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Delfin

1

»Hat eine von euch meinen blau-weiß gestreiften Bikini gesehen?«, rief May aus dem Fenster im Obergeschoss, und noch bevor Mum oder ich antworten konnten, knallte sie das Fenster auch schon wieder zu.

Sein Fenster.

Das große Zimmer zur Straße hatte Grandpa gehört, als er noch lebte. An diesem Fenster haben wir jeden Tag auf Mays Schulbus gewartet, und auf die Post. Grandpa hat es mit Holzplatten zugenagelt, wenn ein Hurrikan angesagt war, und dann haben wir alle vor dem dunklen Fenster beim Kerzenschein gesessen und auf den Wind gehört, der ums Haus heulte. Am liebsten haben Grandpa und ich aber von hier aus die Delfine in der Bucht beobachtet. Damals, als ich noch klein war und sonst niemand im Haus war außer ihm und mir, weil Mum arbeitete und May in der Schule war. Und später dann, als ich selbst zur Schule ging, hat er nachmittags am Fenster auf mich gewartet und ich konnte es nicht abwarten, dass er mir von seinen Delfinsichtungen während des Tages berichtete.

»Gib es schon zu, Summer, du hast ihn«, schimpfte May, die aus dem Haus gestürmt kam und sich vor mir aufbaute, sodass sie einen Schatten warf und ich ihr aufgebrachtes Gesicht gut gegen die Sonne sehen konnte.

Ich zuckte nur mit den Schultern.

»Summer, ich weiß, dass du ihn hast. Du musst ihn haben, denn er ist weg. Mum, sag doch auch mal was«, rief May.

Mum war damit beschäftigt, unser Gepäck ins Auto zu wuchten. »Also wirklich, May«, rief sie zurück und pustete sich eine rotblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du könntest uns besser helfen und nicht solch ein Theater um einen Bikini machen. Er wird schon wieder auftauchen.«

»Ja, bestimmt«, zischte May und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Und wehe, ich sehe ihn an dir, wenn wir am Strand sind.«

Gerne hätte ich gelacht, denn die Vorstellung war wirklich zu komisch. Meine Schwester May war sechzehn und hatte einen Traumkörper. Besonders über ihre Oberweite konnte sie nicht meckern. Ich dagegen war mit meinen elf Jahren, fünf Monaten und dreizehn Tagen an dieser Körperstelle noch flach wie eine Flunder. Sowieso hatte ich das Gefühl, dass ich ausschließlich in die Länge wuchs. Mays Bikini hätte einfach nur lächerlich an mir ausgesehen.

Aber egal, wie lustig die Vorstellung auch war, ich konnte einfach nicht lachen. Es saß etwas in meiner Kehle, also eigentlich tiefer, direkt hinter meinem Brustbein, das mir jedes Lachen, jedes Frohsein unmöglich machte. Es raubte mir sogar die Kraft zum Sprechen. Manchmal brachte ich Wörter hervor, aber meistens zuckte ich nur mit den Schultern, machte »Hmm« oder nickte. Mum hatte mich deswegen sogar schon zu einem Psychologen geschleppt, aber da ich auch bei ihm kein Wort herausgebracht hatte und seine Rechnungen zudem so hoch waren, dass wir dafür ein neues Dach hätten kaufen können, hatte sie es schnell wieder aufgegeben.

»Okay«, rief Mum glücklich, nachdem sie mit unserer Hilfe den Kofferraum geschlossen hatte und sich erschöpft an den Wagen lehnte. »Wir fahren besser bald los. Ferienbeginn in Florida. Es ist ein Stau auf dem Highway Eins Richtung Süden vorhergesagt.«

»Ich fahre erst, wenn ich meinen Bikini gefunden habe«, rief May kopfschüttelnd und stürmte die Treppe in ihr Zimmer hinauf.

Ich lief hinterher, bog aber oben nach links ab, in Grandpas Zimmer. Ich wollte nicht, dass May hierherkam. Ich wollte nicht, dass irgendjemand hierherkam. Und ich wollte schon zehnmal nicht, dass etwas verändert wurde. Alles sollte so bleiben, wie Grandpa es hinterlassen hatte. Damals, an dem Tag, an dem er mit seinem kleinen Boot in die Bucht hinausgefahren war und nicht wiederkam, weil mitten auf dem Meer sein Herz aufgehört hatte zu schlagen.

Sein Fernglas lag noch auf dem kleinen Schrank neben dem Fenster und mein kleines daneben. Mit schnell klopfendem Herzen hielt ich es vor meine Augen.

Die Bucht lag still und im Sonnenschein glitzernd in der Ferne. Manchmal hatte Grandpa mir Märchen von Wasserelfen erzählt, die auf der Wasseroberfläche tanzten und ihre Freunde, die Delfine, damit anlockten. Doch Delfine sah ich heute nicht.

»Du vermisst ihn«, flüsterte Mum hinter mir.

Ich biss mir auf die Backenzähne. Das hatte ich schon oft ausprobiert und es funktionierte wirklich gut. Wenn man sich nur fest genug auf die Zähne biss, musste man nicht sofort losheulen.

»Ich vermisse ihn auch«, flüsterte Mum und legte ihre Hand auf meine Schulter.

Warum schickst du mich weg? Ich will hierbleiben, hier in seinem Zimmer, und mir vorstellen, dass er gleich aus der Bucht zurückkommt und alles so sein wird wie früher, wollte ich sagen, doch weil ich beim Reden die Zähne nicht mehr zusammenbeißen konnte, ließ ich es lieber.

»Da seid ihr«, rief May, nach Luft japsend, von der Zimmertür aus und winkte mit ihrem blau-weiß gestreiften Bikini. »Ich hab ihn gefunden. Er war in der Souvenirkiste vom letzten Sommer. Weiß der Geier, wie der da reingekommen ist. Von mir aus kann’s jetzt losgehen.«

Delfin

»Summer?«, sagte Mum an der Tür, als ich noch immer am Fenster stand und hinausstarrte. Einen Moment hatte ich geglaubt, einen Delfin gesehen zu haben. »Komm schon, Summer, dort, wo du den Sommer verbringst, gibt es reichlich Delfine.«

Ich stellte das Fernglas zurück und seufzte. Mum verstand das nicht, weil sie die Delfine nicht verstand. Grandpa hatte sie verstanden. Er und ich hatten über sie Buch geführt, sie fotografiert, besonders ihre Rückenflossen. Die Rückenflosse war bei jedem Delfin ein wenig anders und an ihr konnte man die Delfine voneinander unterscheiden. Wie an einem Fingerabdruck beim Menschen. Manche kamen immer wieder in die Bucht und wir hatten ihnen sogar Namen gegeben. Nun aber lag unser Buch seit sieben Monaten geschlossen auf dem Schrank, denn der letzte Eintrag war von Grandpa und ich brachte es nicht übers Herz, etwas Neues darunterzuschreiben.

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»Also, Summer.« May klappte den Spiegel am Beifahrersitz herunter, sodass sie mich auf der Rückbank ansehen konnte, ohne sich umzudrehen. »Sobald wir das Camp erreichen, gehen wir uns aus dem Weg. Du machst dein Ding und ich meins. Schlimm genug, dass Mum dich ausgerechnet in eines unserer Sommercamps stecken musste.« Ihr wütender Blick streifte Mum. »Ehrlich, Mum, war das wirklich nötig? Ich hab mich das ganze Jahr darauf gefreut.«

Mum seufzte und zwinkerte mir kurz zu. »May, ich verstehe dich nicht. Nur weil deine Schwester mit ins Camp fährt, hast du keinen Spaß mehr daran?«

»Ich hab einfach meine eigenen Pläne und keine Lust, Summers Babysitter zu spielen.« May klappte den Spiegel wieder ein und sah stur aus dem Fenster.

Manchmal fragte ich mich, was mit May los war. Sie war ganz anders, angefangen bei ihrem Äußeren. Im Gegensatz zu Mum und mir hatte sie kein rötliches, sondern dunkles Haar und sie war nicht so blass wie wir. May kam eher nach unserem Dad und ich fand, das war schon Grund genug, glücklich zu sein. Ich mochte meine weiße Haut mit den vielen Sommersprossen nämlich überhaupt nicht und schon gar nicht das rötliche Haar dazu. Aber trotzdem hatte May ständig schlechte Laune und die ließ sie am liebsten an mir aus.

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Inzwischen hatten wir den Highway erreicht. Die Straße führte mitten über das Meer und zu beiden Seiten schimmerte bis zum Horizont das türkisblaue Wasser, auf dem kleine weiße Boote im warmen Sommerwind schaukelten.

»Traumhaft«, sagte Mum mit einem tiefen, sehnsuchtsvollen Seufzer.

Ich sah sie an und machte mir Sorgen.

Seit Grandpas Tod hatten sich die Fältchen rund um ihre Augen tiefer eingegraben, was Mum aber meistens hinter einer Sonnenbrille versteckte. Ich wusste, dass sie sich einen Urlaub nicht leisten konnte. Sie musste jetzt ganz allein für die Rechnungen aufkommen und da kam einiges zusammen, denn Grandpas Haus war alt.

Für einen Moment hatte Mum nach seinem Tod über den Verkauf des Hauses nachgedacht. Doch May und ich wollten nicht ausziehen. Da waren wir uns einig. Mum hatte nie wieder einen Verkauf erwähnt und sich stattdessen mit Handwerkern unterhalten, denn als Nächstes musste das Dach erneuert werden. Deshalb hatte Mum sich für die Sommerferien einen zusätzlichen Job gesucht, obwohl sie als Lehrerin nicht schlecht verdiente. Und jetzt schickte sie mich auch noch ins Feriencamp, wofür sie Unsummen zahlte.

Für May musste sie zum Glück nicht bezahlen. May fuhr nun schon zum zweiten Mal ins Oceanlife Rescue Center, aber als Betreuerin und Helferin in der Krankenstation und bei der Rettung der Wasserschildkröten. Sie bekam sogar ein kleines Taschengeld für ihren Job dort und deshalb hatte Mum es ihr wohl auch erlaubt, denn sonst hätten wir vermutlich nicht in Urlaub fahren können.

»Vielleicht schaffe ich es ja mal an einem Wochenende, euch im Camp zu besuchen«, sagte Mum und ich hörte den Abschiedsschmerz in ihren Worten. »Wir könnten ein Picknick am Strand machen und …«

»Sorry, Mum, aber das fehlt gerade noch. Es reicht doch wirklich, dass Summer nun wie eine Klette an mir hängen wird«, unterbrach May sie. »Versprich es, Mum. Du musst mir versprechen, dass du nicht ständig im Camp rumhängst. Du bringst uns hin und holst uns nach den Ferien wieder ab. Und bitte keine peinlichen Abschiedsszenen! Versprich es, Mum.«

»Also schön«, sagte Mum leise und zu meiner Enttäuschung.

Eine ganze Weile sah ich aus dem Wagenfenster und dachte nach.

Wenn ich es doch nur schaffen würde zu sprechen. Wenn ich Mum sagen könnte, wie sehr ich sie vermissen würde – sie und Grandpas Zimmer – und dass ich vor lauter Heimweh schon jetzt losheulen könnte. Wenn Mum wüsste, wie sehr ich mir wünschte, mit ihr im Auto sitzen zu bleiben und nach Hause zu fahren, würde sie mich bestimmt wieder mitnehmen.

So aber fuhr sie immer weiter auf dem Highway Richtung Süden, dem Oceanlife Rescue Center und dem Feriencamp entgegen.

Sie hörte mein stummes Flehen und Rufen einfach nicht.

Delfin

2

Wir erreichten einen kleinen Ort und der Highway war hier zu beiden Seiten mit Palmen und Büschen dicht bewachsen. Vor weiß gestrichenen Holzhäusern lagen Boote in der Mittagshitze, und als Mum auf einen Parkplatz fuhr, wirbelte der Sand um uns herum auf.

Oceanlife Rescue Center stand an dem weiß gestrichenen Haus mit der blauen Markise. Eine riesige Statue ragte vor dem Eingang auf, sie zeigte eine Wasserschildkröte und ein Paar ineinander verschlungene Delfine. Kaum hatte Mum den Motor abgestellt, sprang May auch schon aus dem Wagen.

Vor dem Eingang zum Rescue Center stand eine Gruppe Jungen und Mädchen, die alle etwa in Mays Alter waren und uns neugierig beobachteten.

»Summer? Du weißt, was wir besprochen haben?«, fragte May mit strenger Stimme und strich sich nervös das Haar aus der Stirn.

Ich schnappte nach Luft. Was wir besprochen haben? So konnte man es natürlich auch nennen. Es waren wohl eher Anweisungen an mich gewesen.

»Okay, danke, Mum. Danke fürs Fahren. Wir sehen uns dann in vier Wochen«, sagte May, stieg aus und öffnete den Kofferraum, um ihr Gepäck herauszunehmen. Doch damit hätte sie besser auf Mum und mich gewartet, denn kaum hatte sie die Klappe aufgerissen, fiel ihr auch schon das ganze Gepäck entgegen.

»Wie peinlich«, zischte May wütend, während Mum und ich ihr zu Hilfe eilten. Doch sie interessierte sich weder für mein Gepäck noch für mich. Sie schnappte sich ihre Taschen und ging mit einem »Bis dann, Mum« davon.

»Tja, also«, sagte Mum und rückte ihre Sonnenbrille zurecht, während sie May sprachlos hinterhersah. »Dann wollen wir mal, Summer.«

Ich will gar nicht. Lass uns zurückfahren. Lass uns heimkehren und von Grandpas Zimmer aus die Delfine in der Korallenbucht beobachten. Lass uns gehen, jetzt, wollte ich sagen, doch ich schwieg. Stattdessen half ich Mum, mein Gepäck aus dem Kofferraum zu wuchten und in den Empfangsraum zu tragen.

»Hey, du musst Summer sein!« Eine junge Frau mit blondem Pagenkopf und leuchtend blauen Augen kam uns strahlend entgegen. Unter ihrem weißen T-Shirt mit einem Oceanlife-Rescue-Center-Aufdruck lugte der Träger eines Bikinis hervor. »Ich bin Stella und verantwortlich für die Feriengäste in den Sommercamps. Es gibt aber auch noch Gruppenleiter, die sind eure direkten Ansprechpartner.« Stella deutete zum Fenster hinaus, wo May von den anderen gerade fröhlich begrüßt wurde, dann schüttelte sie Mum und mir die Hand. »Genau, stellen Sie Summers Gepäck einfach hier ab und verabschieden Sie sich in Ruhe voneinander. Danach zeige ich dir dein Zimmer und du lernst die Feriengruppe kennen, die für das Camp heute angereist ist. Genau wie du.« Stella lächelte noch immer und schien sich überhaupt nicht darüber zu wundern, dass ich kein Wort hervorbrachte.

Mum bedankte sich und an der Art, wie sie ihre Stirn runzelte, erkannte ich, dass sie darüber nachdachte, Stella ins Vertrauen zu ziehen und ihr das Geheimnis meines Schweigens anzuvertrauen. Schnell zog ich Mum am Arm mit nach draußen und ging mit ihr langsam zurück zum Parkplatz.

»Es ist nur ein Versuch, Liebes«, sagte Mum und umarmte mich zum dritten Mal. Sie hatte die Sonnenbrille in ihr dichtes Haar geschoben und ich sah Tränen in ihren Augen schimmern. »Du bist nicht allein. Stella ist sehr nett, ich telefoniere mehrmals mit ihr, da du ja länger als die üblichen ein oder zwei Wochen hierbleiben wirst. Und May ist auch noch da …«

»Pff«, schnaubte ich. Es war das Erste, was mir über die Lippen kam, seit wir losgefahren waren.

»Komm, drück mich mal, Summer, und dann nimm all deinen Mut zusammen. Grandpas Haus, sein Zimmer, die Korallenbucht, das alles wartet auf dich. Ich werde nichts anrühren, solange du fort bist. Ehrenwort.« Mum wischte mit ihrem Daumen eine Träne von meiner Wange und lächelte. »Dafür habe ich auch gar keine Zeit. Wünsch mir Glück für meinen Ferienjob. Das könnte ich gebrauchen.«

Ich musste trotz meines Kummers grinsen. Mum hatte sich bei einer Pizzeria beworben und würde in den kommenden sechs Wochen bei Antonios Pizza & Pasta mit klebrigem Hefeteig, Tomatensoße und allerlei anderem Zeug zu kämpfen haben. Ich bedauerte sie, denn Mum hasste fast nichts so sehr wie Kochen. Das hatte Grandpa immer übernommen und er konnte es wirklich gut. Das Beste waren aber immer seine Blaubeerpfannkuchen gewesen. Schon allein bei dem Gedanken schossen mir wieder Tränen in die Augen. Tränen, die Mum falsch verstand.

»Na, na, Liebes. Nun geh schon. Es ist nur eine gute Stunde Autofahrt und ein Anruf genügt, wenn es dir nicht gut geht.« Mum küsste mich noch einmal auf beide Wangen, zog die Sonnenbrille vor die Augen und stieg, ohne sich noch einmal umzudrehen, ins Auto und fuhr davon.

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Der Sand, den Mum beim Wegfahren aufgewirbelt hatte, hatte sich längst gelegt, als mir jemand auf die Schulter tippte.

»Summer?« Stella stand hinter mir und nickte lächelnd. »Ich bringe dich in dein Zimmer. Komm, wir nehmen dein Gepäck gleich mit. Wir müssen uns ein bisschen beeilen, denn die anderen sind schon beim Mittagessen.«

Stella lief voran und zog den größeren meiner beiden Koffer hinter sich her. »Dort entlang geht es zu den Wasserschildkröten und zur Lagune«, rief sie bei unserem Weg durchs Camp und fügte lachend hinzu: »Die Lagune ist den Delfinen vorbehalten. Die Feriengäste gehen am Strand weiter nördlich schwimmen.« Immer wieder bogen wir auf kleine Sandwege ab und die meiste Zeit mussten wir meine Koffer tragen, denn sie wollten auf dem sandigen Boden nicht rollen. »Hier kommt man zur Kranken- und Aufnahmestation für verwundete Tiere und zu den Häusern der Angestellten.« Unter einem Strohdach blieb sie stehen und wartete im Schatten auf mich. »Dort drüben sind die Unterkünfte für die Feriengäste.« Stella deutete auf einen langen, weiß gestrichenen Bungalow mit mehreren leuchtend blauen Eingangstüren. »Die Feriengäste teilen sich für gewöhnlich ein Zimmer zu viert. Aber da du zum einen länger bleibst als die gewöhnlichen Feriengäste und zum anderen eine große Schwester vor Ort hast …« Stella lächelte verschmitzt und mir rann der Schweiß die Stirn herab, als sie an die Tür mit der Nummer 19 klopfte. »Die Gruppenleiter haben immer zu zweit ein Zimmer«, erzählte Stella und klopfte noch einmal lauter. »Hmm, sie wird schon zum Mittagessen gegangen sein.« Stella zog unter ihrem T-Shirt ein Schlüsselband hervor und schloss die Tür auf. »Ich schlage vor, wir lassen dein Gepäck im Zimmer und machen uns auch auf den Weg zum Mittagessen. Sonst kriegen wir nichts mehr ab und du brauchst Energie, denn gleich heute Nachmittag geht’s los. Da ist die Einführungsveranstaltung für die Neuen.«

Im Zimmer war es dämmrig und kühl. Jemand hatte die Jalousien geschlossen und die Klimaanlage, die in der hinteren Wand eingelassen war, surrte laut.

Ich hätte mich am liebsten auf eines der beiden Betten geschmissen, doch Stella nickte mir auffordernd zu, nachdem wir meine Koffer neben einem kleinen Tisch abgestellt hatten.

Mein Blick streifte das andere Bett, auf dem ein weißes Oceanlife-Rescue-Center-T-Shirt lag. Genau so eines, wie Stella es trug. Wahrscheinlich bekamen das alle hier.

»Es gibt heute Pasta. Mittwoch ist immer Pasta-Tag. Da hast du gleich etwas, worauf du dich in den kommenden Wochen freuen kannst. Unter anderem. Worauf freust du dich denn am meisten?« Stella schloss die Tür zu Zimmer 19 wieder ab und ließ den Schlüssel unter ihr T-Shirt zurückfallen.

Plötzlich starrte sie mich an. Es war der Blick, den ich schon sehr gut kannte. Sie hatte es gemerkt. Sie fragte sich jetzt, warum ich nichts sagte. Ich konnte die Frage förmlich hören, auch wenn sie es nicht aussprach.

»Rede ich eigentlich zu viel?«, fragte Stella nach einem weiteren Atemzug, oder auch zweien, und überraschte mich damit so sehr, dass ich grinsend den Kopf schüttelte und »Nein« flüsterte.

Stella strahlte mich erleichtert an. »Puh«, sagte sie. »Wäre nicht das erste Mal, dass ich … ah, guck mal, da kommt ja deine Schwester.«

Oceanlife-Rescue-Center-