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Nr. 3040

 

Arkons Admiral

 

Die Kristallbaronien zwischen mächtigen Feinden – die Abwehrflotte ist führungslos

 

Kai Hirdt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. 18. März – Dashkon-Dunkelwolke

2. 18. März – Randzone Thantur-Lok

3. 18. März – Rudyn

4. 18. März – Dubnayorsystem

5. 18. März – Dubnayorsystem

6. 18. März – Rudyn

7. 19. März – Vogasystem

8. 23. März – Rudyn

9. 24. März – Dubnayorsystem

10. 24. März – Zalit

11. 24. März – 380 Lichtjahre vor Thantur-Lok

12. 25. März – Zalit

13. Irgendwo, irgendwann

14. 25. März – Zalit

15. 25. März – Zalit

16. 25. März – Zalit

17. 25. März – Über Zalit

18. 25. März – Utik

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine sogenannte Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher seines Raumschiffes RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Weil er mehr über die aktuelle Situation wissen will, ist Rhodan mit der RAS TSCHUBAI in das sogenannte Galaxien-Geviert aufgebrochen. Diese Region ist über 270 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Von dort stammen unter anderem die Cairaner, die sich als die neuen Schutzherren in der Menschheitsgalaxis eingesetzt haben.

Mit den aktuellen Verhältnissen in der Milchstraße müssen sich weiterhin der Arkonide Atlan und andere Aktivatorträger auseinandersetzen. Das muss Atlan unter anderem im Umfeld des Kugelsternhaufens M 13 feststellen – dort wirkt ARKONS ADMIRAL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Chaunna – Die Kommandantin der USO entstammt dem Volk der Unither.

Markul del Fermi – Der Admiral der Arkoniden kommandiert den XIV. Grenzsicherungsverband.

Atlan – Der Arkonide möchte gern seine alte Heimat wieder einmal sehen.

Jaq dom Gyrabal – An Bord eines arkonidischen Schiffs ist der adelige Freund viel wert.

Larsav da Ariga – Der mächtigste Mann der Vereinigten Sternenbaronien Thantur hat gefährliche Feinde.

1.

18. März

Dashkon-Dunkelwolke

 

Die FENOMERA FALKASS kam aus dem Linearraum und mit ihr dreiundzwanzig Schiffe eines barnitischen Handelskonvois.

Abgesehen davon zeigte die Ortung in mehreren Lichtjahren Umkreis nichts. Chaunna wusste aber, dass sie log. Neun weitere USO-Raumer neben der FENOMERA hatten die Linearetappe ebenfalls mitgemacht und waren mit dem Rest des Konvois zum Orientierungsstopp auf Unterlicht gegangen. Aber diese neun hatten ihren UMBRA-Schirm aktiviert: das Neueste und Beste, was die USO an Tarntechnik aufzubieten hatte.

Die Entwicklung war so spektakulär, dass sogar eine Schiffsklasse nach ihr benannt worden war. Die UMBRA-Raumer durchmaßen fünfhundert Meter. Sowohl hinsichtlich Geschwindigkeit als auch aktiver und passiver Bewaffnung waren sie durchaus beeindruckend.

Ihre Besonderheit aber lag darin, dass ihr Tarnschirm die neueste Generation der LAURIN-Antiortung mit der Wirkung eines Paros-Schattenschirms kombinierte. Dazu kamen Filter zur Erzeugung von Tarnidentitäten inklusive passender Energiesignaturen und Tasterreflexionen.

Wenn die UMBRAS unsichtbar bleiben wollten, blieben sie das. Wenn sie als Scheinriesen, als vermeintliche Ultraschlachtschiffe daherkommen wollten, ging das ebenfalls.

Chaunna bevorzugte es, die FENOMERA FALKASS als Teil des Händlerkonvois zu tarnen und die anderen UMBRAS vor neugierigen Augen zu verbergen. Ihre Aufgabe war, Waren und Schiffe heil von Plophos zu den arkonidischen Kristallbaronien in M 13 zu bringen – oder Thantur-Lok, wie der Kugelsternhaufen auf den astrogatorischen Karten der Arkoniden hieß.

Seit Lordadmiral Monkey vor etwa einem Monat bei den Cairanern das Privileg für die USO erwirkt hatte, gegen Bezahlung Geleitschutz zu geben, hatten erste Kommandanten dieser USO-Schutzgeschwader unterschiedliche Taktiken entwickelt. Manche setzten auf sichtbare Präsenz – und wahrscheinlich würde der Erfolg ihnen da recht geben.

Die Ladhonischen Scharen griffen meist allein oder mit einer kleinen Anzahl von Einheiten an. Zehn Kampfraumschiffe waren ein gewichtiges Argument gegen einen solchen Überfall.

Doch Chaunna hielt es mit dem Lehrsatz ihrer Mutter: Erst schnuppern, dann den Rüssel in den Topf. Dass diese unithische Weisheit es noch nicht ins USO-Ausbildungshandbuch geschafft hatte, war im Grunde ein Skandal. Das allerdings schien das gesamte nicht-unithische Personal der Vielvölkerorganisation nicht zu interessieren, sodass Chaunna ihren missionarischen Eifer in dieser Hinsicht irgendwann ad acta gelegt hatte.

Seit sie ihren eigenen kleinen Verband befehligte, legte ohnehin sie die Spielregeln fest. Sie hatte das Gefühl, dass viele ihrer Kollegen die Ladhonen unterschätzten. Einzelne Einheiten konnte man mit massiver Präsenz sicher abschrecken. Aber es war erst zwei Monate her, dass sie in einer gemeinsamen Aktion mit Hunderten Schiffen den Planeten Trandafir angegriffen hatten. Eine signifikante und bislang einmalige Abweichung von ihrem üblichen Muster.

Aber falls sich dieses Vorgehen wiederholte und falls Chaunna das Pech hatte, dabei vor Ort zu sein – dann wollte sie nicht, dass der Gegner von vornherein wusste, dass sie nur über zehn Schiffe gebot.

Hemtrak-B3 meldete sich über Funk. Chaunna schnaubte enerviert, dann berührte sie mit dem Rüssel eine Schaltfläche, um das Gespräch anzunehmen. Das feiste Gesicht des Barniters erschien, allerdings so weit verkleinert, dass es mit Chaunnas ästhetischen Maßstäben vereinbar war. Auch die Lautstärke war aus bitterer Erfahrung gedrosselt.

»Wann geht es endlich weiter?«, giftete der Anführer der Händler ohne jede Begrüßung. »Wir haben Verträge einzuhalten! Wir sind schon anderthalb Tage hinter unserem Zeitplan, und dieser erneute überflüssige Stopp wirft uns weitere ...«

»Halt den Mund!«, unterbrach Chaunna. Jegliches Bemühen um Höflichkeit hatte sie am vierten Tag der gemeinsamen Reise beerdigt, da sie ohnehin nicht erwidert wurde. »Besser zu spät als gar nicht anzukommen.«

»Diese unnötigen Unterbrechungen ...«

»... sind nötig«, grätschte sie erneut in den beginnenden Wortschwall. »Wir konnten dadurch schon einer Ladhonenattacke ausweichen.«

»Das weißt ...«

»... du nicht, willst du wohl sagen«, übernahm Chaunna sofort wieder. »Und du weißt nicht, ob sie nicht angegriffen hätten, wenn wir den Sektor nicht umflogen hätten. Und jetzt reg dich ab. Laut unserer Ortung ist im Dubnayorsystem alles ruhig. Wir warten noch ein paar Ergebnisse der Fernortung ab. In fünf Minuten gebe ich das Signal zum Weiterflug.«

Dubnayor lag in der Dashkon-Dunkelwolke, etwa 1200 Lichtjahre vor Thantur-Lok. Dort befand sich eine Kontrolleinrichtung der Kristallbaronien. Handelsschiffe mussten sich dort anmelden, bevor ihnen der Einflug in den Sternhaufen gestattet wurde. Wer ohne entsprechende Genehmigung nach M 13 vorstieß, bekam es schnell mit einem der vielen arkonidischen Wachgeschwader in der Grenzzone zu tun.

Bei Dubnayor selbst kam es allerdings häufiger zu Auseinandersetzungen. Diese Art vorgelagerter Posten war nicht so gut geschützt wie das Gebiet von M 13 selbst, und allein im letzten halben Jahr hatte es dort zwei bewaffnete Auseinandersetzungen der Arkoniden mit den Naatschen Freischaren und eine mit einem Ladhonenschiff gegeben. Deshalb wollte Chaunna erst einmal aus dreißig Lichtjahren Distanz sichergehen, dass alles ruhig war. Erst schnuppern, dann den Rüssel in den Topf.

»Das will ich aber auch ...«

Chaunna beendete das Gespräch, bevor der Barniter seine leere Phrase zu Ende bringen konnte. Sie wurde dafür bezahlt, dass die Händler heil ankamen; nicht dafür, dass sie sich glücklich fühlten wie nach einer Ultraschall-Reinigung ihres ohnehin viel zu kleinen Riechorgans.

Sie wackelte mit dem Kopf, um die Gedanken an Hemtrak-B3 abzuschütteln. Prinzipiell hieß sie Monkeys Initiative gut, dass die USO aus dem Verborgenen trat und wieder offen auf der galaktischen Bühne agieren konnte. Dass man dafür Spezialisten und QuinTechs zu besseren Leibwächtern degradierte, gefiel ihr weniger.

Als hätte sie es mit dem Gedanken an den Lordadmiral heraufbeschworen, ging in diesem Moment eine Textnachricht von Monkey bei ihr ein. Ein einzelnes Zeichen:

?

Chaunna setzte sich unwillkürlich strammer in ihrem Kommandantenplatz. »Sofortige Antwort!«, befahl sie. »Verzögerung. Mussten Ladhonen umgehen. Erreichen M 13 voraussichtlich in vier Stunden.«

Monkeys Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Bericht über Flottenbewegungen in M 13 ist überfällig.

Mehr brauchte es nicht, um Chaunna in ihrem Sitz wieder schrumpfen zu lassen. Selbstverständlich schickte der Lordadmiral seine Schiffe nicht nur als Leibwächter aus. Sie nutzten die neu gewonnene Bewegungsfreiheit, um Informationen über die militärische Lage in der Milchstraße zu sammeln. Und einen entsprechenden Auftrag hatte Chaunna wohl gerade an die Wand gefahren, wenn Monkey sich die Zeit nahm, sie persönlich zusammenzustauchen. Möglicherweise hatte sie doch zu lange geschnuppert.

»Rundruf auf offener Frequenz«, befahl sie. »Übertritt in den Linearraum in dreißig Sekunden.«

Monkeys Rüffel hatte sie tief getroffen. Aber noch mehr ärgerte sie, dass Hemtrak-B3 sich nun einbilden würde, sie hätte den Stopp seinetwegen verkürzt.

 

*

 

Sie erschienen im Dubnayorsystem leicht oberhalb der Ekliptik, zwischen den Bahnen des vierten und fünften Planeten, Hirc und Venco-Nar. Auf Hirc befand sich ...

Eine Alarmsirene gellte.

»Geschützfeuer!«, rief Major Vanderbeck, ein Terraner und Leiter der Abteilung Funk und Ortung. »Arkoniden beschießen sich mit ... Das sind Naats!«

Chaunna fluchte herzhaft. »Konvoi nimmt Kugelformation ein!«, befahl sie sofort. »UMBRA-Raumer bilden äußere Schale, enttarnen sich nicht! Langsamer Formationsflug hinaus aus der heißen Zone. Energiewaffen bleiben desaktiviert.«

»Hemtrak-B3 will ...«

»Jetzt nicht«, fuhr sie unwirsch fort. »Sagen Sie ihm deutlich, er soll meine Befehle befolgen, sonst schieße ich ihn selbst ab.«

Sie waren zum dümmstmöglichen Zeitpunkt am denkbar schlechtesten Ort aufgetaucht. Im System war alles ruhig gewesen, als sie wenige Minuten zuvor die Linearetappe eingeleitet hatten. Die Naats mussten ziemlich zeitgleich mit ihrem Start ins System eingefallen sein, um die Kontrollstation auf Hirc zu attackieren. Die Arkoniden hatten ihre kleine Flotte zur Verteidigung zusammengezogen. Und die FENOMERA mit ihren Begleitern war fast genau zwischen den beiden Fronten in den Normalraum zurückgefallen.

»Vier Naat-Einheiten folgen uns«, sagte Vanderbeck. Er zeigte sie im Holo.

Genau wie die Arkoniden flogen die Naats Ringwulstraumer, allerdings waren ihre Einheiten grob eiförmig. Zwei ihrer Verfolger gehörten zur tausend Meter durchmessenden BUCHANDHA-Klasse, die beiden anderen waren KUTTBAYARS mit eintausendfünfhundert Metern Durchmesser. Durchaus ein Kaliber, das den zehn deutlich kleineren UMBRAS gefährlich werden konnte. Von den Barnitern ganz zu schweigen.

»Ein einzelner Warnschuss auf mein Zeichen«, befahl Chaunna. »Transformgeschütz, zwei Milliarden Kilometer vor das nächste Schiff. Weit genug weg, dass sie es als reine Warnung deuten müssen. Nah genug, dass sie es ernst nehmen.«

Major Fylüyth, ein Apaso, bestätigte zirpend.

»Funkverbindung!«, forderte Chaunna.

»Naat-Einheiten antworten nicht«, sagte Vanderbeck.

Damit hatte Chaunna auch nicht gerechnet. Es wäre zu einfach gewesen.

»Warnschuss – sofort!« Mit dem Rüssel dirigierte sie den Einsatz. »Offener Funkspruch: Wir sind keine Partei dieser Auseinandersetzung und ziehen uns aus der Kampfzone zurück. Angriffe auf uns werden mit tödlicher Gewalt beantwortet.«

Mittlerweile hatte Vanderbeck etwas Ordnung ins Holo gebracht: Die Systemverteidigung der Arkoniden brachte dreiundsiebzig Schiffe auf. Die Naat-Einheiten hatten weniger Kampfwert, dafür waren sie mit sechsundneunzig Schiffen angerückt.

Die vier Schiffe, die nun dem USO-Konvoi folgten, hatten eine beinahe unangreifbare Formation verlassen. Wenn der arkonidische Oberbefehlshaber Mut hatte, konnte er in diese Lücke vorstoßen und die Angreifer auseinandertreiben. Er würde dafür den eigenen Abwehrkordon schwächen müssen, aber nur für wenige Sekunden. Chaunna überlegte kurz, ob sie den Arkoniden Zeit verschaffen sollte, diese Chance zu erkennen und zu nutzen ...

»Nicht unser Kampf«, murmelte sie.

Das Holo zeigte, dass die Naats sich von der Warnung nicht hatten irritieren lassen, obwohl sie sich eigentlich fragen mussten, wer ihnen da im wahrsten Sinne des Wortes vor den Bug geschossen hatte. Noch musste die FENOMERA FALKASS in ihrer Ortung als vierundzwanzigster barnitischer Händler mit entsprechend geringer Bewaffnung erscheinen.

»Wir lassen die Maskerade fallen«, befahl sie. »Zweiter Warnschuss, näher diesmal.«

Erneut sandte sie eine Funkbotschaft. »Dieser Handelskonvoi steht unter dem Schutz der United Stars Organisation. Brecht die Verfolgung ab, und euch wird nichts geschehen.«

Erneut zeigten die Schiffe der Naatschen Freischaren keine Reaktion.

»UMBRA Zwei und Drei desaktivieren den Tarnschirm«, ordnete Chaunna an. »Wir fliegen ihnen entgegen und legen Sperrfeuer. UMBRA Vier bis Sechs beziehen hinter den Naats Position und warten auf Befehle. UMBRA Sieben bis Zehn bleiben für Notfälle beim Konvoi.«

Mit drei 500-Meter-Raumern ließ sich gegen zwei BUCHANDHAS und zwei KUTTBAYARS wenig ausrichten, aber das plötzliche Auftauchen neuer Gegner sollte die Naats verunsichern. Für sie hatte sich ein Händlerschiff in eine Kampfeinheit verwandelt. Zwei weitere waren gerade scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht. Und sie wussten nicht, welche weiteren Überraschungen warteten. Die taktische Lage wirkte aus Sicht der Naats nicht mehr so klar wie noch einige Sekunden zuvor.

Immerhin hatten die Arkoniden endlich begriffen, welche Chance sich ihnen bot. Dreißig ihrer Einheiten nahmen Fahrt auf, als wollten sie sich der Spitze der keilförmigen Naatformation entgegenwerfen. Aber acht von ihnen konnten den Kurs ändern, um in die kleine Lücke zu stoßen, die Chaunnas Verfolger hinterlassen hatten. Wenn die Naats sie dabei angreifen wollten, würden sie sich gegenseitig behindern.

»Angriff!«, rief Vanderbeck.

Chaunna sah es selbst im Holo. Die Naats ließen nun die Waffen sprechen und feuerten mit leistungsstarken Impulsgeschützen auf die drei UMBRA-Raumer, die zwischen ihnen und den Barnitern Position bezogen hatten. Kein Problem für den Paratronschirm – aber die Naats hatten auch erst einen kleinen Teil ihrer Feuerkraft eingesetzt.

»Feuer erwidern!«, befahl Chaunna. »UMBRA Vier bis Sechs begeben sich aus der Tarnung und attackieren von hinten.«

Die Naats flohen, sobald die drei weiteren Geleitschiffe sich zeigten.

Nein. Das war keine Flucht. Sie vollführten eine Kurztransition und erschienen zwischen den acht arkonidischen Raumern, die zum exakt selben Zeitpunkt die Kursänderung vornahmen, die Chaunna vorausgesehen hatte. Vom eigenen Manöver abgelenkt, reagierten die Arkoniden zu spät auf den Angriff aus einer unerwarteten Richtung. Fünf der acht Einheiten waren manövrierunfähig geschossen, bevor sie in ihre sichere Formation zurückkehren konnten.

In kürzester Zeit hatte das Blatt sich gewendet. Nun waren nicht mehr die Naats angreifbar, sondern die Arkoniden, trotz der technischen Überlegenheit ihrer Schiffe. Die Freischaren ließen sich die Chance nicht entgehen und stießen in die Lücke vor, bevor die Verteidiger ihre Formation anpassen konnten. Eine empfindliche Niederlage der Arkoniden zeichnete sich ab.

Sie waren überhaupt nicht hinter uns her, erkannte Chaunna. Sie haben unser zufälliges Auftauchen sofort genutzt und uns zum Köder gemacht.

Die USO hatte sich benutzen lassen, und die Arkoniden zahlten den Preis dafür. Chaunnas Rüssel krampfte.

Sofort aber kamen ihr Zweifel an der eigenen Analyse. Wer sollte denn in derartiger Schnelligkeit die Reaktionen und Flugbahnen von mehr als hundertfünfzig kämpfenden Einheiten voraussehen?

Das Manöver der Naats war zu gut gewesen, zu elegant. Das war kein aus dem Ärmel geschüttelter, brillanter Plan. Es musste eine gehörige Portion Zufall im Spiel gewesen sein.

»Nicht unser Kampf«, sagte Chaunna sich einmal mehr. Sie konnte den Arkoniden nicht beistehen, ohne die Barniter zu gefährden. Zudem schienen die Naats eher darauf aus zu sein, die Arkoniden lahmzuschießen, als sie zu töten.

Der Konvoi zog sich in sicherem Abstand an die Systemgrenze zurück. Immerhin hatte Chaunna nun etwas, das sie Monkey berichten konnte.

2.

18. März

Randzone Thantur-Lok

 

Auf der FLAON saß Has'athor Markul del Fermi in jener abgetrennten Sektion der Zentrale, die dem Stab des XIV. Grenzsicherungsverbands vorbehalten war. Als Einsonnenträger hatte del Fermi das Kommando über 180 Schiffe, die allesamt dafür standen, dass niemand ohne Genehmigung in den Kugelsternhaufen einflog. Zumindest nicht in jenem Sektor, den sie zu kontrollieren hatten.

Es war eine verantwortungsvolle Aufgabe, aber del Fermi war sich sicher, dass sie ihm nicht zu Kopf steigen würde. Dafür war er als Admiral Vierter Klasse zu austauschbar. Ein Fingerschnippen von Kristallbaron da Ariga, und jemand anders mit wahrscheinlich niedrigerer Qualifikation, aber edlerer Herkunft würde ihn ersetzen. Ehrgeizige Offiziere gab es in den sechzehn Grenzsicherungsverbänden, den diversen Heimatflotten der Baronien und im Oberkommando auf Zalit genug. Konform bleiben und Befehle befolgen – so behielt man seinen Posten.

Genau das fiel del Fermi jedoch immer schwerer. Er schob taktische Holos vor sich her, legte die Aufklärungsberichte bestimmter Raumsektoren zu verschiedenen Zeiten übereinander und versuchte, ein Muster in den dürftigen Daten zu erkennen.

Als er kurz den Kopf hob, um den Nacken zu entspannen, traf sein Blick den von Jaq dom Gyrabal. Der Thantan befehligte lediglich die FLAON, hatte sich in Fragen der Verbandsführung also eigentlich nicht einzumischen.

Aber del Fermi kannte dom Gyrabal seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Akademie auf Zalit. Er schätzte den Rat des Freundes höher als den des Stellvertreters, den ihm das dortige Oberkommando in seiner allumfassenden Weisheit zugeteilt hatte. Er beantwortete die stumme Frage in dom Gyrabals Blick mit einem Nicken.

Der Schiffskommandant erhob sich und gesellte sich zum Admiral. »Diese Daten sind nicht Teil des offiziellen Statusbulletins, das an alle Verbände ging«, stellte er mit kundigem Blick fest.

Del Fermi bestätigte. »Ich habe sie selbst angefordert. War nicht ganz einfach, jemanden auf Zalit so weit zu bekommen, mir all das zusammenzustellen.«

»Und wozu ist das gut?« Mit gerunzelter Stirn betrachtete dom Gyrabal die Holos aus mehreren Dutzend Raumsektoren in teils Hunderten, teils sogar Tausenden Lichtjahren Entfernung von Thantur-Lok.

Del Fermi ging nur indirekt auf die Frage ein. »Wir sollten in Alarmbereitschaft sein und bleiben. Und zwar höchste oder zweithöchste Stufe. Schau, hier. Drei Naatverbände bei Juquan. Vier in der Dashkon-Dunkelwolke. Und hier ...« Er zog ein anderes Holo heran. »Das ist derselbe Verband zehn Tage früher. Da stand er noch im Smekan-Sektor. Da ist eine massive Truppenverschiebung im Gange.«

»Wir bewegen unsere Verbände ebenfalls dauernd«, argumentierte dom Gyrabal. »Ohne Angriffsabsichten.«

»Aber das hier ist etwas anderes«, beharrte del Fermi. Wieder einmal zeigte sich, warum er es bis zum Admiral geschafft hatte und sein Freund nur bis zum Schiffskommandanten. Er redete sich wider besseres Wissen ein, dass es an seiner strategischen Begabung lag, nicht an der Freundschaft seines Vaters mit dem Kristallbaron. »Sie entblößen sogar Sektoren, die sie zur Sicherung ihrer Heimatwelten unter ständiger Beobachtung halten sollten. Sie bereiten etwas vor. Und deshalb sollten wir in Alarmbereitschaft sein.«

Sichtlich nervös sah dom Gyrabal sich um. Ihr Gespräch wurde nicht gedämpft. Wer nah genug an ihrer Position saß, konnte alles mithören. Del Fermi war es egal, er hatte nichts zu verbergen.

»Ich bin mir sicher, dass die Spezialisten im Flottenkommando es bemerkt hätten, wenn ein Grund zu erhöhter Aufmerksamkeit bestände«, sagte dom Gyrabal mit nur leicht erhobener Stimme.

Del Fermi verdrehte kurz die Augen. Solange es um die Führung der FLAON ging, vertraute er dem Freund bedingungslos. Aber sein allzu großer Wunsch, vor dem Oberkommando gut auszusehen, stand ihm nicht besonders zu Gesicht.

»Wir beginnen eine Übung!«, ordnete del Fermi ein. Er wandte sich per Funk an sämtliche Einheiten. »Der komplette Verband wechselt unter Gefechtsbedingungen ins Grenzgebiet Richtung Dashkon-Wolke. Kurs und Formation berechnen. Umsetzung innerhalb von vier Zentitontas. Gefechtsbereitschaft wird aufrechterhalten, bis ich das Ende des Manövers befehle.«

Dom Gyrabal rannen zwei Erregungstränchen aus den Augen. »Bitte um vertrauliches Gespräch.«

Del Fermi aktivierte das Dämpfungsfeld. »Leg los! Aber ein schnelles Manöver sollte eigentlich nicht mit einer Diskussion beginnen.«

»Dein Plan wird dem Oberkommando nicht gefallen«, sagte dom Gyrabal erregt. »Man hat uns aus einem bestimmten Grund hierhingeschickt!«

Del Fermi behielt im Auge, was hinter dom Gyrabals Rücken in der Zentrale geschah. Die Offiziere setzten seine Anweisungen routiniert um, während ihr Kommandant mit ihm diskutierte. Etwa die Hälfte des Verbands war bereits startbereit. Das war ein guter Wert für die kurze Zeit.

»Den hat man uns aber nicht verraten und seitdem auch keine neuen Befehle erteilt. Ich handle vollkommen im Rahmen meiner Befugnisse, wenn ich die mir unterstellten Einheiten fordere und das Zusammenwirken trainiere.«

»Aber mitten in einer Krise?«, rief dom Gyrabal entsetzt. »Der Putsch gegen den Baron ist gerade zwei Monate her!«

»Krise?«, fragte der Admiral gelassen. »Wenn wir eine Krise hätten, hätte das Oberkommando Alarmbereitschaft verordnet, oder meinst du nicht?«

Nun zeigte sich Ärger in dom Gyrabals Blick. »Du gefährdest deine Karriere. Warum machst du das?«

Sprungbereitschaft wurde signalisiert. Del Fermi gab seine Befehle. Die Flotte verließ ihre Position und ging, alle hundertachtzig Schiffe in der gleichen Millitonta, in den intermittierenden Transitionsflug.

Del Fermi lachte leise. »Meine Karriere geht sowieso nicht weiter. Ebenso wie deine, wenn wir ehrlich sind. Mittlere Adlige von einem abgelegenen Kolonialplaneten – das weise Oberkommando gibt Leuten wie uns keine wirklich einflussreichen Posten. Den Rang als Has'athor habe ich nur, weil der Kristallbaron in der Schuld meines Vaters steht.«

Es tat erstaunlich gut, die bittere Wahrheit einmal auszusprechen. »Ich bin, soweit ich weiß, der einzige del Irgendwas einer Admiralität voller Das, Tas, Mas und Aghs. Unser Hochadel wäre gern unter sich und wird früher oder später ohnehin einen Vorwand finden, um mich wieder zu degradieren. Aber bis zu diesem Zeitpunkt will ich etwas Sinnvolles für die Baronien tun.«