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Axel Dreyer

TourismNOW

Reisen zum Wein

Weintourismus zwischen
Reben, Vinotheken und Kultur

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Prof. Dr. Axel Dreyer lehrt Tourismusmanagement und Marketing an der Hochschule Harz in Wernigerode. Er ist zudem Honorarprofessor für Sportmanagement an der Universität Göttingen und Sprecher der Kommission Weintourismus/Kulinarik der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT e.V.).

Umschlagabbildung: © Five-Birds Photography · iStock | Weinberge am Bodensee in Deutschland

Autorenbild: © privat

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

1. Auflage 2021

© UVK Verlag 2021

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Internet: www.narr.de

CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-7398-3125-1 (Print)

Geleitworte

„Umfassendes touristisches Angebot von Weingütern in Deutschland.“

Geleitwort von Monika Reule

Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts

Weintourismus ist in Deutschland ein vergleichsweise noch junges Thema. In den letzten zehn Jahren hat der Weintourismus jedoch in allen 13 deutschen Weinregionen enorm an Bedeutung gewonnen. In einer gemeinsam mit der Hochschule Geisenheim University durchgeführten Studie konnten wir ermitteln, dass Weintouristen jedes Jahr rund 50 Millionen Besuchstage in den deutschen Weinregionen verbringen und dort 5,5 Milliarden Euro ausgeben. Während die Anfänge des Weintourismus hierzulande in dem Besuch eines Weingutes mit Weinprobe und ggf. eine Kellerführung bestanden, haben sich in den letzten Jahren die Ansprüche der Weintouristen ebenso verändert, wie die Angebote der Weingüter und Genossenschaften. Weintouristische Angebote reichen heute von Führungen oder Wanderungen durch die Weinberge, architektonisch herausragenden Vinotheken, kulinarischen Angeboten, Übernachtungsmöglichkeiten beim Winzer oder in spezialisierten Weinhotels bis hin zu Weinverkostungen ind Verbindung mit kulturellen Veranstaltungen wie z.B. Lesungen, Musik- oder Filmvorführungen.

Das Buch von Professor Dr. Axel Dreyer beleuchtet all diese Facetten des heutigen Weintourismus sowohl national als auch international. Dabei analysiert der Autor sowohl die Struktur der Weinwirtschaft und die Weinregionen mit ihren jeweiligen touristischen Besonderheiten als auch den Weintouristen selbst. Er zeigt Potenziale auf, wie man die Zielgruppe der Weintouristen noch besser erreichen kann und wie weintouristische Angebote gestaltet sein und vermarktet werden sollten, um damit Erfolg zu haben. Das Buch ist somit nicht nur die aktuellste Bestandserhebung zum Weintourismus in Deutschland, sonders es bietet auch viele praktische Tipps für alle, die sich mit dem Thema befassen. Von daher ist das Buch ein „Muss“ für alle Betriebe der Weinwirtschaft, die in den Weintourismus einsteigen oder ihre weintouristischen Angebote verbessern oder ausbauen wollen, aber auch für alle Tourismusfachleute, die ihre Destinationen als weintouristische Region stärker oder besser vermarkten möchten.

Monika Reule

„Reisen zum Wein – Chance für den internationalen Tourismus nach Deutschland.“

Geleitwort von Petra Hedorfer

Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus

Deutschlands Weinregionen sind mehr als Weinanbaugebiete – sie sind auch begehrte Reiseziele. Mehr als 5,6 Millionen ausländische Gäste übernachteten 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie in deutschen Weinbauregionen.

Für die internationale Vermarktung des Reiselandes Deutschland war und ist der Wein ein starkes Asset. Wein steht für den Reichtum der deutschen Geschichte seit der Römerzeit, der Weinanbau prägte Kulturlandschaften, Wein ist ein essenzieller Bestandteil kulinarischen Spitzenniveaus und last but not least – Weinanbaugebiete zählen zu den schönsten Erholungsräumen.

Das hier vorliegende Buch von Axel Dreyer bietet einen umfassenden Überblick über das Thema Reisen zum Wein in Deutschland – auch im internationalen Kontext. Es erscheint zu einer Zeit, da der weltweite Tourismus insgesamt durch die Covid-19-Pandemie stark getroffen wurde. Corona hat aber auch zu einem Wertewandel bei den Reisenden weltweit geführt: Natur und Erholung gewinnen an Bedeutung, Outdooraktivitäten werden stärker nachgefragt, das Interesse an nachhaltigem Urlaub steigt. Laut Analysen des World Travel Monitor von IPK International im Auftrag der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) vom Oktober 2020 halten es 80 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass Corona zu mehr Nachhaltigkeit im Tourismus führen wird.

Damit öffnen sich weitere Chancen für den Weintourismus.

Die Deutsche Zentrale für Tourismus hat bei der internationalen Vermarktung Deutschlands als Weinreiseziel bereits ausgesprochen positive Erfahrungen gemacht. Denn deutsche Weine genießen international einen ausgezeichneten Ruf als Qualitätsprodukt. Sie sind Exportschlager und in ihrer regionalen Verwurzelung zugleich exponierte Markenbotschafter für das Reiseland Deutschland.

Bei der weltweiten Vermarktung des Reiselandes Deutschland kooperiert die DZT eng mit dem Deutschen Weininstitut (DWI), das als zentrale Kommunikations- und Marketingorganisation die deutsche Weinwirtschaft im In- und Ausland repräsentiert. Das DWI unterstützt mit seinen weltweit 14 Niederlassungen die Umsetzung von Marketingkampagnen der DZT.

So erreichte zum Beispiel die weltweite Kampagne „Culinary Germany“ 2018 mit „Follow the taste“-Videos aus den 16 Bundesländern, mit Social-Media-Aktivitäten, Influencer-Marketing und stark beachteten Multiplikatoren-Events ein Millionenpublikum. Weintourismus spielt auch eine bedeutende Rolle in den Kampagnen, mit denen die DZT ihre Recovery-Strategie zur Überwindung der Corona-Krise vorantreibt: German.Local.Culture. nimmt das Flair und die typische Atmosphäre von bestimmten Regionen ebenso auf wie Motive traditioneller Handwerkskunst. Als Kooperationspartner ist das Deutsche Weininstitut an der Kampagne und den Events in wichtigen Quellmärkten des Incoming-Tourismus beteiligt. Regionale und saisonale Küche sind in dieser Kampagne ebenso ein Leitmotiv wie in der Kampagne German.Spa.Tradition. Und Feel Good setzt Deutschland als Reiseziel mit nachhaltigen Angeboten in Szene – eine Domäne naturnah produzierender Winzer.

Kulturtourismus, Genussreisen, Aktivurlaub – die Möglichkeiten für Deutschlandurlauber in den Weinbauregionen sind vielfältig. Das vorliegende Buch kann wertvolle Hilfe leisten, Angebot und Nachfrage erfolgreich zu verbinden und die langfristige Recovery des Incoming-Tourismus zu fördern. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.

Petra Hedorfer

Vorwort

„Es lebe die Freiheit. Es lebe der Wein!“
Johann Wolfgang von Goethe

Sehr geehrte, liebe Leser:innen!

Nach nunmehr 15 Jahren Forschung und Lehre auf dem Gebiet des Weintourismus war für mich die Zeit reif, die gewonnenen Erkenntnisse in einem neuen Buch umfassend und aktuell niederzuschreiben. Ziel war die Erstellung einer wissenschaftsbasierten Publikation mit erkennbarer Nähe zur Praxis. Zu diesem Zweck wurden hunderte Quellen berücksichtigt, unter ihnen auch zahlreiche englischsprachige Beiträge. Für Forscher und besonders interessierte Paktiker sind auf diese Weise umfangreiche Literatur- und Quellenhinweise entstanden. Für schnellere Leser:innen gibt es zahlreiche Beispiele mit Verweisen auf Internetressourcen, eine Vielzahl illustrierender Fotos und Abbildungen, die wichtige Inhalte übersichtlich darstellen. Insofern spricht das Buch hoffentlich einen breiten Kreis von Lehrenden, Studierenden und Praktikern an.

Während die Zahl der Veröffentlichungen in Sammelwerken und Journalbeiträgen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, sind Monographien – auch international – immer noch eine Seltenheit. Angesprochen werden im vorliegenden Buch auch neue, in den vorhandenen Monographien zum Weintourismus nicht oder nur unzureichend erwähnte Aspekte, wie z.B. die Verknüpfung des Weintourismus mit Erlebnistheorien und der Brückenschlag vom Weinbau zur Architektur. Dabei ist auch die Sichtung, Evaluierung und Überarbeitung noch unveröffentlichter Materialien erfolgt.

Die vorliegende Betrachtung des Weintourismus verknüpft betriebswirtschaftliche Grundlagen mit Erkenntnissen aus der Tourismuswissenschaft und dem Weinbau in einer – mindestens im deutschsprachigen Raum – bisher nicht vorhandenen Art und Weise. Erläutert werden u.a. Zielgruppen des Weintourismus, Vinotheken und die Organisation von Verkostungen sowie Maßnahmen der Kundenbindung, damit Winzer die mühsam gewonnenen Kunden nicht wieder verlieren. Ein ganzes Kapitel ist dem Weinerlebnis gewidmet und auch das Marketing für Weinregionen kommt nicht zu kurz, u.a. geht es um Kulinariktrends, Straußwirtschaften, Weinwanderwege und die Verbindung von Rad- und Weintourismus.

Schwerpunkt der Betrachtung ist Deutschland und der deutschsprachige Raum, aber es gibt ein spezielles Kapitel zum weltweiten Weintourismus, außerdem wird immer wieder auf internationalen Besonderheiten und Beispiele eingegangen. Dabei kommt es mir zugute, dass ich viele Weinregionen der Welt schon persönlich in Augenschein nehmen durfte. Darunter waren nicht nur als Weinregionen bekannte Destinationen, sondern auch allgemein attraktive Tourismusziele mit Weinanbau in der Nähe – vom Napa Valley bis Central Otago und dem Barossa Valley, von Bordeaux bis Südtirol und Korčula in Kroatien, von Saale-Unstrut bis zur Wachau und Mallorca. Aber man kann nicht überall gewesen sein, außerdem verblassen eigene Erfahrungen und werden von neuen Entwicklungen überholt. Ich freue mich also über Neuigkeiten und Informationen aus aller Welt, denn es wird eine englischsprachige Ausgabe dieses Buches geben und ich habe eine zweite Auflage fest im Blick.

Dieses Buch wurde in den Hochzeiten der Covid-19-Pandemie geschrieben, was geplante Reisen unmöglich machte, aber für ein Kapitel zu Online-Verkostungen gesorgt hat. Als langjähriger Sprecher der Kommission Weintourismus/Kulinarik der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft (DGT) und Mitorganisator der Culinary and Wine Tourism Conferences (CWTC) hoffe ich darauf, dass der wissenschaftliche Austausch bald auch wieder persönlich erfolgen kann.

Ein Hinweis darf nicht fehlen. Das Genderthema hat weite Teile der Gesellschaft erreicht, was gut ist, damit vorhandene Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten weiter abgebaut werden. Sprachlich ist der große Wurf jedoch noch nicht gelungen. Durch ständiges gendern wird der Lesefluss eines Buches jedenfalls deutlich eingeschränkt. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, die bisher geläufige Form weiter zu verwenden und hoffe auf das Verständnis der Leserinnen und Leser.

Zum guten Schluss kommt das Wichtigste: Ich danke Kathrin Bockelmann, meiner langjährigen Freundin aus Studienzeiten, ganz herzlich für die Durchsicht des Manuskripts. Sie konnte alle groben Fehler ausmerzen; sollte es noch welche geben, so hätten sie sich bei den letzten Überarbeitungen eingeschlichen. Mit Eberhard Abele, Marktforscher des Deutschen Weininstituts konnte ich die Tücken der Weinstatistiken diskutieren. Hervorragend war die Zusammenarbeit mit Rainer Berger, meinem Verlagsverantwortlichen: Sehr freundlich, stets konstruktiv und mit hoher Empathie für die Belange des Autors. Mit ihm würde ich jederzeit weitere Werke erstellen.

Axel Dreyer, im Sommer 2021

Inhalt

Geleitworte

Vorwort

1Weinwirtschaft – Struktur und Märkte mit Relevanz für den Weintourismus

1.1Winzer und Weinbauern

1.2Die Absatzkanäle der Weinbauern

1.3Ein Blick in die Praxis – Interview mit dem Winzer Wolfgang Schreieck

2Weinregionen – touristische Besonderheiten

2.1Weinregionen rund um den Erdball

2.2Deutschland

2.3Andere Teile der Welt

2.4Klimawandel und neue Weinregionen

3Weintouristen – wer sind sie?

3.1Begriffsbestimmung Weintourismus

3.2Eigenschaften der Weintouristen in Deutschland

3.3Zielgruppenpotenziale für deutsche Weinregionen

3.4Weintouristen in Teilen der Welt

4Wein – Tourismus – Marketing

4.1Das Besondere und Zukunftsperspektiven

4.2Customer Journey zum Wein

4.3Marketing-Mix

4.4Kunden gewinnen und binden

5Winzer und Weinbauern – weintouristische Angebote

5.1Erfolgsfaktoren attraktiver Weingüter auf einen Blick

5.2Verkostungen und Weinverkauf

5.3Weinkellerbesichtigung

5.4Führungen und Veranstaltungen in den Rebflächen des Weinguts

5.5Hoffeste und mehr: Meetings, Incentives und Events

5.6Winzergastronomie

5.7Beherbergung

6Erlebnis Wein

6.1Einführung: Wie ein Weinerlebnis entsteht

6.2Rolle der Weinarchitektur

6.3Erlebnisse auf dem Weingut

6.4Weinerlebnisführer

6.5Weinmuseen und Weinerlebniswelten

7Wein – Destinationen

7.1Wein und Tourismus: Das Angebot in Weinregionen

7.2Wein und Tourismus: Erfolgsfaktor Kooperationen

7.3Weintouristische Routen als besondere Netzwerke

7.4Wein plus

7.5Weinfeste als originäres Destinations-Event

7.6Großstädte – Wein – Tourismus

7.7Essentials und Zukunftsperspektiven für Weindestinationen

Abbildungs- und Tabellennachweis

Quellenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

WEINREISE!

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1 | Deutschlands Leit-Rebsorte Riesling mit seinen Fruchtaromen

Vierklang der Weinreise

1. Verkostungen

2. Weinfeste

3. Weinwanderungen

4. Genuss

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3 | Weingut Ysios – eine der Architektur-Landmarks im Rioja

Nicht nur der Wein allein … Architektur weckt Neugierde auf einen Besuch!

Weingüter können auch Architekturikonen sein. Dies zeigt das Weingut Ysios im Norden Spaniens. Das Kellereigebäude wurde von dem spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava entworfen. Die Kombination von Wein und Architektur gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies zeigen auch die folgenden Beispiele aus Deutschland und dem italienischen Südtirol (Ratz und Dreyer 2013):

„Seitdem wir das neue Kelterhaus (…) haben, interessieren sich die Kunden vielmehr für das Produkt bzw. wie es hergestellt wird. Seitdem ist es viel interessanter für die Kunden.“

Hugo Brennfleck, Weingut Brennfleck

„Es muss immer das Ganze stimmen. Die Architektur ist ein Teil des Betriebes. Wenn der Wein (…), die Philosophie des Betriebes und die Kommunikation/das Marketing gut ist und dann noch eine tolle Architektur hinzukommt, dann funktioniert es.“

Wolfgang Klotz, Kellerei Tramin

ARCHITEKTUR!

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FAKTEN!

Superlative rund um den Wein

Die älteste Rebe der Welt wächst in Maribor

Der steilste Weinberg Europas ist der Bremmer Calmont an der Mosel

Als höchstgelegener Weinberg der Welt gilt der Altura Máxima mit 3.111 Meter. Er gehört zur Bodega y Estancia Colomé im Nordwesten Argentiniens im Hochland der Anden.

Das südlichste Weingut der Welt liegt auf dem 45. Breitengrad zwischen Queenstown und Dunedin auf der Südinsel Neuseelands bei Alexandra in der Weinregion Central Otago. (Vermutlich) ist es der Black Ridge Vineyard.

Das nördlichste Rebweingut der Welt ist wohl das Weingut Lerkekåsa in Gvarv in Norwegen auf dem 59. Breitengrad.

Der Wurstmarkt in Bad Dürkheim ist das größte Weinfest der Welt: an neun Tagen kommen mehr als 600.000 Besucher (aber nicht in Zeiten der Corona-Pandemie)

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4 | Die älteste Rebe der Welt in Maribor

Die Natur als großer Weinreisemotivator

Natur und Kulturlandschaften des Weins sehen und erleben, z.B.

Schöne Weinsichten des Deutschen Weininstituts (DWI)

Terroir f in Franken

Radeln an der Mosel

Wandern auf dem Rotweinwanderweg an der Ahr

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2 | Meersburg mit Weinbergen und Bodensee

KULTURLANDSCHAFT UND NATUR!

1Weinwirtschaft – Struktur und Märkte mit Relevanz für den Weintourismus

1.1Winzer und Weinbauern

Weintourismus lebt von der Arbeit der Weinbauern und Winzer. Durch den Weinbau werden die Kulturlandschaften der Weinregionen gepflegt und geprägt. Bei weitem nicht alle Weinbauern erzeugen eigenen Wein, oft wird das Rebgut an Genossenschaft oder Vertragswinzer verkauft, die schließlich für die Weinbereitung (Vinifikation) verantwortlich sind. Am Beginn sollen deshalb einige wesentliche Zahlen und Eckdaten in den Weinbau einführen.

Weinbaubetriebe – Wissenschaftsdisziplinen – Weintourismus

Die Arbeit von Weinbaubetrieben ist zwischen speziellen agrarwissenschaftlichen und speziellen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen einzuordnen. Weinbaubetriebe sind außergewöhnliche landwirtschaftliche Unternehmungen, die sowohl in der Produktion als auch in der Vermarktung besondere Anforderungen stellen. Seit Ende der 2000er Jahre ist in Deutschland eine Professionalisierung des Direktverkaufs ab Hof erkennbar. Weinbaubetriebe machen immer häufiger Angebote für Touristen, um ihre unternehmerische Situation zu verbessern. Auf diese Weise sind nicht nur Reisen in die Weinbauregionen in den Fokus gerückt, sondern Weintourismus ist als eigenständige Tourismusart entstanden, die heute mehr und mehr aus ihrem Nischendasein heraustritt. Zu verorten ist der Weintourismus als ein spezielles Feld der Tourismuswissenschaft; diese bedient sich wiederum zahlreicher „Mutter-“disziplinen, von denen die Wirtschaftswissenschaften und hier speziell die Betriebswirtschaftslehre mit dem Marketing in der Forschung den breitesten Raum einnehmen. In diesem Buch wird aber auch deutlich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus einer Reihe anderer Disziplinen die Entwicklung des Weintourismus bereichern, zum Beispiel aus der Psychologie und der Soziologie (Kaufverhalten, Erlebnisse) oder der Architektur (Weingüter, Vinotheken). Alles in allem hat die Forschung im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahren merklich an Fahrt aufgenommen, während in den Vereinigten Staaten, Australien und Neuseeland Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien schon etwas länger zu finden sind.

Weinbaubetriebe – Zahlen, Daten, Fakten – Staatsweingüter

In Deutschland existieren weinrechtlich 13 Weinbauregionen, die nicht an Bundesländer Grenzen festzumachen sind. Auf rund 100.000 Hektar Rebfläche stehen derzeit fast 100 Rebsorten, die zu rund zwei Drittel weiße Rebsorten und zu einem Drittel rote Reben sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Weinbauländern – insbesondere in der Neuen Weinwelt – existieren in Deutschland noch sehr viele kleine Weinbaubetriebe. Ab einer Größenordnung von 10–12 Hektar geht man davon aus, dass sie wirtschaftlich als Vollerwerbsbetrieb angesehen werden können.

Die 3.135 Unternehmen (Stand 2020) mit mindestens 10 Hektar Rebfläche entsprechen 19,1 % der Betriebe in Deutschland, nehmen jedoch mit 62.267 Hektar gut 62,4 % der Weinbaufläche ein. Vor zehn Jahren waren es noch 2.674 Betriebe mit 10,0 und mehr Hektar Rebfläche, die 13 % aller Betriebe ausmachten. Festzustellen ist folglich, dass die Zahl der Vollerwerbswinzer steigt und ein Trend zu größeren Betrieben existiert.

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Tab. 1 | Entwicklung der Betriebsgrößen der Weinbauern in Deutschland 2016 bis 2020

Insgesamt werden im Jahr 2020 von 35.093 Unternehmungen auf 103.180 Hektar in Deutschland

(Wein-)trauben angebaut; darunter sind außer den in der vorstehenden Tabelle aufgeführten Betrieben noch

6.406 Kleinstbetriebe unter 0,1 Hektar Anbaufläche mit deutschlandweit insgesamt 348 Hektar und

12.293 Betriebe mit 0,1 bis 0,5 Hektar Anbaufläche und deutschlandweit insgesamt 3.069 Hektar.

Eine exakte Zahl der selbst Wein ausbauenden (vinifizierenden) Betriebe ist aktuell nicht verfügbar, kann jedoch auf gut 7.000 Betriebe beziffert werden. Je nach Lage der Weingärten, klimatischen Bedingungen und den Qualitätsansprüchen der Weinbauern, die Ertragsreduktion zur Verbesserung der Traubenqualität betreiben, und gesetzlichen Höchstmengen werden auf 1 Hektar Rebfläche zwischen 4.500 und 10.000 Liter Wein erzeugt. (Deutsches Weininstitut (DWI) 2021; Abele 2021)

Die deutschen Weinbau-Bundesländer unterhalten ihre eigenen Staatsweingüter:

Hessen: Staatsweingüter Kloster Eberbach

Rheinland-Pfalz:

imageStaatsweingut Mosel

imageStaatsweingut Bad Kreuznach

imageStaatliche Weinbaudomäne Oppenheim

imageStaatsweingut Neustadt/Weinstr.

Sachsen-Anhalt: Landesweingut Kloster Pforta

Sachsen: Staatsweingut Schloss Wackerbarth

Bayern: Staatlicher Hofkeller Würzburg

Baden-Württemberg:

imageStaatsweingut Weinsberg

imageStaatsweingut Freiburg

imageStaatsweingut Meersburg

imageStaatsweingut Karlsruhe-Durlach

Unter den Winzerkooperationen ist der Verband Deutscher Prädikatsweingüter e.V. (VDP) eine herausragende Organisation, die seit 1910 als älteste nationale Vereinigung von Spitzenweingütern der Welt als Zusammenschluss von vier Regionalvereinen zum damaligen Verband Deutscher Naturweinversteigerer (VDNV) entstanden ist. Heute, mehr als hundert Jahre danach, vereint der VDP 198 Spitzenweingüter aus allen deutschen Weinanbaugebieten. Die Zahl der Mitglieder im VDP unterliegt strengen Aufnahmekriterien und ist in den letzten Jahren trotzdem stetig gewachsen.

Die Prädikatsweingüter arbeiten nach selbst auferlegten Qualitätsmaßstäben, wobei der Weinberg als tragende Säule für Spitzenweine angesehen wird. Die Lagenbezeichnungen sind für Weine mit ausgeprägtem Bodencharakter reserviert und haben damit aufgrund ihrer einzigartigen Verortung in einer Weinregion auch eine Bedeutung für den Weintourismus. Ziel der vom VDP entwickelten Wein-Klassifikation ist es, die Wertigkeit der besten Weinbergslagen Deutschlands als Bestandteil einer einzigartigen Kulturlandschaft zu bekräftigen. Die Klassifikation reicht von der Großen Lage für absolute Spitzenweine über die Erste Lage und Ortsweine bis zu Gutsweinen, die aus gutseigenen Weinbergen stammen und als Einstieg in die herkunftsgeprägte Qualitätshierarchie angesehen werden. (VDP.Die Pädikatsweingüter 2021, 2017)

Winzergenossenschaften

Insbesondere für die kleinen Weinbauern spielen Winzergenossenschaften eine wichtige Rolle. Sie kaufen das Rebgut ihrer Mitglieder auf, zahlen dafür ein „Traubengeld“ und übernehmen die Weinproduktion. Bei größeren abgelieferten Mengen werden für Genossen vereinzelt Flaschenweine mit einem eigenen Label erzeugt, deren Vermarktung entweder bei der Genossenschaft verbleibt oder durch den abliefernden Weinbauern erfolgt. In den meisten Fällen geht das Lesegut jedoch in die gesamte genossenschaftliche Weinbereitung ein. Daher besteht eine besondere Herausforderung für die Winzergenossenschaften darin, aus dem Rebgut unterschiedlicher Erzeuger mit unterschiedlichen Lagen qualitativ hochwertige Weine zu produzieren. Dass dies gelingen kann, zeigen nicht nur die fast 150 deutschen Genossenschaften, sondern auch die Winzervereinigungen in anderen Ländern.

Als Großbetriebe der Weinproduktion nehmen viele Genossenschaften auch eine besondere Stellung im Weintourismus ein. Aus umfangreichen Sortimenten lassen sich spannende Verkostungen zusammenstellen und die Shops und Vinotheken sind gerne besuchte Anlaufstellen in den Weinregionen. In Südtirol werden Winzergenossenschaften beispielsweise regelmäßig von anerkannten Institutionen für die Qualität ihrer Weine prämiert. Und dort waren es auch gerade die Winzergenossenschaften, die mit ihren architektonisch interessanten Neubauten für Impulse im Weintourismus gesorgt haben, z. B. die Kellerei Kaltern 2006, die Kellerei Tramin 2008, die Kellerei Nals Margreid 2011 und zuletzt die Kellerei Bozen 2019 (image Kap. 6).

Das deutsche Genossenschaftswesen besitzt Tradition. Als älteste Winzergenossenschaft mit dem Gründungsjahr 1868 gilt die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, die 2021 von einer verheerenden Flutkatastrophe stark betroffen war. (Winzergenossenschaft Mayschoss-Altenahr 2021)

Heute werden knapp 30 % der Anbaufläche in Deutschland von Mitgliedern der 148 Genossenschaften bewirtschaftet, die für rund ein Drittel der deutschen Weinproduktion verantwortlich sind (Bitsch und Hanf 2020; Deutscher Raiffeisenverband e.V. 2021). Zu den größten deutschen Winzergenossenschaften zählen:

Moselland eG Winzergenossenschaft

… gehört mit 2.300 Mitgliedern und 2.300 Hektar bewirtschafteter Rebfläche zu den derzeit größten deutschen Genossenschaft und vermarktet nicht nur Weine von der Mosel, sondern auch aus anderen Anbaugebieten, u. a. der Nahe und dem Rheingau; für den Direktverkauf werden fünf Vinotheken betrieben. (Moselland eG Winzergenossenschaft 2021)

Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG

… ist mit rund 2.300 Hektar erfasster Rebfläche nach eigenen Angaben die umsatzstärkste Genossenschaft Deutschlands; Rotwein besitzt drei Viertel Vermarktungsanteil. (Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft e.G. 2021)

Badischer Winzerkeller eG

… hat 49 Mitglieder (29 voll- und 20 teilanliefernde Winzergenossenschaften) mit rund 4.000 angeschlossenen Winzern und Winzerfamilien, die 1.618 Hektar Rebfläche bewirtschaften (Badischer Winzerkeller eG 2021)

Rebsorten in Deutschland und der Welt

Die Zahl der weltweit angepflanzten Rebsorten ist beinahe unübersehbar. Alleine in Deutschland stehen 98 verschiedene Rebsorten mit einer Rebfläche von 24.150 Hektar für den Weißen Riesling bis zum Merzling, der es auf ganze 3 Hektar bringt. Konsumentengeschmack, Klimawandel und biologischer Weinbau sind die Treiber für Veränderungen. Für Irritationen von Nicht-Weinspezialisten kann bei einem flüchtigen Blick sorgen, dass Rebsorten mit unterschiedlichen Namen (Synonymen) geführt werden. Ein typisches Beispiel ist der Müller-Thurgau, der bisweilen aus Vermarktungsgründen als Rivaner daherkommt. Dieser Name lässt eine Kreuzung aus dem beliebten Riesling mit dem in Franken verbreiteten Silvaner vermuten, korrekterweise ist es jedoch eine Kreuzung aus Riesling und Madeleine Royal.

Der Weiße Riesling nimmt fast ein Viertel der Anbaufläche in Deutschland ein und ist damit die Leit-Rebsorte, die gleichzeitig die Nachfrage nach deutschem Wein im Ausland antreibt und dominiert. Im Rotweinbereich überwiegt in Deutschland der Spätburgunder. Bei neuen Anpflanzungen werden gerade für den biologischen Weinbau pilzwiderstandsfähige Rebsorten, so genannte Piwis, verwendet. Eine Besonderheit stellen Rebsorten dar, die autochthon sind, also nur in einem speziellen Gebiet vorkommen und damit der Ursprungsregion eine gewisse Einzigartigkeit verleihen (z.B. der Lagrein in Südtirol).

Zu den in Mode gekommenen Rebsorten zählen in Deutschland u.a. Weiß- und Grauburgunder sowie der weltweit erfolgreiche Sauvignon Blanc. Allerdings ist es nicht so leicht Trends zu folgen, denn der Austausch von Rebstöcken stellt die Winzer vor Herausforderungen. Reben stehen im Weingarten gut und gerne 20 bis 30 Jahre oder länger. Aus alten Reben lassen sich besonders gute, wenn auch weniger ertragreiche Weine erzeugen. Neue Pflanzungen tragen dagegen erst im dritten Jahr das erste Lesegut. Unter wirtschaftlichen, ökologischen und önologischen Gesichtspunkten will der Austausch von Rebstöcken also gut überlegt sein.

Anbaufläche in Hektar (ha)

Riesling, Weißer

24.150

Spätburgunder, Blauer (incl. 417 ha Samtrot)

11.660

Müller-Thurgau (Rivaner)

11.453

Ruländer (Burgunder, Grauer)

7.356

Dornfelder

7.332

Burgunder, Weißer

5.922

Silvaner, Grüner

4.581

Portugieser, Blauer

2.548

Chardonnay

2.377

Kerner

2.257

Trollinger, Blauer

2.051

Limberger, Blauer (Lemberger)

1.940

Müllerrebe (Schwarzriesling)

1.807

Regent

1.722

Sauvignon blanc

1.661

Bacchus

1.614

Scheurebe

1.437

Traminer, Roter

1.119

Gutedel, Weißer

1.105

Merlot

790

Saint Laurent

601

Muskateller, Gelber

506

Elbling, Weißer

475

Cabernet Sauvignon

449

Acolon

448

Ortega

395

Huxelrebe

373

Domina

354

Morio-Muskat

333

Cabernet Mitos

292

Auxerrois

285

Cabernet Dorsa

269

Frühburgunder, Blauer

233

Faberrebe

228

Dunkelfelder

206

Cabernet blanc

203

Solaris

190

Johanniter

126

Muskat-Trollinger

126

Zweigelt, Blauer

116

Syrah (Shiraz)

97

Cabernet Franc

95

Souvignier gris

91

Heroldrebe

90

Muscaris

88

Rieslaner

72

Siegerrebe

68

Cabernet Cubin

62

Goldmuskateller

61

Tab. 2 | Die 50 wichtigsten in Deutschland angebauten Rebsorten (grün=Weißwein, rot=Rotwein) mit ihren offiziellen Bezeichnungen; in Klammern synonyme Begriffe

Die weltweiten Top 10-Rebsorten sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen, wobei die Angaben zu den Anbauflächen in den unterschiedlichsten Quellen variieren und damit nicht eindeutig sind; sie werden daher mit ca.-Werten angegeben.

Rebsorte

Weinart

Anbaufläche (ha)

Cabernet Sauvignon

Rotwein

ca. 300.000

Merlot

Rotwein

ca. 275.000

Airén

Weißwein

ca. 250.000

Tempranillo

Rotwein

ca. 235.000

Chardonnay

Weißwein

ca. 200.000

Syrah (Shiraz)

Rotwein

ca. 185.000

Garnacha

Rotwein

ca. 180.000

Sauvignon Blanc

Weißwein

ca. 115.000

Trebbiano

Weißwein

ca. 110.000

Pinot Noir (Spätburgunder)

Rotwein

ca. 110.000

Tab. 3 | Weltweit im Anbau führende Rebsorten

Rebflächen, Weinkonsum, Export und Import: die internationalen Weinnationen

Die Anbauflächen weltweit ist in den letzen vier Jahren in etwa gleichgeblieben und beträgt ca. 7,3 Mio. Hektar, wobei die Statistik sowohl Weinreben als auch Tafeltrauben und Rosinen inkludiert. In dieser Aufstellung sind die Nationen mit den größten Anbauflächen (International Organisation of Vine and Wine (OIV) 2021)

[1]Spanien (961.000 ha)

[2]Frankreich (797.000 ha)

[3]China (785.000 ha; mit einem hohen Anteil Tafeltrauben)

[4]Italien (719.000 ha)

[18]Deutschland (103.000 ha)

Die Weinproduktionsmenge (ohne Saft und Most) betrug 2020 ungefähr 260 Mio. hl, was knapp unter dem Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre liegt. Größte Weinproduzenten sind (International Organisation of Vine and Wine (OIV) 2021)

[1]Italien (49,1 Mio. hl | 19 % der Weltproduktion)

[2]Frankreich (46,6 Mio hl. | 18 %)

[3]Spanien (40,7 Mio hl. | 16 %)

[4]USA (22,8 Mio hl. | 4 %)

[5]Argentinien (10,8 Mio hl. | 4 %)

[6]Australien (10,6 Mio hl. | 4 %)

[7]Südafrika (10,4 Mio hl. | 4 %)

[8]Chile (10,3 Mio hl. | 4 %)

[9]Deutschland (8,4 Mio hl. | 3 %)

[10]China (6,6 Mio hl. | 3 %)

[11]Portugal (6,4 Mio hl. | 3 %)

übrige Nationen (47,3 Mio. hl | 14 %)

Dementsprechend gehörten 2020 Italien, Spanien und Frankreich zu den größten Weinexportländern, wobei Frankreich auch traditionell auf einen umfangreichen inländischen Konsum seiner Weine zählen kann.

Der Weinkosum ist weltweit in den letzten Jahren rücklaufig und liegt bei 234 Mio. hl. Zu den wichtigsten Konsumländern zählen

[1]USA (14 % Marktanteil)

[2]Frankreich (11 %)

[3]Italien (10 %)

[4]Deutschland (8 %)

Dabei ist Großbritannien der größte Weinimporteur gefolgt von Deutschland und den USA. (International Organisation of Vine and Wine (OIV) 2021)

Will man feststellen, wer die größten Weinhersteller der Welt sind, so muss man zwischen (Getränke-)Konzernen, die nicht nur Wein in ihrem Angebotsportfolio haben, und reinen Weingütern unterscheiden. Als größter Weinproduzent der Welt gilt die amerikanische Gallo Winery, die jährlich über 7 Millionen hl Wein in mehr als 90 Ländern verkauft. Das entspricht ungefähr 960 Millionen Flaschen, die auf zahlreichen Weingütern produziert werden. Diese Produktionsmenge ist nicht weit von der gesamten Jahresproduktion im deutschen Weinbau entfernt. (Keller 2018; Wein-Plus GmbH 2017)

Wissen | Weinbau Deutschland

In Deutschland gibt es bei insgesamt 35.093 Unternehmungen 3.135 Winzer mit Anbauflächen von mehr als 10 ha. Riesling gedeiht auf fast einem Viertel der rund 100.000 Hektar Anbaufläche in Deutschland und steht im Ausland für den deutschen Wein. Charakteristisch sind der Verband der deutschen Prädikatsweingüter (VDP), 148 Winzergenossenschaften, die den Wein der kleinen Weinbauern vermarkten, und die Staatsweingüter der weinbautreibenden Bundesländer.

Wissen | Weinbau Welt

Die weltweit größte Anbaufläche weist Spanien (961.000 ha) aus, den meisten Wein produziert Italien und den höchsten Weinkonsum verzeichnet die USA. Die am häufigsten angebaute Rebsorte auf der Welt ist ein Rotwein: der Cabernet Sauvignon.

1.2Die Absatzkanäle der Weinbauern

In der nachstehenden Abbildung werden die wichtigsten Absatzkanäle der Weinbauern dargestellt. Ausgehend von der Urproduktion (Anbau der Reben) ist die unternehmerische Entscheidung zu fällen, ob der Wein selbst ausgebaut wird oder die Trauben an Winzergenossenschaften geliefert werden, die die Weinerzeugung und in der Regel auch den Vertrieb übernehmen. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Reben für andere Winzer anzubauen und auf Basis vertraglicher Vereinbarungen das Lesegut abzuliefern. Nur im ersten Fall ist der Weinbauer für den Absatz seines selbst erzeugten Weins verantwortlich und muss entscheiden, ob und in welchem Umfang er auf die Produktion von Flaschenwein bzw. Fasswein setzt. Da in dieser Publikation nur die Absatzkanäle im Zusammenhang mit dem Tourismus interessieren, ist für die weitere Betrachtung nur die Produktion von Flaschenwein interessant. Hier wiederum bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten des Vertriebs, entweder der Direktvertrieb an den Konsumenten oder der indirekte Vertrieb, der vom Winzer selbst organisiert werden kann (Eigenvertrieb) oder mit der Einschaltung anderer Betriebe erfolgt (Fremdvertrieb). Mit der Brille des Winzers, der sich mit der Frage des touristischen Vertriebs auseinandersetzt, geht der Blick in erster Linie in Richtung Eigenvertrieb. In der Praxis nutzen Weingüter stets verschiedene Vertriebswege, man spricht von Multichannel-Vertrieb.

In der nachstehenden Abbildung werden die wichtigsten Absatzkanäle der Weinbauern dargestellt. Ausgehend von der Urproduktion (Anbau der Reben) ist die unternehmerische Entscheidung zu fällen, ob der Wein selbst ausgebaut wird oder die Trauben an Winzergenossenschaften geliefert werden, die die Weinerzeugung und in der Regel auch den Vertrieb übernehmen. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Reben für andere Winzer anzubauen und auf Basis vertraglicher Vereinbarungen das Lesegut abzuliefern. Nur im ersten Fall ist der Weinbauer für den Absatz seines selbst erzeugten Weins verantwortlich und muss entscheiden, ob und in welchem Umfang er auf die Produktion von Flaschenwein bzw. Fasswein setzt. Da in dieser Publikation nur die Absatzkanäle im Zusammenhang mit dem Tourismus interessieren, ist für die weitere Betrachtung nur die Produktion von Flaschenwein interessant. Hier wiederum bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten des Vertriebs, entweder der Direktvertrieb an den Konsumenten oder der indirekte Vertrieb, der vom Winzer selbst organisiert werden kann (Eigenvertrieb) oder mit der Einschaltung anderer Betriebe erfolgt (Fremdvertrieb). Mit der Brille des Winzers, der sich mit der Frage des touristischen Vertriebs auseinandersetzt, geht der Blick in erster Linie in Richtung Eigenvertrieb. In der Praxis nutzen Weingüter stets verschiedene Vertriebswege, man spricht von Multichannel-Vertrieb.

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1 | Weinvertriebswege mit touristischen Absatzkanälen (rot: starker Bezug zum Weintourismus)

Während beim indirekten Eigenvertrieb der Verkauf mithilfe einer weiteren Einrichtung oder Organisation erfolgt, geschieht der Direktvertrieb ohne einen Intermediär (Zwischenglied). Die am weitesten verbreitete und touristisch bedeutendste Form ist der Verkauf ab Hof (cellar door sale), der von den Winzern sehr unterschiedlich in Abhängigkeit von den eigenen Vorstellungen und dem finanziellen Einsatz organisiert wird: Empfang der Kunden, Verkostungsraum (Vinothek), zugängliche Regalflächen (Shop); Näheres dazu im Kapitel zu den weintouristischen Angeboten der Winzer. Die zweite Form des Direktvertrieb erfolgt über einen eigenen Online-Shop auf der eigenen Website. Im Zuge der Corona-Pandemie 2020 war zu beobachten, dass der Online-Verkauf mithilfe von digitalen Verkostungsveranstaltungen seitens der Winzer gefördert wurde, indem zu den digitalen Meetings passende Weinpakete für den Versand nach Hause offeriert wurden. Ein Konzept, das auch in Zeiten nach dieser Pandemie Zukunft hat. Ebenfalls für Zeiten mit freien, maskenlosen Bewegungsmöglichkeiten sind Hoffeste ein weiteres typisches Instrument des Direktvertriebs. Auch hier kann die Gestaltung sehr unterschiedlich sein, von der kulinarischen Begleitung über den Jazz-Frühschoppen und Open-Air-Tanzflächen mit Rock- oder Popmusik. Große Events dieser Art auf einem einzelnen Weingut mit einigen 1000 Besuchern finden zum Beispiel bei Peter Lehmann im Barossa Valley oder dem Leeuwin Estate in Margret River (beide Australien) statt. Veranstaltungen mit vergleichbaren Besucherzahlen gibt es in Deutschland nicht, weil die Weingüter dafür zu klein sind; große Veranstaltungen sind eher eine Angelegenheit für die Weinregion.

Zum indirekten Eigenvertrieb ist die Beschickung von Weinmärkten oder Weinfesten mit einem eigenen Verkaufsstand aufzuzählen. Der Verkauf erfolgt in Eigenregie unter Nutzung einer fremden Veranstaltung, die als Zwischenglied anzusehen ist und ohne die es einen erfolgversprechenden Verkaufsstand nicht geben würde. Weinmärkte und Weinfeste in der Region gelten als Publikumsmagnet und ziehen neben Einheimischen stets auch zahlreiche Touristen an.

Der dritte touristisch relevante Bereich betrifft den Hospitality-Sektor. Im Rahmen von Diversifizierungsstrategien bauen Weingüter zunehmend Angebote im Bereich der Gastronomie bzw. Beherbergung aus und schaffen sich so neben einem neuen Standbein die Möglichkeit, die eigenen Weine zu verkaufen. (Tafel und Szolnoki 2019a) Besonders gilt dies für Straußwirtschaften, in denen per Gesetz ohnehin nur die eigenen Weine verkauft werden dürfen; mehr dazu in image Kap. 5.6. Neben die hier beschriebenen tourismusrelevanten Absatzkanäle des Flaschenweinvertriebs treten spezielle Vertriebswege für das rein touristische Angebot (dazu mehr image Kap. 4.3).

Wissen | Vertrieb

Eine Vinothek und ein eigener Online-Shop stellen die Basis im Vertrieb dar.

1.3Ein Blick in die Praxis – Interview mit dem Winzer Wolfgang Schreieck

Interview mit dem Inhaber und Kellermeister des Weinguts Helmut Schreieck

Familienvater Wolfgang Schreieck ist Inhaber des Weinguts Helmut Schreieck in der Pfalz. Sein Betrieb ist nicht nur auf den Weinanbau, sondern auch auf den Tourismus ausgerichtet. Er bewirtschaftet 27 Hektar Weingärten, ein Hotel garni mit 34 Betten, ein Gästehaus mit 30 Betten und eine Vinothek mit einem kleinen Speiseangebot. Auf seinem Gelände in St. Martin/Pfalz gibt es außerdem eine Anlage mit Stellplätzen für 17 Wohnmobile.