Rainer Kahni
genannt
Monsieur Rainer

Wehrt Euch!

1. Eine Streitschrift gegen Willkür und Unrecht

2. Wir sind das Volk und verlangen eine legitime Verfassung.

3. Gegen den Parteienstaat, für eine wahrhaftige Demokratie

Books on Demand

Starker Tobak in der

Edition BoD

hrsg. von Vito von Eichborn

Rainer Kahni, genannt Monsieur Rainer, schreibt zeitgeschichtliche Dokumentationen und Politthriller, die auf tatsächlichen Ereignissen beruhen. Mit diesem Buch schließt er nahtlos an seine beißenden Sachbücher STAATSSTREICH VON OBEN (2006) und DIE TOTENGRÄBER DER DEMOKRATIE (2011) an. In dem kleinen Manifest WEHRT EUCH! steht alles, was der zornige Bürger wissen muss!

Vito von Eichborn war Journalist, dann Lektor im S. Fischer Verlag, bevor er 1980 den Eichborn Verlag gründete, dessen Programm noch heute ein breites Spektrum umfasst: Humor, Kochbücher und Ratgeber, Sachbücher aller Art, klassische und moderne Literatur sowie die Andere Bibliothek. Nach seinem Ausstieg im Jahre 1995 war er u.a. Geschäftsführer bei Rotbuch / Europäische Verlagsanstalt und sechs Jahre Verleger des Europa-Verlags. Seit 2005 ist Vito von Eichborn selbständig als Publizist tätig und fungiert u.a. seit März 2006 als Herausgeber der Edition BoD. Weitere Informationen unter www.vitolibri.de.

Meine Buchhändlerin sagte mir, „ja“, sagte sie, „…

Ja, politische Sachbücher sind durchaus gefragt – aber nur, wenn sie nicht langweilig geschrieben sind. Die Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten wächst. Und die ökonomische Krise wie die Diskussion um den Euro verlangen nach Aufklärung. Ein Signal wurde ja der Weltbestseller ,Empört Euch!‘ von Stéphane Hessel. Was nun bewegt diesen Autor?“

„Das war das richtige Stichwort – Rainer Kahni greift Hessels globalen Aufschrei gegen den Finanzkapitalismus auf und überträgt ihn auf deutsche Verhältnisse. ,Wehrt Euch!‘ hat das Zeug zu einer deutschen ,Fibel für Wutbürger‘. Der Autor fordert nicht weniger als eine neue Verfassung…“

„Na, geht's auch eine Nummer kleiner?“, unterbrach mich meine Buchhändlerin, wie sie das immer tut, „greift da ein Prophet nach den Sternen?“

„Natürlich weiß der Autor, dass sein Aufruf ein Pamphlet ist – also eine einseitige Streitschrift, die nichts anderes will als Hessel: Zum Kampf gegen wachsende Ungerechtigkeiten aufrufen. Dafür fasst er vielerlei Argumente zusammen, die in der Bevölkerung virulent sind und ja tatsächlich nach Veränderungen schreien.“

„Also mal bitte konkret“, forderte meine skeptische Buchhändlerin, „was passt ihm denn nicht? Was soll wie anders werden? Hat er Lösungsvorschläge?“

„Es beginnt damit, dass unser Grundgesetz vorläufig sein sollte und nie vom Volk beschlossen wurde. Statt einer Demokratie sieht Kahni eine Parteiendiktatur. Die Justiz sei politisch gegängelt, die Gewaltenteilung nicht gegeben. Die irrwitzigen Agrarsubventionen gingen auf Kosten der Dritten Welt, und Deutschland sei der Billigschlachthof Europas. Unsere Exporterfolge erfolgten auf Kosten der EU-Mitglieder, wir verdienten am Euro, und die Banken profitieren von der Missachtung der Menschenrechte in der Welt. Der Krieg in Afghanistan werde von den Parteien gegen den Willen der Mehrheit der Bürger geführt und…“

„Das reicht!“, fuhr mir meine kluge Buchhändlerin in die Parade, „aber da ist doch ganz offensichtlich viel Wahres dran. Diese schreckliche Jugendarbeitslosigkeit im Süden und die Macht der Finanzindustrie macht ja sogar eine Bürgerliche wie mich so ratlos wie empört. Und nun? Sind wir nicht hilflos dieser Kraft des Faktischen ausgeliefert? Was fällt ihm denn dazu ein?“

„Zunächst mal verlangt er eine verfassunggebende Versammlung. Das ist auch rechtlich durchaus denkbar, denn das Grundgesetz sollte ja wirklich nur vorläufig sein. Wir Deutschen sollten nun zum ersten Mal in unserer Geschichte selbst für eine Demokratie kämpfen. Und dann geht Kahni weiter – und entwirft tatsächlich gleich so etwas wie den Entwurf einer neuen Verfassung. Da werden Schulen und Unis dem Bund unterstellt, Waffenexporte sind verboten, Berufsverbände kennen keine Zwangsmitgliedschaft, jeder hat ein Petitionsrecht und Volksentscheide sind bindend. Beamte sind abgeschafft, die Bundeswehr wird umgebaut, und er schreibt auch gleich ein gerechteres Steuersystem hinein. Das ist zwar, zugegeben, alles sehr hoch gegriffen – aber es lohnt doch allemal, darüber nachzudenken, was hierzulande anders und gerechter geregelt werden sollte. Alles so laufen zu lassen wie bisher…“

Ich brach ab, denn meine Buchhändlerin hörte nicht zu. Sie hatte mir das Büchlein aus der Hand genommen, las hier und da und meinte: „Stimmt ja, dass wir Wähler nix zu sagen haben“ – und eilte zum Eingang, wo die Türklingel rief.

Als ich hinterherschlenderte, hörte ich sie zur Kundin sagen: „Also ich will mich jetzt mal mehr mit Politik befassen. Es liegt ja wirklich so vieles im Argen! Da gibt's ein Büchlein…“

Nämlich dieses hier – ein Buch, das vieles zusammenfasst, was uns eh klar ist – und uns nicht ohnmächtig lässt, sondern zum Handeln aufruft. Dem ich wünsche, dass es vielleicht ein bisschen wachrütteln oder wenigstens zum Nachdenken anregen wird.

Wollen wir nicht wirklich mehr eingreifen, statt uns alles gefallen zu lassen?

Sind wir Lämmer?

Vito von Eichborn

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

Deutschland hat keine Verfassung

Alle Welt spricht vom Grundgesetz wie von einer heiligen Kuh, als wäre es die Bibel zur Staatsreligion Deutschlands. Jeder Politiker trägt die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ wie eine Monstranz vor sich her und beruft sich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Sogar ihre Amtseide leisten die Politiker auf diese Bibel aller Deutschen. Freilich ist das keine besondere Kunst, denn dieser Eid ist nicht strafbewehrt. Man kann also jeden Meineid auf dieses Grundgesetz schwören, ohne dafür jemals juristisch belangt werden zu können. Vergisst jedoch ein armer Schlucker, bei der Ableistung des Offenbarungseides seine Hauskatze anzugeben, dann kann er sicher sein, dass ihm die Kavallerie der Justiz, die Staatsanwaltschaft, bis ins Eisfach nachgeht.

Wie kam dieses Grundgesetz überhaupt zustande?

Nach der fürchterlichen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges setzten sich, auf die Weisung der Siegermächte hin, wohlmeinende und meist anständig gebliebene Männer und Frauen auf der kleinen Herreninsel im bayerischen Chiemsee zusammen und überlegten, welche Lehren aus diesem Desaster zu ziehen wären.

Natürlich waren die meisten Mitglieder dieses ersten Konvents noch im neunzehnten Jahrhundert geboren und geprägt durch die Erfahrungen des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und des Dritten Reiches. All ihre traumatischen Erlebnisse brachten sie in diesen Konvent mit ein. Was dabei herauskam, war bewundernswert.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes der neu zu gründenden Bundesrepublik Deutschland brachten ein Grundgesetz zustande, das es so auf deutschem Boden noch nicht gegeben hatte. Es war gleichzeitig in alten Werten verhaftet und doch in vielen Punkten avantgardistisch. Dieses Grundgesetz hat mit allen ihren Veränderungen und Ergänzungen der Bevölkerung der neuen Republik über einen Zeitraum von sechzig Jahren ein Leben in Frieden und Freiheit beschert.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Initiatoren dieses Konvents, die Siegermächte, die Paten dieses Grundgesetzes waren. Es kam also nicht auf Wunsch des deutschen Volkes, sondern auf Anordnung der Siegermächte zustande. Das deutsche Volk wurde weder gefragt, ob es ein solches Grundgesetz haben wollte, noch mussten die Deutschen jemals für eine Demokratie kämpfen. Das Grundgesetz kam einfach über sie, die Bürger Deutschlands hatten gar keine andere Wahl.

Allen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates war daher klar, dass dieses Grundgesetz nur ein vorläufiges Provisorium darstellte und nichts anderes war als ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges. Prof. Dr. Carlo Schmidt sprach daher im Sinne des Parlamentarischen Rates, als er im Jahre 1948 die Bundesrepublik Deutschland als „Staatsfragment“ und das Grundgesetz ausdrücklich als Provisorium und nicht als Verfassung bezeichnete.

Dies ist auch der Grund, warum die Väter des vorläufigen Grundgesetzes den Artikel 146 in dieses Provisorium einfügten, der da lautet:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Der Artikel 146 betont also den provisorischen Charakter des Grundgesetzes und beschränkt dessen Geltung bis zur Einheit und Freiheit aller Deutschen in einem wiedervereinigten Deutschland. Die Wiedervereinigung erfolgte im Jahre 1989. Haben die Deutschen nun eine Verfassung, wie es der Artikel 146 GG vorschreibt? Nein!

Spricht ein Politiker jemals von diesem Artikel 146 des Grundgesetzes, auf das er seinen Amtseid geleistet hat? Nein! Er wird sich hüten, weil diese vom Volk beschlossene Verfassung nämlich die Gefahr in sich birgt, dass die Ungleichgewichte, die sich im Laufe der letzten sechzig Jahre eingeschlichen haben, jäh beendet sein könnten.

Dass Schluss ist mit der sogenannten repräsentativen Demokratie, dass plötzlich plebiszitäre Elemente in die Verfassung Einzug halten. Dass die heutige Parteiendiktatur, die Diktatur des Kapitals, der Lobbyisten, der Medienzaren, der Finanzindustrie und der Wirtschaftskapitäne ein Ende haben wird oder zumindest an Einfluss verliert. Das Volk könnte sich auf seine Bürgerrechte besinnen und seinen Anteil am Kapital fordern. Es könnte verlangen, dass über Fragen der Daseinsvorsorge in Volksabstimmungen entschieden wird. Es könnte fordern, dass über die Abgabe von Souveränität an die Europäische Union das Volk zu entscheiden hat. Dass bei der Aufnahme von weiteren Mitgliedern in die EU die deutschen Bürger gefragt werden müssen.

Das alles ist Gift in den Augen der Politiker. Die Bundesregierung vertritt daher die Rechtsauffassung, dass eine Anwendung des Artikels 146 GG zwar möglich, aber nicht notwendig sei. Kenner des Grundgesetzes halten diese Aussage der amtierenden Politiker für einen Skandal! Das Grundgesetz sei, so die Kenner, „unstrittig nach besatzungsrechtlichen Vorgaben und nicht in freier Entscheidung des deutschen Volkes beschlossen worden“. Das Grundgesetz ist ohne Zweifel zustande gekommen ohne die Mitwirkung der Deutschen, die in der damaligen sowjetisch besetzten Zone (SBZ) lebten und denen eine Mitwirkung am Grundgesetz versagt war. Sechzehn Millionen Menschen hatten also gar keinen Einfluss auf das Grundgesetz.

Der Artikel 146 GG sagt nichts darüber aus, in welcher Form die neue Verfassung zustande kommen muss. Am Nächsten käme man dem Wortlaut des Artikels 146 GG, wenn ein verfassungsgebender Konvent einberufen würde, der die neue Verfassung ausarbeitet und sie dann dem ganzen deutschen Volk zur Abstimmung vorlegen würde. Also ein Volksentscheid.