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Der Umgang mit Schüchternheit und mit sozialer Unsicherheit, der Aufbau von Selbstsicherheit und die Förderung innerer Stärke: Das Buch beschreibt verschiedene, leicht anwendbare und effektive Techniken, die sich im Alltag vielfach bewährt haben. Die Übungen sind für alle Leserinnen verständlich dargestellt und einfach zu erlernen. Ebenso können sie von Therapeutinnen als Bausteine für die Arbeit mit ihren Klientinnen eingesetzt werden.

Der Autor Michael Helfer arbeitet seit seinem Studium der Psychologie und Medizin als Psychotherapeut. Durch die Erfahrung in der Praxis, die Leitung einer Einrichtung im Kreis Recklinghausen und die Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Universität Dortmund verfügt er über langjährige Berufserfahrung in der Beratung und Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Michael Helfer

Mental Coach Schüchternheit

Selbsthilfe-Übungen für Selbstsicherheit und innere Stärke

Tübingen
2020

Inhalt

Einleitung

Grundlagen

Basisübung: Innehalten

Basisübung: 5-5-5-Atmung

Basisübung: Schnelle Muskelentspannung

Basisübung: Persönliche Ziele

Basisübung: Persönliche Überzeugungen

Emotionaler Ausdruck – Mimik und Gestik

Emotionaler Ausdruck – Stimme

Augengymnastik

Motivationsvortrag

Suggestive Formeln Selbstsicherheit

Hypnoseformeln Selbstsicherheit

Planvolles Vorgehen

Literatur

Wichtiger Hinweis:

Die selbstständige Anwendung der beschriebenen Methoden ist nicht geeignet für Personen, die körperlich oder geistig nicht gesund sind oder sich nicht gesund fühlen. In solchen Fällen bedarf die Anwendung der Übungen der vorherigen Rücksprache mit einem Arzt/einer Ärztin oder einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin. Eine Haftung des Verlages oder des Autors für Personen-, Sach-, Vermögens- oder andere Schäden ist ausgeschlossen.

Einleitung

Im vorliegenden Buch beschreibe ich verschiedene und leicht erlern- wie auch anwendbare Techniken zum Umgang mit Schüchternheit und sozialer Unsicherheit, zum Aufbau von Selbstsicherheit und zur Förderung der inneren Stärke. Sie haben sich in der Praxis vielfach bewährt.

Therapeut/innen und Trainer/innen können die Übungen als Bausteine in den Stunden mit Ihren Klient/innen einsetzen. Sie befassen sich gar nicht beruflich damit und wollen für sich selbst etwas tun? Dann möchte ich Sie ermutigen, durch die Seiten zu blättern und das eine oder andere auszuprobieren, von dem Sie sich angesprochen fühlen. Finden Sie heraus, was Ihnen liegt.

Für eine gute Übersichtlichkeit sind die verschiedenen Übungskapitel ähnlich strukturiert. Der Beschreibung der Thematik folgen Tipps und Hinweise, anschließend gelangen Sie zu der eigentlichen Übung. Die zugeordneten Symbole gleichen Verkehrszeichen:

Hintergrund und Beschreibung

Symbol

Tipps

Symbol

Hinweise

Symbol

Übung

Symbol

Grundlagen

Obwohl wir Menschen uns in unseren Einstellungen, Persönlichkeiten und Erfahrungen stark voneinander unterscheiden, sind uns allen Gefühle der Schüchternheit vertraut. Im inneren Erleben treten Symptome wie Herzklopfen, starkes Schwitzen oder Mundtrockenheit ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Verbunden damit besteht die Furcht, in der Öffentlichkeit etwas Unpassendes oder Peinliches zu sagen, zu erröten, sich lächerlich zu machen, kritisiert zu werden und Ähnliches. Als Folgen können beispielsweise Hemmungen auftreten, zu sprechen, jemanden anzusehen, aufzustehen oder in irgendeiner Weise (negativ) aufzufallen.

Das gewohnheitsmäßige Erfahren von großer Unsicherheit kann einen hohen Leidensdruck erzeugen. Dabei belasten uns im Grunde nicht bestimmte Ereignisse oder Situationen. Vielmehr führen die Art und Weise unserer Wahrnehmung, unserer Interpretation und unseres Umgangs mit den Ereignissen zu Empfindungen von Schüchternheit und von Gehemmtsein.

Symptome und Diagnostik

In den beiden international bekanntesten Klassifikationssystemen von Krankheiten, dem der Weltgesundheitsorganisation (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision – German Modification – ICD-10-GM; DIMDI, 2014) bzw. der American Psychiatric Association (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen – DSM-5®; APA, 2013; dt.: Falkai & Wittchen, 2015), lässt sich Schüchternheit am ehesten den sogenannten Persönlichkeitsstörungen zuordnen. Im ICD-10 werden die Symptome einer selbstunsicheren, ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeit (F60.6) beschrieben als „durch Gefühle der Anspannung und Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet … Es besteht eine andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden, eine Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik mit eingeschränkter Beziehungsfähigkeit. Die betreffende Person neigt zur Überbetonung potenzieller Gefahren oder Risiken alltäglicher Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten.“ Unsicherheit und anhaltende Ängstlichkeit zählen aber auch zu den Merkmalen der Generalisierten Angststörung (F41.1); laut ICD-10 ist diese „nicht auf bestimmte Umgebungsbedingungen beschränkt … Die wesentlichen Symptome sind variabel, Beschwerden wie ständige Nervosität, Zittern, Muskelspannung, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Oberbauchbeschwerden gehören zu diesem Bild.“ Und schließlich beschreiben im ICD-10 Soziale Phobien (F40.1) eine „Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zur Vermeidung sozialer Situationen führt. Umfassendere soziale Phobien sind in der Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern … Die Symptome können sich bis zur Panikattacke steigern.“

Schüchternheit und soziale Ängstlichkeit

Das klassische Zweifaktoren-Modell (Mowrer, 1960) erklärt den Erwerb und die Aufrechterhaltung von Ängsten und Panik mit einfachen verhaltenstheoretischen Prinzipien. Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Situationen, Erfahrungen und Konsequenzen lassen sich auch auf Schüchternheit und soziale Ängstlichkeit übertragen, für die sich synonym die Begriffe der Verlegenheit, des Schämens und des Gehemmtseins finden.

Die zugrunde liegenden Prozesse bestehen in bestimmten Regelmäßigkeiten zwischen (Signal-)Reizen und Reaktionen mit veränderlichen Auftretenshäufigkeiten in Abhängigkeit von typischen Verstärkungen. Zunächst erlangt ein harmloser und unbedeutender Anlass durch die zeitgleiche Erfahrung eines unangenehmen Erlebnisses eine große und einschüchternde Bedeutung. Diese Verknüpfung entspricht dem ersten von zwei Modellfaktoren, der Klassischen Konditionierung.

UCS–> UCR

CS + UCS–> UCR

CS–> CR

Beispiel: Am Rednerpult (CS) führt wiederholt ein plötzlicher Hustenanfall (UCS) zu starker Atemnot und Angst (UCR); ein späterer Auftritt löst große Furcht aus (CR).