3Ulrich Bröckling

Postheroische Helden

Ein Zeitbild

Suhrkamp

5Für Barbara

91. Einleitung:

Gegenstrebige Gleichzeitigkeiten

Ein soziologischer Essay über Helden, auch über postheroische Helden, bedarf der Rechtfertigung. Das gilt umso mehr, wenn dieser Essay gegenwartsdiagnostisch angelegt ist. Mit Helden assoziieren wir gemeinhin kämpferische oder auch tragische Gestalten, die Exzeptionelles leisten und sich mächtigen Feinden entgegenstellen, die Katastrophen abwehren, Widrigkeiten überwinden und sich um der guten Sache willen in Gefahr begeben, ohne sich dabei um Regeln und Konventionen zu scheren – und die für all das verehrt und bewundert werden. Ein Stoff eher für romantische Erzählungen, militärische Mobilmachungsprosa, pädagogische Erbauungsliteratur oder die Mythen der Populärkultur als für ein soziologisches Zeitbild. Die Soziologie tut sich ohnehin schwer mit Heroisierungen. Sie interessiert sich eher für die kleinen Leute als für große Männer, mehr für Häufigkeitsverteilungen als für Singularitäten und konzentriert sich auf die Ordnungen des Sozialen statt auf das Außerordentliche. Die Nachfrage nach Helden oder auch Heldinnen ist ihr nicht weniger suspekt als die Mechanismen ihrer Fabrikation. Heroismen stellt die Soziologie erst einmal unter Ideologieverdacht oder klassifiziert sie als hoffnungslos antiquierte Relikte einer vormodernen, hierarchisch gegliederten Welt. Ihre Relevanz für das Verständnis der Gegenwart scheint jedenfalls begrenzt.

Zeitdiagnosen müssen nicht nur die richtigen Antworten finden, sondern auch die richtigen Fragen stellen, und zwei10fellos gibt es für Beschreibungen gegenwärtiger Gesellschaften näherliegende Zugänge als die Krise und den Wandel ihrer Heldenbilder. Selbst Problematisierungen des Heroischen laufen zudem Gefahr, noch im Gestus des Entzauberns jenes vertikale Weltbild fortzuschreiben, für das Helden und Heldinnen stehen. In diesem Sinne ist Jürgen Habermas' Bemerkung, »daß sich, wo immer ›Helden‹ verehrt werden, die Frage stellt, wer das braucht – und warum«,1 auch auf die soziologische Beschäftigung mit ihnen auszuweiten. Dasselbe gilt freilich für die These, wir lebten in postheroischen Zeiten. Sie nährt die Illusion einer befriedeten, nivellierten Gesellschaft, die keine Heroen benötigt und erschafft, weil sie individuelle Größe für Anmaßung hält, Konflikte kommunikativ kleinarbeitet und zu freiwilligem Opfer weder willens noch fähig ist. Auch hier ist zu fragen: Wer braucht das – und warum?

Dass heroische Narrative ebenso wie ihre postheroischen Brechungen politisch imprägniert sind und sich Fragen nach Intention und Nutzwert aufdrängen, begründet indes auch ihre gegenwartsaufschließende Kraft: An ihnen lässt sich exemplarisch ablesen, was soziale Ordnungen ihren Mitgliedern zumuten und was sie ihnen zutrauen, auf welche Werte, Verhaltensnormen und Gefühlsregeln sie diese ausrichten, welche Handlungsmacht sie ihnen zubilligen beziehungsweise absprechen und welche Vorstellungswelten sie eröffnen. Verhandelt werden unter anderem normative Erwartungshorizonte und Rangordnungen, Bewertungen von Konformität und Abweichung, Subjekt- und Gemeinschaftsanrufungen, die Position des Individuums in einer hochkomplexen technisierten Gesellschaft, Führungsmodelle, das Problem der Opferbereitschaft und damit die Einstellung zum Tod, aber auch Geschlechterrollen oder der Stellenwert religiöser Bindungen. Die Frage, wer Heldenfi11guren braucht und warum, und wer ebendies bestreitet und warum, verweist nicht zuletzt auf Krisenwahrnehmungen und Normalisierungswünsche.

Weil alle diese Themen kontrovers sind, besteht über den Stellenwert des Heroischen in der Gegenwart kein Konsens. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist denn auch eine widersprüchliche Beobachtung: Auf der einen Seite taucht seit den 1980er-Jahren in unterschiedlichen Kontexten das Attribut »postheroisch« auf und beansprucht zeitdiagnostische Plausibilität; auf der anderen Seite vergeht kaum ein Tag, an dem nicht frische Helden und Heldinnen ausgerufen oder altbewährte wieder hervorgeholt werden. Abschwächung und Intensivierung heroischer Energien laufen parallel. Traditionelle Bewährungsfelder verblassen, während neue Heroen sich in vormals heldenfreien Zonen tummeln. Die appellative Kraft heroischer Narrative mag abnehmen, ihr Unterhaltungswert scheint ungebrochen. Was wir als verbindliches Vorbild nicht mehr ertragen, suchen wir umso leidenschaftlicher in den Sphären der Imagination.

Den Eintritt in eine postheroische Ära konstatierten zunächst politische und militärwissenschaftliche Abhandlungen über die Zukunft des Krieges. Westliche Gesellschaften seien nicht länger in der Lage, so ihre These, massenhaft Opferbereitschaft zu mobilisieren und längerfristig hohe Verluste unter den eigenen Truppen in Kauf zu nehmen. Deshalb führten sie asymmetrische Kriege mit hochtechnisierten Waffensystemen, machten sich allerdings auch verwundbar durch Gegner, die technologische Unterlegenheit durch heroische Todesverachtung kompensieren. Organisations- und Managementtheoretiker proklamieren derweil Modelle postheroischer Führung. Diese verabschieden den Gestaltungsoptimismus politischer Planung und die Steuerungsillusionen eines rationalistischen Managements zuguns12ten eines partizipativen, auf Stärkung von Selbststeuerungspotenzialen ausgerichteten Führungsstils oder plädieren in realistischer Selbstbescheidung dafür, von heroischer Problemlösung auf postheroisches Coping umzustellen. Psychologische Studien wiederum identifizieren den zeitgenössischen Sozialcharakter einer postheroischen Persönlichkeit, die ihre Flexibilität mit dem Zwang zur fortwährenden Anpassung an einen beschleunigten sozialen Wandel erkauft. Selbst die Popmusik soll inzwischen in die postheroische Phase eines »Gegenkulturalismus ohne Gegenkultur« eingetreten sein.2 Weitere Belege aus anderen Feldern ließen sich mühelos ergänzen. Auch wenn die verschiedenen Diskursstränge weitgehend unverbunden nebeneinander stehen, verdichten sie sich in der Summe zu einem Zeitbild.

Auffällig ist der nahezu ausschließlich adjektivische Gebrauch: Postheroisch wird alles Mögliche genannt, von Postheroen oder Postheroismus ist dagegen kaum die Rede. Das Attribut glänzt wie andere Epochensignaturen, die mit dem Epitheton »post-« versehen sind, auch nicht durch begriffliche Präzision. Mal bezeichnet es eine Mentalität oder einen Habitus, dann wieder eine Etappe im Modernisierungsprozess oder einen Modus der Kriegführung. »Postheroisch« kann sich aber ebenso auf ein Verständnis von Regierungskunst beziehen, das die Komplexität des Sozialen anerkennt und deshalb die Hybris technokratischer Kontrolle abgelegt hat. Darüber hinaus werden mit dem Attribut Einstellungen und Gestimmtheiten belegt, die allergisch auf Pathosformeln reagieren, für Appelle an Opferbereitschaft oder rückhaltlose Identifikationen unempfänglich sind und zur Verehrung großer Männer und ihrer Taten allenfalls ein ironisches Verhältnis pflegen. Als postheroisch werden schließlich auch Artefakte und kulturelle Praktiken charakterisiert, die mit solchen Haltungen assoziiert sind.

13Wie die Rede von der Postmoderne nicht mit einem Abschied von der Moderne gleichzusetzen ist, bezeichnet auch der Topos des postheroischen Zeitalters nicht das Ende heroischer Orientierungen, sondern ihr Problematisch- und Reflexivwerden. Die Diagnosen einer postheroischen Gegenwart verweisen schon semantisch auf jene Heldennarrative, deren Brüchigkeit sie konstatieren und von denen sie sich absetzen. Das Integrationspotenzial und die Mobilisierungskraft heroischer Anrufungen sind zudem keineswegs erschöpft. Der diagnostizierten Fragwürdigkeit und Antiquiertheit von Heldenfiguren steht vielmehr ein fortdauernder Heldenhunger gegenüber, der reichlich bedient wird. Wiederbelebte und neu geschaffene Heldenfiguren bevölkern die Welten der Comics und Computerspiele, Superhelden-Blockbuster brechen Kassenrekorde, und auch der Leistungssport liefert fortlaufend heroisierbares Personal. Die Feuerwehrleute von 9/11 werden ebenso zu Helden erklärt wie Klimaaktivistinnen, Whistleblower und politische Freiheitskämpfer wie jener anonyme tank man, der sich 1989 auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens allein den vorrückenden Panzern in den Weg stellte. Bezeichnend ist, dass dieser Heroismus nicht länger an Pflichterfüllung und Gefolgschaftstreue gekoppelt wird, die neuen Heldinnen und Helden zeichnen sich vielmehr durch Nonkonformismus und Gehorsamsverweigerung aus. Aus Heldenmut wird Zivilcourage. Parallel dazu wird das Heroische demokratisiert und veralltäglicht. Letztlich kann jede und jeder zum Helden beziehungsweise zur Heldin werden, und sei es »just for one day«, wie David Bowie versprach, oder auch nur für jene »fifteen minutes of fame«, auf die nach Andy Warhol in der Ära der Massenmedien niemand verzichten muss.3

Mit dem Aufstieg populistischer Führergestalten kehrt 14allerdings auch ein anderer Heldentypus auf die Bühne zurück: der großmäulige Rüpel, der antritt, dem Establishment einzuheizen, den nationalen Augiasstall auszumisten und das Land zu neuer oder alter Größe zu führen. Er ist keine Vaterfigur, welche die Autorität des Gesetzes verkörpert, sondern der Anführer einer Brüderhorde, der sich gegen die gesetzlichen Autoritäten auflehnt, weil sie ihm nicht autoritär genug sind. Er beschwört eine gewaltsame Welt, in der nur Stärke zählt und ausschließlich jene eine Chance haben, die kein Mitleid kennen. Statt Sicherheit und Wohlstand verspricht er seinen Anhängern affektive Entladung und zeigt ihnen, an wem sie ihr Mütchen ungestraft kühlen dürfen. Dass er die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge suspendiert, unterstreicht nur seinen Machtwillen: Wer auf den Faktencheck pfeift, kann sich die Wirklichkeit nach Belieben zurechtmodeln. Zur Selbstinszenierung dieser folk heroes gehört nicht nur die offensive Zurschaustellung des eigenen Reichtums sowie ihr zwischen Wirtschaftstycoon, Volkstribun und Warlord schillernder Habitus, sondern auch ein aggressiver Machismo, dessen sexualisierte Männlichkeitsposen keineswegs nur den Frauen signalisieren sollen, dass der Boss sich alles herausnehmen kann. Als Anachronismen wird man diese Figuren schwerlich abtun können. Ihr dröhnendes, mit Gewaltdrohungen und Verachtung Schwächerer gepaartes Maulheldentum bildet das Gegenstück zum gerade nicht auftrumpfenden Heroismus couragierter Alltagsheldinnen.

Im Widerstreit disparater Heldenmodelle und mehr noch in der Kollision heroischer und postheroischer Leitbilder zeichnen sich Konfliktlinien der Gegenwartsgesellschaft ab. Ich werde in diesem Essay diesen gegenstrebigen Gleichzeitigkeiten nachgehen und die diskursiven Fronten und Vermischungszonen zwischen zeitgenössischen Dynamiken 15der Heroisierung und solchen der Deheroisierung inspizieren. Zur Diskussion stehen dabei sowohl die affektiven, moralischen, legitimatorischen und appellativen Dimensionen von Heldennarrativen (und deren Kosten) wie auch die entsprechenden Aspekte ihrer Relativierung, Kritik und Verabschiedung. Ich folge also weder dem Befund, wir lebten in einer postheroischen Gesellschaft, noch verwerfe ich ihn. Mir geht es vielmehr um eine Zeitdiagnose zweiter Ordnung, die erkundet, was es über unsere Gegenwart aussagt, welche ihrer Züge scharf gestellt und welche ausgeblendet werden, wenn sie einerseits in so unterschiedlichen Bereichen als postheroisch charakterisiert wird und andererseits die Produktion von Helden, zunehmend auch von Heldinnen in ihr weiterhin (oder neuerdings wieder?) auf Hochtouren läuft. Auf welche Herausforderungen reagieren die zeitgenössischen Heroismen? Was sind die Fragen, auf die das Attribut »postheroisch« eine Antwort geben soll?

Zeitdiagnosen stehen im Ruf, exemplarische, bisweilen auch nur anekdotische Einzelbeobachtungen zu einer allgemeinen Standortbestimmung zu überdehnen, Diskontinuitäten zu dramatisieren, dafür aber die Persistenz des Alten im Neuen auszublenden und zugespitzten Etikettierungen Vorrang gegenüber analytischer Differenzierung einzuräumen. Sie gelten »als interessant, aber doch auch als ein wenig unsolide«.4 Die Diagnose der postheroischen Gesellschaft, die hier kritisch ausgeleuchtet und selbst wiederum zeitdiagnostisch verortet werden soll, existiert zudem nur als Parallelaktion mehr oder minder kursorischer Verwendungen desselben Labels für höchst unterschiedliche Gegenwartsphänomene. Ihre Reichweite und Erklärungskraft sind ungewiss.

Den Fallstricken soziologischer Übergeneralisierung versuche ich zu entgehen, indem ich die zeitdiagnostischen 16Sondierungen einbette in analytische Überlegungen zur Sozialfigur des Helden sowie zu Triebkräften und Effekten von Heroisierungen (Kapitel 2). Sie laufen nicht auf eine Theorie des Heroischen hinaus (das wäre ein unmögliches Unterfangen), sondern fügen heterogene Bausteine zu einer Heuristik zusammen, die eine theoretische Durchdringung zentraler Aspekte des Heroischen anleiten kann. Daran schließt sich ein ideengeschichtlicher Abschnitt zum widersprüchlichen Verhältnis von Heldenkulten und moderner Gesellschaft an, der paradigmatische Reflexionen – von Hegel bis Enzensberger – nachzeichnet und damit zugleich die postheroischen Verwerfungen der »heroischen Moderne«5 freilegt (Kapitel 3). Mit den diskursanalytisch angelegten Abschnitten zur Sozialpsychologie der postheroischen Persönlichkeit (Kapitel 4), zum postheroischen Management (Kapitel 5) und zur postheroischen Kriegführung (Kapitel 6) sowie einer Typologie jener Heldinnen und Helden, die postheroische Gesellschaften zulassen und hervorbringen (Kapitel 7), ändert sich die Flughöhe, und der Blick richtet sich auf die Gegenwart. Neben wissenschaftlichen und publizistischen Beiträgen werde ich auch Ratgeberliteratur und andere Phänomene der Populärkultur heranziehen und herausarbeiten, wie die postheroischen Dezentrierungen die Helden zugleich in aktualisierter Gestalt rehabilitieren, indem sie ihnen unverfängliche Reviere zuweisen, ihre Außeralltäglichkeit im Alltag verankern oder sie in einen Wartezustand versetzen, aus dem sie im Krisenfall jederzeit wieder aktiviert werden können. Die paradoxe Figur des postheroischen Helden zeichnet sich vor allem durch ihr Geschick aus, flexibel zwischen On- und Off-Modus hin- und herzuwechseln.

Zu den wesentlichen Merkmalen von Heroisierungen gehört, dass sie uns nicht gleichgültig lassen. Heldenfiguren 17affizieren – in der einen oder anderen Weise. Mir sind sie zutiefst suspekt: zu viel Pathos, zu viel Männlichkeitsausdünstungen, zu viel moralischer Zeigefinger, zu viel Selbstüberwindung, zu viel Totenkult. Diesen antiheroischen Affekt, der meine Beschäftigung mit Heroismen von Beginn an begleitet, versuche ich in der Schlussbetrachtung (Kapitel 8) für eine radikale Befragung fruchtbar zu machen. Wenn ich hier in loser Anlehnung an einen Buchtitel von Immanuel Wallerstein vorschlage, das Heroische »kaputtzudenken«,6 dann nicht in der wohlfeilen Hoffnung, die Sehnsucht nach beziehungsweise die Anfälligkeit für Helden und Heldinnen ließen sich ein für alle Mal abschütteln. Das wäre selbst eine heroische Größenphantasie. Solange politische oder religiöse Regime auf Opferbereitschaft angewiesen sind, solange der verallgemeinerte Wettbewerb die Einzelnen zu fortwährender Selbstüberbietung nötigt und sie in den Konkurrenzkampf treibt, solange Ohnmachtserfahrungen Phantasmen der Größe wuchern lassen und die Reglementierungen des Alltags die Sehnsucht nach Grenzverletzungen befeuern – so lange wird man Helden suchen und finden. Wo immer sie auftauchen, wird man sie als Problemanzeiger verstehen müssen. Sie sind ein Index dessen, was die Gesellschaft den Einzelnen abverlangt. Auch wenn die heroischen Selbst- und Fremdinszenierungen das Gegenteil suggerieren, sind Helden eher ein Symptom der Krise als eine Instanz, die sie löst.7

Das Heroische »kaputtzudenken« erschöpft sich nicht darin, seine postheroischen Umdeutungen nachzuzeichnen. Es beginnt vielmehr mit der Weigerung, vermeintlich falsches und wahres Heldentum gegeneinander auszuspielen und Letzterem pauschal die Absolution zu erteilen. Zur Debatte stehen dabei nicht die Taten selbst, sondern deren heroische Rahmung: Diejenigen, die den Mächtigen die Stirn 18bieten oder sich aus freien Stücken in Gefahr begeben, um das Leben anderer zu retten, verdienen zweifellos Respekt und Bewunderung. Sie zu Helden beziehungsweise zu Heldinnen zu erklären und ihre Nachahmung einzufordern, verwandelt die moralische Affektion jedoch in einen normativen Fluchtpunkt. Wer mithilfe heroischer Exempel andere zu exzeptionellen Taten und zur Aufopferung zu bewegen sucht, macht sie zum Mittel für seine Ziele. Die Helden und Heldinnen umgekehrt so weit zu entrücken, dass ihr Tun von vornherein als unerreichbar erscheint, zementiert eine Ordnung, in der die einen aufschauen und zu den anderen aufgeschaut wird, in der diese berufen sind zu führen, während jene der Führung bedürfen. In ihrer supererogatorischen Pflichterfüllung über das Gebotene hinaus mögen die heroischen Vorbilder als Ansporn dienen. Vor allem aber machen sie ein schlechtes Gewissen.

Das Heroische »kaputtzudenken« bedeutet in diesem Sinne, Heroisierungen als Anrufungen zu begreifen, mit denen Menschen dazu gebracht werden und sich selbst dazu bringen sollen, Außerordentliches zu leisten, Hierarchien anzuerkennen, das Soziale als fortwährenden Kampf zu denken und ihr eigenes Glück zugunsten höherer Ziele hintanzustellen. Die Wirkmacht dieser Anrufungen beruht nicht zuletzt auf der Faszinationskraft heroischer Narrative. Es sind die ebenso bewegenden wie spannenden Geschichten, die uns veranlassen, die Helden und Heldinnen aufs Podest zu erheben, es ihnen nachtun zu wollen oder es uns in ihrem Glanze bequem zu machen. Das Heroische »kaputtzudenken« heißt deshalb immer auch, andere Geschichten zu erzählen und die Geschichten anders zu erzählen.