die Pläne unmittelbar nach ihrer Entstehung kennenlernen können. So können Sie sich schon früh Ihre Meinung bilden. Um meine angegriffene Stimme besser zu hören, lassen Sie uns noch etwas näher zusammenrücken, so kommen Sie auch den neuen Zahlen schon einmal räumlich näher.“
Wirkung! Das ist es, was Thomas’ Kernteam hören will. Im internen Gespräch sind sie sicher mit einfachen Folien zufrieden. Wichtig ist, dass man ihnen das Wesentliche entnehmen kann. Thomas’ Idee, die Unzulänglichkeit der angestrengten Stimme in einen Vorteil umzuwandeln, ist viel besser als die Entschuldigung. Niemanden stört jetzt die schwache Stimme. Alles, was Thomas’ Mitarbeiter aufnehmen ist: wir sind ein Team, das eng zusammenarbeitet. Und damit erreicht Thomas weit mehr.

5. Tipp: Die Macht des Humors

Ein interessanter Vortrag wird nur übertroffen von – einem unterhaltsamen Vortrag
Hans hat den Workshop gut vorbereitet. Er möchte die Teilnehmer seines Workshops davon überzeugen, dass manchmal grundlegende Veränderungen und große Sprünge notwendig sind, um eine Situation zu verbessern. Er hat seinen Teilnehmern bereits zwei Statistiken über die nichtlineare Entwicklung von Unternehmen gezeigt und holt aus zum nächsten Sachargument:
„Ilya Prigogine, ein belgischer Chemiker, der 1977 den Nobelpreis erhielt, prägte den Ausdruck ‚Bifurkationspunkt‘.
Er entdeckte, dass die Entwicklung eines Systems kein vorhersehbarer, linearer Prozess ist, sondern einem bestimmten Muster folgt.“
Hans bemerkt zwar die Anstrengung, mit der die Teilnehmer ihre Augen offen halten, entschließt sich aber, hart bei seinem Konzept zu bleiben und da einfach „durchzutauchen“.
Er fährt fort: „An einem Bifurkationspunkt wird das System instabil, und entwickelt sich in spontaner Nichtlinearität. So wie wir das manchmal auch tun sollten.“
Wirkung? Etwas spontane Nichtlinearität hätten die Teilnehmer jetzt auch gerne. „Die Hände auf den Tisch und stumm wie ein Fisch. Wer lacht, ist ein böser Schüler und hat am Jahresende schlechte Noten im Zeugnis.“ Sinngemäß ähnliche Ermahnungen haben Sie vielleicht auch aus Ihrer Kindheit in Erinnerung. Bis zum Schulalter sind lachende Kinder o.k. Dann beginnt der „Ernst des Lebens“. Interessant ist, wie mühelos Kleinkinder lernen zu sprechen und sich zu bewegen. Mit Einführung der Ernsthaftigkeit wird Lernen plötzlich anstrengend.
Lernen ist zu wichtig, um es ernst zu nehmen. Hans kann jetzt die Meinung vertreten, nur durch Ernsthaftigkeit und Anstrengung ans Ziel zu kommen. Wenn er das glaubt, ist das seine Sache. Viel Spaß beim angestrengten Lernen! Er hat einen dornenvollen und mühseligen Weg gewählt. Und das ist kein Schicksal, er selbst traf diese Wahl. Dabei handelt es sich bloß um die Folge einer Verwechslung. Denn meist geht es nicht um die „Ernsthaftigkeit“ eines Themas, sondern um seine „Wichtigkeit“, ein relevanter Unterschied! Wir können ernsthaft untergehen oder über uns selbst lachend triumphieren. Vielleicht hat Hans Angst, die Achtung der Teilnehmer zu verlieren. Aber Achtung erwerben wir uns nicht durch Ernsthaftigkeit, sondern durch den Mut, auch vor Gruppen natürlich zu agieren, d.h., auch die ganze Bandbreite unserer Gefühle zuzulassen.
Lachen und Lernen. Wie steht es mit Ihnen? Wenn Sie glauben, lustvolles Lernen durchzogen mit Spaß und Lebensfreude ist effektiver und noch dazu angenehmer, kann ich Ihnen nur gratulieren. Sie sind damit auf dem neuesten Stand der Forschung. Neurophysiologen wissen heute, dass Lachen genau jenes chemische Milieu in unserem Gehirn schafft, in dem die Bildung neuer Synapsen am besten verläuft. Die Realität beweist Ihnen tagtäglich, wie recht Sie haben. Wir tragen die Verantwortung für den Zustand unserer Zuhörer. Welchen Weg wollen wir ihnen zumuten? Sollen sie ihr Hirn zermartern oder mit Freude lernen? Lachen ist Entspannung für das Gehirn. Würzen Sie Ihren Vortrag durch ein freundliches Lächeln, einen eingestreuten Scherz, eine lustige Geschichte. Wagen Sie es, auch einmal über sich selbst zu lachen, wenn Ihnen ein Missgeschick passiert. Ihre Zuhörer sehen das als Zeichen soliden Selbstwertgefühls.
Und nun wieder zu Hans:
Er hat gelernt, dass Lernen eine zu wichtige Sache ist, um ernst genommen zu werden. Er zeigt nur eine Statistik über die nichtlineare Entwicklung von Unternehmen und beginnt dann:
„Zur Erläuterung vielleicht folgendes Beispiel: Wie jedes Jahr gehen drei Freunde in Kanada auf Elchjagd. Sie lassen sich in ein kleines Tal mit einem See fliegen, in dem das Wasserflugzeug landen kann. Nach drei Tagen kehren sie zurück. Jeder hat einen Elch erlegt. Sie beginnen das Flugzeug vollzupacken, binden den einen Elch an den linken Schwimmer, den anderen an den rechten und den dritten verstauen sie im Gepäckraum.
Der Pilot, der das alles ruhig beobachtet, empfiehlt ihnen, zweimal zu fliegen, weil mit voller Bepackung und Besetzung das Flugzeug zu schwer und der See als Startbahn zu kurz wäre.
Daraufhin erklärt ihm einer der drei Freunde: ‚Guter Mann, wir tun das nun schon seit zehn Jahren und es ist immer der gleiche See, wir drei sind die gleichen, es sind immer drei Elche und es ist immer das gleiche Flugzeug. Nur der Pilot ist heuer jemand anderer, nämlich Sie!‘
Der Pilot fühlt sich bei seiner Ehre gepackt, startet das überfüllte Flugzeug, setzt so weit wie möglich zurück, lässt die Motoren auf Hochtouren laufen, flitzt mit dem Wasserflugzeug über den See, zieht es im letzten Moment hoch, kommt über die ersten Baumwipfel hinweg ... Doch dann verfängt sich ein Schwimmer in einem Baumwipfel, das Flugzeug stürzt ab und alle fallen heraus.
Der erste der drei rappelt sich auf und ruft einen seiner Freunde: ‚Hallo Paul! Wo sind wir da?‘ Paul rappelt sich auf und antwortet: ‚Ich weiß nicht genau, aber ich glaube circa 20 Meter weiter als voriges Jahr.‘“
Nach dem Lachen der Teilnehmer ergänzt Hans: „Die Verbesserung um 20 Meter ist wohl nicht als Erfolg zu sehen. Wahrscheinlich wäre es hier angebracht, wenn unsere Freunde einen Bifurkationspunkt durch mehr Kreativität schaffen und das nächste Mal etwas völlig Neues probieren.“
Wirkung! Offenbar kann der Vortragende sowohl mit Sach- als auch mit Gefühlsargumenten umgehen. Er ist dabei locker und entspannt, lacht selbst mit und hat Verständnis für das Unterhaltungsbedürfnis seiner Zuhörer. Sie danken es ihm mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit!

6. Tipp: Augen, die Fenster der Seele

Die toten Augen von London oder – Eye of the Tiger
Alexander ist Versicherungsmathematiker eines großen Versicherungskonzerns. Neue fondsgebundene Lebensversicherungen sollen die Produktpalette erweitern. Alexander wirkt in einer Produktschulung erstmals unterstützend mit. Teilnehmer sind Außendienstmitarbeiter des Vertriebs.
Wie eingefroren steht Alexander vor der Gruppe. Er atmet unmerklich, starrt mit hochgezogenen Augenbrauen in die Gruppe und beginnt zu sprechen:
„Meine Damen und Herren, wir haben viel Aufwand für die Produktentwicklung betrieben. Diese fondsgebundenen Lebensversicherungen werden sich zwar nicht von alleine verkaufen, aber sie stellen mit Sicherheit für den Klienten die beste Kosten-Nutzen-Relation dar, die am Markt zu bekommen ist.“
Wirkung? So gut er es meint, so sehr er hinter dem neuen Produkt steht: Es wäre besser, er wäre gar nicht gekommen. Auch wenn er innerlich vom neuen Produkt überzeugt ist, Alexanders Augenpartie drückt Unsicherheit aus. Und, was noch schlimmer ist, diese Unsicherheit überträgt sich unmittelbar auf das Publikum. Erst viele Worte, Argumente und Schweißtropfen später ist dieser Schaden vielleicht wieder gutgemacht.
Der Goofy-Effekt. Wir nennen diese hochgezogenen Augenbrauen den Goofy-Effekt. Frei nach Walt Disneys großäugigem und naivem Geschöpf: unschuldig und sympathisch, aber auch unsicher und inkompetent. Das Gesicht zeigt unsere Gefühle. Besonders markant wirkt die Augenpartie und die wird dominiert von den Augenbrauen. Aus sozialpsychologischen Untersuchungen wissen wir, dass die Augenpartie 15-mal (!) mehr Aufmerksamkeit bekommt als irgendein anderer Teil des Gesichts. Sie meinen, das kann Ihnen nicht passieren? Ihr Pokerface verrate Sie schon nicht? Na ja. Dann denken Sie jetzt bitte an ein Gespräch, das Sie in sehr unangenehmer Erinnerung behielten. Erinnern Sie sich an den oder die Gesprächspartner. Wie waren Sie gekleidet? Wie saßen oder standen Sie? Wie bewegte sich Ihr Gegenüber? Was wurde gesprochen und in welcher Tonalität? War es laut oder leise, weich und langsam oder kurz und abgehackt? Welche Gefühle verspürten Sie selbst in diesen Momenten? Wo war dieses Gefühl in Ihrem Körper wahrzunehmen? Nehmen Sie alle diese Sinneseindrücke so wahr, als würden Sie dieses Gespräch in diesem Augenblick führen. Und nun werfen Sie einen Blick in den Spiegel. So oder so ähnlich war Ihr Gesichtsausdruck in diesem Gespräch! Achten Sie auf die Stellung Ihrer Brauen. Sind sie wirklich glatt und freundlich, wie Sie vorhin meinten oder tragen Sie Ihre Gefühle doch deutlicher nach außen, als Sie dachten?
Achtung Augenbrauen-Kontrolle! Aber wir können diesen Prozess auch umkehren: Senken Sie jetzt bewusst Ihre Augenbrauen, schauen Sie sogar ein bisschen gefährlich mit ein wenig zusammengekniffenen Augen, „Eye of the Tiger“, und erleben Sie, wie Ihre Atmung dabei von ganz alleine tiefer und ruhiger wird, die Nervosität schwindet und Entschlossenheit einkehrt. Unsere Augenbrauen zeigen nicht nur unsere Emotionen, sie steuern sie auch! Zwischen „angstgeweiteten Augen“ und einem verführerischen Blick liegen nur ein paar Millimeter. Also achten Sie auf Ihre Brauen. Wenn Ihre Brauen dasselbe sagen wie Ihre Worte, sind Sie der Liebling des Publikums. Lachende Augen und glatte Brauen signalisieren: die Ampel ist grün. Freude am Zuhören und Sicherheit über die Kompetenz des Vortragenden sind die Gefühle, die Sie damit im Publikum verbreiten. Beim nächsten Mal ist Alexander schon etwas klüger:
Als Alexander vor die Gruppe tritt, achtet er auf seine Augenbrauen. Er bringt sie genau in jene Position, die seiner Überzeugung über die Güte des Produkts entspricht.
„Meine Damen und Herren, wir haben viel Aufwand für diese Produktentwicklung betrieben.“
Er fühlt seine Augenbrauen und dabei die gleiche Sicherheit wie vor seinem Computer, als er die Demonstrationsfälle das letzte Mal durchrechnete.
„Diese fondsgebundenen Lebensversicherungen werden sich zwar nicht von alleine verkaufen ...“
Er fühlt seine Augenbrauen und seine Atmung geht tief und ruhig, als er dabei auf die Teilnehmer schaut.
„... aber sie stellen mit Sicherheit für den Klienten die beste Kosten-Nutzen-Relation dar, die am Markt zu bekommen ist.“
„Eye of the Tiger“ denkt er, lächelt etwas und bemerkt, dass die ersten Teilnehmer jetzt schon nicken und zurücklächeln.
Wirkung! Noch bevor sein Part eigentlich begonnen hat, ist er schon am Ziel. Die Überzeugung und Sicherheit, die aus monatelanger Entwicklungsarbeit kommt, ist bereits übergesprungen. Zustimmung, eine entspannte Atmosphäre und am Ende längerer Applaus sind die Folge.

7. Tipp: Runter vom hohen Ross

Ich weiß, dass ich nicht alles weiß – Na und?
Wolfgang hält einen Vortrag über Motivation am Arbeitsplatz. Seine Zuhörer sind sehr interessiert. Der Vortrag ist spannend und praxisorientiert. Und dann stellt eine Teilnehmerin diese Frage:
„Kennen Sie die kürzlich veröffentlichte Studie der Harvard-Universität über den Einfluss großer Stressfaktoren auf die Effizienz von Arbeitsgruppen?“
Wolfgang antwortet, ohne zu überlegen:
„Ja, ja, die kenne ich. Über Stress als Demotivaton wurde schon viel geschrieben. Und natürlich hat Stress sehr großen Einfluss auf die Motivation, aber ...“
Doch die junge Frau lässt nicht locker:
„Das verstehe ich jetzt aber nicht. Die Studie widerlegt doch diesen Einfluss.“
Wirkung! Peinlich! Das hat er nun davon. Selbst wenn der Fehler weniger offensichtlich zutage träte, die Zuhörer sind verunsichert und vermuten gröbere Wissenslücken.
Ich weiß, dass ich manches nicht weiß. Wolfgang muss auf den Irrglauben verzichten, er wüsste mehr als seine Zuhörer. Das Gegenteil ist der Fall. Zehn oder hundert Köpfe verfügen nun einmal über mehr Wissen und Erfahrung als einer. Stimmt schon: Es sollte zum Vortragsthema ein grundsätzliches Wissensgefälle von Ihnen zu den Zuhörern geben, sonst bräuchten Sie gleich gar nicht anzutreten. Aber über Teilgebiete wissen einige Teilnehmer immer mehr als Sie. Verkaufen Sie also Ihre Zuhörer nicht für dumm, sonst bekommen Sie es prompt heimgezahlt. Siehe oben!
Ich weiß, was ich weiß. Und das beinhaltet: Ich weiß auch, was ich nicht weiß. Stehen Sie zu beidem. Die Zuhörer erwarten sowieso nicht, dass Sie allwissend sind. Sie sollten die Einladung, zu einem bestimmten Thema zu sprechen, nur annehmen, wenn Sie wissen, dass zum Zeitpunkt des Vortrags Ihr Wissen über das Thema im Verhältnis zum nötigen Wissen für den Vortrag ungefähr so groß ist wie ein DIN-A4-Blatt zu einer Briefmarke. Wenn Sie das erreichen, haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht. Wenn nicht, sollten Sie die Veranstaltung schon entsprechend ankündigen: als einen Rahmen, in dem gemeinsam zu einem neuen Thema erste Ideen entwickelt werden. Ihre Aufgabe als Trainer ist dann mehr die eines Moderators (siehe Kapitel Events). In jedem Fall sollten Sie neue Informationen von Teilnehmern mit einbeziehen und würdigen. Wenn Sie das gelassen tun können, zeigen Sie Größe.
Geben wir Wolfgang also eine zweite Chance:
Wolfgang hört sich die Frage der Teilnehmerin an, überlegt kurz und antwortet:
„Nein, diese Studie kenne ich nicht. Wenn Sie meinen, der Inhalt passt zu unserem Thema, dann sagen Sie bitte ein paar Worte darüber.“
Die junge Frau erzählt, was sie darüber weiß. Wolfgang dankt ihr und stellt anschließend die Verknüpfung dieser Ergänzung zu dem bisher Gesagten her.
Wirkung? So schlägt Wolfgang mehrere Fliegen mit einer Klappe. Er würdigt das Wissen der Teilnehmer, indem er es zulässt, dass sich neben ihm auch andere einbringen. Er gibt damit auch Raum für thematische Bereicherung, Lebendigkeit und Praxisbezogenheit. Und er steht offen zu seinem Wissen und Nichtwissen und gewinnt damit noch mehr die Sympathie der Zuhörer.

8. Tipp: Fels in der Brandung

Wenn Wanderprediger Wurzel schlagen – haben sie endlich einen Standpunkt!
Helmut hat viel zu sagen, denn sein Wissen über Aktienhandel und Börsenmärkte ist umfassend. Das Thema fasziniert ihn. Er spricht auch gerne darüber. Fast wie in Trance geht er dabei innerhalb der U-förmig angeordneten Tische vor und zurück. Als er einmal versucht, Blickkontakt aufzunehmen, stolpert er fast. Also achtet er in der Folge lieber auf den unebenen Boden.
„Sie haben jetzt einen guten Überblick über die Welt der Futures. Bevor ich über Optionen spreche, möchte ich Ihnen Gelegenheit geben, Fragen zu stellen.“
Betroffenes Schweigen im Raum.
Helmut bleibt stehen, seit langem wieder einmal, schaut in die Gesichter der Teilnehmer und es dämmert ihm: Könnte es sein, dass er die Gruppe vor geraumer Zeit verloren hat und keiner mehr weiß, worum es eigentlich geht?
Wirkung? Helmut meint, Bewegung könne die Aufmerksamkeit fesseln? Ja, er hat recht: Bewegung fesselt die Aufmerksamkeit – aber leider nur seine eigene. Er wird abgelenkt von seiner unangemessenen Angst vor dem Publikum, und sein Publikum wird vom Vortrag abgelenkt. Jetzt erst wäre es an der Zeit, Angst zu haben.
Wandern ist des Unsicheren Lust. Bedauernswerte Zuhörer. So spannend der Vortrag sein mag, sie haben nur zwei Möglichkeiten: ihre Halswirbel auszurenken oder Helmut nicht mehr zu folgen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Seinen Bewegungen nicht mehr zu folgen und damit auch nicht mehr seinem Vortrag. Ziehen Sie in einer ähnlichen Situation auch Spuren im Raum? Oder wissen Sie es nicht? Dann wird es Zeit, sich zu beobachten. Nehmen Sie bei nächster Gelegenheit bewusst wahr, ob und wie Sie sich bewegen. Bitten Sie eine Person, der Sie vertrauen, Ihnen darüber Feedback zu geben. Diese Rückmeldung sagt Ihnen dann noch weit mehr. Denn bei Vorträgen ist das „Wandern“ nicht des Müllers Lust, sondern das Fluchtverhalten der Unsicheren. So wird es auch, zumindest unbewusst, von den Teilnehmern verstanden. Am Umgang mit Bewegung kann man erkennen, ob der Vortragende genügend Sicherheit hat, um sich dem Publikum zu stellen.
Beziehen sie Stellung! Wählen Sie eine für Sie angenehme und für die Zuhörer günstige Position im Raum und „beziehen Sie Stellung“. Sie können abhängig von Ihrer Befindlichkeit und der Länge des Vortrages sitzen oder stehen. Von dort aus nehmen Sie Kontakt auf mit dem Publikum. Jetzt erst ist der viel zitierte Augenkontakt möglich und für alle Beteiligten angenehm. Achten Sie auf Ihre Augenbrauen, schauen Sie lächelnd in die Gesichter und nicken Sie leicht. Zeigen Sie damit: Ich habe meinen Standpunkt! Jetzt erst ist eine Beziehung zwischen Ihnen und den einzelnen Zuhörern möglich. Dort dürfen Sie sich dann allerdings nicht „eingraben“! Vortragende, die sich hinter ihrem Schreibtisch verschanzen und erst am Ende ihres Vortrags hervorkommen, sind genauso wenig erstrebenswert. Der goldene Mittelweg ist, unterschiedliche Phasen Ihres Vortrages zu markieren, indem Sie Ihre etablierte Position kontrolliert verändern. Diese verschiedenen Phasen können sein:
Einleitung, Hauptteil, Schluss
Vortrag, Diskussion
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Lob, Tadel
„Jetzt bitte keine Fragen“, „Fragen erwünscht“
Kontakt mit der ganzen Gruppe, Kontakt mit Einzelnen
Wählen Sie als Anfänger maximal drei Positionen für unterschiedliche Phasen Ihres Vortrages, z. B. in der Mitte vor der Gruppe stehend für Einleitung und Schluss; in einem bequemen Sessel sitzend für den Vortrag; neben Ihrem Sessel stehend für die Diskussion. Wenn Sie dann zur entsprechenden Phase kommen, nehmen Sie mit ruhigen und langsamen Bewegungen, fast wie in Zeitlupe, die neue Position ein. Wenn Sie zwischen einzelnen Phasen mehrmals hin und her wechseln, dann tun Sie das auch räumlich. Wenn Sie ein sehr lebendiger Typ sind, dann hauchen Sie in den einzelnen Positionen Ihrer Körpersprache mehr Leben ein. Aber vorsichtig: Hektische Bewegungen lenken ab und lassen den Kontakt zum Publikum abreißen. Nützen Sie immer die Kraft der Langsamkeit!