Hate to Love you

Hate to Love you

Zerbrechliche Liebe

Jennifer Sucevic

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Epilog

Über OBO e-Books

Bücher von Jennifer Sucevic

1

Brody

"Alter, ich dachte, du wärst früher zurück." Cooper, einer meiner Mitbewohner, grinst mich an, als er mich sieht. Er hat eine halb nackte Tussi auf seinem Schoß. "Wir mussten die Party ohne dich starten." Er zuckt mit den Achseln, als ob er das nur fürs Team tun würde. "Es ging nicht anders."

Ich schnaube, während mein Blick durch das Wohnzimmer des Hauses wandert, das wir, ein paar Blocks vom Campus entfernt, gemietet haben. Obwohl nur vier von uns im Mietvertrag stehen, scheint das Haus so was wie ein inoffizieller Schlafplatz für die Hälfte des Teams zu sein. Nach den vielen Bierflaschen die hier herumliegen zu urteilen, sind sie schon eine Weile beim Feiern. Ich denke ernsthaft darüber nach, einigen dieser Arschlöcher Miete in Rechnung zu stellen.

Okay, ich schätze, wenn ich in so einem Schuhkarton großen Zimmer im Wohnheim hausen müsste, würde ich auch nach einer Alternative suchen. Ich habe zwei Jahre lang im Junior Team der High School gespielt, bevor ich mit zwanzig als Neuling hier anfing. Statt ins Studentenwohnheim zu ziehen, bin ich direkt in das Haus hier übersiedelt. Keine Chance, dass ich mit einem Haufen Achtzehnjähriger zusammenwohne, die noch nie von zu Hause weg waren. Ganz zu schweigen davon, dass ich dann einen Resident Assistant an mir kleben hätte, der mir sagt, was ich tun darf und was nicht.

Was in etwa genauso viel Spaß machen würde, wie Klebeband von meinen Eiern zu reißen. Also das genaue Gegenteil von Spaß. Außerdem reißt man sich das Klebeband nicht von den Eiern, sondern man schneidet es vorsichtig mit ruhiger Hand weg, während man das gesamte Team lauthals beschimpft.

Meine anderen beiden Mitbewohner, Luke Anderson und Sawyer Stevens, hocken am anderen Ende der Couch, total versunken in den Zweikampf eines NHL-Spiels. Ihre Daumen bewegen die Controller mit blitzschnellen Bewegungen, ihre Blicke kleben auf dem 70-Zoll-HD-Bildschirm, der an der Wand hängt.

Ich schüttle den Kopf. Jedes Mal, wenn sie zocken, ist es, als ob eine verdammte nationale Meisterschaft auf dem Spiel steht. Ich schaue wieder zu Cooper und sehe mit hochgezogenen Augenbrauen zu, wie das Mädchen auf Coopers Schoß nach hinten greift, ihren BH öffnet und ihn auf den Boden fallen lässt. Anscheinend macht es ihr nichts aus, dass sie dabei Zuschauer hat. Coopers zufriedenes Grinsen wird immer breiter, während seine Finger mit ihren Nippeln spielen.

Ich würde ja gerne behaupten, dass diese Szene total untypisch für einen Sonntagabend sei, aber dann würde ich lügen. Normalerweise ist es noch viel schlimmer.

Sawyer, der Luke gerade mit einigen beeindruckenden Manövern im Videospiel niedermacht, sagt: "Schnapp dir ein Bier, Bro. Du kannst für Luke übernehmen, nachdem ich ihn zum Weinen gebracht habe."

"Fick dich", kontert Luke.

Ich schaue mir den Spielstand an. Luke bekommt gerade den Arsch versohlt, und er weiß es.

"Klar." Sawyer grinst. "Vielleicht später. Aber ich muss dich warnen, du bist nicht wirklich mein Typ. Ich hab lieber einen Kerl, der etwas mehr Muskeln hat, als du."

Meine Lippen zucken, als ich meinen Rucksack auf den Boden fallen lasse.

"Hey, hast du die beschissene SMS vom Coach gelesen?“, fragt Cooper und schaut zwischen den Titten des Mädchens zu mir rüber.

Ich stöhne. Ich hatte gehofft, nichts Wichtiges zu verpassen, als ich übers Wochenende wegfuhr. Ich bin bereits unter Vertrag bei den Milwaukee Mavericks. Mein Vater und ich waren dorthin geflogen, um uns mit dem Trainerstab zu treffen. Danach hing ich noch mit einigen der Abwehrspieler rum. Samstagabend war verrückt. Die nächste Saison wird total rocken.

"Nein, ich habe nichts gesehen", sage ich. "Was ist los?"

"Die Trainingszeiten haben sich geändert", erzählt Cooper weiter, während er an dem Mädchen herumfummelt. "Wir trainieren jetzt um sechs Uhr morgens und sieben Uhr abends."

Fick mich. Fängt der Coach jetzt schon mit zwei Einheiten am Tag an?

"Glaubst du, er will uns nur verarschen?" Könnte sein. Manchmal glaube ich, Coach Lang hat nichts Besseres zu tun, als nachts wach zu liegen und sich neue Arten auszudenken, wie er uns quälen kann. Der Typ ist wirklich ein harter Brocken.

Andererseits, deshalb sind wir hier.

Aber sechs Uhr morgens ... das ist Scheiße. Mit den Vorlesungen und dem jetzigen Hockeytraining habe ich jetzt schon das Gefühl, dass ich nicht genug Schlaf bekomme. Und es ist erst September. Die neuen Trainingszeiten bedeuten, dass ich um fünf Uhr aus der Tür sein muss, um es zur Eisbahn zu schaffen, um mich umzuziehen und um sechs Uhr auf dem Eis zu stehen. Sobald es elf Uhr nachts ist, werde ich ins Bett fallen und wie ein Toter schlafen.

Sawyer zuckt mit den Achseln, er sieht aus, als würden ihm die neuen Zeiten nicht besonders viel ausmachen.

Cooper lässt eine Brustwarze aus dem Mund poppen und fixiert mich mit glasigen Augen. "Kannst du deinen Vater nicht dazu überreden, dem Kerl etwas Verstand einzubläuen?"

Luke schimpft: "Ich habe schon Probleme zum Sieben-Uhr-Training pünktlich zu sein."

"Nein." Ich schüttle den Kopf. Ich würde ja für diese Jungs so ziemlich alles tun, außer meinen Vater um Hilfe zu bitten, wenn es um Hockey geht. Der Coach und mein Dad kennen sich schon lange. Sie spielten beide für die Detroit Redwings. Ich kenne den Mann schon mein ganzes Leben lang. Er hat mir geholfen, mein erstes Paar Schlittschuhe zu schnüren. Man sollte meinen, er hätte was für mich übrig, oder würde es mir nicht so schwer machen.

Ja ... keine Chance, dass das passiert.

Wenn überhaupt, dann behandelt er mich wegen unserer persönlichen Beziehung extra hart. Ich glaube, Lang will nicht, dass einer der Jungs denkt, ich wäre sein Favorit.

Mission erfüllt, Alter.

Niemand würde ihm das jemals vorwerfen.

"Dann bereite dich schon mal darauf vor, den Arsch im Morgengrauen hochzukriegen, mein Freund." Damit richtet Cooper seine Aufmerksamkeit wieder auf etwas anderes und widmet sich dem Mund des Mädchens.

Luke schaut den beiden einen Moment lang zu, bevor er sagt: "Hey, willst du mit dem Scheiß nicht lieber im Schlafzimmer weitermachen, oder lädst du uns alle zu einer kostenlosen Show ein?"

Cooper, der sich nicht mal die Mühe macht, Luft zu holen, ignoriert die Frage.

Luke schüttelt den Kopf und konzentriert sich darauf, ein Comeback zu starten. Oder zumindest Sawyers Avatar den Arsch zu versohlen. "Ich schätze, das bedeutet, dass wir uns Popcorn machen sollen."

Ich hebe meinen Rucksack auf, schlinge ihn über meine Schulter und beschließe, für eine Weile nach oben zu gehen. Ich liebe es, mit diesen Typen rumzuhängen, aber im Moment habe ich keinen Bock.

"Hi, Brody." Eine aufgetakelte Blondine legt ihre Arme um mich und drückt ihren üppigen Busen an meine Brust. "Ich hatte gehofft, dass du kommst."

Angesichts der Tatsache, dass dies mein Haus ist, waren die Chancen dafür extrem hoch.

Ich starre in ihre großen, grünen Augen.

"Hey." Sie kommt mir bekannt vor. Ich gehe ein paar Namen im Kopf durch, versuche ihren zu finden, aber mir fällt keiner ein, der zu ihr passen könnte.

Was wahrscheinlich bedeutet, dass ich nicht erst vor Kurzem mit ihr geschlafen habe.

Wenn es um Frauen geht, habe ich einen Algorithmus ausgetüftelt, den ich in den letzten drei Jahren perfektioniert habe. Er ist einfach, aber trotzdem idiotensicher. Ich ficke das gleiche Mädchen nie mehr als dreimal in einem halben Jahr. Sich nicht an diese Regel zu halten, bedeutet, ziemlich schnell in einer Beziehung oder einer Freundschaft mit gewissen Vorzügen zu landen. Ziemlich blöd, wenn man, so wie ich, keine feste Beziehung will.

Nicht mal eine oberflächliche Beziehung.

Ich bin auf dem Whitmore College, um einen Abschluss zu machen und mich auf die Profi-Liga vorzubereiten. Ich konzentriere mich darauf, besser, schneller und stärker zu werden. Die NHL ist kein Ort für Softies. Wenn du nicht gut genug bist, wird die Liga dich zerkauen und ausspucken, bevor du weißt, wie dir geschieht. Ich habe nicht die Absicht, das zuzulassen. Ich habe zu hart gearbeitet, um jetzt noch zu scheitern.

Oder um mich ablenken zu lassen.

Mit einer überraschend frechen Geste fährt Blondie mit ihrer Hand von meiner Brust zu meinen Kronjuwelen und greift fest zu, um mich wissen zu lassen, dass sie es ernst meint.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie, wenn ich sie bitten würde, auf die Knie zu fallen und mir vor all diesen Leuten einen zu blasen, es im Handumdrehen tun würde. Schließlich hat das Mädchen, das auf Coopers Schoß rumrutscht, abgesehen von einem Tanga gar nichts an.

In meinem ersten Jahr als Junior Spieler glaubte ich noch das große Los gezogen zu haben, sobald ein Mädchen mir heißen Sex ohne Verpflichtungen anbot. In weniger als fünf Minuten hatte ich abgespritzt und war bereit für Runde zwei. Jetzt, fünf Jahre später, reagiere ich nicht mal mehr auf eine Braut, die bereit ist, ihr Höschen fallen zu lassen, nur wenige Minuten nachdem ich durch die Tür gekommen bin. Das kommt viel zu oft vor, um noch was Neues zu sein.

Was eigentlich traurig ist.

Als ich noch in der High School war, nahm ich jede Gelegenheit wahr, eine Braut flachzulegen.

Jetzt?

Nicht mehr.

Es ist, als würde man jeden Tag Steak und Hummer essen können. Sicher, für ein paar Tage ist es toll. Vielleicht sogar für eine ganze Woche. Du kannst nicht anders, als jeden einzelnen Bissen gierig zu verschlingen und danach deine Finger zu lecken. Aber, ob du es glaubst oder nicht, selbst Steak und Hummer werden irgendwann langweilig.

Die meisten Jungs, egal welchen Alters, würden ihr linkes Ei dafür geben, in meinen Schuhen zu stecken.

Jede Frau haben zu können. Oder meistens sogar Frauen.

Und ich ... habe nichts als einen schlaffen Schwanz in der Hand.

Oder einen schlaffen Schwanz in ihrer Hand.

Sex ist zu etwas geworden, das ich tue, um Druck abzulassen, wenn ich gestresst bin. Für mich ist es so etwas wie eine Entspannungstechnik. Verdammt, ich bin 23 Jahre alt. Ich befinde mich in der sexuellen Blüte meines Lebens. Ich sollte ekstatisch sein, wenn ein Mädchen seine Beine für mich spreizen will. Was ich aber nicht sein sollte, ist gelangweilt. Und ich sollte dabei ganz sicher nicht mental die Übungen durchgehen, die wir machen werden, wenn ich das Training als Kapitän des Teams leite.

Ich schiebe ihre Hand weg und schüttle den Kopf. "Tut mir leid, ich habe noch einiges zu erledigen."

Und zwar fürs Studium. Ich habe noch vierzig Seiten zu lesen, bis morgen früh.

Blondie schmollt und versucht es mit einem lasziven Augenaufschlag.

"Vielleicht später?“, säuselt sie mit einer Babystimme.

Verdammt. Das turnt total ab.

Warum tun manche Frauen das?

Nein, ich meine es ernst. Warum tun sie das? Es ist, wie mit einem Nagel über eine Tafel zu kratzen. Fast bin ich versucht, mit einer lächerlichen, lispelnden Stimme zu antworten.

Aber das tue ich nicht.

Ich bin nicht so ein großes Arschloch.

Außerdem steht sie am Ende noch drauf.

Dann wäre ich im Arsch. Ich stelle mir vor, wie wir uns den Rest der Nacht mit Babystimmen ansprechen, und muss ein Schaudern unterdrücken.

"Vielleicht", sage ich unverbindlich. Obwohl ich nicht lügen will, hat diese Kleinkind-Stimme jede Chance auf Sex zunichte gemacht. Aber ich bin klug genug, ihr das nicht zu sagen. Die Chancen stehen gut, dass sie einen anderen Hockeyspieler findet, an den sie sich ranschmeißen kann und mich vergisst. Denn, seien wir ehrlich: Das ist der Grund, weshalb sie hier ist.

Wegen dem Schwanz von einem Kerl, der mit einem Hockeystick skatet.

Nur um sicherzugehen, schaue ich sie noch einmal genau an.

Abgesehen von der Kleinkind-Stimme ist sie total heiß.

Und trotzdem reizt mich ihr super Body absolut nicht.

Was total doof ist. Ich möchte sie fast schon mit nach oben nehmen, nur um mir selbst zu beweisen, dass alles in Ordnung ist. Aber das werde ich nicht tun.

Ich bin kaum auf der Treppe, als Cooper von seinem Mädchen ablässt. "What the fuck, McKinnon? Wo willst du hin?" Er deutet mit einer Hand auf die Anderen. "Siehst du nicht, dass wir gerade dabei sind, uns zu amüsieren?"

"Ich überlasse es dir, dich um unsere Gäste zu kümmern", sage ich und gehe weiter die Treppe rauf.

"Okay, wenn du darauf bestehst", nuschelt er fröhlich.

Mein Schlafzimmer befindet sich am Ende des Flurs, weit weg vom Lärm im ersten Stockwerk. In der Regel darf niemand den zweiten Stock betreten, außer den Jungs, die hier wohnen. Ich ziehe meinen Schlüssel heraus, öffne die Tür und gehe in mein Zimmer.

Dann werfe ich meinen Rucksack in die Ecke, und öffne den Wälzer über Finanzwirtschaft. Ich hatte geglaubt, ich hätte eine Chance, am Wochenende einen Teil der Vorlesung durchzugehen, aber mein Vater und ich waren die ganze Zeit unterwegs, um die Typen von der Milwaukee-Organisation zu treffen, eine Teamparty zu besuchen und ein paar Eigentumswohnungen in der Nähe des Sees zu besichtigen. Und um generell festzustellen, was wo zu finden ist. Auf der Heimreise wollte ich endlich etwas tun, aber letztendlich schlief ich ein, sobald wir die Reiseflughöhe erreicht hatten.


Drei Stunden später klopft jemand an der Tür. Normalerweise würde mich eine Unterbrechung ärgern, aber nachdem ich mich durch dreißig Seiten gequält habe, ist mein Blick schon glasig, und ich kämpfe darum, wach zu bleiben. Diese Lektüre ist tödlich langweilig, und das hilft nicht gerade.

"Es ist offen", rufe ich und erwarte, dass Cooper versucht, mich zu überreden, wieder nach unten zu kommen.

Wenn der Typ voll ist, will er, dass alle Anderen genauso betrunken sind wie er. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der Alkohol so wegsteckt, wie er. Es ist fast genauso beeindruckend wie beängstigend. Und trotzdem schafft er es, zum morgendlichen Training mit strahlenden Augen hellwach aufzutauchen, so, als wäre er nicht erst vor sechs Stunden total betrunken gewesen. Jemand von der Biologieabteilung muss wirklich mal eine Studie über ihn machen, denn dieser Scheiß ist einfach nicht normal.

Wenn ich so viel Alkohol intus habe, bin ich am nächsten Morgen wie ein neugeborenes Fohlen auf dem Eis, das seine Beine nicht unter sich halten kann.

Es ist kein schöner Anblick, deshalb mache ich es nicht mehr. Habs getan, weiß wie es ist, brauche es nicht mehr.

Die Tür geht auf, Blondie-mit-der-Kleinkind-Stimme steht dort. Und sie ist nicht allein. Sie hat eine Freundin mitgebracht.

Ich ziehe meine Augenbrauen interessiert nach oben, als sie den Raum betreten.

In den drei Stunden, seit ich sie zuletzt gesehen habe, hat Blondie es geschafft, den größten Teil ihrer Kleidung zu verlieren. Der Brünetten, mit der sie zusammen ist, scheint es genauso ergangen zu sein. Die beiden stehen nur mit Spitzen-BHs und String-Tangas bekleidet, händchenhaltend vor mir.

Mir gefällt, was ich sehe.

Wie könnte es auch anders sein?

Beide haben eine tolle Figur, einen flachen Bauch, sanft gerundete Hüften, und ihre Titten wackeln verlockend, als sie zum Bett schlendern, auf dem ich mich ausgestreckt habe.

Ich sollte mittlerweile einen Harten aus Stahl haben. Schließlich hatte ich seit drei Wochen keinen Sex mehr. Was fast unglaublich ist. So lange war ich noch nie ohne Sex, seitdem ich zum ersten Mal welchen hatte.

Aber bei mir rührt sich nichts.

Nicht mal ein Zucken.

Was zum Teufel ist los mit mir?

Der Stress mit dem Studium und das harte Training müssen Schuld daran sein. Auch wenn ich bereits bei Milwaukee unter Vertrag bin und mir keine Sorgen um die NHL-Auswahl mehr machen muss, stehe ich immer noch unter großem Druck, diese Saison gut zu spielen.

Eine nationale Meisterschaft gewinnt sich nicht von selbst.

Ich würde mir ja Sorgen machen, dass ich Probleme mit einer erektilen Dysfunktion haben könnte, wenn es nicht eine Frau gäbe, die mich jedes Mal hart macht, sobald ich sie ansehe. Ironischerweise will sie nichts mit mir zu tun haben. Ich glaube, sie würde mir die Augen auskratzen, wenn ich sie auch nur anfassen würde.

Eigentlich muss ich nur in ihre Richtung sehen, und sie fletscht ihre Zähne.

Vielleicht sind diese Mädchen genau das, was ich brauche, um etwas von dem angestauten Stress abzubauen. Kann bestimmt nicht schaden.

Froh, eine Entscheidung getroffen zu haben, knalle ich mein Finanzbuch zu und werfe es auf den Boden, wo es mit einem lauten Klatschen landet. Ich verschränke die Arme hinter meinem Kopf und lächle die Mädchen einladend an.

Und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

2

Natalie

In stiller Verzweiflung knirsche ich mit den Zähnen.

Brody McKinnon und Kimmie Sanders nerven mich mal wieder.

Ich habe die letzten 25 Minuten damit verbracht, Kimmie dabei zuzuhören, wie sie sich mitten in der Vorlesung leise flüsternd mit Brody McKinnon unterhalten und dabei die ganze Zeit gekichert hat. Die beiden machen es fast unmöglich, dass man sich auf den Stoff konzentrieren kann, der mit ziemlicher Sicherheit in der Prüfung nächste Woche drankommen wird.

Zum hundertsten Mal frage ich mich, wie sie dieses Fach bestehen wollen.

Ich lache fast bei dem Gedanken und schüttle den Kopf. Tja, ich weiß genau, wie Brody es bestehen wird. Er ist der Kapitän des Whitmore Wildcats Hockeyteams. Er nimmt an der Vorlesung nur zur Show teil. Ich bezweifle, dass er überhaupt etwas für die Prüfung tut.

Er ist eher so etwas wie ... eine hübsche Dekoration.

Eine Art männliche Praline, um die weiblichen Studenten von Whitmore zum Naschen zu verführen.

Finanzwirtschaft findet jeden Montag, Mittwoch und Freitag um zehn Uhr morgens in der Brighton Hall, einem Gebäude der Wirtschaftsfakultät, statt. Ich brauche immer einen extra großen Karamellmokka, um diese Vorlesung zu überstehen, ohne total auszurasten und die beiden anzuschreien. Da wir keine festen Sitzplätze haben, wähle ich in jeder Unterrichtsstunde einen anderen Platz, in der Hoffnung, dass Brody sich woanders hinsetzt. Am besten auf der anderen Seite des Raumes, wo ich mich nicht von dem tiefen Timbre seiner Stimme ablenken lassen kann.

Aber das tut er nie. Irgendwie landet er immer direkt hinter mir. Ich schwöre, er macht es mit Absicht. Außer dass er mich ärgern will, habe ich keine Erklärung dafür, warum er sich die Mühe machen sollte.

Whitmore ist eine private Universität, an der Hockey extrem wichtig ist. Nicht einmal Football kann hier mit Hockey mithalten. Jedes Jahr schafft es eine Handvoll Spieler, in die NHL zu kommen. Das allein macht Whitmore zu einer der führenden Universitäten für den Hockey Nachwuchs, hier und in Kanada.

Ich bin sicher, dass die Uni jede Menge Einnahmen aus dem Ticketverkauf und dem Merchandising erzielt. Vor zwei Jahren haben sie eine brandneue, hochmoderne Arena auf dem Campus gebaut. Es ist selbstverständlich, dass die Hockeyspieler hier wie Könige behandelt werden.

Es ist ärgerlich, aber man gewöhnt sich daran ... nach einer Weile.

Oder man macht es wie ich und ignoriert es einfach.

Ich persönlich verstehe das ganze Fan-Gehabe nicht. Es ist nur ein Spiel. Sicher, Hockey ist ein Zuschauermagnet. Das Tempo, die Action, das Adrenalin. Es ist leicht, von einem Spiel mitgerissen zu werden. Ich gebe zu, dass ich bei mehreren Spielen während der drei Jahre, die ich Whitmore schon besuche, dabei war, aber das bedeutet nicht, dass ich den Heldenstatus verstehe, den die Spieler haben. Ich bin auch nicht eines dieser idiotischen Mädchen, das mit so vielen Jungs im Team wie möglich schlafen will.

Ummm … Nein, danke. Ich verzichte gerne darauf Geschlechtskrankheiten zu haben.

Wenn es darauf ankommt, sind diese Jungs nur ein Haufen übertrainierter Sportler, welche die Kunst (haha), gemeistert haben, eine schwarze Gummischeibe in ein Netz zu schlagen und wegen kleinster Provokationen in eine Schlägerei auf oder neben dem Eis zu geraten.

Lasst es uns in Relation setzen, Leute. Die Spieler heilen weder Krebs, noch stillen sie den Welthunger. Und deshalb sollte man sie auch nicht wie Götter behandeln.

Es gibt etwa vierzig Hockeyspieler, die Whitmore besuchen. Und Brody McKinnon ist wahrscheinlich der talentierteste Spieler im Team – und der, über den am meisten geredet wird. Schon in der High School war er auf dem Radar der NHL-Scouts. Er machte sich einen Namen als Junior, bevor er uns mit seiner Präsenz beehrte. So sehr es mich auch ärgert, es zugeben zu müssen, er ist auf dem College als Spieler förmlich explodiert. Gerüchte auf dem Campus besagen, dass er bereits unter Vertrag für ein NHL-Team steht.

Ob das wahr ist?

Wer weiß.

Aber wen interessiert das schon?

Ich versuche, nicht auf den Klatsch zu achten, der sich um ihn dreht, aber es ist unmöglich, ihn zu ignorieren. In Whitmore zu sein, ist, wie in einer von Hockey besessenen Blase gefangen gehalten zu werden. Du wirst mit den Informationen überschwemmt, ob du willst oder nicht.

Auch, wenn es völlig klar ist, dass hinter mir ein Gespräch stattfindet, das nichts mit der Vorlesung zu tun hat, ignoriert Dr. Miller es und fährt mit ihrem Vortrag über Techniken der Investitionsplanung fort. Es liegt ihr fern, einen unserer Starathleten zu rügen. Normalerweise würde ich Brody und seine Groupies ausblenden, aber heute funktioniert es nicht.

Ich bin zu spät aufgewacht und hatte keine Zeit, im Java House meinen üblichen extra-großen Becher Koffein zu holen.

Deswegen bin ich gereizt und nicht gerade in Form.

Was nie eine gute Kombination ist. Besonders wenn es um Brody geht.

Als ich ihr unaufhörliches Geschwätz nicht mehr ertragen kann, drehe ich mich auf meinem Stuhl um und werfe Brody einen Todesblick zu. Was nicht besonders schwierig ist, denn ich kann ihn nicht ansehen, ohne eine Grimasse zu ziehen. Dieser Typ hat mich vom ersten Tag an total genervt. Und von da an ging es nur noch bergab.

Unsere Blicke kollidieren, und Brody zieht seine Augenbrauen bis zum Haaransatz, bevor sich ein breites Grinsen langsam über sein Gesicht ausbreitet.

Er formt lautlos mit den Lippen ein Wort.

Eifersüchtig?

Ich ärgere mich.

Als ob ...

Ich schätze, er hat zu viele Schläge auf den Kopf bekommen. Es ist schade, wirklich ...

Seine Augen funkeln vor Belustigung, als er ganz bewusst mit der Zunge über seine Lippen leckt.

In deinen Träumen, mime ich zurück und wirble wieder herum, um nach vorne zu schauen. Meine Zähne sind so fest zusammengepresst, dass ich kurz davor bin, sie zu zermalmen.

Und das ist genau das, was Brody McKinnon mit mir anstellt.

Jedes.

Verdammte.

Mal.

Der Rest des Unterrichts zieht sich in die Länge. Das Thema hilft auch nicht gerade. Diese Vorlesung ist der Killer. Ich schaue immer wieder auf die Uhr und will hier nur noch raus. Was Scheiße ist. Normalerweise mag ich die Vorlesungen von Dr. Miller. Die Mehrheit der Professoren in diesem Fachbereich ist alt und schwerfällig. Dr. Miller unterrichtet erst seit wenigen Jahren, sie ist wie ein Hauch frischer Luft. Ich habe bereits alle ihre Kurse besucht.

Sobald sie ihren Vortrag beendet hat und die Klasse entlässt, packe ich meine Tasche und gehe zur Tür. Ich muss so viel Abstand zwischen mir und ...

Ich schaffe es nicht weiter als fünf Schritte, bevor sich ein muskulöser Arm über meine Schultern legt, der mich stoppt.

Sein Arm ist so schwer, dass ich fast in die Knie gehe.

Was isst dieser Typ zum Frühstück?

Blei?

"Davies, warum bist du heute Morgen so schlecht gelaunt?" Ehe ich eine verärgerte Antwort geben kann, fährt Brody fort. "Warte, warte, warte, sag es mir nicht! Lass mich sehen, ob ich es erraten kann!" Er klopft mit dem Finger auf sein Kinn, um nachzudenken. Was interessant aussieht, denn ich habe ihn noch nie nachdenklich gesehen. Ich will ihm das gerade mitteilen, als er sagt: "Dein Lieblingsvibrator hat schlapp gemacht, kurz bevor du zum perversen Teil deiner Selbstliebe-Session gekommen bist."

Ich verziehe einen Mundwinkel vor Ekel und versuche, seinen Arm wegzuschieben, mit dem er mich an sich presst. Er rührt sich nicht. Nicht, dass ich das erwartet hätte. "Du hast es erfasst. Wie hast du das herausgefunden?"

Brody hat die seltene Fähigkeit, mir das Gefühl zu geben, ein tollwütiger Hund zu sein, der an einer Würgekette gehalten wird. Wenn ich ihn mit meinen Zähnen in Stücke reißen könnte, würde ich es im Handumdrehen tun. Ich würde nicht einmal einen zweiten Gedanken daran verschwenden. Und ich bin kein gewalttätiger Mensch, aber Brody McKinnon weckt das Schlimmste in mir.

Das Lächeln, das seine Lippen umspielt, ist irgendwie sexy. Obwohl ich dagegen ankämpfe, schafft er es immer wieder, dass mein Körper auf ihn reagiert.

"Naja, du bist noch angepisster als sonst. Was wirklich eine Leistung ist." Er zieht mich näher an sich heran, sodass ich vom Duft seines Aftershaves eingehüllt werde. Etwas, das unerträglich nach Sonnenschein riecht, überwältigt meine Sinne. Gott, warum muss er so gut riechen? Warum kann er nicht nach Schweiß stinken? Das wäre so viel einfacher zu ertragen, als das.

Wie kann ich jemanden so sehr verabscheuen und trotzdem auf ihn abfahren? Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich das frage. Ich kann nur hoffen, dass es das letzte Mal ist.

Seine Stimme wird tiefer, bis sie irgendwo in der Nähe von heiser und verführerisch vibriert. "Ich verrate dir etwas: Wenn du etwas Zeit totschlagen musst, kann ich dafür sorgen, dass du dich besser fühlst." Er wackelt mit den Augenbrauen und schnurrt: "Etwas Stress abbauen." Obwohl er mich gegen seinen harten, unnachgiebigen Körper drückt, schafft er es irgendwie, mich von oben bis unten zu mustern. Es fühlt sich wie eine körperliche Liebkosung an. Ich kann förmlich spüren, wie mein Höschen in Flammen aufgeht. Verdammt, ich will das nicht fühlen. "Ich wette, ich könnte dir in zehn Minuten einen Orgasmus bescheren." Er verengt die Augen. "Wahrscheinlich brauche ich nicht mal so lange. Du scheinst ziemlich angespannt zu sein, Davies. Hattest du schon mal einen multiplen Orgasmus? Ich denke, es würde Wunder für deine Laune wirken."

Wenn irgendein anderer Typ auf dem Campus dumm genug wäre, so etwas zu mir zu sagen, würde ich ihm wahrscheinlich eine scheuern. Aber obwohl es gegen mein besseres Wissen verstößt, erwidere ich nichts. Es ist nicht das erste Mal, dass wir miteinander streiten, und es wird nicht das letzte Mal sein. Dies ist leider die Art von verrückter Beziehung, die wir im Laufe der Jahre entwickelt haben. Er liebt es, mich zu reizen, und ich tue mein Bestes, um ihn zu ignorieren.

Was nicht einfach ist. Auch wenn es mich umbringt, es zuzugeben, Brody McKinnon ist heiß. Groß. Muskulös. Athletisch.

Breite Schultern. Schmale Hüften. Langes, schmutzig blondes Haar, das mit Gold durchzogen ist und bis zum Kragen seines Hemdes reicht. Whiskeyfarbene Augen, um die sich ein paar Lachfältchen gebildet haben. Wahrscheinlich auf meine Kosten. Grübchen, die erwachsene Frauen dazu bringen, zu plappernden Idiotinnen zu werden.

Ich bin zum Glück eine Ausnahme.

Es ist, als hätte ich eine Superkraft, wenn es um Brody geht. Er ist vielleicht heiß ... Eigentlich gibt es kein vielleicht. Der Typ ist unglaublich heiß. Die Mädchen folgen ihm scharenweise über den Campus, sabbernd und kichernd, während sie versuchen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Aber auf mich hat er nicht diesen Effekt. Ich bin immun gegen seine Reize.

Okay.

Nicht unbedingt immun.

Ich müsste tot sein, um nichts zu spüren, wenn er in der Nähe ist. Aber es wird niemals geschehen, dass ich auf die Chemie reagiere, die jedes Mal zwischen uns entsteht, wenn wir uns begegnen.

Bei Gott, ich bin keine Masochistin.

Aber Brodys Ruf als männliche Hure eilte ihm voraus, bevor er einen Fuß auf Whitmores efeubedeckten Campus setzte. Mittlerweile gibt es Legionen von Frauen, die sich auf ihn eingelassen haben. Sie könnten, wenn sie wollten, ihre eigene Selbsthilfegruppe gründen.

Ich habe kein Interesse daran, mich ihren Rängen anzuschließen.

Wenn du dumm genug bist, seinem Zauber zu erliegen und in sein Bett zu fallen, dann verdienst du es, an den Folgen deiner Dummheit zu leiden. Was wahrscheinlich bedeutet, dass man sich von da an regelmäßig auf etliche Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen muss.

Mich an seinen Ruf zu erinnern, ist alles, was nötig ist, um das Verlangen abzutöten, das in meinem Bauch entbrannt ist. Okay, okay, verdammt, tiefer ... sehr viel tiefer als in meinem Bauch. Ich schaue ihn mit meinem Todesblick an. "Danke, aber ich werde dieses großzügige Angebot leider ausschlagen müssen."

Er zuckt mit den Achseln, als ob es ihm egal wäre. Und das ist es wahrscheinlich auch. Er könnte innerhalb weniger Minuten flachgelegt werden, wenn er wollte, mit einer beliebigen Anzahl von willigen Teilnehmerinnen. "Wie du willst, Davies. Dein Verlust. Ich versuche nur, einer Freundin zu helfen."

Ich lache. "Ahhhhhhh. Da hast du etwas missverstanden, McKinnon." Ich schüttle den Kopf und sehe ihn mit einem Blick voller – nicht vorhandener – Sympathie, an. "Wir sind keine Freunde. Und wir werden nie Freunde sein. Das hast du noch immer nicht kapiert."

Er legt eine Hand auf sein Herz, in seinem Gesicht ein Ausdruck tiefsten Kummers. "Autsch. Das tut weh."

"Das bezweifele ich."

Ich atme tief aus, als Brody die Tür offen hält, die hinaus in die strahlende Sonne führt. Ich bin mir nicht sicher, wie viel mehr von seiner Nähe ich ertragen kann. Ich murmle meinen Dank, als der warme Wind auf meine Wangen trifft und wir auf die breite Steintreppe hinaus treten. Die letzten schönen Tage des Sommers. Bald werden sich die Blätter verfärben. Herbst liegt in der Luft. Was hier nur eines bedeutet …

Hockey-Saison.

Ugh.

Eine Gruppe von etwa sechs oder sieben Mädchen am Ende der Treppe fällt mir auf. Sobald ihre hungrigen Blicke auf Brody fallen, beginnen sie zu schreien. Es ist, als wäre ein Rockstar in ihre Mitte getreten.

Ich verdrehe die Augen. Sie machen sich nur lächerlich. Wissen sie denn nicht, dass Frauen auf der ganzen Welt für die Gleichstellung der Geschlechter demonstrieren, und hier drehen sie durch, weil sie einen heißen Typen sehen? Haben sie wirklich nichts Besseres zu tun? Wie wäre es damit, sich auf die Ausbildung zu konzentrieren, die sie angeblich hier erhalten wollen?

Als wollten sie meine stille Frage beantworten, quietschen ein paar von ihnen und wedeln mit den Händen in der Luft.

Anstatt mich zu ärgern, sollte ich ihnen danken, denn sie haben mir die perfekte Gelegenheit gegeben, zu entkommen.

"Es sieht so aus, als ob dein Fanclub schon auf dich wartet", kommentiere ich.

Ich schlüpfe unter seinem Arm durch und eile die Treppe hinunter. Je mehr Distanz zwischen uns liegt, desto leichter wird es für mich, zu atmen. Mit etwas Glück werde ich Brody erst am Montag wieder sehen.

Um zehn Uhr morgens, um genau zu sein.

Und keinen Moment früher.

Ich brauche mindestens so lange, um mich zu erholen.

"Awww, Davies, komm schon. Lauf nicht weg." Ich höre den Humor in seiner Stimme, als er mir nachruft. "Ich verspreche, es gibt genug von mir für alle!"

Ohne mich umzudrehen, weiß ich, dass er breit grinst. Ich bin sicher, seine Grübchen sind in voller Pracht zu sehen. Ich bleibe nicht mal stehen, als ich ihm den Mittelfinger zeige.

Sein Lachen verfolgt mich, als ich mich unter die Menge mische.

3

Natalie

"Hey, Girl, wie lautet das Motto des Tages?" Zara lächelt mich an.

Mit einem Seufzer lasse ich meine Tasche auf den Sitz gegenüber meiner Mitbewohnerin fallen und setze mich auf der anderen Seite der Sitzbank mit meinem Tablett hin.

Zara sieht aus wie eine Waldelfe. Sie ist gerade mal knapp über eins fünfzig groß, schlank wie ein Zauberstab und hat dunkelbraune Haare, die sie in einem Pixie-Schnitt trägt. Nicht vielen Frauen steht dieser Look, aber zu Zara passt er total. Sie mag zart und winzig erscheinen, aber sie kann einem gehörig in den Arsch treten, wenn es die Umstände erfordern.

Mir hat sie ein paar Mal in den Arsch getreten, und es fühlte sich nie gut an.

Wir sind uns zum ersten Mal in den Sommerferien begegnet, kurz bevor die Schule wieder anfing. Ihre Familie zog in das Haus nebenan. Als die Schule anfing, wurden wir dicke Freundinnen. Ich habe Glück, Zara in meinem Leben zu haben. Sie ist eine tolle Freundin, die für mich durch die Hölle gehen würde. Als die Ehe meiner Eltern vor neun Monaten auseinanderbrach, war es Zara, die mir in dieser Zeit zur Seite stand. Einen Monat später, als ich entdeckte, dass mein Freund, Reed Collins, mich betrog, drohte sie, seinen Schwanz abzuschneiden. Ich lehnte das Angebot ab, schätzte es aber sehr, dass sie es mir gemacht hatte. Eine Freundin, die bereit ist, so etwas zu tun, ist jemand, an dem man für den Rest seines Lebens festhält.

Jungs kommen und gehen, Freundinnen bleiben für immer.

"Ich bin genervt", schnaufe ich. Normalerweise bin ich in der Lage, meine Begegnungen mit Brody sofort wieder zu vergessen. Aber ich koche innerlich immer noch, nach unserem Gespräch. "Das Motto für heute lautet ‘genervt’."

Sie lacht und spießt ein Stück Salat und eine Kirschtomate auf ihre Gabel. "Oh-oh, soll ich mir überhaupt die Mühe machen, zu fragen, was passiert ist?"

"Es ist wahrscheinlich besser, wenn du es nicht tust." Außerdem möchte ich nicht wirklich Zeit damit verbringen, über Brody zu reden. Ich nehme ein Stück Pommes und tunke es in Ketchup, bevor ich es mir in den Mund stecke. Wenn ich eine Schwäche habe, dann für Pommes Frites. Kaffee kommt knapp danach. "Ich tue mein Bestes, um die ganze unangenehme Episode zu vergessen." Was nicht einfach ist. Brody hängt an mir wie ein schlechter Geruch, der in meiner Nase steckt.

Luke, Zaras frisch gebackener Freund, schiebt seinen großen Körper neben sie.

Heute ist ihr erster öffentlicher Auftritt. Zumindest vor mir. Ich werde nicht soweit gehen, zu sagen, dass sie ihre Beziehung vor mir verheimlicht haben ...

Gut, ich sage es. Sie haben ihre Beziehung vor mir verheimlicht.

Zara weiß, was ich von den Hockeyspielern an dieser Schule halte. Besonders nach dem ganzen Reed-Debakel. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass wir bei diesem Thema einer Meinung wären.

Anscheinend nicht ... Denn jetzt geht sie mit einem von denen aus.

Luke sieht mich von der anderen Seite des Tisches her an. Er hebt zur Begrüßung das Kinn, als wäre ich einer der Jungs, und wir träfen uns zum Mittagessen, als sei das ein ganz normaler, alltäglicher Vorgang. "Was gibt's, Natalie?"

Ha! Als ob ich ihn so leicht vom Haken lassen würde ...

Keine Chance.

"Du meinst, abgesehen davon, dass meine beste Freundin hinter meinem Rücken mit ihrem neuen Freund herumschleicht?" Ich schenke ihm einen gekonnten Augenaufschlag, zusammen mit einem unschuldigen Blick. "Nicht viel. Und bei dir?"

Zara erstickt fast an einem Lachanfall, und Lukes Lippen ziehen sich zu einem leichten Grinsen nach oben.

"Bedeutet die Tatsache, dass du nicht über den Tisch gesprungen bist und mich erwürgt hast, dass wir deine Zustimmung haben?“, fragt er.

Ich verenge meine Augen und deute mit einem Stück Pommes auf ihn. "Das ist noch nicht entschieden, Kumpel." Während ich einen Schluck von meiner Cola nehme, gebe ich ihm den bösen Blick. Dann drohe ich: "Weißt du, wenn du sie verarschst, breche ich dir beide Kniescheiben. Hockey wird dann nichts Anderes mehr sein als eine ferne, aber liebevolle Erinnerung."

Er wirft Zara einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Sie zuckt mit den Schultern, als wollte sie sagen, was soll ich da machen?

"Ich habe dich gewarnt", füge ich düster hinzu.

Er neigt den Kopf zur Seite und nimmt seinen Burger in die Hand. "Du bist ein gruseliges Mädchen, Davies."

"Gut." Ich nicke zustimmend. "Das ist genau das, was ich für dich sein will."

Auch wenn ich Luke gerade die Hölle heiß mache, mag ich ihn. Von all den Hockeyspielern, in die Zara sich verlieben hätte können, ist er der netteste. Im Gegensatz zu den meisten seiner Teamkollegen betrachtet er Sex mit den Mädchen auf dem Campus nicht als Leistungssport.

Allerdings hat er einen fatalen Fehler, der schwer zu übersehen ist.

Gerade als ich ein weiteres Stück Pommes in meinen Mund schiebe, prallt ein harter Körper von der Seite gegen mich. Ich grunze, als die Kraft des Aufpralls meinen Hintern über die Holzbank schiebt. Ich habe Glück, dass ich mir keinen Splitter einziehe.

"Schieb rüber, Clyde", sagt eine tiefe Stimme.

Für einen verwirrten Moment erstarre ich.

Nein. Nein. Nein. Nein. Das kann nicht wahr sein.

Er kann nicht an meinem Tisch sitzen, während ich mit meiner besten Freundin zu Mittag esse. Ich sollte ihn erst nächsten Montag sehen. Um zehn Uhr. Und keinen Moment früher. Es ist eine ungeschriebene Vereinbarung zwischen uns. Wie ein Friedensabkommen. Und er ignoriert es völlig.

"Warum in Gottes Namen bist du hier?" Bevor er antworten kann, zische ich: "Verfolgst du mich? Ist es das, was hier vor sich geht?"

"Kommt darauf an, ob ich dich verfolgen soll?" Eine Seite von Brodys Mund hebt sich zu einem vergnügten Grinsen. "Ich habe ein wenig freie Zeit, die ich füllen muss. Ich kann dich da gerne mit einbeziehen."

Ich nutze all meine Energie, starre ihn an und warte darauf, dass er in Flammen aufgeht. Ich bin ziemlich enttäuscht, als nichts geschieht.

"Soll ich dein Schweigen so deuten, dass du mit diesem Plan einverstanden bist?“, zieht er mich auf und sieht dabei sehr zufrieden mit sich aus.

Meine Augenbrauen sinken und meine Schultern spannen sich an. Siehst du? Er ist erst seit dreißig Sekunden hier, und schon bin ich kurz vorm Ausrasten. Dieser Tag ging schon in der Finanzvorlesung in einen Tiefflug über und ist jetzt dabei, beim Aufprall zu explodieren.

"Warum bist du hier?“, frage ich noch einmal.

Brody deutet mit dem Kinn zu dem anderen Kerl am Tisch. "Ich bin gekommen, um mit meinem Jungen abzuhängen."

Mein wütender Blick geht zu Luke. Vielleicht sollte ich doch über den Tisch springen und ihn erwürgen.

Lukes' Grinsen verstärkt sich, als ob er genau wüsste, was mir durch den Kopf geht. "Also ... das macht Spaß, dass wir alle hier sind."

"Ungefähr so viel Spaß, wie mir alle Wimpern einzeln auszurupfen", schimpfe ich.

Ohne sich die Mühe zu machen, um Erlaubnis zu bitten, greift Brody hinüber und bedient sich an ein paar Pommes von meinem Teller.

"Ähm, hallo, das ist mein Mittagessen."

Er grinst und schnappt sich die nächste Portion.

Ich schüttle den Kopf über so viel Frechheit und winke mit der Hand in Richtung meines Tabletts. "Aber bitte doch, bedien dich!"

"Danke, ich dachte schon, du würdest nie fragen."

Wenn ich in den drei Jahren, die ich Brody kenne, etwas gelernt habe, dann ist es, dass ich aufhören muss, auf ihn zu reagieren, sonst werde ich ihn nie los. Er ist wie ein Kind. Eines, dem es egal ist, ob es sich um eine positive oder negative Reaktion handelt, solange es Aufmerksamkeit erhält.

Ich knurre, als er ein weiteres Stück Pommes stiehlt. Seine Grübchen blitzen auf, als er mir ein charmantes Lächeln zuwirft. Bei jedem anderen Kerl finde ich Grübchen bezaubernd. Aber nicht bei ihm. Was Brody McKinnon betrifft, so kann er nichts tun, um meine Gefühle für ihn zu mildern. Sie sind für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt.

Außerdem freut er sich darüber, dass er mich wütend macht.

Wie pervers ist das denn?

"Erzähl, wie kann man diesen Mist essen und so schlank sein?" Obwohl ich neben ihm sitze, wandert sein Blick an mir auf und ab. Ich merke, wie mir heiß wird. "Du musst einen tollen Stoffwechsel haben, Davies."

"Mein Stoffwechsel", presse ich heraus, "geht dich nichts an. Ich bin sicher, du hast dringendere Angelegenheiten, über die du nachdenken musst. Zum Beispiel, wie viele Partys du heute Abend besuchen kannst, zeitlich angepasst an die Anzahl der Mädchen, die du dazu verführen kannst, dich zu einem betrunkenen Fehler zu machen, den sie am Morgen bereuen werden, wenn sie zur Apotheke für die Pille danach rasen." Ich schaue ihn treuherzig an. "Du weißt schon ... über die wirklich wichtigen Dinge."

Anstatt auf meine Beleidigungen zu reagieren, fegt er sie beiseite und ignoriert sie. Er sieht mich mit einem ernsten Blick an und deutet mit einer Fritte in meine Richtung. "Du solltest deinen Körper wie einen Tempel behandeln. Es ist der einzige, den du hast. Vielleicht sollten wir uns mal treffen und über die Bedeutung richtiger Ernährung sprechen."

Ich lache. "Klar, McKinnon. Würde das auch bedeuten, dass ich bei dir zu Hause auftauchen und ‘Versteck die Salami’ mit dir spielen soll?"

Ein riesiges Grinsen erhellt sein Gesicht, seine Schultern zittern, denn anscheinend hat er Mühe, sein Lachen zurückzuhalten. "Sicher, das können wir spielen, während ich dir die Grundnahrungsmittelgruppen erkläre. Ich liebe nichts mehr, als zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen."

"Das Einzige hier, was geschlagen werden kann, bist ..."

"Alles klar, ihr zwei", schnappt Zara. "Ich habe genug!" Sie sieht uns an. "Wenn ihr dieses ständige Streiten nicht beendet, werde ich mich mal einmischen, und dann wird es euch beiden leid tun!"

Ich werfe Zara einen mürrischen Blick zu und deute mit dem Daumen in Brodys Richtung. "Er hat damit angefangen."

"Ist mir egal, wer angefangen hat", sagt sie. "Ich werde es beenden. Hast du mich verstanden?"

"Ja, Mama", murre ich.

"Gut." Sie deutet mit ihrem Zeigefinger erst auf mich und dann auf Brody. "Ihr zwei müsst lernen, wie man nett miteinander umgeht."

Brody hält seine Hände hoch. "Hey, ich versuche, nett zu sein. Ich würde gerne den ganzen verdammten Tag nett zu ihr sein."

Er lehnt sich zurück, und ich schieße ihm einen wirklich bösen Blick zu.

So sehr ich Luke auch mag, auf seinen Kumpel kann ich verzichten. Als Zara gestand, dass sie mit dem blonden Hockeyspieler zusammen ist, dachte ich nie daran, dass ich dann mit Brody Zeit verbringen würde.

Aber, wenn ich nicht aufhören will, mit Zara rumzuhängen, muss ich wohl einen Weg finden, wie ich mit ihm umgehen kann.

Meine Freundin räuspert sich. "Was dieses Wochenende anbelangt ..."

Der Themenwechsel lässt mich erwartungsvoll zu Zara blicken. Als sie nicht weiterspricht, springt mein Blick zu Luke und dann wieder zu Zara. Aus irgendeinem Grund sind jetzt alle drei Augenpaare auf mich gerichtet. Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit.

"Was ist?" Ich spanne die Schultern an und erwidere jeden ihrer Blicke mit einem Stirnrunzeln. Niemand sagt ein Wort. "Was ist dieses Wochenende los?" Zu meinen derzeitigen Plänen gehören Yogahosen, ein bequemes Sweatshirt, Binge-Watching auf Netflix und eine große Pizza mit extra viel Käse. Ansonsten habe ich nichts vor.

" Nun ..." Zaras Stimme verliert sich, und sie schaut Luke an.

"Spuck es einfach aus", sage ich. Mein ganz persönlicher Albtraum sitzt zufällig neben mir. Es kann nicht sehr viel schlimmer werden.

"Die Jungs veranstalten am Samstag eine Party, und ich möchte, dass du mit mir dorthin gehst."

"Nein, nein", stöhne ich und sinke auf die Bank zurück.

Ich hätte wissen müssen, dass dieses Gespräch stattfinden würde. Ich hatte schon die Gerüchte gehört, dass es eine riesige Party im Hockeyhaus geben würde. In sämtlichen sozialen Netzwerken wird darüber berichtet.

"Dooooocccchh", antwortet sie.

"Komm schon, Zar", jammere ich. "Bitte, zwinge mich nicht dazu. Du weißt, wie sehr ich diese Dinge hasse." Ich bin keine totale Spielverderberin. Ich war in den letzten drei Jahren auf vielen Partys. Aber Hockeypartys sind der Wahnsinn. Ausschweifungen und Saufgelage vom Feinsten. Es ist, als würden sie Hugh Hefner nacheifern. Jemand müsste nur eine Kapitänsmütze und einen bordeauxfarbenen Velours-Bademantel tragen, und das Haus würde der Playboy Mansion in ihrer Blütezeit ähneln.

Zaras Stimme wird schmeichelnd, als würde sie versuchen, mit einem übermüdeten Kind zu reden, das gerade mitten in einem Wutanfall steckt. "Ich weiß, Süße. Und ich verstehe es total, wirklich. Aber –"

"Dann zwinge mich nicht dazu, es zu tun", schaltete ich mich ein. Sie braucht mich da nicht. Sie hat Luke. Er wird an ihrer Seite bleiben.

"Aber ich brauche dich", sagt sie.

"Brauchen ist ein sehr starkes Wort."

"Du bist meine beste Freundin, und ich brauche dich dort bei mir. Du weißt, wie diese Mädchen sind."

Sie muss nicht sagen, von welchen Mädchen sie spricht. Die Puck-Häschen an diesem College sind nicht gut auf andere Frauen zu sprechen, die in ihrem Revier wildern.

Zara sieht mich mit zitternden Lippen und bittendem Blick an. Sie hat ihre Technik in unzähligen Jahren der Manipulation perfektioniert. Meine Schultern sinken nach unten. Ich bin kurz davor, einzuknicken. Wie kann ich ihr diese Bitte abschlagen? Gott, ich hasse es, wenn sie die großen Geschütze auffährt.

"Das ist nicht fair", sage ich zu ihr.

Sie grinst und fragt: "Wer sagt, dass das Leben fair ist?"

"Jetzt klingst du wie meine Mutter."

"Ich dachte immer, Karen wäre eine kluge Frau. Wie auch immer, ich brauche meine Truppe an meiner Seite, wenn ich durch diese Tür gehe", fügt sie nach einem weiteren Salatblatt hinzu.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute das nicht mehr sagen. Ich glaube, der neue Begriff ist ‘Crew’."

"Na gut", stimmt sie zu. "Ich brauche meine Crew bei mir, wenn ich da reingehe. Sag, dass du mitkommst!" Sie presst ihre Handflächen zusammen als würde sie beten. "Bitte, bitte?"

Ich will nicht nachgeben.

Ich will es wirklich nicht.

"Okay", gebe ich nach. "Schau mich nur nicht so an. Ich kann das nicht ertragen."

"Du bist schon immer auf diesen Blick reingefallen."

Ich zupfe die Fritte aus Brodys Fingern und werfe sie auf meine Freundin. "Du bist eine manipulative Göre, und ich hasse dich."

Sie lacht und schlägt die Fritte weg. "Ach, komm schon. Du liebst mich."

Stimmt. Aber das werde ich ihr nicht sagen.

"Hey", beschwert sich Brody. "Ich wollte das essen!"

Ich nehme noch eine Fritte und werfe sie ihm entgegen. Ich bin versucht, den ganzen Teller zu werfen.