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Nr. 3083

 

Die drei Haluter

 

Eine gemischte Truppe im Einsatz – ein erbarmungsloser Jäger ist auf ihrer Spur

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Auftrag

2. Einige Zeit zuvor: Landung

3. Die Jagd beginnt

4. Landungen und Spielereien

5. Die neue Spur

6. Unter Olubfanern

7. Die Enzephalotronik

8. Treffer!

9. Der Gefangene

10. Der Kampf

11. Himmelhoch jauchzend

12. Zu Tode betrübt

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Nashadaan der Thesanit

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner. Mit ihren Raumschiffen sind sie in die Tiefen des Universums vorgestoßen und dabei immer wieder außerirdischen Lebensformen begegnet; ihre Nachkommen haben Tausende von Planeten besiedelt und sich den neuen Umwelten angepasst.

Perry Rhodan ist der Mensch, der den Erdbewohnern diesen Weg zu den Sternen eröffnet und sie seitdem begleitet hat. Nun steht er vor einer seiner größten Herausforderungen: Er wurde mit seinem Raumschiff, der RAS TSCHUBAI, vorwärts durch die Zeit in eine Epoche katapultiert, in der Terra und Luna verloren und vergessen zu sein scheinen.

Auf der Suche nach der Erde und ihrem Mond hat er einen Zwilling unseres Universums entdeckt, das zusammen mit dem Einstein-Universum das so genannte Dyoversum bildet. In jener anderen Hälfte des Dyoversums hat er Terra und Luna wiedergefunden. Die Rückkehr der Ursprungswelt aller Terraner ist damit in greifbare Nähe gerückt.

Aber auch im heimischen Universum spitzt sich die Lage zu: Die Cairaner beordern ihr Sternenrad in den Kugelsternhaufen M 13, die Heimat der Arkoniden. Dieses Sternenrad ist ein beispielloses Machtmittel und ein Gebilde voller Geheimnisse. Zu den ersten Galaktikern, die es erkunden wollen, gehören DIE DREI HALUTER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Bouner Haad – Der Pfadfinder übernimmt das Kommando.

Madru Bem – Der Sänger verstummt.

Kro Ganren – Der Haluter schützt Kleinere.

Nuanit Takkuzardse – Die Jägerin schickt ihre Sendboten aus.

1.

Der Auftrag

 

Nuanit Takkuzardse betrat den Gesprächssalon und verbeugte sich ehrerbietig vor dem Legaten. Kaio Shevisbari verdiente sich allen Respekt. Er war ein kompetenter Vierhänder, der die Leitung über Ecaitan – und noch viel mehr – bravourös bewältigte.

»Nuanit«, sagte der Legat mit heiserer Stimme, »kannst du dir denken, warum ich dich herbestellt habe?«

»Du hast einen Auftrag für mich.«

»Richtig. Es hat einen Zwischenfall gegeben, auf den ich so schnell wie möglich reagieren muss. Ich will, dass du die Angelegenheit übernimmst.«

»Ich bin deine Hand«, sagte Takkuzardse.

»Du bist meine beste Hand«, antwortete der Legat ebenso rituell.

»Worum geht es?«

»Wie du weißt, gab es in den letzten Tagen immer wieder ungewöhnliche Vorgänge. Unruhen, Auseinandersetzungen, mysteriöse Zwischenfälle. Es wurden Terraner in der Nähe von gesperrten Anlagen gesichtet. Solche, die womöglich von außerhalb des Sternenrads kommen.«

Takkuzardse schwieg. Sie hatte sich bis vor Kurzem auf der Welt Aithuriad umgetan und einen Datenverschmutzer verfolgt; einen Betrüger, der mit der Verunreinigung von Rechnern und der Auslöschung oder Veränderung von Identitäten Geld verdiente.

Sie hatte den Mann mithilfe ihrer Vier Sendboten erwischt. Natürlich hatte sie ihn erwischt. Niemand entkam ihr. Der Dieb saß ein, ihm drohte eine hohe Strafe.

Während der Jagd hatte sie kaum Augen, Ohren oder Hände für andere Dinge gehabt. Es überraschte sie nicht zu hören, dass es zwischenzeitlich zu Problemen auf Ecaitan gekommen war. Diese Welt mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte und den vielen Einflüssen durch Angehörige etlicher Milchstraßenvölker war, solange sie sich zurückerinnern konnte, schwierig gewesen.

»Ich erledige diese Angelegenheit«, sagte sie. »Schick mir alles Material, das du und deine Leute haben.«

»Ich weiß, dass du gerade einen anstrengenden Auftrag abgeschlossen hast ...«

»Wenn du darauf anspielen möchtest, dass ich Zeit zur Erholung bräuchte, kann ich dich beruhigen. Ich bin einsatzbereit.«

»Sehr gut. Es gibt keine bessere Jägerin als dich.«

Die Angelegenheit musste ernst sein. Es war außergewöhnlich, dass der Legat höchstpersönlich sie mit einem Auftrag bedachte. Normalerweise ließ Shevisbari derartige Dinge von einem Mitglied seines Verwaltungsgremiums ausrichten.

»Steckt ein persönliches Motiv hinter diesem Auftrag?«, fragte Takkuzardse direkt.

»Nein.« Der Goldschimmer im Gesicht des Legaten dunkelte ab, als Zeichen seines Unmuts. »Aber die Umstände deuten auf Gefahr für das Sternenrad hin. Du ahnst womöglich selbst, wie diffizil und labil die Lage auf unseren Welten ist.«

Nein, das tat sie nicht, weil sie nicht eingeweiht wurde. Die politische Führung des Sternenrads gab selten ihre Geheimnisse preis.

»Ich will dich nicht mit Details langweilen. Du kannst alles in den Dossiers nachlesen, die gerade für dich vorbereitet werden. Ich möchte dir bloß sagen, mit welcher Art von Gegnern du es zu tun bekommen wirst.«

»Und zwar?«

»Alle Anzeichen sprechen dafür, dass du zumindest einen Parabegabten und einen Haluter wirst jagen müssen. Es gibt Hinweise darauf, dass einer oder mehrere ins Sternenrad vorgedrungen sind.«

In diesem Moment verstand Takkuzardse, warum Shevisbari derart zögerlich und außenhänderisch redete.

 

*

 

Takkuzardse verließ das lichte und freundliche Büro des Legaten. Sie wartete geduldig, bis ihr eine Assistentin einen Datenkristall mit allen nötigen Unterlagen zusammengestellt hatte. Während ihres Weges in ihr Arbeitsnest schaltete sie erste Datenholos zu.

Sie sichtete das Material, stellte Vergleiche an, arbeitete sich systematisch durch Datensammlungen, Bilderkataloge sowie Aufsätze, die Analytikpositroniken erstellt hatten.

Takkuzardse schaltete die Holos weg, sobald sie im Arbeitsnest angekommen war, und bestellte mit einer Gespürhand die Dienste eines Muskulators. Der kopfgroße Roboter in Form einer Raupe kam aus seiner Nische gehuscht und stürzte sich auf sie, sobald sie ihre Kleidung abgelegt hatte. Er kroch über die Beine hoch, machte sich an Oberkörper und Armen zu schaffen und verdeckte letztlich ihr Gesicht, um leise brummend und summend seine Arbeit zu vollenden.

Das Gefühl war widerwärtig, aber sie hatte sich daran gewöhnt. Ein Muskulator war purer Luxus. Er suchte nach sauren Muskeln, nach beschädigten Nervenenden, nach Entzündungsherden. Mithilfe moderner Diagnostikprogramme leitete er eine optimale Regeneration ein.

Takkuzardse bestätigte alle Vorschläge des Muskulators und setzte sich ruhig hin. Augenblicklich machte sich das Gerät an die Arbeit. Es bohrte seine dünnen Stacheln in die Haut am linken Unterschenkel und arbeitete sich Zentimeter für Zentimeter höher. Mal blieb er oberflächlich, mal stach er tiefer zu. Sie spürte da und dort ein Prickeln, als der Muskulator mithilfe von unterschiedlichen Reizen ihren Körper ... reparierte.

Takkuzardse hatte den Legaten angelogen. Sie war hundemüde. Sie hätte mindestens zehn Stunden Schlaf benötigt, um topfit zu werden.

Nun, der Muskulator würde sie schnell wieder in Schwung bringen.

Während das Gerät höher und höher glitt, überdachte sie die wesentlichen Informationen. Es war zu Sichtungen von Unbekannten und zu Auseinandersetzungen in Senkenwäldern gekommen. Zu einem Zwischenfall auf dem Kontinent Ziyo, in der Nähe jener Siedlung namens Ziphaidd, in der an der Testversion einer Enzephalotronik gebaut wurde.

Auch am Raumhafen Chalcai war von Ungereimtheiten berichtet worden. Gleiter waren verschwunden, Unterlagen über Reparaturarbeiten offenbar manipuliert worden.

Takkuzardse sah bisher kein schlüssiges Gesamtbild, aber sie hatte zumindest eine Ahnung, wohin die Reise ihrer Gegner gehen sollte.

Sie waren nicht nur zur Aufklärung ins Sternenrad gekommen. Sie wollten Einfluss nehmen. Aktiv werden. Sie gingen mit einem Selbstbewusstsein vor, das auf gute taktische Vorbereitung, Kalkül und eine gewisse Risikobereitschaft schließen ließ.

Der Muskulator erreichte die linke Schulter, wollte über den Hals auf den Hinterkopf kriechen – und verharrte abrupt. Takkuzardse fühlte Ärger. Das Gerät sondierte ihren Kahlfleck, der beinahe zwei Drittel des Kopfes ausmachte. Dort zeigte die goldene Haut keinerlei Flecken.

Ein genetischer Fehler, wie ihn etwa jeder zehntausendste Bewohner des Sternenradsystems aufwies. Vielleicht war dieser Makel dafür verantwortlich, dass sie zur Jägerin geworden war. Sie war hart und unbarmherzig geworden, vor allem zu sich selbst.

»Mach weiter!«, befahl sie dem Muskulator. Der gab ein brummendes Geräusch von sich und krabbelte behäbig auf ihren Hinterkopf. Düsen fauchten leise, als das Gerät mit der wohltuenden Politur ihres Schädels begann.

Mit einem Fingerschnippen aktivierte sie den Hausrechner. Das Symbol der Doppelraute erschien in der Luft.

»Ich will mit Dupa Emuladsu reden. Der Kosmopsychologin. Sofort!«

»Es ist tiefe Nacht, Nuanit.«

»Ich sagte: sofort.«

Die Positronik schwieg. Nach kurzer Zeit öffnete sich ein Holo, in dessen Darstellung eine Frau mittleren Alters zu sehen war. Ihre Augenschlitze waren leicht vergrößert, ein Zeichen der Müdigkeit.

Takkuzardse nahm den Muskulator vom Kopf und legte ihn mit Bedacht neben sich ab. Die Maschine ging in den Ruhemodus. »Ich bin«, sagte sie.

»Ich weiß, wer du bist. Nuanit Takkuzardse. Die Jägerin.«

Nuanit machte einer Vierfingergeste der Zustimmung. »Richtig, ich vergaß. Du bist Mitglied des Panarchivs. Du musst mich also kennen.«

»Ich war Mitglied des Panarchivs«, verbesserte sie die Frau, die nun keinesfalls mehr so müde wirkte wie noch vor wenigen Augenblicken. »Ich habe mir schon gedacht, dass die Behörden noch mehr von mir wissen wollen. Aber ich habe nicht damit gerechnet, aus dem Schlaf gerissen zu werden.«

Im Hintergrund tauchten zwei goldgelbe Köpfe auf. Kinder, die neugierig in die Holokamera lugten und von Emuladsu mit einem energischen Vierklatschen zurück in ihre Betten getrieben wurden.

Takkuzardse wartete geduldig. Geduld war eine der wichtigsten Tugenden einer Jägerin.

Nach einigen strengen Worten mit ihrem Nachwuchs widmete sich Emuladsu wieder ihr. Gewiss hatte sie in der Zwischenzeit nachgedacht und sich ihre Worte für die Unterhaltung zurechtgelegt. Takkuzardse musste ihre Gesprächspartnerin überraschen und aus der Reserve locken.

»Es geht um meine Entführung. Du möchtest wissen, was es mit der Gefangenen auf sich hatte?«

»Richtig. Du hast Chione McCathey verhört.«

»Ich lasse dir gerne die Aufzeichnungen und Auswertungsprotokolle senden.«

»Ich möchte viel lieber deine persönliche Einschätzung zu der Terranerin.«

Emuladsu zögerte kurz, bevor sie sagte: »Sie ist eine engagierte Wissenschaftlerin, die in ihrem Arbeitseifer die erstbeste Gelegenheit genutzt hat, um ins Sternenrad vorzudringen.«

»Das ist alles, was du zu ihr sagen möchtest?«

Wieder war da ein Zögern. Kurz, kaum bemerkbar.

»Ihr Enthusiasmus als Wissenschaftlerin wirkte überzeugend auf mich.«

»Aber sie hat dich betrogen und belogen. Einer ihrer Helfer hat sie befreit.«

»Richtig.«

»Es scheint so etwas wie eine Verbindung zwischen McCathey und dir gegeben zu haben.«

»Ich bin Kosmopsychologin und den Umgang mit Milchstraßenbewohnern gewöhnt. Ich weiß, wie man Vertrauen gewinnt. Selbst das einer Terranerin. Dass sie mich betrogen hat, war fast zu erwarten gewesen. Diese Lemuroiden sind nun mal ein Volk von Lügnern.«

»... aber auch ein Volk mit viel Potenzial.«

»Richtig.«

Takkuzardse machte eine Pause. So lange, bis ihre Gesprächspartnerin unruhig wurde.

»War es das? Ich habe morgen einen schweren Tag vor mir ...«

»Wie ist die Befreiung McCatheys vor sich gegangen?«, fragte Takkuzardse. »Warum sind die Aufzeichnungen der entscheidenden Minuten fehlerhaft? Warum wurdest du ebenfalls entführt und letztlich bewusstlos an einem anderen Ort zurückgelassen?«

Wieder ein Zögern. Das dritte Mal im Laufe des Gesprächs.

»Ein ... Kollege mit dem Namen Raurai Poshd sollte mich bei der Unterhaltung mit der Terranerin unterstützen. Er kam in den Raum. Was anschließend geschah, weiß ich nicht mehr. Ich wurde bewusstlos. Vermutlich war Poshd in Wahrheit ein Terraner. Es ist ihm gelungen, die Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen und die Aufzeichnungen zu zerstören. Anschließend hat man mich mitgenommen und als Geisel verwendet. Als die Terraner merkten, dass ich bloß ein Bremsklotz für sie war, haben sie mich in einem ihrer Verstecke zurückgelassen.«

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Illustration: Swen Papenbrock

»Das klingt einigermaßen logisch.«

Emuladsu musterte sie eindringlich. »Aber du glaubst nicht an diese Theorie?«

»So ist es. Ich glaube zunächst und vor allem an keine Theorie, die ich nicht selbst entwickelt habe. In deinem Fall bin ich mir sicher, dass du lügst oder mir etwas verschweigst. Es ist etwas zwischen der Terranerin und dir abgelaufen, das ich bisher nicht verstehe. In den Aufzeichnungen ist zu erkennen, dass ihr eine Art Naheverhältnis aufgebaut habt. Sie hat dich eingewickelt.«

»Hat sie nicht!«, behauptete Emuladsu mit etwas zu viel Nachdruck in ihrer Stimme. »Es ist Teil meiner Taktik bei lemuroiden Milchstraßenbewohnern, sie in dem Glauben zu lassen, die Gesprächsführung unter Kontrolle zu haben. Diese Vorgehensweise klappt meistens.«

»Bei uns würde sie Misstrauen auslösen.«

»Nicht bei Terranern oder Arkoniden. Sie sind uns fremder, als es den Anschein hat. Es ist, als würde ihre banale Zweihändigkeit symbolisch für ihre simple Art der Reflexion stehen.«

Kein Zögern. Emuladsu sagte die Wahrheit. Vermutlich das erste Mal im Lauf dieses Gesprächs.

»Also schön, Dupa. Das war es vorerst. Rechne damit, dass ich mich nochmals mit dir persönlich unterhalten werde. Es gibt zu viele Ungereimtheiten in deiner Version der Vorgänge.«

»Aber ...«

»Spar dir die Proteste! Geh in dich und denk drüber nach, was du mir zu sagen hast. Du weißt, über welche Machtbefugnisse ich verfüge. Ich werde sie zur Gänze ausnützen, sollte ich erfahren, dass du mich behinderst.«

Emuladsu gab sich Mühe, nicht eingeschüchtert zu wirken. Aber sie war es. Sie hatte eine große Familie gegründet und sorgte sich in erster Linie um ihre Kinder.

Takkuzardse beendete die Unterhaltung ohne Gruß. Es war gut, dass die Kosmopsychologin sie fürchtete und dass sie sich wegen des Wohls ihrer Kinder ängstigte.

Was war das bloß für eine Sache mit ihrem Sohn Aipu? Er war bei der Verhaftung von dieser McCathey in deren Gegenwart aufgegriffen worden.

War er der Schlüssel auf der Suche nach der Wahrheit? Konnte sie ihn als Druckmittel gegen Emuladsu verwenden?

Nein. Denn der Halbwüchsige war zu Untersuchungen abgezogen worden. Wohin und warum – das stand nicht in den Berichten. Es gab einen Sperrvermerk mit Versiegelung, die selbst Takkuzardse nicht knacken konnte.

Sie berührte den Muskulator, er sprang augenblicklich an. Mit leisem Grummeln machte er sich wieder auf den Weg, hoch zu ihrem Schädel.

2.

Einige Zeit zuvor:

Landung

 

Die Welt, über der Bouner Haad schwebte, war zumindest von ihrer stellaren Umgebung her sonderbar.

Nicht nur, dass der Planet Ecaitan zwei Sonnen mit einem Weißen Loch dazwischen umkreiste. Nicht nur, dass die jeweils zwei Energieströme des Weißen Lochs ungewöhnliche Lichtphänomene erzeugten. Nicht nur, dass dieser Weiße Schirm das Sternenradsystem mit seinen fünf Welten einhüllte und damit Hyperphysikern eine sensationelle neue Wissenswelt eröffnete ...

»Holloroholloroholloroholloro!«, donnerte der amüsierte Gesang Madru Bems in Haads Gedanken.

Na schön.

»Wir befinden uns in einer heiklen Situation, die unser aller Konzentration fordert. Was Sie da gerade tun, mag zu Ihrer Wesensart gehören, aber es stört unsere Zusammenarbeit.«

»Mhm?«, machte Madru Bem.

»Wenn Sie nicht umgehend mit Ihrem infernalischen Lärm aufhören, werde ich Sie aufforderungslos duzen«, sagte er so ernsthaft, wie er es nur zu Wege brachte.

»Holloro! – Na, Sie machen mir Spaß! Tun Sie alles, was Sie möchten, aber bezeichnen Sie meine Musik nicht als Lärm!«

»Sie singen nicht – ich beschwere mich nicht.«

Madru Bem gab einen brummenden Laut von sich. »Aber beschweren Sie sich dann bitte auch nicht, ich wäre wortkarg ...«

»Das wird kein Problem sein«, versicherte Kro Ganren, das dritte Mitglied ihres Einsatzteams.

Haad kehrte mit seinen Gedanken zur Welt namens Ecaitan zurück. Denn sie war es, der er sich mit all seiner Aufmerksamkeit widmen musste. Die drei Junghaluter stürzten mitsamt ihrem Raumschlitten darauf zu.

Der zentrale Kontinent Maixon bildete einen weiten Bogen. Im Norden des oberen Schenkels blinkten und glitzerten die Lichter von Orsaidd, der Hauptstadt des Planeten. Diese Megapolis reichte bis an die innere Küstenseite heran. Der nördliche Schenkel des kontinentalen Bogens wirkte in der Dunkelheit, die vom Licht des Weißen Schirms aufgebrochen wurde, weitgehend naturbelassen.

An der östlichen Spitze des Südschenkels existierte ein städtisches Konglomerat namens Kosmopolis, das von kleineren Haufensiedlungen umgeben war. Die meisten der zwei Millionen Stadtbewohner waren Menschen der Liga. Dazu kamen Angehörige anderer Milchstraßenvölker.

Zwischen den urbanisierten Teilen des Kontinents zeigte sich wiederum hauptsächlich naturbelassenes Land. Wälder, offene Ebenen, Seenlandschaften, Sumpfgebiete, Gebirgszüge. Isolierte Siedlungen im Landesinneren fanden im Funkverkehr, den sie belauschten, kaum Erwähnung. Orsaidd war das Zentrum allen Geschehens, während Kosmopolis aufgrund seiner terranischen Prägung immer wieder mal Gesprächsthema war.

»Hollo... ich wollte sagen: Kurskorrektur!«, sagte Madru Bem.

Gleich darauf erfolgt ein präziser Schub der Steuerdüsen ihres Raumschlittens. Die Gleitflügel für den Atmosphäreflug klappten so weit wie möglich aus. Noch war die Lufthülle dünn, aber sie begann zu tragen. Das Gerät, für halutische Verhältnisse ungewöhnlich fragil konstruiert, reagierte und bremste den freien Fall ab. Die Temperatur am Raumschlitten stieg rasant an.

»Hundertdreizehn Sekunden bis zum Impakt«, meldete Kro Ganren.

Ein virtueller Punkt blinkte vor Haads Visier auf. Er markierte ein mögliches Zielgebiet für die Landung, etwa 150 Kilometer südöstlich des Raumhafens Chalcai. Der wiederum lag am westlichen Ende von Orsaidd, umkränzt von naturbelassenem Land.

Auf Chalcai hatten sie die FONAGUR geortet, jenes Naatschiff, mit dem das terranische Einsatzkommando ins Innere des Sternenradsystems vorgedrungen war. Dort war die Chance am größten, Kontakt mit den Gesuchten aufnehmen zu können.

»Es gibt auf Ecaitan sehr stark genutzte Kontaktbörsen«, meldete sich der sonst so schweigsame Madru Bem erneut zu Wort. »Die Cairaner machen sich einen Spaß daraus, über diverse Plattformen sogenannte Zwischenpartner zu finden.«

Haad musterte seinen Gefährten. »Ist das für uns relevant, Bem?«

»Wenn sich Dancer, Schlafner und die anderen Mitglieder des Teams auf Ecaitan verbergen, werden sie ihre Augen und Ohren offen halten.«

»... und sich für Kontaktbörsen interessieren?«

»Die Positroniken ihrer Anzüge werden stichprobenartig den Gesprächsverkehr auf der gesamten Welt scannen. Schließlich müssen sie wissen, was rings um sie vorgeht. Ob die Cairaner nach ihnen fahnden, ob der Bevölkerung etwas über ihr Hiersein bekannt ist, ob zur öffentlichen Hatz auf die Gruppe aufgerufen wird.«

»Aber sie werden sich nicht für Kontaktbörsen interessieren«, beharrte Haad.

»Wenn wir eine auffällige Anzeige platzieren und sie mit Codeworten durchsetzen ...«

Haads Planhirn tat diese Idee ab, das Ordinärhirn konnte ihr durchaus etwas abgewinnen. Es kam auf die Balance des Textes an. Die Nachricht musste originell wirken – und mit einer Botschaft für die Gesuchten unterfüttert werden.

»Einen Versuch wäre es wert«, sagte Haad und blickte zu Boden. Sie würden in 30 Sekunden aufsetzen. Es war Zeit, den exakten Landeplatz festzulegen. Etwa zehn Sekunden vor dem Aufprall würden sie die Steuerdüsen zünden und für Gegenschub sorgen, möglichst knapp über den Wipfeln ...

»Kontakt!«, meldete Ganren unaufgeregt. »Wir wurden von einem Taster erfasst.«

Sie hatten damit rechnen müssen. Dennoch war Haad enttäuscht. Er hatte gehofft, für eine Weile unentdeckt zu bleiben. Aber die Cairaner verfügten über herausragende Technik im Bereich der Aktivortung. Drei Haluter und der schwere Raumschlitten waren nur schwerlich zu übersehen, trotz der Deflektorschirme.

Nun gut. Sie würden improvisieren müssen.