Der Autor wurde 1937 in Hohenkirchen Mecklenburg geboren. Nach dem Studium der Forstwissenschaft in Freiburg und Hann’ Münden war er bis 2002 als Forstbeamter in den Niedersächsischen Landesforsten tätig. Er lebt in Lehre bei Wolfsburg im Ruhestand.

Die Zeichnungen fertigte Andreas Roessler, geboren 1956 in Wolfsburg. Nach sechs Jahren als Zeitsoldat und einem Fachhochschulstudium der Forstwissenschaft ist er als Forstingenieur am Niedersächsischen Forstlichen Fortbildungszentrum tätig. Er wohnt in Osterode im Harz.

Den Satz und das Layout besorgte Dörte Meyer. Sie arbeitet nach einem Digital Design Studium am Art Institut Pittsburgh im Multimedia Design in Kelowna, B.C. Kanada.

© Ulrich Meyer 2011

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN 978-3-7357-1150-2

Inhaltsverzeichnis

1. Schnapps Kindheit

Dies sind die Wieselgeschichten von Schnapp und Carola, die sich zugetragen haben als es noch keine Autos, Flugzeuge, Fernseher und Handys gab.

Schnapp war mit seinen beiden Schwestern Flora und Lilie auf einer großen Wiese am Waldrand aufgewachsen. Sein Vater Herrmann und seine Mutter Leopoldine – es war die Zeit als die Menschen auch solche komischen Namen hatten – wohnten in einem großen Steinhaufen am Waldrand. Die Steine hatten die Menschen aufgesammelt als die Wiese noch ein Acker war, um besser pflügen zu können.

Die jungen Wiesel hatten viel lernen müssen: Schnell rennen und springen; hoch, weit und mit Hackenschlagen. Alles was man fressen kann: Hauptsächlich Mäuse, Ratten und Hamster und zur Not Spitzmäuse und Maulwürfe, auch wenn sie schlecht riechen und schmecken. Und vor dem Verhungern auch Regenwürmer, Käfer und Schnecken.

Und dann die Feinde, die Wiesel fressen wollen: Der Iltis, der Fuchs, der Marder, der Dachs aus dem Wald; die Katzen und Hunde, die bei den Menschen wohnen. Und aus der Luft die Eulen in der Nacht und bei Tage Habicht, Bussard und Milan.

Sie kannten jedes Loch in Ihrer Wiese, in das sie sich verstecken konnten und die Stellen in der Dornenhecke, die so dicht war, dass nur die schlanken Wiesel da hinein konnten.

Es war Herbst geworden als Flitz und Flutsch die jungen Wieselmännchen auf der Suche nach einem Revier vorbeikamen. Flora und Lilie sind dann mit ihnen weiter gezogen. Es gab Mäuse im Überfluss und Schnapp hatte sich in einer Ecke im Steinhaufen ein warmes Nest gebaut und ließ es sich gut gehen, denn Wiesel müssen viel schlafen.

Nur Herrmann und Leopoldine waren in der letzten Zeit so komisch und etwas sehr unfreundlich und meinten, es wäre Zeit für Schnapp, sich in der Welt umzusehen. Unten am Fluss, den man von weitem sehen konnte, würde der Onkel Dicki wohnen, den sollte er mal besuchen. Schnapp hatte aber keine Lust. Dann kam jedoch der große Regen und es wurde kälter.

Überall lagen tote Mäuse1 und es wurde immer schwieriger, satt zu werden. Deshalb schlug Schnapp vor: „Ich jage jetzt auf dem Nebenacker, wo wir ganz selten gewesen sind.” Da wurden seine Eltern aber richtig fünsch2: „Den brauchen wir jetzt aber für uns und es wird Zeit dir dein eigenes Revier zu suchen und nicht den Eltern die knappen Mäuse wegzuschnappen.”

Nun – wenn Kinder groß sind und von den Eltern genug gelernt haben, müssen sie sich auch etwas Eigenes suchen. Bei den Wieseln ist das schon im Herbst nach wenigen Monaten so. Schnapp zog also los in Richtung Fluss. Mitzunehmen hatte er nichts. Alles was er brauchte – Zähne und Fell – hatte er immer bei sich, er war sehr schnell und sein Kopf voll von dem Gelernten.

Wie es ihm erging, hört ihr in der nächsten Wieselgeschichte.

2. Der Auszug

Ein bisschen lockte es den Schnapp schon: Schliesslich ging es jetzt in die weite Welt und es gab Abenteuer zu bestehen. Dafür war er gerüstet und freute sich darauf. Die Abenddämmerung zog herauf und er musste einen Weg zum Fluss finden, wo er sicher vor den Eulen war. Also durch einen Maulwurfsgang bis in die Hecke, die sich den Hang herunterzog. Seine Schnurrhaare meldeten ihm Dornen und Steine. Sehen konnte er nicht mehr viel, denn es war schon sehr dunkel geworden.

Da fiel ihm ein, dass er Hunger hatte. Aber riechen konnte er ja tadellos. Es roch überall nach toten Mäusen. Die hatten den vielen Regen nicht vertragen. Aber da war doch etwas! Ja, eine Klettermaus3 musste das sein. Vorsichtig schlich er sich an. Da war sie auch schon - flutsch - einen Holunderstamm hoch. Nur Schnapp war schneller. Sprung an die Keule, runtergezogen und an die Kehle gepackt. Schmatz! vollgefressen und satt zog er fröhlich durch die Hecke weiter. Nun wurde es vorne heller. Ein großer Baum stand am Ende der Hecke. Nach 30 Wiesellängen ging die Hecke weiter. Also Sprung, auf marsch marsch über die Lücke. Zack! in die Schlehen. Aber aus dem Baum kommt ein riesiger Schatten, hinter ihm ein Plumps! und kurz neben seinen Schwanz4 greift eine Kralle vorbei. Hinter dem nächsten Schlehenstamm wird halt gemacht und sich umgedreht. Vor der Hecke saß eine riesige Eule. Ärgerlich funkelten die gelben Augen und sie streckte die Krallen in die Hecke, aber er war zu weit weg. Das musste ein Uhu5 sein, von dem Vater Herrmann berichtet hatte, den er aber auch noch nie gesehen hatte. Also tief durchschnaufen und weiter durch die Hecke, die bald wieder zuende war. Was jetzt?

Er konnte den Fluss schon sehen. Ein Graben zog sich hinunter, daneben ein Wiesenstreifen mit Maulwurfshügeln. Er dachte: Mit schnellen Sprüngen in volle Deckung hinter den nächsten Maulwurfshügel. Nun nur noch einen Eingang finden und dann weiter im Maulwurfsgang. Weiter von Hügel zu Hügel. Aber was ist denn das da vorne? Ein Fuchs — und schon hebt er die Nase. Der Wind geht bergab, er kann Schnapp riechen und der hat kein Loch oder Versteck. Zur Hecke ist es viel zu weit. Der Fuchs schnürt6 gerade auf ihn zu. Da hört er unter sich den Maulwurf schnaufen. „Hallo, lieber Maulwurf, mach schnell ein Loch in den Hügel, der Fuchs kommt und will uns fressen“, fleht er. „O danke, in diesem Gang hätte er mich ausgegraben, denn es ist eine Sackgasse ohne Verbindung“, erklärte Frederik, so hieß der Maulwurf. Flupp flog die Erde aus dem Hügel, Schnapp verschwand und der Fuchs hinterher. Wütend fing er an zu graben. Schnapp und Frederik waren aber längst durch alle Tunnel verschwunden. Nach einiger Zeit äugte Schnapp vorsichtig aus einem Loch. Oben am Graben war der Fuchs immer noch wild am Buddeln. Ein kurzes Keckern von Schnapp stoppte das Buddeln. In schnellen Sätzen kam der Fuchs angeschossen. Frederik und Schnapp waren aber flitz verschwunden. So ärgerten sie den Fuchs noch eine ganze Weile, dann war es hell geworden und der Fuchs eilte wütend in Richtung Wald.

Sie kamen an eine große Wiese und dahinter kroch der Fluss. „So, hier ist mein Revier zuende, bis zum nächsten Fuchsärgern“, verabschiedete sich der Maulwurf. „Danke, Frederik“, sagte Schnapp. Und da war auch schon ein großes Wühlmausloch in das Schnapp verschwinden konnte. Weiter durch die Gänge und rein in einen gepolsterten Bau und erstmal schlafen nach der vielen Aufregung. Wie geht es wohl morgen weiter?

3. Bei Onkel Dicki

Es war natürlich völlig dunkel in dem Bau als Schnapp vor Hunger aufwachte. Außerdem juckte es grausam am Bauch und an der linken Hinterpfote, er konnte sogar Quaddeln fühlen. Nein! Flöhe! Seine Eltern hatten immer nur davor erzählt, bis seine Schwester Flora mal dem Igel zu dicht gekommen war und Leopoldine ganz stolz einen Floh an Floras Bauch mit ihren Zähnen zerknackte. Jetzt aber raus! Drei Flöhe vorher noch zerknackt, Kopf raus - sichern: nach oben kein Raubvogel, rings herum langgucken, nur ganz weit hinten ein Hase, und flutsch, in den nächsten Gang.

Oh, es riecht nach Maus, da - links lang, sie flüchtet und ist schon fast draußen, an die Keule gepackt, reingezogen, an die Kehle – Frühstück. Junge Erdmaus7 bis zum Abend muss das reichen. Aha, da ist ein großer Stein, da müssen Wieselnachrichten8 sein, wenn es hier Hermeline – so heißen Wiesel auch- gibt. Aha! Fuchslosung, so heißt bei den Wieseln die Fuchskacke, nur Käferflügel drin und wenig Maulwurfshaare, es wird hier nicht viel Mäuse geben; und da: Marderlosung - Weintaubenkerne und Spatzenfedern, auch keine Mäuse. Trübe Aussichten in dieser Gegend. Auf der anderen Seite aber Wieselparfüm, das heißt: Hier beginnt ein Wieselrevier, schleich dich! „Halt!“ ertönt ein Kommando. „Keinen Sprung weiter! Hier ist mein Revier und Mäuse sind sowieso fast nicht mehr zu holen!” Ein dickes Hermelin kriecht aus einem Wühlmausgang und mustert Schnapp. „Sag mal du hast ja auf der einen Seite nur sieben Schnurrhaare wie mein Bruder Herrmann, bist du mit dem verwandt“? fragt es. „Ja, das ist mein Vater“, erwidert Schnapp. „Deine Schwester Lilie ist mit Flutsch schon vor einiger Zeit den Fluss hochgezogen. Abwärts wollten sie nicht, weil da bald die Menschen wohnen, es Katzen und Hunde gibt und Eulen in ihren Scheunen wohnen, die ja so gefährlich sind. Hast du schon was gefangen? Wenn Du satt bist, kannst du mitkommen. Meine Frau Frederike wird sich freuen. Mäuse sind so knapp, nur Wühlmäuse9 gibt es, die so schwer zu fangen sind“, pfiff Dicki.

„Du musst noch einiges hier in den Flusswiesen lernen. Das sehe ich schon an den Quaddeln an deinem Bauch. Man schläft in einem Wühlmausbau nur, wenn er lange leer ist, sonst fressen dich die Flöhe“, belehrte ihn der Onkel. So kam er zu Frederike und Dicki, die auch in einem Steinhaufen wohnten. Kein Fuchs konnte ihn aufgraben. Selbst der starke Dachs hatte schnell genug, wenn er sich die Pfoten an den scharfen Steinen aufgerissen hat. Zu dritt kesselten sie die Wühlmäuse in ihren Gängen ein und es ging ihnen gut. Dicki zeigte Schnapp eine