Das Buch

»Ich glaub ja, dass man ein Recht darauf hat, sein Leben so zu leben, wie man es will, auch wenn’s nicht irgendwelchen Normen entspricht …«

Die Mädchen in diesem Buch sind weder berühmt noch Überflieger, aber sie haben den Mut, an ihren Überzeugungen festzuhalten, auch wenn es mal schwierig wird. Zum Beispiel die besten Freundinnen Franca und Taraneh, die sich bei Fridays for Future für den Schutz unseres Planeten engagieren, Yamuna, die sich klar gegen Rechtsradikalismus positioniert und Nadjeschda, die sich von der Armut nicht ihr Leben diktieren lassen will.

Beeindruckende Porträts von Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren

Die Autorin

© Fotocenter Berlin

Kathrin Köller findet, Kinder und Jugendliche haben eine Menge zu erzählen. Also hört sie zu. Und schreibt. Damit Kinder und Jugendliche sich in Geschichten von heute wiederfinden. Kathrin Köller ist Autorin und Übersetzerin, war Stipendiatin der Akademie für Kindermedien und mit ihrem ersten Theaterstück für den Berliner Kindertheaterpreis 2019 nominiert.

https://www.kathrinkoeller.com/

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

Köller, Kathrin
Thielbeer, Anusch
Stark – Rebellinnen von heute
ISBN 978 3 522 63069 6

Layout und Gesamtgestaltung: Anusch Thielbeer, Berlin
Lektorat: Natalie Tornai, Berlin
Reproduktion: DIGIZWO GbR, Stuttgart
Konvertierung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

© 2020 Gabriel
in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart

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VORNEWEG

Nur, damit das schon mal klar ist: Franca und Nadjeschda und all die anderen Mädchen und Frauen in diesem Buch haben nicht schon mit 13 ein neues Medikament gegen eine schwere Krankheit oder einen bislang verborgenen Planeten entdeckt. Sie sind weder reich noch berühmt. Sie haben keine Schulklassen übersprungen und sind auch keine Superheldinnen.

Sie sind ganz normale Mädchen zwischen 12 und 20. Sie gehen noch zur Schule oder haben sie gerade abgeschlossen. Sie wohnen alleine, in Klein-, Groß- oder Patchwork-Familien, eine sogar zu sechst in zwei Zimmern, manche haben getrennte Eltern, andere nicht; sie leben bei ihren Müttern oder in einer WG mit ihrem Freund.

Vieles von dem, womit Lotte, Tiara und Zofia konfrontiert sind, kennt ihr auch. Ihr wisst, was es für Rabea heißt, wenn sie in einer großen Gruppe jemand gegen die anderen zu verteidigen versucht. Bestimmt kennen manche von euch auch haargenau die ausgrenzenden Sprüche, die Suzan immer wieder um die Ohren geknallt werden. Und wir alle haben schon Maries Selbstzweifel erlebt, ob man als Frau denn wirklich so »bestimmerisch« sein darf.

Ihr begegnet – nicht nur, aber eben doch oft – Erwachsenen, die mit veralteten Weltbildern, Sarkasmus und Abwehr auf die vielfältigen Herausforderungen einer globalisierten Welt reagieren. Gleichzeitig hinterlassen sie einen ziemlich ruinierten Planeten und jede Menge ungelöste Probleme.

Was die 13 Rebellinnen ausmacht, ist ihr Mut, das ihnen in den Weg Geworfene anzugehen und an sich selbst zu glauben. Um es mit Noas Worten zu formulieren: »Du musst dann halt irgendwie zu dem Punkt kommen, wo du das Gefühl, dass du nichts zu sagen hast, loswirst. Ich glaub ja, man muss lernen, dass man ein Recht darauf hat, sein Leben so zu leben, wie man es will, auch wenn’s nicht irgendwelchen Normen oder Schubladen entspricht und Leute dich dafür kritisieren.«

Alle 13 Mädchen, die wir euch hier vorstellen, haben ihre eigenen, höchst persönlichen Baustellen. Aber auffällig war, dass Umwelt- und Klimaschutz für alle existenzielle Themen sind, die sie in Bezug zu ihrem eigenen Leben setzen. Julian Hayley hat beschlossen, dass Urlaub für sie kein Grund ist, sich in ein Flugzeug zu setzen; zwei Drittel der Mädchen leben bewusst vegetarisch oder vegan; viele engagieren sich bei Fridays for Future. Allen ist klar, dass ihre Zukunft und die Zukunft des Planeten zusammenhängen: Taraneh würde eigentlich gerne Psychotherapeutin werden, aber sie glaubt, dass es im Moment wichtiger ist, in die Politik zu gehen und dafür zu kämpfen, dass man auf dieser Erde noch leben kann. Yamuna engagiert sich gegen rechte Gewalt und für eine Welt, in der sich alle Menschen sicher fühlen können. Noa fasst es stellvertretend für die anderen zusammen: »Was auch immer ich machen werde, meine Arbeit muss Sinn machen. Für die Menschen und die Welt, in der wir leben.«

Kathrin Köller & Anusch Thielbeer

Ich versteh nicht,
wieso man nicht einfach
nur Mensch sein kann.

Franca & Taraneh

DIE UNANGEPASSTEN

Der Legende nach begann alles mit einem blutigen Fingerbiss, als die beiden mit zwei Jahren darum kämpften, wer alleine auf dem Krabbelgruppen-Klavier spielen durfte. Aber das ist umstritten. Weniger strittig ist, dass Franca und Taraneh seit neun Jahren eng miteinander befreundet sind.

In der dritten Klasse lernten sie zusammen alle Harry Potter-Zaubersprüche auswendig, umwickelten ihre Malkasten-Pinsel mit Kabelbindern und kämpften sich durch ein Hogwarts-Fernstudium. Mit zehn setzten sie Hermines Zaubersprüche auch schon mal gegen Twilight-Vampire und andere Blutsauger ein. Je älter sie wurden, desto mehr Geschichten integrierten Franca und Taraneh in ihr Rollenspiel-Universum. Mit 15 erfasste sie beide eine gemeinsame Leidenschaft für Sherlock-Darsteller Benedict Cumberbatch. Heute, mit 16, arbeiten die beiden Berliner Schülerinnen gemeinsam an ihrem ersten Young Adult-Roman.

Franca und Taraneh haben auch schon andere Freundschaften erlebt. »Aber die waren nicht echt«, weiß Taraneh heute und erinnert Franca an Lucy und Sophie aus der vierten Klasse. »Eigentlich haben die dich ausgenutzt. Du hast sie getröstet, aber wenn du mal geweint hast, waren die nie da. Das war nicht so cool.«

»Na ja, kann sein«, sagt Franca leise. »Meistens habe ich wegen denen geweint.«

Auch Taraneh hat so ihre Erfahrungen mit falschen Freunden. Da war Holly, für die sie immer Schmiere stehen musste, wenn sie zum verbotenen Kiosk über die Straße gerannt ist. Einmal wurde Taraneh von der Klassenlehrerin erwischt. Taraneh hat Holly nicht verraten und musste das Donnerwetter über sich ergehen lassen. Holly stand am Rand und popelte. Seitdem wissen Franca und Taraneh, was echte Freund*innen ausmacht: »Die popeln nicht in der Nase, wenn die andere gegrillt wird. Die stellen sich neben dich und sagen: Ich war auch dabei.«

Als sich Franca und Taraneh vor ungefähr einem Jahr die Haare kurz schneiden ließen, hatten sie keine Ahnung, dass sie anscheinend etwas Revolutionäres gemacht hatten. Immer und immer wieder wurden sie gefragt, wieso sie das gemacht haben.

»Ja, weil ich wollte«, sagt Taraneh. »Ich frag ja auch nicht, wieso andere ihre Haare lang tragen«, ergänzt Franca und erzählt von Klassenkameradinnen, die richtiggehend verstört waren. Und es nervt sie beide, dass sie sofort das Label »lesbisch« aufgeklebt bekommen.

»Davor, mit langen Haaren, wurde ich NIE zu meiner Sexualität gefragt. Nachdem ich kurze Haare hatte, kam das dauernd«, erzählt Taraneh aufgebracht. Überhaupt wünscht sie sich, dass die Leute aufhören würden, andere sofort in Schubladen zu packen.

»Dieses Schubladendenken, das schafft so viele Probleme, für Mädchen, für Jungen, für alle«, wissen die beiden. Die Rollenbilder, die in Gesellschaft und Schule verbreitet werden, die stimmen nur für ganz wenige. Bei allen anderen verursachen sie Identitätszweifel. Man fragt sich, bin ich seltsam? Warum bin ich nicht so wie die anderen? Deswegen teilen die beiden Freundinnen ein Lebensmotto, das sie am liebsten laut in die Welt hinausposaunen würden: »Lass dir nie von irgendjemandem erzählen, wer du bist oder wer du zu sein hast.«

Weil, wenn ich das blöd finde,
dann mach ich das auch nicht.
  Taraneh

Natürlich machen die beiden nicht alles gleich. Taraneh war lange Zeit Vegetarierin. Inzwischen lebt sie vegan. Franca isst manchmal Fleisch. Aber bei Feiern erinnert sie daran, dass auch was Veganes für Taraneh besorgt wird. Dann kommt von den anderen immer großes Stöhnen. Eigentlich weiß Franca gar nicht, wieso.

»Ist doch nichts Schlimmes.« Taraneh kennt das schon. Irgendwas scheint die Leute daran total zu provozieren. »Es ist jetzt nicht so, dass ich gleich einen Vortrag über Massentierhaltung halte, aber man kriegt so ein Label aufgeklebt und die Leute verdrehen die Augen.«

Franca findet es gut, dass sich mehr und mehr Menschen Gedanken über ihre Ernährung und die Umwelt machen. Schon seit einer Weile nehmen die beiden Schülerinnen regelmäßig an den Fridays for Future-Demos teil. Und sie merken in der Schule, dass dafür langsam ein Bewusstsein wächst. »So manche Leute, wenn die sagen, ich bin schon wieder dahin geflogen, dann ist das schon ein bisschen peinlich inzwischen. Die fliegen für ein Wochenende nach New York und dann in den Ferien nach Australien. Muss ja eigentlich nicht sein. Man kann auch mit dem Zug nach Frankreich fahren.«