Ellis Kaut

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Gute-Nacht-Geschichten

Mit drei neuen Geschichten frei erzählt nach Ellis Kaut
von Uli Leistenschneider

Mit Illustrationen von Barbara von Johnson,
Zeichnerin der Original-Pumucklfigur

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KOSMOS

Umschlaggestaltung von Weiß-Freiburg GmbH Grafik und Buchgestaltung

Unter Verwendung einer Illustration von Barbara von Johnson

Entwurf der ursprünglichen Pumucklfigur von Barbara von Johnson,

weiterentwickelt von Brian Bagnall.

Quellenverzeichnis:

„Das verkaufte Bett“, aus: „Meister Eder und sein Pumuckl“. © 1991 Lentz Verlag

„Der verdrehte Tag“ (gekürzt), aus: „Pumuckl auf heißer Spur“. © 1994 Lentz Verlag

„Das Spielzeugauto“ (gekürzt), aus: „Pumuckl geht aufs Glatteis“. © 1993 Lentz Verlag

„Die Grippetabletten“ (gekürzt), aus: „Pumuckl und das Schloßgespenst“. © 1992 Lentz Verlag

„Pumuckl und Puwackl“ (gekürzt), aus: „Pumuckl und Puwackl“. © 1992 Lentz Verlag

„Pumuckl auf Hexenjagd“ (gekürzt), aus: „Pumuckl auf Hexenjagd“. © 1992 Lentz Verlag

Neue Geschichten:

„Der neue Fernseher“, „Pumuckl kann nicht schlafen“ und „Pumuckl und das Glück“, frei erzählt nach Ellis Kaut von Uli Leistenschneider. © 2018 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2018, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-16363-4

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

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Das verkaufte Bett

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Eines Morgens, kurz nachdem der Pumuckl zum Meister Eder gekommen war, betrat der Schreinermeister die Werkstatt. Der kleine Kobold saß friedlich auf dem Bretterstapel und gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin – der Dichtkunst. Er suchte gerade einen Reim auf das Wort »sichtbar« und fand keinen. Zu dumm, gerade auf das Sichtbarsein hätte er sich gern einen Reim gemacht.

Kaum trat Eder ein, begannen auch schon die Seltsamkeiten des Sichtbarseins: Pumuckl war über und über voll Sägemehl und Hobelspäne und musste sich erst ausklopfen und schütteln und putzen (gerade in diesem Punkt ist Unsichtbarsein viel praktischer!). Und dann bekam er ein seltsames Gefühl im Bauch.

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»Oooh – ooh, mein Bauch ist hohl und leer, soo leer«, jammerte der Kobold.

»Du wirst Hunger haben«, klärte ihn Eder auf. »Komm, wir frühstücken.«

»Früh stücken? Was tut man, wenn man stückt?«

»Nun, man isst eben etwas.«

»Stimmt, alle sichtbaren Wesen essen ja!«, fiel dem Kobold ein. »Geht dann das dumme Gefühl im Bauch weg?«

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»Auf der Stelle«, versicherte Eder. Und er hatte nicht zu viel versprochen. Der Pumuckl verspeiste einen ganzen Löffel Erdbeermarmelade und trank dazu einen Eierbecher voll Kaffee. Daraufhin fühlte er sich so wunderbar wie noch nie in seinem Leben.

»Ich stücke nur noch, mal früh, mal spät«, erklärte er feierlich. Nach dem Frühstück nahm Meister Eder einen Besen, um endlich die Werkstatt sauber zu fegen. Aber er kam nicht weit. Kaum näherte er sich mit dem Besen den Hobelspänen, fing der Kobold an zu schreien, als ginge es um sein Leben:

»Nicht zusammenkehren! Meine schönen Sägespäne!« Und er hüpfte vor dem Besen hin und her, sodass Eder aufhören musste, wollte er den kleinen Kerl nicht mit wegkehren.

»Wo soll ich denn schlafen, wenn du alle Sägespäne wegkehrst?«

»Du kannst doch nicht immer in diesem Holzabfall schlafen!«

»Warum nicht? Hab ich doch bisher auch getan.«

»Weil ich dich sonst eines Tages aus Versehen mit in den Ofen werfe.«

»Macht nichts – da hüpfe ich einfach wieder heraus!«

»Wenn ich dich aber reinwerfe und du bist gerade sichtbar, dann verbrennst du!«

Pumuckls Gesicht wurde vor Schreck ganz blass. Daran hatte er nicht gedacht.

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»Dann – dann musst du eben die Hobelspäne da hintun, wo du sie nicht zusammenkehrst. Auf den Tisch vielleicht!«

»Das gäbe eine schöne Unordnung! Nein, danke!«

»Kobolde lieben aber Unordnung!«, versicherte Pumuckl eifrig.

»Schreiner lieben aber Unordnung gar nicht. Da müssen wir schon eine andere Lösung finden!«

»Ich will nicht, dass du eine Lösung findest! Und wenn, dann verstecke ich die Lösung einfach auf Nimmerwiederfinden!« Pumuckl stampfte mit seinen kleinen Füßen auf. »Ich will keine Lösung, sondern Späne haben! Raschelt so schön, schläft sich so gut, versteckt sich so fein!« Schleunigst legte er sein Gesicht in feierliche Falten: »Wo Späne sind, ist alles gut! Das ist ein Koboldsgesetz!«

»Das gilt sicher nur für unsichtbare Kobolde, und du bist …« Da verzog Pumuckl sein Gesicht, als wollte er gleich zu weinen anfangen: »Oh, warum nur bin ich sichtbar geworden – kann nicht mehr schlafen, kann nicht mehr rascheln, kann nicht mehr …«

»Natürlich kannst du schlafen! Du bekommst von mir ein Bett. Wozu bin ich Schreiner? Ich mache dir ein wunderschönes kleines Himmelbett!« Meister Eder lächelte. »Wer sichtbar ist, der braucht ein Bett – Sichtbarkeitsgesetz!«

In Pumuckls Stirn gruben sich tiefe Nachdenkefalten.

»Sag mal, haben alle sichtbaren Wesen ein Bett?«

»Aber ja, Pumuckl.«

»Die Vögel auch?«

»Ja – das Bett der Vögel ist das Nest.«

»Und die Hunde?«

»Die großen haben ein Bett aus Stroh in der Hundehütte.«

»Und die kleinen?«

»Die schlafen auf einem Kissen oder Polster.«

»Und die Mäuse und die Hasen und die Katzen?«

»Alle haben einen sauberen Platz, wo sie schlafen. Nur der schlampige Pumuckl will in den Sägespänen schlafen.«

Da glätteten sich die Nachdenkefalten des Pumuckl und sein Gesichtchen strahlte. »Dann will ich auch ein Bett haben. Mach schnell eins, ganz schnell!« Und schon reimte er vergnügt:

»Ein Bett wär nett, wenn ich’s schon hätt!«

Nun, ganz so schnell ging es natürlich nicht. Aber Meister Eder machte sich gleich an die Arbeit. Er rechnete und zeichnete, und dann suchte er ein besonders gut geeignetes Holz und fing an zu sägen und zu schnitzen und zu leimen. Pumuckl schaute ihm zu und versteckte nicht ein einziges Mal auch nur ein Holzteilchen. So entstand das entzückendste Puppenbettchen, das man sich nur vorstellen kann. Zuletzt bemalte es Meister Eder auch noch bunt wie ein altes Bauernbett, und da stand es nun in seiner ganzen Pracht. Andächtig sagte der kleine Kobold: »Das – das ist viel schöner als das Nest vom Vogel und noch viel schöner als alle Betten von Hunden und Hasen und Katzen und Mäusen«, und seine beiden Ohren wurden rot vor Stolz. »Das ist ein richtiges Bett für den Kobold Pumuckl aus dem Geschlechte der Klabauter!«

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Meister Eder freute sich selbst an der gut gelungenen Arbeit. »Hat mir Spaß gemacht«, sagte er.

»Und ich habe dir sooo geholfen dabei.«

An diese Hilfe allerdings konnte sich Meister Eder nicht erinnern.

»Davon habe ich aber gar nichts gemerkt. Was hast du denn geholfen?«

»Viiiel! Keinen Farbtopf umgeworfen, keine Feile weggeschleppt, kein Glaspapier versteckt, dich nicht gepickt und gezwickt – und dafür jetzt ein schönes Bett gegrickt!«

»Gekriegt!«, verbesserte Meister Eder.

»Gekriegt!!«, wiederholte Pumuckl übermütig und fing an, wie ein Gummiball auf und ab zu hüpfen, und dazu sang er im Takt: »Bett gekriegt, bald darin geliegt, in Schlaf gewiegt, Pumuckl sehr vergniegt – äh, vergnügt. Sehr vergnügt!!«

Ja, beide waren wirklich sehr vergnügt – bis Frau Reiser kam. Frau Reiser ist eine Kundin vom Meister Eder, eine nette Frau, die Mutter der sechsjährigen Doris und des elfjährigen Herbert. Sie hatte nur keine Ahnung vom Kobold Pumuckl und seiner Freude über das Bett. Aber daraus kann man ihr eigentlich keinen Vorwurf machen. Sie kam also über den Hof auf die Werkstatt zu und Meister Eder sagte: »Pst! Pumuckl – Kundschaft kommt!«

»Schnell, versteck mein Bett!«, rief der Pumuckl ahnungsvoll.

»Die nimmt dir’s doch nicht weg«, meinte der Schreiner.

»Gib’s her – ich versteck es in dem Hobelspänehaufen!«

Wirklich, der Haufen war immer noch nicht weggekehrt, weil Eder das über der Arbeit an dem Bett einfach vergessen hatte. Er legte es in die Hobelspäne und sah noch, wie der Kobold seine kleinen Arme voll der feinen Holzkringel nahm und sie in das Bett hineinpackte und sich dann darauflegte und genießerisch die Augen schloss. So lag das bunte Bett halb von Hobelspänen zugedeckt auf dem Holzabfallhaufen.

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Und das war ein Verhängnis.

Frau Reiser kam also und bat den Schreinermeister, er möge ihr doch einen Aufbau auf ihren Schrank machen, weil sie damit dann eine schöne Schrankwand hätte. Er sollte zu ihr in die Wohnung kommen und die genauen Maße notieren. Meister Eder sagte zu, und Frau Reiser wollte gerade zufrieden wieder gehen, als ihr Blick zufällig auf den Haufen Hobelspäne fiel.

»Was liegt denn da?«, fragte sie. »Das sieht ja aus wie ein kleines Puppenbett!«

»Ach – das ist nichts«, versuchte Meister Eder abzuwehren. Aber schon hatte sich Frau Reiser gebückt und hielt das Pumucklbett in ihrer Hand. Fast hätte sie’s gleich wieder fallen lassen, so gezwickt hatte sie irgendetwas – aber sie hielt es fest.

»Das ist ja entzückend«, sagte sie und rieb sich die Stelle, an der sie gezwickt worden war. »Haben Sie das gemacht, Herr Eder?«

»Ach n-nein, das – das ist nur so eine Spielerei«, stotterte der Meister verlegen.

»Und so was werfen Sie zum Abfall?! Also wissen Sie, Herr Eder, das ist genau das, was sich meine Doris schon immer für ihre Puppe gewünscht hat. Das stimmt auch genau in der Größe!«

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Erschrocken meinte Eder: »Aber nein, das ist nicht für eine Puppe, das ist für …«

»Für was ist es denn?«

Ja, für was? Wenn er sagte »für einen Kobold«, würde sie ihn auslachen. Ihm fiel in der Eile einfach nichts ein. Frau Reiser lachte. »Sie werden doch nicht selbst darin schlafen wollen!« Dann sah sie seine Verlegenheit, deutete sie aber ganz falsch.

»Aber Herr Eder, für die Arbeit brauchen Sie sich wirklich nicht zu genieren. Ich kauf sie Ihnen ab. Was verlangen Sie?«

»Aber – aber das ist ja gar nicht verkäuflich!«

»Zum Wegwerfen ist es aber auch viel zu schade. Geben Sie’s mir bitte! Ich zahle Ihnen zehn Mark1 dafür!« Und schon hatte sie den Geldschein auf die Hobelbank gelegt und das Bett in ihrer Tasche verschwinden lassen. »Vielen Dank! Meine Doris wird sich riesig freuen!« Und fort war sie, ehe Eder sich auch nur von der Stelle rühren konnte. Einen Augenblick war völlige Stille in der Werkstatt.

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Dann ein spitzer, schriller Schrei, und Pumuckl sprang wie ein Schachtelteufel auf die Hobelbank. Er stampfte mit den Füßen und sein roter Schopf stand ihm senkrecht in die Höhe – sogar das Haarbüschel, das sonst immer in die Stirn hing, sah wie ein Horn aus –, und er schrie in fürchterlichem Zorn:

»Mein Bett! Sie hat mein Bett mitgenommen! Mein Bett! Ich will mein Bettchen wiederhaben!« Dann griff er voll Wut nach allem, was um ihn herum lag, nach Nägeln und Schrauben und Schachteln und Bleistiften und warf sie auf den Boden, dass es nur so polterte. Und er schrie und heulte: »Mein Bettchen ist fort! Mein Bett!«

Dieser Zornausbruch war dem Meister denn doch zu viel.

»Hör auf! Was fällt dir denn ein!!«

»Und was fällt dir ein! Es gehört mir und nicht ihr, mir und nicht ihr! Oooh, ich …«

»Es tut mir ja auch leid, aber …«

Pumuckl hörte gar nicht zu.

»Oooh – ich weiß, was ich tu! Ich weiß es!!«, schrie er. »Ich sause ihr nach – ich springe durchs Fenster – ich hole mein Bett!« Und wie aus der Pistole geschossen, so schnell, dass man fast den Wind pfeifen hörte, sprang der Pumuckl aus dem Werkstattfenster.

»Pumuckl!«, rief der Meister Eder hilflos. Und noch mal »Pumuckl!« Der Pumuckl aber hörte Eders Stimme nicht mehr. Mit der Schnelligkeit der Unsichtbaren lief er Frau Reiser nach und holte sie auch bald ein. Er umkreiste die Tasche, um das Bett herauszuzerren, aber sie war verschlossen. Da heftete er sich an Frau Reisers Fersen – nicht ohne so wütend an ihren Strümpfen zu zerren, dass etliche Maschen zu laufen anfingen – und gelangte mit ihr in Reisers Wohnung.

Im Kinderzimmer saß Herbert an seinem Tisch und lernte englische Wörter auswendig, während die kleine Doris mit ihrer Puppe spielte. Sie tat das nicht still, sondern sie redete laut mit ihrer Puppe. Das störte natürlich Herbert gewaltig beim Lernen.

Er fuhr seine Schwester an: »Hör mit dem Geplapper auf, zum Kuckuck!«

Aber Doris sagte darauf nur: »Wenn ich nicht laut rede, versteht mich meine Puppe nicht!«

Herbert hatte grundsätzlich etwas gegen Puppen. »Deine blöde Puppe versteht dich sowieso nicht, ganz gleich, ob du laut oder leise redest«, fauchte er.

Aber Doris war da entschieden anderer Meinung. »Meine Puppe ist nicht blöd – aber du bist blöd.«

Da kam die Mutter ins Zimmer – hinter ihr Pumuckl. Sie holte das Bettchen aus ihrer Tasche und zeigte es Doris. Das Mädchen jubelte vor Freude. Herbert sagte nur verächtlich: »Pah – auch noch ein Bett für die blöde Puppe!«

Frau Reiser wies ihn zurecht.

»Ach Mutti, du hast ja keine Ahnung, wie sich Doris dauernd mit ihrer Puppe aufführt. Ich kann überhaupt nicht lernen! Sie quatscht und redet ununterbrochen laut mit diesem glotzäugigen Ding!«

Doris drückte die Puppe fest an sich. »Paulinchen ist nicht glotzäugig«, sagte sie bestimmt.

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»Jetzt gebt mal acht«, entschied die Mutter. »Die Doris bekommt das Bettchen für ihre Puppe nur unter der Bedingung, dass sie Herbert lernen lässt. Und du kümmerst dich um deine Wörter und nicht um deine Schwester. Verstanden?«

Damit ging sie in die Küche und ließ die Kinder allein. Die Kinder und den Pumuckl!

Der Kobold ließ sein Bettchen nicht aus den Augen. Er stand unsichtbar daneben und sah zornbebend zu, wie Doris es mit Stoffresten füllte und die Puppe darauf bettete. Er konnte nichts tun, solange sie alles fest in ihren Kinderhänden hielt, aber kaum wendete sie sich nur ein wenig ab, zerrte er die Stoffreste heraus. Doris wunderte sich zunächst nicht sehr darüber, stopfte geduldig immer wieder alles hinein und sagte halblaut zu ihrem Püppchen: »Aber Paulinchen, du musst schön liegen bleiben. Du darfst nicht alles herausstrampeln!« Dann kam aber der Augenblick, wo sie die Geduld verlor: sie fauchte ihren arglos Wörter lernenden Bruder an: »Herbert – das bist du! Immer, wenn ich mich umdrehe, wirfst du mir schnell alles heraus!«