H. J. ALPERS / RONALD M. HAHN

 

 

DIE TANTALUS-CHRONIKEN

- Galaxis Science Fiction, Band 18 -

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE TANTALUS-CHRONIKEN 

Erster Teil: DAS ENDE DER DEMETER 

Zweiter Teil: SKLAVEN DES TANTALUS 

Dritter Teil: IN DEN HÖHLEN DES TANTALUS 

Vierter Teil: DIE FALLEN DES TANTALUS 

Fünfter Teil: KINDER DES TANTALUS 

 

Das Buch

 

Das Raumschiff DEMETER erreicht im Verlauf einer Forschungsreise den Planeten Tantalus. Ein Erkundungstrupp, der gleichzeitig eine automatische Sendestation errichten soll, wird ausgeschickt. Aber die Verbindung reißt ab, und wenig später werden der Hauptcomputer und die Elektronik der DEMETER Opfer eines Psycho-Angriffs von Wesen, die in dem künstlichen Mond einen feindseligen Götterboten vermuten. Die DEMETER stürzt ab. Die Besatzung begibt sich in die Rettungskapseln, die auf Tantalus hinabschweben.

Die einzige Hoffnung der Überlebenden auf Rückkehr zur Erde besteht darin, sich über oft gigantische Entfernungen mit primitivsten Mitteln zu jenem Ort durchzuschlagen, an dem sie die Sendestation vermuten.

 

Die Tantalus-Chroniken enthält die fünf Tantalus-Romane aus der Feder der deutschen Science-Fiction-Urgesteine H. J. Alpers und Ronald M. Hahn, die erstmals in den (19)70er Jahren in der legendären Reihe Terra Astra veröffentlicht wurden.  

Die Tantalus-Chroniken erscheint in der Reihe GALAXIS SCIENCE FICTION aus dem Apex-Verlag, in der SF-Pulp-Klassiker als durchgesehene Neuausgaben wiederveröffentlicht werden. 

  DIE TANTALUS-CHRONIKEN

  Erster Teil: DAS ENDE DER DEMETER

 

 

 

1. 

 

Nach langer Wanderschaft kehrte Doppelherz der Merker in die gebirgige Gegend des Okanon zurück. Hier lebten Freunde von ihm, gute Freunde. Einige Tagesmärsche weiter östlich lagen die Höhlen des Mu-Volkes. Dorthin wollte Doppelherz, aber nicht ohne zuvor Boto und Loto besucht zu haben, zwei riesige Primaten, die wie die Mus zu aussterbenden Rassen gehörten. Während die Mus allerdings in einem einzigen Stamm beieinander lebten, waren die wenigen Artgenossen von Boto und Loto über den ganzen Planeten verstreut. Trotz ihrer mächtigen, furchteinflößenden Gestalt waren es harmlose und freundliche Wesen, die von Pflanzen lebten und ohne eigene Not keinem anderen Schaden zufügten. Sie lebten paarweise zusammen, und häufig dauerte diese Zweisamkeit ein ganzes lieben. Die Jungen verließen irgendwann ihre Eltern und suchten nach einem Partner, oft mühsam und lange, manchmal erfolglos ihr ganzes Leben hindurch.

Die Idylle, in der seine Freunde Boto und Loto lebten, erinnerte Doppelherz immer wieder schmerzlich an seine eigene Situation. Denn so sehr er sich rein äußerlich von den Riesen unterschied, mit ihren Jungen hatte er gemein, dass er eine Partnerin suchte und dass die Suche schwierig war. Auch diese neue Wanderung in entlegene Gebiete des Planeten hatte ihm wohl eine Reihe von Informationen gebracht, aber seinem Ziel war er so wenig näher gekommen, dass der Zweifel daran, ob es auf diesem Planeten überhaupt Wesen seiner Art gab, fast schon zur trostlosen Gewissheit wurde.

Doppelherz tippelte mit seinen kurzen Beinchen der Behausung seiner Freunde entgegen. Hier würde er ausruhen und Zeit zu lang entbehrten Gesprächen finden. Dann wollte er weiter hinauf in den Okanon und eine Weile für sich allein bleiben, die Informationen verarbeiten, meditieren und rauchen. Gelegentlich, wenn er es allein nicht mehr aushielt, würde er zu Munir und den anderen vom Stamme der Mus hinuntergehen. Und irgendwann, noch bevor die große Hitze ins Land kam, packte ihn sicherlich wieder das Fernweh, das ihn all die Jahre ruhelos durch die Welt getrieben hatte. Er war Doppelherz, das Wesen mit den zwei Herzen, und man nannte ihn der Merker, weil er mehr wusste und dieses Wissen besser koordinieren konnte als jeder andere auf diesem Planeten. Seine Bestimmung war das Sammeln von Informationen, aber seine Sehnsucht hatte mit seinen beiden Herzen zu tun.

Doppelherz spürte eine seltsame Unruhe, die ihn noch niemals überkommen hatte, wenn er seine Freunde besuchte. Die feinen Sensoren unter seinem dichten Pelz vibrierten und saugten eine Atmosphäre der Gefahr in sich hinein. Er verließ den Pfad, der zur Hütte hinaufführte, und suchte die Deckung der Büsche am Wegesrand.

Jetzt konnte er das Holzdach der Hütte sehen. Es schien alles friedlich und normal zu sein. Aber seine Unruhe ließ nicht nach, im Gegenteil, sie wurde zu einem fiebrigen Schauer, der über seinen Körper wanderte.

Dann hörte er das Wimmern.

Ganz leise, gequält und gedämpft, aber bitter und herzzerreißend drang es an sein Ohr.

Doppelherz flitzte geduckt im Schutz einer Buschkette so nahe an die Hütte heran, dass er den Platz davor einsehen konnte.

Er erstarrte.

Eine entsetzliche Szene spielte sich vor seinen Augen ab. Einer seiner Freunde, er konnte nicht klar ausmachen, ob es Boto oder Loto war, glaubte aber an der etwas kleineren Figur Loto zu erkennen, lag am Boden und stöhnte vor Schmerz. Ja, es musste Loto sein, es war die Klangfarbe ihrer Stimme. Vor ihr stand, den mächtigen Chitin-Rückenpanzer Doppelherz zugewandt und die tückischen schwarzen Augen auf Loto gerichtet - ein Zorr. Wie kam er in diese Gegend? So weit östlich hatte Doppelherz ein solches Menscheninsekt noch niemals gesehen.

Der Zorr war ein grausames Wesen mit einer gewissen Intelligenz. Primaten wie Loto gehörten selten zu seinen Opfern, weil sie zu schnell für ihn waren. Aber er musste Loto derart überrascht haben, dass diese nicht mehr fliehen konnte.

Doppelherz blutete das Herz, als er auf die Szene blickte, aber er erfasste sofort, dass es für jede Hilfe zu spät war. Selbst wenn er die zehnfache Kraft eines Boto gehabt hätte, er hätte Loto nicht mehr helfen können. Denn zu deutlich war das, was Doppelherz anblicken musste. Der Zorr gehorchte den Gesetzen seiner Schmarotzer-Rasse und hatte sein Werk fast vollendet. Er hatte Loto mit seinen Krallen den Bauch aufgeschlitzt und sie bereits tödlich verletzt. Als er sich jetzt fiepend etwas zur Seite drehte, erkannte Doppelherz, dass die Hautfalte an der Brust des Insektoids schon wieder beinahe verschlossen war. Der Zorr hatte einige seiner Eier herausgenommen und sie in Lotos Eingeweide gelegt. Ein lahmendes Gift sorgte nicht nur dafür, dass Loto nahezu bewegungslos den schrecklichen Vorgang über sich ergehen lassen musste, es würde auch dafür sorgen, dass sie trotz der tödlichen Verletzungen noch lange nicht sterben konnte. Ihr stand ein Leiden bevor, das viele Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge andauern würde. Bevor sie sterben durfte, war ein Teil ihres Körpers bereits verfault. Der Rest würde von der ausschlüpfenden Brut des Zorr aufgefressen werden.

Die Tränen liefen Doppelherz in seinen dichten Pelz hinein. Was konnte er noch tun? Der Zorr würde seine Beute irgendwo so verscharren, dass sie gut versteckt war, aber nicht erstickte.

Boto! Wo war Boto? War auch er vom Angriff des Zorr überrascht worden? Lag er tot in der Hütte? Oder sonnte er sich ahnungslos draußen auf einer Klippe?

Doppelherz schlich sich den Weg zurück und rannte hinaus zu dem Ort, wo er selbst schon mit Boto und Loto in der Sonne gelegen hatte. Es war gar nicht weit, aber sicher zu weit, um einen Schrei zu hören, den die arme Loto in ihrer Not von der Hütte aus zu Boto geschickt haben mochte.

Schon von weitem sah er, dass seine Vermutung richtig gewesen war. Boto hatte ihn gerade erblickt und schaukelte mit seinem Oberkörper, wie er es stets tat, wenn er sich besonders freute. Er winkte mit seinen mächtigen Armen.

Doppelherz verhielt den Schritt. Was sollte er seinem Freund sagen?

»Boto! Schnell!«, rief er ihm schließlich zu und gab ihm keine Chance einer herzlichen Begrüßung. »Deiner Loto ist etwas Schreckliches passiert!«

Das freundliche Grinsen auf dem behaarten Gesicht des Giganten erstarrte. Stampfend setzte er sich in Bewegung, ein Muskelpaket, das in Erwartung des seelischen Schmerzes bebte und nach Rache schrie.

»Was ist passiert?«, knurrte er.

»Ich kam gerade vorbei, als schon alles geschehen war. Ein Zorr hat deine Frau überfallen. Sie lebt noch, aber sie ist nicht zu retten. Zorrs sind Insektoide, die ihren erlegten Opfern ihre Eier einpflanzen und in dem sterbenden Körper ihre Brut aufziehen.«

Boto stürzte los. Doppelherz würde ihm nicht folgen können.

»Boto!«, rief er hinterher. »Du bist dem Zorr nicht gewachsen. Er ist groß und stark wie du, aber er hat messerscharfe Klauen, die dich zerfetzen.«

Aber Boto wollte nicht hören.

Blind vor Schmerz und Wut stürzte er voran. Seine Füße trommelten wie rasend über den Boden. Doppelherz folgte so schnell er konnte, aber Boto hatte im Nu einen riesigen Vorsprung.

Dennoch konnte Doppelherz beobachten, was sich vor der Hütte abspielte. Der Zorr war gerade dabei, eine Grube seitlich von der Hütte auszuheben, und Loto lag noch immer hilflos am Boden. Man musste gar nicht in der Nähe sein, um zu begreifen, was in diesem Moment in Boto vorging.

Er blieb einen kurzen Augenblick wie festgenagelt stehen. Der Zorr hatte ihn gehört und drehte ihm seinen Vorderkörper zu. Vorn war der Chitinpanzer gerippt wie bei einem großen Käfer und ließ ein paar Öffnungen frei. Aber vorn wie hinten sah der Zorr unangreifbar aus. Er zischte und fuchtelte mit seinen sechs Beißzangen in der Luft herum.

Aus Botos Kehle kam ein gewaltiger tierischer Schrei. Im gleichen Moment setzte er sich in Bewegung.

Obwohl der Zorr durch den Ansturm des Angreifers nicht überrascht worden war, konnte er sich dieser Gewalt doch nicht entziehen. Seine vier Beine und sein langer Gelenkrumpf, mit dem er sein Gewicht nach vorn verlagerte, konnten ihn nicht vor dem Sturz bewahren.

So etwas hatte Doppelherz noch niemals gesehen: dass ein Zorr unter der Gewalt eines Gegners zu Boden ging.

Aber er rollte sich sofort seitlich ab, ging wieder in Kampfposition und schlug seine Zangen zusammen. Boto war zu ungestüm in seinem nächsten Angriff, so dass ihm eine der Zangen sofort eine schwere blutige Fleischwunde in die Schulter schlug. Das ernüchterte. Er ließ den Zorr fahren, den er umfasst hatte, und sprang zurück.

»Du musst beweglich bleiben und dich vor den Zangen hüten«, rief

Doppelherz. »Versuche nicht noch einmal, ihn zu umarmen. Er hat sechs Arme und vier Beine, sämtlich mit scharfen Klauen versehen. Du kannst sie niemals gleichzeitig abwehren. Deine einzige Chance ist ein Angriff wie eben, der aber den Zorr auf den Rücken zwingen muss. Dann ist er hilflos und kann sich aus eigener Kraft nicht wieder aufrichten. Aber ich habe noch niemals erlebt, dass dies im Kampf passiert ist. Ich habe nur einmal einen Zorr gesehen, der von einem Hügel gestürzt war und auf dem Rücken lag.«

Der Zorr hatte sich zischelnd dem neuen Gegner zugedreht, aber schnell erkannt, dass ihm von diesem kaum Gefahr drohte.

Boto griff erneut an, beherzigte aber die Ratschläge. Er tänzelte flink hin und her und schlug ab und zu mit seinen Pranken auf das Insektoid. Er traf gut und hart, aber ernsthaft schaden konnte er ihm damit nicht. Und so schnell er auch war, hin und wieder erwischte ihn der Zorr doch und schlug ihm kleinere Wunden. Über den Ausgang dieses Kampfes konnte es keinen Zweifel geben.

Auch Boto schien solche Gedanken zu hegen, denn plötzlich wollte er die Entscheidung erzwingen. Er griff ungestüm an und begab sich, ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen, in den Gefahrenbereich der Klauen. Er umfasste das Insektoid und versuchte es voll zu umschlingen und anzuheben. Er hob es tatsächlich hoch, aber als er es dann auf den Rücken werfen wollte, hatte dieses sofort eines seiner Beinpaare wieder auf dem Boden und drückte dagegen. Gleichzeitig fetzte es mit den Klauen über Botos Rücken. Dieser war schon blutüberströmt und würde nicht mehr lange durchhalten. Boto versuchte es weiter und scheiterte erneut.

»Jetzt, Boto«, rief Doppelherz und rannte vorwärts.

Boto begriff seinen Plan und hob den Zorr-Körper noch einmal mit aller Gewalt an. Doppelherz rollte seinen kleinen Körper unter den Zorr und riss ihm damit die Beine weg.

Der Zorr kippte - und lag plötzlich auf dem Rücken. Boto brüllte triumphierend, entfernte sich aber blitzschnell aus dem Bereich der scharfen Klauen und riss Doppelherz mit.

Sie schauten auf den Zorr. So sehr er strampelte, er konnte sich offenbar nicht aus dieser Lage befreien. Boto leckte seine Wunden. Sie waren schlimm, aber er würde nicht daran sterben. Schlimmer war wohl der Zustand seines Herzens. Er ging hinüber zu Loto und blickte ihr voller Schmerz in die Augen. Doppelherz verstand und hielt sich abseits, hatte aber ein Auge au! den Zorr.

Lange nahmen die beiden stumm voneinander Abschied. Dann ging Boto in die Hütte und kam mit einem spitzen Pfahl zurück, wie er ihn vielleicht beim Bau der Hütte verwendet hatte. Loto hielt die Augen geschlossen. Boto sah sie noch einmal an, sah ihren Leib entlang, sah auf das, was der Zorr angerichtet, hatte. Nein, hier konnte es keine Heilung mehr geben. Er nahm den Pfahl und stieß in verzweifelt in das Herz seiner Frau. Sie starb lautlos.

Boto trug sie weinend zu der Grube, die der Zorr geschaufelt hatte, legte seine tote Frau hinein und deckte nie mit der Erde zu. Zusammengesunken kauerte er vor dem Grab.

Nach einer Weile erhob er sich, immer noch aus tausend Wunden blutend, und sammelte Brennholz. Er schichtete es um den zappelnden Zorr herum auf, aber so, dass dieser es nicht erreichen und sieh vielleicht daran hochziehen konnte. Boto ging in die Hütte und kam mit einem glimmenden Span zurück. Bald brannte der Scheiterhaufen, und dann begann auch der Zorr zu sterben. Auf langsame und schreckliche Art, aber nicht anders, als er auch seine Opfer sterben ließ.

»Hast du an die Eier des Zorr gedacht?«, fragte Doppelherz zaghaft.

Boto wies auf den Boden. Er hatte sie aus dem Körper seiner Frau entfernt und sie am Boden zertreten. Sie wären in dem toten Körper zwar ohnehin nicht lebensfähig, aber der Gedanke, dass sich noch schmarotzendes Leben in der Toten regte, wäre schlimm genug gewesen.

»Es tut mir so leid für dich - und für Loto!«, flüsterte Doppelherz.

Boto drückte ihn an sich.

»Ich weiß«, sagte er. »Lass mir etwas Ruhe. Dann ziehen wir vielleicht gemeinsam in die Welt hinaus.«

Doppelherz verstand den Wink. Er verabschiedete sich und ließ den Freund mit seinem Schmerz allein. Niemand konnte ihm jetzt helfen. Doppelherz stieg bedrückt hinauf in die Höhlen des Okanon.

 

 

2. 

 

Der Raum 03 war der größte des Schiffes, ein Plenarsaal inmitten von CHARLIE, dessen blech- und kunststoffverkleidete elektrische Schaltkreise die in festen Stuhlreihen angeordneten Polstersessel beinahe kreisförmig umgaben. Hin und wieder ließ CHARLIE ein paar bunte Lichter über die Schaltschränke huschen, was wie ein vertrauliches Blinzeln wirkte, oder es surrte und schnarrte, ohne dass man bewegliche Teile ausmachen konnte. Die Sessel waren bis auf wenige Ausnahmen besetzt, was hieß, dass sich fast alle Besatzungsmitglieder der DEMETER in diesem Raum versammelt hatten.

»CHARLIE: Ich glaube, wir können beginnen. Hast du den Fehlenden nochmals Bescheid gegeben?«

Robert Finn hatte sich erhoben und mit Blick auf das Fernsehauge gesprochen.

»Gewiss, Robert. Fred hat sich gerade auf die Auswertung der letzten TANTALUS-Aufnahmen gestürzt. Dona lässt sich entschuldigen, weil sie sich nicht wohl fühlt, und Dean hält diese Wahl für eine Farce, weshalb er bewusst fernbleibt. Ich habe versucht, ihm diese Auffassung auszureden, aber er war nicht zu einer Diskussion mit mir bereit.«

»Nun, Dean Hays Ansichten sind uns bekannt. Beginnen wir also. Bitte, CHARLIE.«

»Der Bordcomputer begrüßt die anwesenden Besatzungsmitglieder der DEMETER. Von 50 aufgeforderten Personen sind 47 erschienen, die Versammlung ist damit beschlussfähig. Gemäß Bordverfassung hat uns heute die turnusgemäße Neuwahl des Kapitäns der DEMETER zu beschäftigen. Ich zitiere aus der Bordverfassung: In Abständen von jeweils sechs Monaten hat die demokratische Wahl eines Schiffsführers zu erfolgen, dessen wesentliche Funktion darin besteht, dass er die Sicherheit von Besatzung und Schiff betreffende Entscheidungen zu fällen hat, wenn in Krisenmomenten eine demokratische Abstimmung aller Besatzungsmitglieder nicht möglich ist. Bei schuldhaften und bewussten Fehlentscheidungen untersteht er wie alle anderen Besatzungsmitglieder auch der irdischen Gerichtsbarkeit. Bewerber für das Amt des Schiffsführers wie seines Stellvertreters müssen körperlich und geistig innerhalb der dafür ausgearbeiteten Normen gesund sein. Der bisherige Kapitän Robert Finn tritt mit der erfolgten Wahl eines neuen Kapitäns automatisch zurück. Ich bitte um Vorschläge für das Amt des Schiffsführers.«

Von mehreren Seiten kam der Name Robert Finn auf CHARLIES Lautsprecher zugeflogen, andere Namen wurden nicht genannt.

»Der Bordcomputer stellte hiermit fest, dass als einziger Kandidat für das Amt des Schiffsführers Robert Hendrick Finn genannt wird., Der Kandidat ist 57 Jahre alt, im Rahmen der vorhin zitierten Normen laut der letzten Kontrolluntersuchung körperlich und geistig gesund. Er war bereits vierzehn Mal Schiffsführer der SOLIDARITÄT und dreimal Schiffsführer der DEMETER, deren bisher einziger Kapitän er auch ist. Wer für Robert Hendrick Finn ist, der betätige bitte den Abstimmungsknopf in der Sessellehne. Danke. Robert Hendrick Finn wurde einstimmig zum neuen Kapitän der DEMETER gewählt. Obwohl er bereits dieses Amt ausgeführt hat, weise ich ihm verfassungsgemäß ein weiteres Lehrband zu, das ihn über Rechte und Pflichten seines Amtes aufklärt.«

In das beifällige Gemurmel hinein bedankte sich der alte und neue Kapitän für das Vertrauen und bat dann um Fortführung der Veranstaltung.

»Der Bordcomputer bittet um die Nennung der Kandidaten für das Amt des stellvertretenden Schiffsführers. Der Inhaber dieses Amtes hat die Funktion des Schiffsführers, wenn der gewählte Schiffsführer sich nicht an Bord befindet oder entscheidungsunfähig ist, ohne dass sofort eine Neuwahl erfolgen kann.«

»Carl Bingman.«

»Maxim Imovic.«

»Nicole Villon.«

»Es wurden die Kandidaten Carl Foster Bingman, Maxim Imovic und Nicole Anita Villon genannt.«

»Ich verzichte auf eine Kandidatur!«

»Da Nicole verzichtet, bleiben als Kandidaten...«

»Wenn ich richtig gesehen habe, dann wurdest du von Marcus vorgeschlagen, und ihn interessiert vielleicht am meisten, weshalb du die Kandidatur nicht annimmst, aber mich interessiert es ebenfalls. Du solltest dich etwas näher erklären.« Ein großer, schlanker Mann mit dunklem, mittellangem Haar, einem mächtigen Vollbart und einer dicken Hornbrille hatte gesprochen.

»Ich glaube nicht, dass meine Gründe vor diesem Plenum erörtert werden müssen. Es sind jedenfalls private Gründe, die mich dazu bewegen, Maxim.«

»Wirklich?«, fragte Denis gedehnt. »Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, du wolltest nur nicht die Wahlchancen eines bestimmten Kandidaten schmälern, dem diese Wahl sehr wichtig ist.«

»Halt den Mund, Denis! Das geht dich nichts an. Außerdem hast du unrecht.«

Ein stämmiger, stupsnasiger Mann mit kurzem Haarschnitt hatte sich erhoben und sprach in Richtung Denis, sah dabei aber abwechselnd auch Marcus, Maxim und Mario Petrus an, die neben Denis saßen.

»Ich nehme an, dass sich diese unqualifizierten Vorwürfe - die ich von dir am wenigsten erwartet hätte, Denis! - hauptsächlich gegen mich richten. Nun, so ängstlich bin ich nicht. Bitte, Nicole, Schätzchen, du solltest die Kandidatur ruhig annehmen.«

»Nein.«

Robert Finn, der sich schon die ganze Zeit über unbehaglich mit den Fingern durch das schon etwas dünn gewordene, weißblonde, straff zurückgekämmte Haar gefahren war, beteiligte sich jetzt mit seiner sonoren Stimme an der Diskussion.

»Kinder, was sollen denn diese Eifersüchteleien und Verdächtigungen? Ist denn das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserer Gruppe schon derartig geschwunden, dass sich Cliquen bilden und man sich gegenseitig angiftet? Verhaltet euch doch bitte ein wenig mehr solidarisch und denkt an unsere gemeinsamen Ziele.«

Stille.

»Du musst das nicht so tragisch nehmen, Robert«, sagte der blondgelockte Marcus. »Wir sind vielleicht alle etwas überempfindlich geworden, aber dass einzelne oder Gruppen gegen andere arbeiten, das glaube ich nicht.«

»Aber der sich hier so sehr über angeblich unqualifizierte Vorwürfe beklagt hatte, hat wirklich bei uns den Verdacht aufkommen lassen, dass er andere in seinem Sinne beeinflusst, wenn es um seinen Vorteil geht. Soll doch er auf eine Kandidatur verzichten!«

Denis hatte einen ganz roten Köpf bekommen, was zeigte, wie sehr sie sich ärgerte.

»Denis, bitte«, sagte Robert »Ihr müsst versuchen, eure Konflikte in einer Aussprache zu lösen. Für den Moment können wir sie wohl nur überdecken.«

»Ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist, Denis.«

Nicole war rot und wütend wie ihre Schwester, was die Familienähnlichkeit nur verstärkte. Nicole war noch schlanker, hatte noch feiner geschnittene Gesichtszüge, und ihr fehlte jener Anflug von Herbheit, die Denis kennzeichnete, aber sonst sah sie ihrer Schwester sehr ähnlich. Auch sie trug das Haar kurz, aber es war etwas voller und lockiger als die bürstenkurze Frisur von Denis. Beide Mädchen konnten sich in Momenten wie diesen stark erregen.

Da die Mehrheit der Anwesenden die Auseinandersetzung mehr oder weniger kommentarlos verfolgt hatte und die Kontrahenten jetzt still waren, herrschte im Plenum eine etwas peinliche Ruhe, die aber nach wenigen Sekunden durch CHARLIES Freundlichkeit wich.

»Seid wieder friedlich, Kinder, CHARLIE liebt euch alle. Freut euch wenigstens darüber.«

Einige lachten.

»Ich frage also nochmals, ob die Kandidatenliste über die Besatzungsmitglieder Carl Foster Bingman und Maxim Imovic hinaus noch um Nicole oder andere Namen erweitert wird. Nicole?«

»Ich habe mich geäußert.«

»Andere Kandidaten?«

»Gut, es stellen sich somit Carl Foster Bingman und Maxim Imovic zur Wahl. Beide erfüllen die körperlichen und geistigen Voraussetzungen, wie sich aus der letzten Kontrolluntersuchung ergab. Carl ist 34, Maxim 30 Jahre alt. Maxim hat das Amt des stellvertretenden Schiffsführers derzeit inne. Ich bitte um die Stimmen für Carl Foster Bingman. Danke. Und die Stimmen für Maxim Imovic? Danke. Der neue stellvertretende Kapitän heißt Carl Foster Bingman. Er erhielt 24 Stimmen, Maxim 23 Stimmen.«

»Vielen Dank, Freunde.«

Das war Bingman.

»Da hiermit alle Punkte der Tagesordnung erledigt sind, erkläre ich die Versammlung für beendet. Carl, ich hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten, aber ich denke, dass wir beide im Grunde froh sind, wenn keine Notsituation eintritt, die uns zwingt, von unserem Amt überhaupt Gebrauch zu machen.«

Robert Finn gab Bingman die Hand, zuckte leicht resigniert mit den Schultern zu Maxim hinüber und schob dann seinen beträchtlichen Bauch, den seine Freunde scherzhaft »Biergeschwür« nannten, durch einen der drei Ausgänge.

Nicole ging mit Carl und einigen Freunden davon, ohne sich weiter um Denis zu kümmern. Denis sah Marcus mit einer Mischung aus Spott und Resignation in die Augen und folgte dann ihm, Maxim, einem Mädchen mit beinahe hüftlangem schwarzen Haar und Mario Petrus zu einem kleinen Umtrunk in Marios Kabine. Die Fronten waren gezogen.

 

 

3.

 

Die DEMETER schwebte wie ein großer roter Ballon über TANTALUS, lautlos, prall und schön, auf der einen Seite von der Sonne in Milch und Blut gebadet, auf der Planetenseite im schimmernden Purpur eigenen Glanzes. Der riesige TANTALUS rollte seine Kontinente CHARLIES Augen entgegen, mal stolz entblößt, mal scheu verhüllt, doch stets gewissenhaft bewundert von jenem Freund, der aus den Sternen kam. TANTALUS war groß und schön wie die Erde, ja größer und schöner als sie, und hatte drei Töchter, die die Mutter als Satelliten umkreisten. Und jetzt hatte TANTALUS einen Sohn, wenn nicht einen Geliebten.

Der dem TANTALUS zugekehrte Bauch der DEMETER öffnete sich einen Spalt im unteren Drittel und schleuderte eine metallene Nadel zum Planeten hinunter.

In der Nadel hockten drei Menschen, und sie sprachen mit CHARLIE:

»CHARLIE, du hast uns so gut auf Kurs gebracht, dass ich fast glaube, du wolltest uns möglichst schnell loswerden.«

»Ich wollte meiner Freundin dort unten zeigen, wie gut ich bin.«

»Deiner Freundin?«

»TANTALUS. Ich kenne sie besser als du zum Beispiel Nicole. Und ich liebe sie, wie du dieses Mädchen liebst. Nur habe ich das Glück, dass ich wieder geliebt werde und beste Aussichten habe, meiner Freundin näher zu kommen.«

»CHARLIE, was redest du für dummes Zeug!«

»Du solltest den guten Marcus nicht so verwirren, CHARLIE. Hier spricht jetzt Robert, falls du es nicht schon gemerkt hast. Du solltest uns mal mit einigen Daten darüber informieren, wie lange wir es noch bis zu deiner Freundin haben und wo wir ihr das Gesicht zerkratzen werden.«

»Wenn CHARLIE gerechnet hat, werden wir sie nicht kratzen, sondern streicheln.«

»Ich danke dir, Mario. Du verstehst mich.«

»Nun aber zur Sache, CHARLIE.«

»Wie der Herr Schiffsführer wünschen. Aber ihr habt wirklich noch etwas Zeit. Zwar befindet ihr euch schon in den oberen Schichten der Atmosphäre, aber für den sanften Abstieg benötigt ihr noch genau 32 Minuten und 42 Sekunden. Macht euch keine Sorgen, CHARLIE setzt euch ganz: behutsam ab. Fühlt euch wie zu Hause. Ihr wisst ja, wo die Bar ist.«

»Abweichungen vom programmierten Kurs nach unseren Messungen keine. Was haben dir deine Computerohren gemeldet?«

»Ebenfalls keine messbaren Abweichungen bisher, Robert. TANTALUS ist eben sehr freundlich und macht uns keinen Kummer. Wenn es so bleibt, werdet ihr in dem vorgesehen Hochland zu Boden gehen.«

Die DE 100 war eines der beiden Beiboote der DEMETER für die planetare Erkundigung, gut dreißig Meter lang, aber nicht mehr als drei Meter im Durchmesser. Sie bestand hauptsächlich aus Arbeitsgeräten, Werkstatteinrichtungen und zwei Aufenthaltsräumen, die einigermaßen bequem, aber nicht allzu großzügig ausgestattet waren. Ganze Segmente des Schiffes konnten abgelöst und mit wenigen Handgriffen in geländegängige Fahrzeuge, transportable Sender und einen Hubschrauber umgewandelt werden. Einen Antrieb besaß das Boot nicht, es wurde vom Mutterschiff aus ferngelenkt über ein Sortiment von Kraftfeldern, die CHARLIE nach Bedarf als Zug- oder Druckkräfte zum Einsatz brachte. Das konnte natürlich ein Manko sein, denn die Betriebsfähigkeit der DE 100 war abhängig vom Funktionieren des Computers. Aber andererseits: Was war die ganze Expedition ohne den Computer? Da konnte man sich gleich in die Rettungskugeln begeben und ins Weltall katapultieren lassen. Auch die Kapseln hatten keinen Eigenantrieb, aber sie waren wenigstens autonome Lebenszellen, die ihren drei Insassen die Chance auf ein Jahr im Weltall ließen. Danach war alles aus, oder aber die Notsignale hatten rechtzeitig ein Auffangschiff herbeigerufen.

»So ganz einverstanden bin ich ja eigentlich nicht damit, dass du an diesem Ausflug teilnimmst«, meinte Mario und sah dabei Robert Finn an.

»Na, ich will doch auch einmal hinunter auf einen neuentdeckten Planeten! Das musst du mir schon gönnen. Und ich bin nebenberuflich Monteur, wie wir alle.«

»Aber du bist Kapitän.«

»Die Zeiten sind vorbei, wo der Kapitän solch ein wichtiger Mann war. Heute wird er nur noch für Notsituationen gebraucht, und dann versagt er auch noch meistens.«

»Das macht mir ja gerade Sorgen. Wenn jetzt an Bord der DEMETER ein Unglück passiert, irgendetwas Unvorstellbares, mit dem niemand rechnen kann und niemand rechnen will, dann hat Bingman freie Hand, irgendeinen Unfug anzuordnen.«

»Du kennst ja meine Abneigung gegen Carl, die dummerweise noch durch mein Interesse an dem Mädchen, das er sich geangelt hat, verstärkt wird. Aber Mario, wir sollten doch versuchen, gerecht zu sein. Carl ist ein nicht sonderlich sympathischer Mensch, aber an seinen fachlichen Qualifikationen gibt es wohl keinen Zweifel. Und ich glaube auch nicht, dass er im Krisenfall seine eigenen Interessen über die der Allgemeinheit stellen würde. So weit reicht sein Egoismus nicht. Ich glaube nicht, dass man ihn sonst an Bord der DEMETER gelassen hätte.«

..Ich mag ihn auch nicht«, sagte Robert. »Aber ich glaube wie Marcus, dass man sich notfalls doch auf ihn verlassen kann. Und die Mehrheit der Besatzung scheint dies auch zu glauben, sonst hätte sie ihn nicht gewählt.«

»Na, mir wäre jedenfalls wohler, wenn ich wüsste, dass Maxim dort oben über das Schicksal der Expedition zu entscheiden hätte und nicht Carl, wenn uns etwas zustoßen würde.«

»Hier ist CHARLIE. Der Debattierclub sollte seine Aufmerksamkeit darauf richten, dass in zehn Minuten gelandet wird und dass es draußen schon interessante Sachen zu sehen gibt.«

In der Tat war aus der Kugel inzwischen eine leicht gerundete Ebene geworden, obwohl noch keine Einzelheiten auszumachen waren. Man sah lediglich starke Farbkontraste, konnte Kontinente und Wasserflächen unterscheiden, aber alles wurde nun rasend schnell größer und klarer, weil die Nadel sich stärker neigte und die Eintauchkurve scharf krümmte.

Die Schwerkraft machte den drei Männern stark zu schaffen, und sie verzichteten einstweilen auf Unterhaltung und allzu intensives Beobachten. Bevor Marcus Vanmeer durch Einwirkung der Bremsverzögerung das Bewusstsein verlor, sah er am Horizont noch rasend schnell eine Bergkette näher und näher kommen. Sein letzter Gedanke war, dass er Nicole vielleicht niemals Wiedersehen würde.

 

 

4.

 

In dem Raum war es still wie in einer Friedhofskapelle. Seit mehr als zwanzig Minuten hatten die Mädchen schweigend gearbeitet, ohne aufzusehen, ohne ein Wort zu wechseln. Das war beileibe keine konzentrierte Arbeitsatmosphäre, im Gegenteil, es knisterte vor aggressiver Spannung. Jedes der Mädchen schien ein elektrisches Feld vor sich her zu schieben, in dem die Funken nur so stoben, wenn sich auch nur ein Staubkorn hineinwagte.

Denis arbeitete an der sozio-medizinischen Analyse für die offensichtlich syphilitischen Ordensritter, die in einem faschistisch gegliederten Machtbereich im Sektor Z 23 auf TANTALUS ihr Unwesen trieben, und war nun an dem Punkt angelangt, da sie allein nicht mehr weiter kam. Nötig war Kooperation mit CHARLIE oder - mit Nicole. Sie sah von ihrer Arbeit auf und direkt in Nicoles Augen, die sie schon eine Weile betrachtet haben mussten. Nicole lenkte den Blick blitzschnell in eine andere Richtung, verlegen, aber auch böse, weil sie sich ertappt fühlte.

Denis schob die Computerauszüge mit plötzlichem Entschluss auf den hinteren Rand des Tisches, stützte einen Arm auf die Tischplatte, formte die Hand vor dem Mund zu einem Trichter und machte dort hinein allerlei Geräusche, die sich wie verhaltenes Pfeifen, Summen und Zischen anhörten. Das tat sie immer, wenn sie sich sammelte. Sie blickte unverwandt zu Nicole hinüber, die zunächst tat, als bemerkte sie nichts, dann aber unruhig auf ihrem Sessel hin und her rutschte.

»Hast du mich nun endlich genug angestarrt?«, fragte sie schließlich und funkelte ihre Schwester zornig an.

»Man kann gar nicht intensiv genug hinsehen, wenn man das seltene Unglück hat, einen ganz dummen Menschen in nächster Nähe und dazu noch in der Familie zu haben.«

»Wenn das richtig ist, dann muss ich in Zukunft auf Arbeit und Schlaf verzichten und dich nur noch beobachten.«

»Du hast zwar gekontert, aber nicht sehr überzeugend. Denn ich kann dir deine Dummheit nachweisen. Du lässt dir den Kopf verdrehen von einem Mann, der kalt, berechnend und machthungrig ist, der dich als Werkzeug benutzt und total unterdrückt. Wer das mit sich geschehen lässt, darf sich nicht gerade mit intellektuellem Anspruch schmücken.«

»Ach, das ist also meine Dummheit? dass ich einen Mann liebe, der tatkräftig und stark ist und von dem ich viel lernen kann? Du bist ganz sicher, dass es sich hier nicht um Neid handelt?«

Denis lachte, rau, aber ehrlich und ungekünstelt.

»Nein, Nicole, das darfst du mir glauben, das musst du mir glauben: Auf deinen Carl bin ich nicht neidisch, er widert mich an. Ich bin nur ziemlich enttäuscht, dass du diesen Kerl nicht durchschaust. Was findest du eigentlich an ihm? Er sieht nicht besonders gut aus, ist nicht überragend intelligent und mit seinem Machtstreben und seinen Motivierungen unzweifelhaft rückschrittlich im Sinne unserer Gesellschaftsordnung. Gerade du als Psychologin müsstest mit deiner wissenschaftlichen Vorbildung seine Motive an die Quellen zurückverfolgen können und sehen, dass er vielleicht Kaiser auf einem rückständigen Planeten werden könnte, dessen Bevölkerung er für sich ausbeutet, aber in unserer Gesellschaft eher in einem Heim landen konnte, wenn er genügend Unsinn angerichtet hat.«

»Das sind ungeheuerliche Vorwürfe! Die solltest du Carl ins Gesicht sagen und zwar, wenn alle anderen dabei sind!«

»Als Psychologin dürften dir solche Ratschläge nicht herausrutschen, weil du genau weißt, dass mit einer offenen Konfrontation Lager entstünden, die es auch jetzt eigentlich schon gibt, die dann aber unversöhnlich gegeneinander arbeiten und die Expedition schwer gefährden würden. Ich trage dir hier meine Bedenken vor, allein, unter uns, weil ich in Carl im Moment noch nicht die große Gefahr für das Schiff sehe, die er werden könnte, wenn die Fronten klarer sind. Dabei gebe ich sogar zu, dass mir die Konfrontation mit ihm im Plenum ungewollt zugelaufen ist, einfach aus Verärgerung über deine Haltung. Im Grund war es natürlich ungeschickt und für das Schiff nicht gut, dass ich mich im Plenum als Bingman-Feindin produziert habe. Im Übrigen ist wohl bezeichnend, dass du meine Einschätzung des Carl Bingman gar nicht mal so entschieden in Frage stellst. Sonst würdest du nämlich danach fragen, worauf sie denn beruht, und ich würde die auch dir bekannten Beispiele vorbringen, aus denen sich extreme Unkameradschaftlichkeit, Macht- und Pöstchenjagd, Unfähigkeit zur sozialen Integration und Egozentrismus analysieren lassen. Und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, wie sehr du selbst darüber unglücklich bist, wenn er in Diskussionen für dich antwortet, mit seinem wir dich mit einbezieht, ohne deine Antwort zu kennen, oder dir barsch über den Mund fährt, wenn du es doch einmal wagst, in seiner Gegenwart eine eigene Meinung zu äußern. Und - ob du es nun wahrhaben willst oder nicht - du leidest auch darunter, dass er dir den Kontakt mit mir, mit Marcus, mit Mario oder Maxim, ja eigentlich mit allen Leuten verbietet, wenn er nicht selbst dabei ist. Ich glaube das zu wissen, weil ich dich seit deiner Geburt, also seit 21 Jahren, kenne und doch ein bisschen von deinem Innenleben mitbekommen habe. Also bitte: Was fesselt dich an diesem Machtmenschen? Weil er so ein schicker Anachronismus in unserer heutigen Zeit ist? Oder jagst du solchen Oberflächlichkeiten nach, gerade du als Psychologin: dass er blöde Witze auf Kosten anderer machen kann, dass er sich selbstsicher gibt, auch auf Kosten anderer, und so eine Art Charme entwickelt, der darin besteht, dass er andere, besonders Mädchen, nicht ernst nimmt, sie selbst nur als Spielzeug benutzt, ihnen aber das Gefühl gibt und auch von ihnen verlangt, dass sie auf ihn setzen?«

»Ich will jetzt nicht auf deine Vorwürfe eingehen, denn du würdest doch nur in den Dreck zerren, was ich für Carl vorbringen könnte. Vielleicht hat er tatsächlich auch ein paar Schwächen wie jeder Mensch, aber ich liebe ihn und fühle mich glücklich dabei.«

»Nicole!« Denis war heiß empört. »Solche lahmen Glücksbekundungen sollst du mir nicht anbieten! Du magst mich dafür hassen, weil ich deine Illusionen zerstören will, aber darüber hinaus bin ich immerhin deine Schwester, und du weißt im Grunde sehr gut, dass ich dich mag und dass du meine Gefühle erwiderst. Verstehe mich doch, Nicole, ich will dir doch nicht an den Kragen! Ich bin doch nur so entsetzlich unglücklich darüber, dass du einen Weg gehst, der meiner Meinung nach ins Nichts führt. Du kannst mich doch nicht abspeisen wie einen aufdringlichen Fremden! Du bist zumindest nicht glücklich. Das sieht jeder, der dich etwas länger kennt. Und selbst wenn du Carl lieben solltest, was ich bezweifle, dann nagt an dieser Liebe der berechtigte Zweifel. Ich bitte dich: Lass uns diese Auseinandersetzung gütlich beenden, antworte mir gar nicht jetzt, aber denke vielleicht mal ein bisschen über das nach, was wir hier diskutiert haben. Und sei es nur, dass du mich widerlegst. Das will ich doch im Grunde: dass du zu dir selbst findest, dass du wieder die alte Nicole bist, die fröhliche Nicole, die uns allen immer viel zu geben hatte. Und vielleicht lässt du mal in dich hinein sickern, dass es hier an Bord der DEMETER noch eine ganze Menge anderer Männer gibt und darunter einen, der dich sehr liebt.«

»Ach?«

»Wer das ist, sollte dir klar werden, wenn du ein bisschen nachdenkst.«

»Ich will es gar nicht wissen.«

»Nein, ich weiß. Und er weiß es auch.«

Die beiden Mädchen schwiegen, denn es war alles gesagt. Arbeiten konnten sie heute beide nicht mehr, und sie wussten es. So nahm denn jede ihre Papiere und ging ihrer Wege, aber immerhin: Zum Abschied lächelten sie sich zaghaft zu.

Als die beiden verschwunden waren, schloss CHARLIE die Tür und holte die erzwungene Stille intensiv auf. Mit zweihundert Watt fetzte er Rockin´ with the King durch die Lautsprecher des Arbeitsraums, eine uralte, heiße Scheibe, deren Interpreten nur noch CHARLIE, seinesgleichen und ein paar Musikwissenschaftler kannten.

 

 

5.

 

Mutar starrte mit zusammengekniffenen Augen in die beginnende Abenddämmerung hinein. Sein Volk litt, und das schmerzte ihn mehr als der eigene Durst. Seit mehr als fünfzig Wanderungen der Großen Mutter hatte der Stamm kein Tartirblut mehr getrunken, und allen war die Haut welk und schlapp geworden. Bald würden sie sterben müssen, wenn die Götter kein Einsehen hatten. Aber Mutar hatte sich vor den Stamm gestellt und die Kleingläubigen verhöhnt. Die Götter würden das Volk der Mus nicht dem Tode überantworten, die Götter würden ein Zeichen schicken, und dem Zeichen würde ein Tartir folgen, wie es keiner der Stammesangehörigen je größer und mächtiger erblickt hatte. Es würde größer und wilder sein als jenes weiße Tartir, das der große Jäger Mubig vor dreißig Generationen in der Schlucht-Der-Tausend-Wasser erlegt hatte, und der Stamm würde viele hundert Sonnenuntergänge davon leben können.

Mulieb trat von hinten an ihren Gatten heran und streichelte ihm sanft über das Haar. Mutar reagierte nicht darauf, obwohl er sich über diese Geste freute. Mulieb seufzte und zog sich in die Höhlen zurück.

Schon war Talmu, der erste Vater der Mus, im schillernden Bunt seines Angesichts am Himmel erschienen, und bald würden Wolmu und Panmu, die beiden kleinen Väter, ihm folgen. Und mit den kleinen Vätern würden die Mu-Krieger von der Jagd zurückkehren, ohne Tartir wie stets, seit sich die Götter vom Volk der Mus abgewendet hatten. Sie würden sich mit gutem Appetit über die Milch und die Beeren hermachen, aber auch das beste Essen konnte kein Tartirblut ersetzen.

Aus den Höhlen klang zaghaftes Geschrei. Selbst die Kleinen waren schon mutlos geworden und hatten fast resigniert, denn niemand konnte herbeieilen und ihnen helfen. Was war nur aus dem Volk der Mus geworden? Wo einst fröhliches Singen, Lachen und Musik aus den Höhlen drang, wo geputzte Mädchen den Jägern entgegenliefen, da hörte man heute nur das gedämpfte Weinen von schwachen Kindern, denen die Lebenslust abhandengekommen war.

Die Luft war feucht und schwer, und die Hitze der Großen Mutter strahlte noch vom Erdboden zurück. Es gab Zeiten, da war die Mutter so heiß, dass man sie kaum ertragen konnte und die Jäger erst aus den Höhlen hinaus konnten, wenn die Große Mutter auf der Abschiedsbahn war. Heute war so ein Tag gewesen. Aber hinaus mussten die Jäger, denn das Tartir liebte die Große Mutter und saugte ihre Wärme in sich hinein. Es legte sich dann auf glatte Felsflächen und döste müde vor sich hin. Nur so konnten die Mus es jagen, denn wenn es sich erst einmal wieder in die Spalten und Ritzen des Gebirges verkrochen hatte, konnte es selbst der legendenumkränzte große Jäger Mubig nicht mehr fangen.

Wo waren nur all die Tartire geblieben? Es hatte auch früher Notzeiten gegeben, in denen die Tartire selten oder die Jäger ungeschickt waren, aber die Not hatte niemals länger als zwanzig Wanderungen der Großen Mutter gewährt. Man hatte auch niemals den Eindruck gehabt, dass die Zahl der Tartire abnahm, sie blieb all die Generationen der Mus hindurch stets gleich, so war es überliefert aus den Erzählungen der Alten. Und die Mus hatten sich nur genommen, was sie brauchten, und das war wenig. Es war gleichbleibend wenig, denn die Mus lebten von Anbeginn an in diesen Höhlen, und die Höhlen hatten ihnen immer gereicht, was hieß, dass auch die Zahl der Mus so geblieben war, wie sie dereinst von den drei Vätern gezeugt und von der Großen Mutter geboren wurde. Mutar wusste, dass die Götter es nicht mochten, wenn die Mus sich mehr nahmen, als die Große Mutter und die Väter gegeben hatten, jeder Mu wusste das, und deshalb gab es niemals mehr als zweihundert Mus, meistens weniger, um die Götter sanft zu stimmen.

Nur zweimal hatten männliche Mus sich nicht an die Stammesgesetze gehalten und unerlaubt mit Frauen geschlafen, nachdem sie Tartirblut getrunken hatten. Beide waren nach der Geburt der Kinder von den Felsen gestürzt worden, damit die Zahl der Mus gleich blieb, und niemals wieder hatte sich ein Mu Muhin oder Mutig genannt, weil die Namen dieser Gesetzesbrecher mit Schande und Schmutz bedeckt waren.

Würden sie nicht alle viel früher am Durst nach Tartirblut sterben, überlegte Mutar, so müssten die Mus aussterben, weil keine Jungen mehr geboren werden könnten. Denn Kinder konnten nur gezeugt werden, wenn die Eltern Tartirblut zu sich genommen hatten.

An leisem Murmeln und müdem Fußtritt bemerkte Mutar, dass die Jäger auf der seinem Gesichtsfeld abgekehrten Seite zu den Höhlen zurückkehrten. Ohne sich umzusehen, wusste er, dass die Jagd wieder einmal erfolglos geblieben war, dass man wie auf den vielen Wanderungen der Großen Mutter zuvor nicht einen einzigen Tartir erblickt hatte. Wäre es anders gewesen, hätten die Männer ausgelassen gesungen und gejubelt. So aber trat man fast schweigend zu den Feuerstellen.

»Kein Tartir weit und breit«, sagte Munir, der die Jagdgruppe angeführt hatte, und trat zu Mutar. Er war noch jung, aber auch seine Haut hing schlaff und grau herunter.

»Die Götter achten nicht mehr den Willen der Großen Mutter und der drei Väter, wenn sie dem Volk der Mu die Tartire nehmen. Es war der Wille der Großen Eltern, dass die Mus auf ewig in den Höhlen leben und von den Göttern beschützt werden, wenn sie sich nicht gegen die Gesetze vergehen. Wenn die Götter uns verlassen haben, dann haben sie die Großen Eltern verraten.«

»Mein Sohn, so darfst du von den Göttern nicht reden.«

»Du vergisst den Steingott. Auch er hat gefehlt und wurde von den Mus gezwungen, die ihm von den Großen Eltern zugedachten Pflichten wieder zu erfüllen.«

Mutar hatte den Steingott nicht vergessen, aber es kam ihm ungelegen, dass Munir ihn daran erinnerte. Der Steingott, so sagte die Legende, war eines Tages übermütig geworden, war in die Lüfte gestiegen und hatte mit dem Luftgott, dem Regengott und dem Feuergott gerauft und sich geweigert, auf die Erde zurückzukehren, wo sein angestammter Platz war. Voller Bosheit hatte er aus der Höhe Steine auf das Land fallen lassen und so manches Lebewesen damit getötet. Als auch einige aus dem Volk der Mus dem Steinschlag zum Opfer gefallen waren und offensichtlich wurde, dass Luft, Regen und Feuer wohl gegen den Steingott kämpften und ihn mit Sturm, Wolkenbruch, Blitz und Donner auf das Land zurück zu zwingen versuchten, ohne dass es ihnen indes gelang, da half das Volk der Mus, den Willen der Großen Eltern zu erfüllen. In der großen Feuerversammlung zwang man ihn nieder, und seither traute er sich nur noch höchst selten aus seinem zugewiesenen Machtbereich heraus.

»Gewiss, die. Mus haben den Steingott an seine Pflicht gemahnt. Aber welchen der Götter willst du für das Fehlen der Tartire verantwortlich machen, wo die Tartire doch allen Göttern gleichmäßig ausgeliefert sind? Willst du gegen alle Götter kämpfen? Und wie willst du die Götter zu etwas zwingen, wenn du gar nicht weißt, wie sie die Tartire daran hindern, uns zu Gesicht zu kommen? Traust du dir zu, den Steingott oder den Erdgott in deren eigenem Revier anzugehen und dazu zu bringen, ihre Ritzen, Schächte und Höhlen nach außen zu stülpen und herauszudrängen, was darin ist?«

»Aber irgendetwas müssen wir doch tun. Wir...«

»Still, still!«, unterbrach ihn Mutar erregt, aber auch schon mit einer Spur von Triumph, und deutete gegen den Himmel. Und dann brach es machtvoll und markig aus ihm hervor, dass alle in den Höhlen aufhorchten und hastig herbeiliefen.

»Seht alle zum Himmel, Männer und Frauen aus dem Stamme der Mus! Die Götter haben sich der Mus wieder angenommen und ein Zeichen geschickt. Folgt diesem Zeichen und ihr findet einen Tartir, wie ihn größer selbst Mubig nicht erlegt hat. Die Götter sind zum Volk der Mu zurückgekehrt. Tanzt und singt und preist die Götter!«

Erregt hatten die Menschen Mutars Rede verfolgt und waren seinen Armbewegungen gefolgt. Nein, jetzt gab es keinen Zweifel mehr, die Zeit der Leiden war vorbei. Die Götter hatten ein Zeichen geschickt, vielleicht sogar einen Boten, der die Großen Eltern um Vergebung bat für das, was dem Volk der Mu geschehen war.

Die ersten Mus folgten Mutars Aufforderung und begannen ausgelassen zu tanzen und die alten Festlieder zu singen, was sonst nur geschah, wenn man beieinander saß und das lebensspendende Tartirblut trank. Nun würde alles wieder gut werden. Denn die drei Väter hatten einen flinken, kleinen Bruder bekommen, einen roten Stern, der sich gemächlich von einem Vater zum anderen bewegte und dann der Großen Mutter folgte. Mutar zeichnete stolz und selbstzufrieden im lockeren Sand den Weg des roten Sterns nach, der in die Richtung der Schlucht-Der-Tausend-Wasser wies.

»Wie ich euch gesagt habe«, jubelte Mutar. »Der rote Stern weist uns in die Schlucht-Der-Tausend-Wasser, wo einst Mubig seinen weißen Tartir erlegte. Wer will jetzt noch zweifeln, dass uns die Götter wohlwollen? Der rote Stern hat die drei Väter nacheinander besucht und ist dann der Großen Mutter nachgeeilt. Er will uns damit sagen, dass wir spätestens nach drei Wanderungen der Großen Mutter wieder satt und glücklich in unseren Höhlen liegen werden. Tanzt, Freunde! Morgen wird euch Munir nach den Weisungen des roten Sterns zu dem größten Tartir führen, den der Stamm der Mu je gesehen hat.«

In dieser Nacht fasste das Volk der Mu wieder Mut, und die alten, fast vergessenen Lebensgeister lebten auf. Erst spät wurden die Feuer gelöscht, und so mancher wäre am liebsten noch in der Nacht auf gebrochen zur Schlucht-Der-Tausend-Wasser. Diese Schlucht lag einen Tagesmarsch und etwas mehr von den Höhlen entfernt, und obwohl man auch in dieser Schlucht in der letzten. Zeit vergeblich nach Tartiren gesucht hatte, zweifelte doch nicht einer unter den zweihundert Mus am Erfolg des Unternehmens. Zu unmissverständlich hatten die Götter gesprochen.

Auch Doppelherz der Merker hatte den roten Stern gesehen. Nachdenklich hatte er ihn betrachtet, bevor er einen Teil seines Bartes anzündete und den süßen Rauch inhalierte. Er sah voraus, dass die Mus ihn bald besuchen würden und dass er sie nicht daran hindern konnte, Unrecht zu tun. Schwere Zeiten würden anbrechen, aber es würden auch aufregende Zeiten sein. Doppelherz löschte seinen Bart, indem er sich im weichen Sand wälzte, und zog sich in seine Höhle zurück.

 

 

6.

 

»DEMETER an DE 100! DEMETER an DE 100! DEMETER an DE 100! Bitte melden!«

Als Antwort drang nur atmosphärisches Rauschen und statisches Knacken aus CHARLIES Lautsprechern.

CHARLIE ließ diese Geräusche eine halbe Ewigkeit auf sein Publikum einwirken, bis kaum noch jemand im Plenum saß, der nicht nervöse Bewegungen machte, um sich abzureagieren. Dann meldete sich wieder CHARLIE selbst.

»Das ist die Situation: Zwei Kilometer über der Oberfläche des TANTALUS riss der Kontakt mit dem Landeboot DE 100 ab und konnte seither nicht wieder erneuert werden. Mit anderen Worten, wir haben seit 26 Stunden keinen Kontakt mehr mit der Besatzung des Bootes, also mit Robert, Marcus und Mario. Die Lage ist nicht sehr beunruhigend, denn ich habe das Boot sicher gelandet und fühle es nach wie vor. Ich kann es auch jederzeit zurückholen. Die Schwierigkeiten beginnen aber mit dem Zurückholen, denn es kann keine Absprache zwischen mir und der Besatzung stattfinden. Das einzige, was ich tun kann: das Boot etwas in Bewegung bringen und damit signalisieren, dass es abheben soll, und darauf hoffen, dass die Besatzung in der Nähe ist und die Botschaft versteht. Wenn keine anderen Vorschläge kommen, werde ich dies nach Ablauf der ursprünglich zugemessenen hundert Stunden tun.«

Es kamen keine Gegenvorschläge, und deshalb speicherte CHARLIE sofort das entsprechende Programm.