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INHALT

Vorwort

Grundwissen Verdauung

Interview mit den Ernährungs-Docs:
Verdauung gut, alles gut?

Verdauung und Stoffwechsel

Eine gesunde Darmflora

Interview mit Dr. Klasen:
Was unseren Darm stresst

Kurioses rund um die Verdauung

Neues aus der Forschung

Reflux

Lebensmittelauswahl bei Reflux

Reizdarm und Reizmagen

Magen-Darm-Infekte

Dünndarmfehlbesiedlung

Nahrungsmittelintoleranzen

Lebensmittelauswahl bei Fruktoseintoleranz

Divertikulose

Verstopfung

Fettleber

Tumore im Magen-Darm-Trakt

Autoimmunerkrankungen

Interview mit Dr. Fleck:
Ist die Angst vor Gluten gerechtfertigt?

Zöliakie, Weizenallergie und -sensitivität

Verdauung: Wissenswertes und Mythen

Essen für einen gesunden Magen-Darm-Trakt

So essen Sie sich gesund

Ballaststoffe: Schwung für den Darm

Verschiedene Ernährungsformen

Lebensmittelauswahl für FODMAP-arme Ernährung

Was der Darm gern mag

Fast Food, Fertiggerichte und ihre fatale Wirkung

7 Super-Lebensmittel für die Verdauung

Antibiotika

Interview mit Dr. Riedl:
Nahrungsergänzung pro und contra

Hausapotheke: Gutes für den Bauch

Achtsamkeit beim Essen

Rezepte zum Genießen

Frühstück

Kleine Gerichte

Special: Snacks – frisch gemacht und fix zur Hand

Hauptgerichte

Special: Snacks – schnell fertig und gut zu lagern

Süßes

 

Die Ernährungs-Docs

Hilfreiche Adressen, Hinweis, Bildnachweis

Impressum

 

Die Symbole bei den Rezepten

Vegan

Vegetarisch

Schnell

Glutenfrei

Low Carb

Ballaststoffreich

Gesund essen und gesund verdauen

Er reagiert sofort, wenn er nicht gut behandelt wird: Der Magen-Darm-Trakt trägt erheblich dazu bei, ob wir krank oder gesund sind, ob wir uns wohlfühlen oder der Körper uns signalisiert „Da stimmt etwas nicht“. Die richtige Ernährung ist die größte Chance, um Magen, Darm und Co. zu schützen, zu stärken und zu heilen.

Sich wohlfühlen im eigenen Körper und lange gut leben – wer wünscht sich das nicht? Der beste Weg dorthin führt – etwas salopp gesagt – durch den Bauch. Der Darm ist entwicklungsgeschichtlich gesehen eines unserer ältesten Organe und hat sich vielen Änderungen immer wieder angepasst. Nun haben sich unsere Nahrungsmittel und Essgewohnheiten in kurzer Zeit dramatisch verändert. Wir essen nicht mehr naturbelassen, sondern überwiegend Fertignahrungsmittel vom Discounter. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Neueste Forschungen haben gezeigt, dass wir sehr, sehr viel davon haben, wenn wir unseren Darm gut pflegen. Die Verdauungsorgane sind der Schlüssel zu Gesundheit, Fitness und einem langen Leben. Sie sind hochkomplexe Sensibelchen, wenn ihnen etwas nicht passt, aber auch dankbare, fleißige Arbeiter, wenn sie bekommen, was sie brauchen. Wer ihnen den Job erleichtert, wird reich belohnt. „Fast alles im Leben ist eine Frage der Ernährung“, wusste in der Antike schon Paracelsus.

Wenn es dem Bauch nicht gut geht, fühlt der Mensch sich schlecht. Ob Völlegefühl, Verstopfung, Durchfall oder Bauchkrämpfe – solche Beschwerden machen fast jedem hin und wieder zu schaffen. Sie lassen sich in der Regel mit einer Ernährungsumstellung schnell lindern. Erst wenn Schmerzen häufig auftreten oder chronisch werden, droht Gefahr. Zu den häufigsten ernsthaften Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts gehören Entzündungen, Infektionen und Krebserkrankungen, die einen in jedem Alter treffen können. Zum Glück ist die Medizin inzwischen sehr weit. Viele Erkrankungen lassen sich mit neuesten Methoden und Erkenntnissen frühzeitig erkennen und behandeln.

Wir vermitteln Ihnen in diesem Buch nicht nur das nötige Wissen über die verschiedenen Krankheiten und Beschwerden, sondern geben Ihnen vor allem Ernährungstipps für den Alltag. So unterschiedlich wie die Erkrankungen sind auch die Ernährungsstrategien: Was bei Durchfall schadet, kann bei Verstopfung hilfreich sein. Was bei dem einen Sodbrennen verursacht, ist für den anderen ein wichtiger Vitamin-lieferant. Außerdem möchten wir Sie vor Erkrankungen bewahren. Viele Beschwerden entstehen gar nicht erst, wenn Sie sich angemessen ernähren. Gesundes Essen wirkt häufig besser als Tabletten. Wie in unserer Sendung „Die Ernährungs-Docs“ kommen auch in diesem Buch Patienten zu Wort, die mit einer Ernährungsumstellung langes Leiden beenden konnten.

In der zweiten Hälfte dieses Buchs finden Sie mehr als 60 Rezepte, die – jeweils passend zu Beschwerden und Erkrankungen – nicht nur gut für Ihre Verdauung sind, sondern Ihnen bestimmt auch gut schmecken.

GRUNDWISSEN VERDAUUNG

Was bewirkt unsere Nahrung im Magen-Darm-Trakt? An welcher Stelle holt sich der Körper die Nährstoffe, die er braucht? Und wie arbeitet eigentlich die Magenschleimhaut? Unsere Verdauung ist eine komplexe Angelegenheit. Die Natur hat jeden Schritt vom Kauen bis zum Ausscheiden fein aufeinander abgestimmt und ein faszinierendes System geschaffen, das sich leider leicht aus dem Gleichgewicht bringen lässt. Erfahren Sie von den Ernährungs-Docs, wie Sie mit gesunder Ernährung Magen-Darm-Beschwerden und Erkrankungen lindern und heilen können.

Verdauung gut, alles gut?
Warum sie so wichtig für uns ist

Alles, was wir essen und trinken, muss durch ihn durch: Im Verdauungstrakt werden die entscheidenden Weichen für unsere Gesundheit gestellt. Was können wir dafür tun, dass es Magen, Darm und Co. gut geht und damit auch uns? Die Ernährung wirkt hier ganz direkt – und kann uns krank machen, aber auch zur Gesundung beitragen.

Welchen Einfluss hat die Verdauung auf unser Wohlbefinden?

Dr. Klasen: Unsere Gesundheit hängt ganz entscheidend davon ab, ob das Verdauungssystem funktioniert. Es besteht ja aus verschiedenen Organen – von der Mundhöhle über die Leber, Galle bis zum Darmausgang – und muss Höchstleistungen vollbringen. Bis zu einer Tonne Nahrung knetet der Magen durch, Jahr für Jahr. Hier werden die Nährstoffe verwertet, die für uns lebenswichtig sind.

Dr. Fleck: Und hier befindet sich auch das Zentrum unseres Immunsystems. Mehr als 70 Prozent der körpereigenen Abwehr werden im Darm organisiert. Grundlage dafür ist eine intakte Darmflora. Insgesamt haben wir etwa 100 Billionen Bakterien im Darm, die ein bis zwei Kilo unseres Körpergewichts ausmachen.

Dr. Riedl: Ohne diese Bakterien könnten wir nicht überleben. Die Menschen sollten mehr auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Geht es dem Bauch schlecht, geht es ihnen schlecht. Das Risiko beispielsweise für Diabetes, Übergewicht und Krebs steigt dann oft drastisch an.

Beeinflusst die Verdauung also nicht nur die typischen Erkrankungen im Bauchraum?

Dr. Klasen: Nein, die Forschung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass eine ganze Reihe von Erkrankungen mit unserem Verdauungssystem zu tun hat. Unser Wohlbefinden, auch das seelische, hängt entscheidend von der Verdauung ab. Nicht zufällig sagen wir ja: Das muss ich erst mal verdauen! Oder auch: Das ist mir auf den Magen geschlagen.

Dr. Riedl: Ja, nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern vor allem auch Ärger und Stress. Wir sehen inzwischen eine Vielzahl von Zusammenhängen zwischen den Darmbakterien und Krankheiten, bei denen man es vielleicht nicht erwarten würde. So ist auch bei psychiatrischen Leiden wie Alzheimer oder Autismus die Darmflora nachweislich verändert.

Dr. Fleck: Die Forschung ist bei dieser Frage noch in vollem Gange. Aber klar ist, dass eine enge Verbindung zwischen Gehirn und Darm besteht – unser größtes Organ ist keinesfalls nur ein langer Schlauch, durch den das tägliche Essen rutscht.

Was hat es denn mit dem sogenannten Darm-Hirn auf sich?

Dr. Riedl: Dass der Darm inzwischen häufig mit dem Gehirn verglichen wird, dafür gibt es verschiedene Gründe: Zwar hat das Gehirn mit Abstand am meisten Nervenzellen, aber schon auf Platz zwei kommt der Darm. Tatsächlich gibt es im Darm dieselben Typen von Nervenzellen wie im Kopf. Und wie unser Gehirn trifft auch unser Darm sekündlich eine Vielzahl von Entscheidungen.

Dr. Fleck: Außerdem ist es so, dass alle 30 Neurotransmitter, die es im Gehirn gibt, auch durch den Darm strömen – also Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin und viele mehr. Wir wissen, dass der Darm in ständigem Austausch mit dem Gehirn steht. Und diese Kommunikation zwischen den beiden Organen ist für uns lebenswichtig.

Dr. Klasen: Ein Beispiel: Wenn wir etwas Giftiges zu uns nehmen, signalisiert der Darm dies dem Gehirn – und das muss dann schnellstmöglich Durchfall oder Erbrechen auslösen. Manchmal ist das Hirn im Bauch sogar schlauer als unser Oberstübchen. Unsere Verdauung ist also viel mehr als ein rein technischer Vorgang. Welches Essen unseren Organismus wie beeinflusst, ist die zentrale Frage.

Inwiefern spielt die Ernährung denn so eine große Rolle?

Dr. Riedl: Wir wissen, dass Essen wie Medizin wirken kann, oft sogar besser als Tabletten. Und nirgendwo funktioniert das so gut und direkt wie im Verdauungstrakt. Daher ist es auch nur logisch, dass das falsche Essen Erkrankungen auslösen beziehungsweise verschlechtern und das richtige Essen ganz wesentlich zur Heilung beitragen kann.

Dr. Fleck: In diesem Buch wollen wir deshalb auch konkret zeigen, bei welchen Erkrankungen im Bauchraum welche Ernährung die richtige ist. Denn wir beobachten zunehmend, dass eine gute Verdauung längst nicht selbstverständlich ist.

Dr. Klasen: Zum Beispiel ist etwa jeder fünfte Deutsche von Reflux betroffen – mit fatalen Folgen wie erhöhter Krebsgefahr. Immer mehr Menschen haben einen Reizdarm oder auch Reizmagen. Wir sehen eine Vielzahl von Patienten, die an Morbus Crohn erkrankt sind, oft mit einem extremen Leidensdruck. Auch Verstopfung, die Obstipation, ist heute weitverbreitet.

Kann ich mir mit der richtigen Ernährung nicht auch einfach selbst helfen?

Dr. Fleck: Das Schöne an der individuellen Ernährungsmedizin ist, dass unsere Patienten merken, dass sie ihre Gesundheit selbst beeinflussen können – oft mit erstaunlich einfachen Mitteln. Dennoch ist es unbedingt notwendig, dass bei anhaltenden Beschwerden ein erfahrener Arzt zurate gezogen wird.

Dr. Klasen: Vor allem wird eine Ernährungstherapie nur dann erfolgreich sein, wenn eine gesicherte Diagnose vorliegt. Ist dies der Fall, kann man sich an einen Ernährungsexperten wenden. Der wird mit Ihnen gemeinsam eine individuelle Strategie für Sie ausarbeiten. Wichtig: Der Hausarzt sollte auf dem Laufenden gehalten werden.

Dr. Riedl: Ja, gerade bei schweren Erkrankungen muss die Ernährungstherapie Hand in Hand mit der klassischen Medizin erfolgen. Das Buch soll helfen, Zusammenhänge zu verstehen, aber auch Dinge selbst anzupacken. Unser Tipp: Ein Ernährungsprotokoll über sieben bis 14 Tage zeigt oft schon Knackpunkte, die eine gute Verdauung behindern.

Dr. Klasen, Dr. Fleck und Dr. Riedl wissen Rat.

Verdauung und Stoffwechsel:
Was passiert im Körper?

Damit wir optimal versorgt werden und Stoffwechselendprodukte ihren Weg nach draußen finden, laufen im Organismus ständig Prozesse ab, die für uns unsichtbar sind. Was passiert während des Verdauungsvorgangs im Magen-Darm-Trakt?

Verdauung? Da denken wir meist an all die Vorgänge, die sich im unteren Teil des Körpers abspielen. Das stimmt aber nicht ganz, denn die Verdauung beginnt bereits in der Mundhöhle (1). Hier werden alle größeren Teile mit den Zähnen zerkleinert. Damit der entstandene Brei vor dem Schlucken weich genug ist, kommt Speichel ins Spiel. Etwa 1,5 Liter stehen uns täglich zur Verfügung. Denn so, wie wir unser Essen aufnehmen, könnte der Körper es nicht verwerten. Der gesamte Verdauungsvorgang ist ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Prozessen, die ineinandergreifen und ein großes Ziel haben: Die wichtigen Nährstoffe müssen ins Blut, überflüssige Stoffwechselprodukte sollen pünktlich wieder draußen sein. An jeder Stelle wird die Nahrung „behandelt“, also zerkaut, aufgeweicht oder mit Sekreten versetzt, um alles herauszuholen, was wir brauchen. Unsere Verdauungsorgane leisten Schwerstarbeit, damit sie alle notwendigen Stoffe aus der Nahrung herausfiltern und fachgerecht im Organismus verteilen können.

Der Magen bildet Verdauungssekrete

Bereits beim Kauen beginnt das Programm. Die Zunge schiebt alles Essbare immer wieder zwischen die Zähne. Dadurch, dass die Nahrung zerkleinert wird, können wir den Geschmack besser wahrnehmen, was im Mund die Speichelproduktion anregt. In diesem Stadium spaltet das Enzym Amylase komplexe Kohlenhydrate in süß schmeckende Bausteine. Wenn Sie sich schon einmal gefragt haben, warum zum Beispiel Brot nach längerem Kauen süßer schmeckt, wissen Sie jetzt: Das liegt an den Amylasen. Schon während wir kauen, bereitet der Magen sich auf das vor, was ihn danach erwartet, indem er für die Verdauung wichtige Sekrete bildet.

Das Geruchsgeheimnis

Beschaffenheit, Farbe, Form – je nachdem, wie ein Mensch sich ernährt, sehen seine Exkremente sehr unterschiedlich aus. Fleischesser scheiden Härteres und Schwereres aus als Vegetarier, denn Fleisch liegt aufgrund seines Proteingehalts länger im Darm, wo ihm deshalb mehr Wasser entzogen wird. Bei Vegetariern geht’s schneller durch. Dafür werden auch größere Mengen produziert. Dass es bei Fleischessern stärker riecht, liegt am tierischen Eiweiß, das Duftstoffe bildet, die schon in kleinen Mengen intensiv wahrnehmbar sind.

Saures Milieu von Vorteil

Muskelbewegungen sorgen dafür, dass der Nahrungsbrei seinen Weg von der Außen- in die Innenwelt durch die Speiseröhre (2) in den Magen findet. Das Essen rutscht nicht einfach von oben nach unten, sondern es wird in wellenartigen Kontraktionen dorthin gedrückt – ob wir wollen oder nicht. So würde sich der Magen sogar im Kopfstand füllen. Während in der Mundhöhle nur die Vorarbeiten erledigt wurden, beginnt die eigentliche Verdauung im Magen (3). Jeden Tag werden 1,5 bis 3 Liter Magensaft gebildet. Im Gegensatz zum Dickdarm ist der Magen so gut wie keimfrei. Hier ist es extrem sauer, es herrscht ein pH-Wert von 1,5, der durch die Magensäure (Salzsäure) realisiert wird und Bakterien abtötet. Der Magensaft lockert das Eiweiß auf, sodass wichtige Enzyme (wie das eiweißspaltende Enzym Pepsin) es besser aufspalten können. Die Verdauung der Kohlenhydrate, die im Mund begonnen hat, liegt im Magen brach.

Damit nichts durcheinanderkommt, sind Ein- und Ausgang abgeriegelt. Ein Verschlussmuskel versperrt den Weg zurück in die Speiseröhre: Der sogenannte Pförtnermuskel sorgt dafür, dass nichts weiterrutscht, solange es noch nicht richtig verarbeitet ist.

Nährstoffaufnahme im Dünndarm

Auch für den Weitertransport in den Dünndarm (4) sorgen Muskeln, die den bereits in kleinste Bestandteile zerlegten Nahrungsbrei zuerst einmal in den Zwölffingerdarm bringen. Das ist der kürzeste Abschnitt des Darms, der insgesamt 3 bis 5 Meter lang ist und aus drei Abschnitten besteht: dem Zwölffinger-, dem Leer- und dem Krummdarm. Im Dünndarm sorgen Gallensäfte und Sekrete aus der Bauchspeicheldrüse dafür, dass verwertbare, gespaltete Nahrungsbestandteile in den Körper gelangen. Elementarbausteine sind endgültig abgebaut. Zusammen mit allem, was wir getrunken haben, befinden sich jetzt 5 Liter Verdauungssäfte im oberen Darmtrakt.

Im Dünndarm findet auch die Fettverdauung statt. Dafür bildet die Leber Gallenflüssigkeit, die die Fette angreifbarer macht, sodass sie sich besser über die Lymphe ins Blut transportieren lassen. Die Eiweiß- und die Kohlenhydratverdauung setzen sich im Dünndarm fort, der übrigens auch der Ort ist, an dem Vitamine aufgenommen werden – die fettlöslichen gehen in die Leber und ins Fettgewebe, überschüssige wasserlösliche in die Nieren, die sie dann ausscheiden.

Der menschliche Verdauungstrakt in der Übersicht.

Der Dickdarm entzieht Wasser

Der Dickdarm (5) muss sich anschließend mit allem beschäftigen, was im Dünndarm nicht aufgenommen wurde. Hier befinden sich Bakterien, die fürs Immunsystem wichtig sind. Sie bauen einen Teil der Ballaststoffe ab und zersetzen unverdauliche Reste. Der Dickdarm entzieht dem Nahrungsbrei auf dem letzten Stück seiner Reise Wasser, setzt aber auch Schleim zu, damit der Stuhl leicht hinausgleiten kann. Das, was schließlich als Ausscheidung in der Toilette landet, entsteht durch Wellenbewegungen, die am Ende reflexartige Kontraktionen sind. Der Schließmuskel wird schlaff, der Bauch presst mit – die Verdauungsarbeit ist vollbracht.

Eine gesunde Darmflora:
Auf die Vielfalt kommt es an

Die Bedeutung der Darmbakterien für unsere Gesundheit wird immer besser erforscht. Wir profitieren von einem guten Miteinander der „Darmbewohner“ und können über die Ernährung selbst aktiv werden, um Krankheiten vorzubeugen.

Der Darm spielt auch beim Jungbleiben eine wesentliche Rolle, zumindest bei den Killifischen. Das konnte man in einem bahnbrechenden Versuch nachweisen. Die bunten Meeresbewohner leben maximal 16 Wochen und eignen sich daher gut als Studienobjekte zum Thema Altern. Die Männchen werden mit dem Alter immer blasser und inaktiver. Nachdem Forscher einem alternden Männchen die Darmflora eines Jünglings eingepflanzt hatten, wurde der Fisch wieder aktiv und farbenfroher. Ganz so einfach lässt sich das zwar nicht auf den Menschen übertragen, aber es zeigt die Bedeutung der Darmbakterien für die Gesundheit. Auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen konnte in Einzelfällen durch Stuhltransplantation eine Linderung der Entzündung beobachtet werden. In einer kleinen Studie mit zehn Teilnehmern minderten Bifido- und Laktobakterien sowie Escherichia coli die Entzündungsaktivität bei neun Patienten drastisch.

Laktobakterien unter dem Mikroskop – sie sind Teil des Mikrobioms, der Gesamtheit der Darmflora.

Ein enormes Therapie-Repertoire

Es hat sich ein gigantisches Forschungsfeld geöffnet. Seit die Medizin langsam versteht, welch enormes noch ungenutztes Therapie-Repertoire in der Darmflora steckt, boomt die Forschung dazu. Zunehmend wird klar, dass die im Darm existierenden Bakterien – ihre Summe nennt man Mikrobiom – mit dem Menschen in einer Art Symbiose zusammenleben. Allerdings gibt es auch im Bauchraum gesunde und weniger gesunde Vertreter – wie in der Natur und in anderen Ökosystemen. Im Darm herrscht ein ökologisch einzigartiges Miteinander, das wir noch nicht bis ins Kleinste verstanden haben. Aber alles deutet darauf hin, dass unsere Gesundheit enorm von einem guten Miteinander im Darm profitiert – nicht erst seit den Killifisch-Versuchen.

So helfen die Darmbakterien bei der Produktion der Vitamine B1, B2, B5 und Biotin sowie bei der Verdauung von Kohlenhydraten und Eiweiß. Manche Bakterienstämme sind sogar in der Lage, für uns unverdauliche Ballaststoffe zu fermentieren. Sie holen für sich und für uns noch bis zu 200 Kalorien mehr Energie pro Tag aus der Nahrung. Das ist gut gemeint und eigentlich ein Überlebensvorteil, aber in Zeiten des Überflusses kann es Übergewicht fördern. Nach neuesten Studien wird der zunehmende Antibiotikagebrauch mit steigendem Übergewicht in Zusammenhang gebracht. Möglicherweise verschiebt sich das Bakteriengleichgewicht zugunsten der Dickmacher: „Gute“ Bakterien werden zurückgedrängt, „böse“ vermehren sich.

Schlechtes Essen bedroht die Vielfalt

Dabei kommt es offenbar wie in jedem Ökosystem auf die Artenvielfalt der Bakterien an. Schlechte Ernährung, viel Alkohol und sogar zu viel Salz bedrohen diese wichtige Vielfalt. Dass Salz bei Menschen den Blutdruck erhöhen kann, ist schon lange bekannt. Erst jetzt aber haben deutsche Forscher vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin herausgefunden, dass viel Salz die Menge der Milchsäurebakterien schrumpfen und den Blutdruck steigen lässt. Werden die Milchsäurebakterien wieder zugeführt, sinkt der Blutdruck. Allerdings reicht es nicht, einfach Joghurt zu essen. Wie sich die Erkenntnisse therapeutisch umsetzen lassen, muss noch erforscht werden.

Die Liste der gesundheitlichen Effekte ist schon jetzt lang. Über die Darmflora lässt sich vieles beeinflussen – zum Beispiel das Risiko für Krebs, Bluthochdruck, Nervenerkrankungen, Diabetes, Übergewicht und psychische Erkrankungen. Eine gesunde Darmflora optimiert unser Immunsystem, verbessert unsere Ausdauer- und Leistungsfähigkeit, regt Verdauung und Darmbewegungen an und versorgt die Darmschleimhaut und unsere Nervenreparaturzellen (Neurogliazellen) über die kurzkettigen Fettsäuren Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure.

Säuren mögen Ballaststoffe

Dabei sind diese Säuren eigentlich nur Stoffwechselprodukte der guten Darmbakterien, zu denen auch die Bifido- und Laktobakterien gehören. Sie essen gern Ballaststoffe und bauen diese ausgerechnet zu Substanzen ab, die unsere Darmschleimhaut zur Ernährung braucht. Der eine gibt dem anderen, was er benötigt. Nervenforscher haben die Hoffnung, dass die Neurogliazellen beschädigte Nerven reparieren und sich von diesen Säuren auch ernähren können. Erste Studien sprechen dafür, dass damit eine Chance zur Besserung der Multiplen Sklerose entsteht.

Die Hinweise und Beweise für die enorme Bedeutung der gesunden Mischung der Darmflora werden immer dichter. Und das Beste daran: Sie können sofort davon profitieren. Während bei Medikamentenstudien immer so lange geforscht werden muss, bis die Wirkung und die Unbedenklichkeit einer Therapie restlos geklärt sind, können Sie mit diesen Erkenntnissen gleich ohne Risiko loslegen. Die gesunde Ernährung, die wir Ernährungs-Docs empfehlen, ist beispielsweise reich an sogenannten Präbiotika und die sind Futter für die guten Darmbakterien.

Uraltes Wissen ist jetzt belegbar

Die Besiedelung unseres Darms beginnt übrigens sofort nach der Geburt durch die vaginale Flora und geht dann über die Hautbakterien der Mutter beim Stillen weiter. Hemmnisse für eine normale Besiedelung des Darms sind Kaiserschnitt und Flaschennahrung. Wachsen Kinder in einem Haushalt auf, in dem zu viel geputzt wird, und bekommen sie später zu oft Antibiotika, die auch gute Bakterien töten, wirkt sich das negativ auf die Darmflora aus. Auch Fast Food, viel Fleisch, Salz und Alkohol kommen bei unseren „Mitbewohnern“ nicht gut an.

So neu die wissenschaftlichen Belege auch sind, das Wissen um die Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Gesundheit ist uralt. Es wurde in der chinesischen Medizin schon im vierten Jahrhundert angewendet. Auch von Hunden ist bekannt, dass sie zur Auffrischung ihrer Darmflora fremden Kot fressen. Spektakulär sind die Stuhltransplantationen bei deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Afrika. Die schweren Durchfälle der Soldaten konnten durch Kamelmist deutlich gebessert werden – ein Tipp, den die Militärs von den Nomaden bekommen hatten.