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Menü

1    Operation Amore

2    Striptease unterm Weihnachtsbaum

3    Schokella zum Frühstück

4    Arbeitsfrust und Herzeleid

5    Schmetterlinge im Kreißsaal

6    Überraschungsbesuch mit fadem Nachgeschmack

7    Wie man sich Feinde schafft

8    Ein einziger Alptraum

9    Rache ist süß

10  Die Kino-Show

11  One-Night-Frösche küssen besser

12  Der Morgen danach

13  Eine Chance für die Liebe

14  Guten Morgen, Donnerwetter!

15  Das unerwartete Geständnis

16  Sehnsucht nach Bella Italia

17  Un grande Fiasko nach dem anderen

18  Auf dem Weg ins Glück

19  Im Schoß der Familie

20  Vorsicht, Brautstrauß!

21  Flotte Sohlen und kalte Nasen

22  Festtagsfreuden auf Tomatenbasis

23  Liebe auf Sizilianisch

24  Zurück im Alltag

25  Geteiltes Leid ist doppelter Schmerz

26  Ein Nachtdienst mit Überraschungen

27  Versteck im Wäscheschrank

28  Turbulenzen

29  Im siebten Himmel

30  Serenade zum Abschied

31  Freundschaften fürs Leben

32  Sizilianische Traditionen

33  Überraschende Prophezeiungen

34  Glück ohne Ende

35  Schon wieder heiraten

36  Aller guten Dinge sind drei

1     Operation Amore

Gegenüber im Kreißsaal drei schrie eine Frau aus Leibeskräften, als Doktor Chance im OP das Skalpell ansetzte und mir kurz darauf das Blut einer vorwitzigen Mikrobaucharterie auf die Stirn spritzte. Niemand reagierte, obwohl es alle gesehen hatten. Doktor Chance schnitt weiter bikinifreundlich den Unterbauch der Patientin auf. Gut gelaunt pfiff er dabei in seinen grünen Mundschutz hinein. Hilfe suchend blickte ich mich um, tapfer zwei Haken in der Hand, die den Patientinnenbauch aufhielten. Wie immer fehlte es im OP am Assistenzarzt, und mir an den nötigen Taschentüchern. Das war in gewisser Weise ein Markenzeichen von mir, mein Steckenpferd im negativen Sinne.

„Kann mir mal jemand das Blut aus dem Gesicht wischen oder soll ich warten, bis es mir ins Auge läuft?“, blökte ich schließlich in den OP-Saal hinein. Die Patientin, die dank moderner Anästhesiemethoden wach und ansprechbar war und kurz vor ihrem Mutterdasein stand, zuckte etwas verschreckt zusammen und murmelte: „Ach, das tut mir leid“, als wäre es ihre Schuld gewesen. Diana, unsere rothaarige OP-Schwester, mit der ich gemeinsam vor neun Jahren die Krankenpflegeausbildung gemacht hatte, schnaufte amüsiert und reichte dem Arzt unbeirrt weiter die Instrumente. Die Gute hätte, wäre sie an meiner Stelle gewesen, bestimmt nichts gesagt, nur um den Arzt nicht zu stören. Nur ließ sich dieser sowieso nicht stören, was mich vollends auf die Palme brachte.

Endlich bewegte sich jemand und erbarmte sich meiner. Es war der nette Anästhesiepfleger Christian, der etwas unbeholfen mit einem nassen Zellstofflappen in meiner oberen T-Zone herumtupfte, wofür ich ihm einen dankbaren Blick zuwarf. „Na, wieder kein Taschentuch parat?“, grinste er breit. „Doch!“, raunte ich, „In meinem Dekolleté befindet sich immer eine ganze Packung! Rechts wie links!“ Christian kicherte und Doktor Chance warf einen kurzen, aber prüfenden Blick auf meinen Busen. Ich seufzte leise. Das war wieder typisch! Von allen vier Gesichtern, die in den offenen Patientinnenbauch starrten, erwischte es ausgerechnet MICH, die eifrige, nichts ahnende Krankenschwester mit Abendschulkurs!

„Was ist, Carina?“, fragte mich Doktor Chance, und seine dunklen Knopfaugen funkelten. ‚Blöde Frage‘, dachte ich. ‚Ich liebe es, mit Fremdblut kontaminiert zu werden.‘ Dr. Will Chance war ein Amerikaner mit Indianerblut und leicht schwäbischem Dialekt. Er war der Einzige auf den weiten Krankenhausfluren, der es nicht für nötig hielt, eine Arzt-Schwestern-Hierarchie zu zelebrieren. Außerdem galt er als nett und respektvoll, was man von den anderen akademischen Pappenheimern in diesem erzkatholischen Krankenhaus im Süden Berlins leider nicht behaupten konnte.

„Was macht denn Ihr Abendkurs?“ Angestrengt friemelte er an der Gebärmutter der Patientin herum. Diana verödete geschäftig die kleinen Baucharterien und tat so, als interessierte sie das bevorstehende Privatgespräch überhaupt nicht. Auf ihre Diskretion war Verlass, und wer sich darauf verließ, war verlassen. „Alles bestens“, log ich. „Wenn ich nicht arbeite, lerne ich und wenn ich nicht lerne, arbeite ich.“

Zurzeit besuchte ich an der Volkshochschule den Konversationskurs ‚Italienisch für Fortgeschrittene‘. Mein Vater war zwar Sizilianer, hatte mir seine Muttersprache aber nur notdürftig weitervererbt. Die soeben gemachte Bemerkung sollte Doktor Chance davon abhalten, näher auf das Thema einzugehen. Aber weit gefehlt. Will Chance, der kleinste und netteste Gynäkologe im konservativen Haus Sankt Jerusalem, ließ sich durch nichts entmutigen oder abschütteln. Und obgleich er der eher schüchterne Typ war, verlor er ausgerechnet bei mir jegliche Hemmungen. Er wurde es auch nicht überdrüssig, sich jeden Tag aufs Neue froh gelaunt einen Korb abzuholen. Nicht, dass er Körbe gewöhnt gewesen wäre und sich deshalb nichts daraus machte! Das genaue Gegenteil war der Fall. Sämtliche Spinatwachteln des Hauses rannten ihm scharenweise hinterher, aber er hatte sich in den Kopf gesetzt, ausgerechnet mich, die Krankenschwester mit sizilianischem Feuer im Blut, im Sturm zu erobern. Auch wenn der Sturm eher ein seichtes Lüftchen war und mein Feuer unter der OP-Kluft nicht lichterloh brannte.

Doc C., wie er von allen genannt wurde, war nicht gerade der leidenschaftlichste Typ, und nur, weil sich bei mir – ähnlich wie bei ihm – zwei Nationen vereinten, war das für mich noch lange kein überzeugender Grund, sich an seinen Hals zu werfen.

Was er nicht alles über den Konversationskurs wissen wollte! Welche Leute daran teilnahmen, worüber gesprochen wurde, ob ich viel Grammatik lernen musste und was weiß der Himmel noch alles. Ohne Vorwarnung wurde er nun noch persönlicher: „Aber Carina, Sie werden doch mal Zeit für ein Abendessen haben. Ganz unverbindlich und unverfänglich!“ Zwei sanfte, braune Augen schauten mich dabei ganz verfänglich und verbindlich an und ließen mich die zweite Lüge an diesem Morgen aussprechen: „Ich esse nicht zu Abend!“

„Aber vielleicht zu Mittag?”, kam es hoffnungsvoll hinter dem Mundschutz hervor.

„Nein!“ Das war die dritte Lüge.

„Also ein Frühstück! Oder essen Sie gar nichts?“

„Ich esse zwischendurch“, wand ich mich wie ein Wurm und rief, um endlich von diesem lästigen Thema abzulenken: „Da, das Ärmchen ist schon zu sehen!“

Auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, starrte der liebestolle Gyn in die blutigen Tiefen der jungen Mutter und murmelte: „Ach so, ja, äh! Na, dann soll es mal das Licht der Welt erblicken.“

Routiniert zottelte er das kleine, gekrümmte, rot und weiß verschmierte Menschlein heraus, das prompt zu schreien begann. Ich lächelte entzückt und war wieder einmal davon überzeugt, dass ich, abgesehen von der Hebammenzunft, den schönsten Beruf der Welt ergriffen hatte. „Willkommen“, flüsterte ich und beobachtete, wie Doktor Chance den blinzelnden Winzling der Hebamme überreichte, die schon mit einem warmen Tuch in den Händen auf das Neugeborene wartete. Das kleine, perfekte Wunder der Natur wurde sofort der frischgebackenen Mutter gezeigt, die ihre Tochter mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen begrüßte. Tränen der Freude rannen ihr über die Wangen und auch ich konnte in diesem Augenblick ein Schniefen der Rührung nicht unterdrücken. Ja, das musste wohl eines der schönsten und wichtigsten Ereignisse im Leben einer Frau sein. Dabei wurde mir bewusst, dass ich mit meinen 28 Jahren und 344 Tagen bereits stramm auf die dreißig zuging und der Vater meiner zukünftigen Kinder sich noch nicht einmal hatte blicken lassen. Mein Freund Malte war für mich zwar der Traummann schlechthin, aber leider hatte ich das Pech, nicht seine Traumfrau zu sein, was folglich für mich ein Alptraum war. So oft wie möglich und so beharrlich wie nötig gab er mir zu verstehen, dass er sich eine Freundin aus „gutem Hause“ wünschte und dass ich deshalb nicht als seine ständige Lebenspartnerin in Frage käme. Mein Rückschluss war, in seinen Augen also aus „schlechtem Hause“ zu sein. Unverschämtheit!

Als Tochter eines sizilianischen Gastarbeiters und einer Berliner Schneiderin entstammte ich in Maltes Augen dem Proletariat und war daher nicht würdig, einmal seinen ehrenvollen Nachnamen zu tragen. Obwohl ich mir sicher war, dass sich keine Frau darum reißen würde, ausgerechnet „Bauer“ heißen zu wollen. Nur wegen meines netten Aussehens hatte er sich meiner erbarmt und mich zu seiner Freundin auserkoren. Zum Vorzeigen war ich gut genug, und so machte er mit mir in seinem Golfclub, im Segel-, Tennis- und Fußballverein eine gute Figur. Ich hatte Malte auf einer Fete in einem Tennisclub eines Berliner Nobelviertels kennen gelernt. Das war reiner Zufall, denn für gewöhnlich pflegte ich nicht solche Veranstaltungen zu besuchen. Ich war absolut unsportlich und hasste Tennis! Bälle übers Netz, in einen Korb oder in ein Tor zu werfen oder zu schießen, lag mir nicht. Es fiel mir schon schwer, im täglichen Leben immer am Ball zu bleiben.

Ursprünglich war ich mit meinem Kommilitonen Stephan dort, der es auf mich abgesehen hatte, mich aber nicht die Bohne interessierte. Als wäre die Situation nicht schon unangenehm genug gewesen, verliebte ich mich auch noch Hals über Kopf in seinen Tennislehrer Malte. Für mich war dies jedenfalls typisch, denn wie immer suchte ich mir einen schwierigen Typen aus, der gar kein Interesse an mir hatte. Malte, das charmante Tennis-Ass, war nicht so leicht zu haben wie Stephan es gewesen wäre, der mir an diesem Abend keine sechs Zentimeter von der Pelle wich. Nur ab und zu warf mir Malte einen kurzen Blick zu, der mir aber heiße und kalte Schauer über den Rücken jagte. Das wiederum stachelte meinen Jagdinstinkt an. Ich wurde plötzlich sportlich und entwickelte ein ausgesprochenes Durchhaltevermögen.

In solchen einschneidenden Lebenssituationen kamen meine Süchte dann ganz besonders zum Vorschein. Meine erste Sucht war das Fernsehen. Nichts war entspannender als Live-Shows, in denen sich Leute wie du und ich bis auf die intimsten Intimitäten entblößten. Meine zweite Sucht war vergleichsweise harmlos und hieß Schokolade. Gäbe es einen Schokella-Fanclub, wäre ich die Vorstandsvorsitzende, wenn nicht sogar die Präsidentin. Meine impertinent schlanke Schwester Allegra, die sich immer nur mit knackigem Gemüse und frischen Obstsorten vollstopfte, sagte ständig zu mir, dass ich der Inbegriff einer italienischen Praline wäre und sicher auch einmal deren Form annehmen würde.

Aber zurück zu Malte. Seit ich diesen Inbegriff eines Mannes – groß, stattlich, sportlich und selbstbewusst – vor mir stehen gesehen hatte, war mein Motto: den oder keinen! Seinen Namen fand ich zwar doof, aber alles andere mehr als schnuckelig. Ihn zu erobern war harte Arbeit gewesen: Überzeugungsarbeit. Letztendlich war meine Hartnäckigkeit jedoch von Erfolg gekrönt. Ob die Beziehung hingegen so erfolgreich war, wagte selbst ich, emanzipierte, jedoch vor Liebe erblindete Frau mit der rosarotesten Brille auf der Nase, zu bezweifeln.

Wenn wir zusammen waren, sollte ich vor allem, bitteschön, nichts über meine einfache Herkunft verlauten lassen. Man hätte sonst Rückschlüsse auf ihn ziehen können, denn sein Vater war schließlich Personalchef einer großen Braunschweiger Kaffeefirma. Nicht zu vergleichen mit meinem Vater, einem einfachen Kuhhirten aus den vertrockneten Bergen Siziliens, der jetzt Berlins Straßen mit einem Besen sauber hielt. Maltes Mutter konnte es sich leisten, eine Nur-Hausfrau zu sein und die Bequemlichkeiten eines Frauchens voll auszukosten, während meine Mutter ein Leben lang schuften musste.

Ein echt netter Typ, dieser Malte. Wirklich! Genau der Halt, den ich brauchte. Ein einfühlsamer Typ so ganz ohne Standesdünkel und Vorurteile. Deswegen bewunderte ich ihn zwar sicherlich nicht. Wohl aber wegen seiner leicht überheblichen Art, mit gewissen Menschen umzugehen, wegen seiner hervorragenden Allgemeinbildung und seinem bereits mit 23 Jahren abgeschlossenen Betriebswirtschaftsstudium. Jetzt war er 25 ½ Jahre alt und gerade dabei, als Immobilienmakler einer renommierten Firma viel Geld zu verdienen. Malte war nun einmal allen Männern, die ich kannte, um Nasenlängen voraus. Apropos Nasenlänge: Malte besaß eine ziemlich große Nase und widerlegte die Theorie, wonach frau des Mannes Männlichkeit an der Nasenlänge ausmachen könnte. Physisch gab es zwar nicht wirklich etwas auszusetzen, aber das Liebesleben war Maltes geheimer Schwachpunkt. Er war wohl mehr dafür geschaffen, Immobilien zu makeln als erotische Phantasien auszuleben. Um es kurz zu sagen: Phantasien hatte Malte überhaupt keine. Erotische erst recht nicht. Der sonst so perfekte, überheblichspöttische 190-cm-Mann mit vollem, rötlichblondem Haar und veilchenblauen Augen hatte in dieser Beziehung nicht allzu viel zu bieten. Und das war genau der Punkt, in dem ich, die minderbemittelte, rassige Halbsizilianerin, dem kantigen Malte um einige Nasenlängen voraus war. In unseren intimen Stunden vergötterte mich Malte. Ich war endlich seine Nummer eins, was leider nur ein schwacher Trost für mich war. Denn mein Beruf und mein Abendschulkurs konnten ihn überhaupt nicht beeindrucken. Seiner Meinung nach hätte ich mit 29 Jahren längst Oberschwester sein müssen, wenn ich schon zum Medizinstudium zu faul war. Schnösel-Malte interessierte nur, mit welchen VIPs er die Clubanmeldung teilte und welcher Promi ihm heute wieder über den Weg laufen würde. ‚Dieses arme Mädchen ist doch nichts für dich, mein Junge‘, konnte ich seinen Vater förmlich sagen hören, den ich nicht umsonst in den ganzen zwei Jahren unserer Beziehung kein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte. Und da Malte, von Beruf Sohn, seinem lieben Papa gefallen wollte, kam für ihn nun einmal nur etwas Blaublütiges oder eine ‚von Beruf Tochter‘-Frau in Frage.

Ich hatte ja nicht einmal Modelmaße, mit denen ich Papa Bauer hätte beeindrucken können. Mit meinen 165cm sah ich neben Malte aus wie eine Zwergin, und meine fünf Kilo über dem Idealgewicht streckten optisch auch nicht gerade. Auch damit zog mich Malte ständig auf, obwohl ich über seine zehn Kilo Bauchspeck noch nie ein Wörtchen verloren hatte. Noch mehr als arbeiten, Sport treiben und angeben liebte es Malte nämlich, zu essen. Und ich liebte jedes Gramm seiner Dreier-Kombination aus Rettungsringen. „At the end of the day, everything is horizontal anyway“, pflegte ein indischer Stationspfleger immer zu sagen, und was machten da schon die Längen- und Breitenunterschiede aus? Leider waren diese netten Stunden äußerst selten, denn Malte hatte als vielbeschäftigter Mann von Welt natürlich nur wenig Zeit für seinen Mausezahn, wie er mich liebevoll nannte. Angie, meine beste Freundin und Arbeitskollegin, überkam jedes Mal ein leichter Brechreiz, wie sie sagte, wenn sie uns zusammen sah. Und Dennis, unser bester schwuler Freund und Arbeitskollege, nannte Malte nur Würg-Malte, was Maltes Charaktereigenschaften eigentlich recht gut beschrieb. Dennis‘ Meinung war mir aber egal. Er kannte Malte ja gar nicht richtig!

„Kommen Sie heute Abend auch auf die Weihnachtsfeier, Carina?“, fragte Doktor Chance liebreizend und beäugte mich dabei intensiv, während er die Gebärmutter wieder zunähte.

„Natürlich komme ich“, hörte ich mich antworten und überlegte dabei fieberhaft, wo ich die Einladung, die mir vor zwei Wochen ins Haus geflattert war, vergraben hatte.

„Na also, geht doch!“ Der Gyn schaute mich mit zufriedenen Augen an, und ich konnte ihn förmlich durch den Mundschutz lächeln sehen.

Ich seufzte. Doktor Will Chance, der Arzt, der mich anhimmelte, war das genaue Gegenteil vom selbstherrlichen Malte: klein, dunkelhaarig, nett und bescheiden. Genauso würde ich mich selbst beschreiben. Und da eine Frau ja meistens das liebt, was sie selber nicht darstellt, riss mich der Kleine, Dunkle, Nette nun einmal nicht vom Hocker.

2     Striptease unterm Weihnachtsbaum

Im Schwesternumkleideraum schaute ich in den Spiegel und erschrak. War das wirklich ich, die mich da blass und pickelig anstarrte? Irgendwie hatte ich mich attraktiver in Erinnerung. Das Neonlicht hob schonungslos jede Unebenheit in meinem Gesicht hervor und stürzte mich in die totale Verzweiflung. Gleich begann die alljährliche, langersehnte Weihnachtsfeier in der hauseigenen Kantine, und ich war alles andere als in Hochform. Hektisch versuchte ich, ein paar Pickelchen auszudrücken, doch ausgerechnet jetzt kam jemand zur Tür herein.

„Huch, Verzeihung!“, flötete eine männliche Stimme. Wie von der Tarantel gestochen drehte ich mich um und erblickte Dennis, der sich in Schale geschmissen hatte und aussah wie eine Schwester Königin Elisabeths.

„Carina, Liebes! Du sollst doch nicht dein hübsches Gesicht verunstalten. Das sieht danach schlimmer aus als vorher“, fistelte er mir zu und zog missbilligend die rechte, akkurat gezupfte Augenbraue hoch. Dann stellte er sich neben mich und begann, ebenfalls in seinem Gesicht herumzumanipulieren. Ich hatte keine Lust, die Pickel anderer schwinden zu sehen, und fummelte das Kleine Schwarze aus meinem Spind heraus. Auf wunderbare Weise kaschierte es meine Problemzönchen. Da waren zum einen meine Fettpölsterchen, und zum anderen meine genauso überflüssige Beinbehaarung. Das Überflüssige hatte ich im Überfluss, das Notwendige, wie eine etwas üppigere Oberweite, leider nicht. Nicht, dass ich ein Plättbrett zu nennen wäre, aber das Erlebnis, dass fremde Damen und Herren im Kaufhaus neidische oder bewundernde Blicke auf mich warfen, während ich am BH-Stand bei Körbchengröße D kramte, war mir fremd. Ich musste mich mit dem Überflüssigen herumplagen, während andere das Glück hatten, sich sofort mit den wichtigen Dingen des Lebens beschäftigen zu können. Und da fragte Malte noch, warum ich nicht Medizin studiert hatte. Die Antwort lag doch auf der Hand: Weil meine Zeit für die Reduzierung des Überflusses draufging.

„Dennis, hör endlich auf zu quetschen, du bist schon geschminkt“, ermahnte ich meinen Freund und zwängte mich dabei in den Hauch aus schwarzer Seide und Chiffon. „Ach, Carina, du hast Recht. Wir sehen uns am Tisch! Heute kommt übrigens ein strippender Weihnachtsmann, vielleicht ist der ja was für dich“, flötete Dennis und entschwebte. „Oder für dich“, rief ich ihm hinterher, während ich mit dem Reißverschluss kämpfte. Nach einer Zeit merkte ich, wie kleine Schweißperlen meine Stirn benetzten. Wunderbar! Jetzt nicht nur pickelig, sondern auch noch verschwitzt. Mit letzter Kraft zwängte ich mich in die teure Edelwurstpelle. Das Deo hatte zum Glück noch nicht versagt und ich konnte aufatmen. Püh! Nun noch einmal kurz Bauch, Oberschenkel, Oberarme und Wangen eingezogen und … zipppp, der Reißverschluss ging endlich zu.

Ich nahm mir vor, gleich am nächsten Tag auf Schokellaentzug zu gehen und eine vitaminreiche Nulldiät zu machen. Aus Erfahrung wusste ich aber, dass der feste Entschluss meistens schon beim Frühstück dahinschmolz. Denn was war ein frisches, noch warmes Brötchen ohne diese braune, süße Schokoladenmasse? Und spätestens abends vor dem Fernseher brauchte ich meine traditionelle Gute-Nacht-Schokellaeinheit. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das mit dem Reißverschluss war ja noch einmal gut gegangen. Sonst hätte ich bei der Weihnachtsfeier im dick machenden, zweiteiligen Hebammenensemble, im zerknüllten, grünen OP-Kittel oder im zu großen, weißen Krankenschwesternoutfit erscheinen müssen. Als so genannter „Springer“ hatte ich alles im Schrank. Da, wo ich gebraucht wurde, weil eine Arbeitskraft ausgefallen war, sprang ich ein und es erübrigt sich wohl, zu sagen, dass die erste Voraussetzung für diesen Job äußerste Flexibilität war. Auch was die Kleidung anging. Leider wussten das die wenigsten Kollegen zu würdigen. Für sie war ich weder Fisch noch Fleisch. Mit mir konnten die Hebammen nicht über die Krankenschwestern herziehen und die Schwestern nicht über die Hebammen.

Wenigstens brauchte ich keine Angst zu haben, heute in unpassender Kleidung vor meine lieben Kolleginnen und Kollegen treten zu müssen. Nicht auszudenken, wie verwirrt die Ärzte und Schwestern gewesen wären, wenn ich im Schwesterndress anmarschiert wäre! Aber in der stinkenden Arbeitskluft auf der Weihnachtsfeier zu erscheinen, wo alle im mehr oder weniger passenden Glitzer-Cocktailfummel auftauchten, hätte wohl selbst bei meinen Freunden für Unverständnis gesorgt. Bevor ich mich zum Gespött des Krankenhauses gemacht hätte, wäre ich lieber direkt nach Hause gegangen. Das wäre ein Triumph für die gewesen, die mir meine Springer-Position neideten und die ich als meine natürlichen Feinde im Krankenhausdschungel ansah. Zu diesen Neidern zählte ich zum Beispiel die linke Lilian und die Bazille Barbara, die zusammen das „Linke-Bazillen-Gespann“ mit den traumhaften Alptraummaßen 200-220-240 abgaben. Ihre Intrigen und Lästereien waren schon nicht mehr spaßig zu nennen, aber Dennis sagte immer: „Was interessiert einen Adler das Krächzen alter Krähen.“ Wie Recht er doch hatte!

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchten Lilian und Barbara mit viel Energie und Arbeitsaufwand, mich schlecht zu machen. Hätten die eifrigen Kolleginnen auch bei ihrer Arbeit so viel Beständigkeit und Fleiß an den Tag gelegt, wäre das Niveau in unserer filmreifen Soap opera um einiges höher gewesen. Andächtig wischte ich in meinem Gesicht herum, um das Rouge gleichmäßig zu verteilen. Ich gehörte zu dem Frauentyp, der mit einem bisschen mehr Schminke im Gesicht gleich völlig verändert aussah und die Blicke auf sich zog. Damit löste ich unterschiedliche Gefühle aus. Bei gewissen Kolleginnen erzeugte das Eifersucht, für meine Fotografinnen-Freundin Nicole aber gab ich ein beliebtes Übungsobjekt ab. ‚Hey, hey, hey!’, ermahnte ich mich. ‚Mal ein bisschen Beeilung, sonst steigt die Party ohne dich!‘ Jetzt konnte ich ohne Weiteres dem aufgedonnerten Haufen, der da draußen in kleinen Grüppchen zusammensaß und jeden neu Hereinkommenden von oben bis unten musterte, ohne Minderwertigkeitskomplexe entgegentreten. Noch ein bisschen Lieblingsparfüm aufgesprüht und schon flatterte ich hoch erhobenen Hauptes aus dem Umkleideraum.

Die Krankenhauskantine war voller als sonst. Ich erkannte kaum jemanden wieder. Was Kleidung und Schminke doch so alles ausmachten! Nur die Frauen, die fingerdick geschminkt zur Arbeit erschienen, waren unverkennbar. „Hallo, Schwester Jessica! Hallo, Pfleger Waldemar!“ Wo waren denn meine Lieblingskolleginnen? Angie, 29 Jahre, schön, blondgelockt und lieblich, Dennis, 28 Jahre, schwul und eingefleischter Psychologiestudent, sowie die 25-jährige Krankenschwester Modesta aus Kenia, die im dritten Semester Tiermedizin studierte. Suchend schaute ich mich um und konzentrierte mich beim Gehen in den hohen, schwarzen Pumps darauf, nicht umzuknicken.

Die Band spielte ihr erstes Lied. Ah, da waren ja Angie und Dennis. Ich beschleunigte meine Schritte und auf meinen Lippen machte sich ein Lächeln breit, was jedoch sogleich wieder erstarb, als Dennis quer durch den Saal schrie: „Huhu, schöne Fraa-auu! Hier entlang bitte!“ Wie peinlich! Denn jetzt schauten auch die noch von ihren Tischen hoch, die vorher hungrig die Speisekarte studiert hatten. Gerade wollte ich noch einen Zahn zulegen, um mich endlich aus dem Interessensbrennpunkt des gesamten Kollegi ums zu entfernen, als aus dem Nichts plötzlich und unerwartet ein Schatten auf mich zutrat, der mich unaufgefordert bei der Hand nahm und an sich zog. Im Augenblick des Schreckens dachte ich an Malte, aber dafür war der Schatten zu dunkel und zu klein geraten. Außerdem hatte Malte aufs Heftigste protestiert, als ich zu fragen wagte, ob er mich auf unsere Weihnachtsfeier begleiten wollte. „Unter meinem Niveau“, hatte er abgewinkt und mich angewidert angeschaut. Als ich meine Gedanken wieder beisammen hatte, erschrak ich noch heftiger, denn ich erkannte, wer der Besitzer des Bauches war, an den ich gedrückt wurde: Kein Geringerer als Doktor Will Chance strahlte mich etwas mehr als üblich an und schwang zusammen mit meinen unbeholfenen Extremitäten frohgelaunt das Tanzbein. Zu Hilfe! Angie, Dennis, zu Hilfe!

Heute war der Doc aber ganz besonders aufdringlich. Wahrscheinlich war Alkohol im Spiel, orakelte ich und versuchte, meine entsetzten Gesichtszüge in ein frohes Lächeln zu verbiegen. Das Auditorium musste mir ja nicht sofort ansehen, dass ich dem Liebling des Krankenhauses am liebsten eins mit meinem kleinen, aber schweren Abendtäschchen übergebraten hätte.

„Dr. Chance, ich, äh, wollte mich erst einmal hinsetzen“, machte ich einen zaghaften Versuch, mich vom Doc loszueisen. Schweißausbruch! „Ach, wo Sie nun schon mal hier sind …“, grinste der Gynäkologe verliebt und tat so, als hätte nicht er mich, sondern ich ihn aufgefordert. Eigentlich war mir die Berufssparte der Gynäkokken, wie wir die Gynäkologen manchmal nannten, schon immer suspekt. In ganz Berlin gab es meines Wissens nach nur eine einzige Urologin, und 60 Prozent der Frauenärzte waren Männer. Verstohlen sah ich mich im Saal um. Morgen würde ich in aller Munde sein: „Wer war denn die Langbeinige mit den behaarten Beinen, äh, anders herum. Wer war denn der langhaarige Monica-Bellucci-Verschnitt, der so hingebungsvoll mit dem kurzbeinigen Doktor Chance tanzte? Haben wohl ein Verhältnis? Leider ist der süße Doc etwas klein geraten, aber wenn das Schneckchen die Stöckelschuhe auszieht, dann geht er ihr immerhin bis zum Kinn!“

Doc Chance ergriff seine Chance und legte zu „Jingle Bells“ eine flotte, polkaähnliche Sohle aufs Parkett. Ohne Rücksicht auf meine bestöckelten Füße, die irgendwie nicht so richtig den Takt des Arztes fanden und hilflos hinterherschleiften. „Sie tanzen wundervoll, Carina!“, feuerte mich der emsige Doc wild hüpfend von unten her an. „Sie auch“, log ich und mir wurde bewusst, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht so viel gelogen hatte wie am heutigen Tag. Ich lächelte milde und madonnenhaft und versuchte, mich darauf zu konzentrieren, mich irgendwie in den undefinierbaren Rhythmus meines Tanzpartners einzufühlen, was jedoch ein erfolgloses Unterfangen war. Hoffentlich stand mir meine Verzweiflung nicht ins Gesicht geschrieben.

„Haben Sie eigentlich noch Geschwister?“ Der kurze Braune hüpfte unerschrocken hin und her. „Ja, noch eine Schwester. Wir sind Zwillinge“, ächzte ich und ließ mich dabei mehr oder weniger elegant umherwirbeln. Inzwischen waren wir bei einem mit der Samba verwandten Tanzschritt angelangt. „Oh, ist die genauso hübsch wie Sie?“, eiferte Doc C. vom Rhythmus berauscht. „Nein, sie ist das ganze Gegenteil“, entgegnete ich zwischen zwei Pirouetten. Das sollte nicht bedeuten, dass Allegra hässlich war. Aber tatsächlich hatte ich mit meiner Schwester nicht die geringste Ähnlichkeit. Sie war gertenschlank, hatte braune, taillenlange Spaghettihaare, haselnussbraune Rehaugen – und hasste Schokella. Ich wurde am 31. Dezember um 23:55 Uhr geboren und sie am 1. Januar um 0:10 Uhr. Da konnte ja keine Ähnlichkeit aufkommen! Die akademische Viertelstunde hatte Allegra beibehalten, was meine Familie immer zur Weißglut brachte. Außerdem war sie der Perlenkettchen-Typ mit pastellfarbener Rüschenbluse aus Seide, Faltenröckchen, Perlonstrumpfhosen und flachen Pumps, was ja nun gar nicht mit meinem Kleidungsstil übereinstimmte. Trotz der offensichtlichen Unterschiede verstanden wir uns gut.

Ich erhielt als ersten Namen nach alter sizilianischer Dorftradition den meiner italienischen Großmutter und hieß eigentlich Maria-Carina. Allegra bekam das „Maria“ einfallsreicherweise als zweiten Namen hinten drangehängt. ‚Carina‘ wählten meine Eltern in der Hoffnung, dass die erste Tochter hübsch werden würde, was, glaube ich, auch einigermaßen zutraf. ‚Allegra‘ erhielt ihren Namen in der Hoffnung, dass sie fröhlich werden würde, was eigentlich weniger der Fall war. Hier in Berlin wurden wir nur ‚Carina‘ und ‚Allegra‘ gerufen, aber auf Sizilien, in meiner Heimatstadt, dem Heimatort meines Vaters, rief mich meine Oma immer mit Stolz geschwellter Brust: „MA-RIII-A!!“, und nie wusste ich, welche Enkelin denn nun gemeint war, denn diverse Cousinen hießen ebenfalls Maria. Ich fühlte mich also nicht angesprochen, und Allegra sowieso nicht, da Maria bei ihr nur der Zweitname war. Die Glückliche! Diese Tatsache ließ meine eigensinnige, verbohrte sizilianische Verwandtschaft zwar immer sehr übellaunig werden, mein Vater brachte es aber auch nicht übers Herz, meiner Oma zu erklären, dass seine ältere Tochter mit dem zweiten Teil des Doppelnamens angesprochen werden wollte. Nein, das hätte sie als große Beleidigung empfunden. Lieber ließen sie alle gewähren, da niemand ahnte, wie lange sie noch unter den Lebenden weilen würde. Das war nun seit fast dreißig Jahren so – und Oma erfreute sich bester Gesundheit.

Nichts gegen die heilige Jungfrau, aber ich begann den Namen ‚Maria‘ immer mehr abzulehnen. Dennoch entschied ich irgendwann, mich für zwei Wochen im Jahr mit dem Namen zu arrangieren. Vielleicht hätten unsere Eltern uns lieber frommere Namen geben sollen, wie zum Beispiel „Diligenza“ (die Fleißige), „Pulita“ (die Saubere) oder „Ordinata“ (die Ordentliche). Für meine sizilianische Großmutter wären das sicherlich akzeptablere Namen gewesen! „Carina“ und „Allegra“ fand sie scheußlich, denn echte Katholikinnen hatten Demut und Ernst zu zeigen und nicht hübsch und fröhlich zu sein. Nach mir und Allegra kamen jedenfalls keine weiteren Geschwister, und das gab ebenfalls Anlass zu ständigen Sticheleien von Seiten meines Großvaters, der sich so sehr einen Enkelsohn gewünscht hatte, um den Namen „La Palma“ weitergeben zu können. In Italien sah das Namensrecht vor, dass die Frauen nach der Heirat ihren Nachnamen behielten und die Kinder, ohne Wenn und Aber, den Nachnamen des Vaters oder, genauer gesagt, den Nachnamen des Ehemannes bekamen. Einmal hatte mein Onkel Carlo, der jüngste Bruder meines Vaters, gemeint, dass eine sizilianische Frau meinem Vater sicherlich Söhne geschenkt hätte. Als Onkel Carlo dann einige Jahre später eine blutjunge Sizilianerin heiratete, gierten alle nach den ersehnten Enkelsöhnen. Aber da es doch immer wieder eine ausgleichende Gerechtigkeit gab, bekam auch er „nur“ drei Töchter.

„Ach, wie schade, dass Ihre Schwester keine Ähnlichkeit mit Ihnen hat“, hechelte der nette Gyn durchgeschwitzt und fischte nach einem Baumwolltaschentuch in der Innentasche seines Jacketts. Ich drehte mich suchend um und klapperte dabei jede Tischreihe ab, denn irgendwo musste auch Allegra heute Abend hier umherschwirren. Und richtig, da war sie! Im beigefarbenen, langen Hosenanzug mit besagtem Perlenkettchen und flachen Pumps stand sie zwischen ihren Kolleginnen und winkte mir unerwartet fröhlich zu. „Das dort ist Allegra“, machte ich Will auf meine Zwillingsschwester aufmerksam. Doc Chance verrenkte sich seinen Hals. „Ach, auch sehr nett! Ganz anders als Sie“, bemerkte er und befasste sich gedanklich wieder mit mir, indem er mir tief in die Augen und ins Dekolleté schielte. „Hat Ihnen eigentlich schon einmal jemand gesagt, dass Ihr Name gut zu Ihnen passt? CARINA! Das ist doch italienisch und heißt ‚hübsch‘, nicht wahr?“ Er tupfte sich mit dem blütenweißen, frischgebügelten Stofftaschentuch einige Schweißperlen von der Stirn. Ich wich einige Zentimeter zurück, um mich nicht wieder einer möglichen Kontaminierung mit Bazillen durch Tröpfcheninfektion auszusetzen wie heute Morgen am OP-Tisch, und drehte mein Gesicht in Richtung Dennis, Angie und Kollegin Modesta, die mir feixend zugrinsten. Während ich ein säuerliches Gurkengesicht machte, konzentrierte ich mich wieder aufs temperamentvolle Hin- und Herwanken. Der Doc wollte smalltalken, und ich war krampfhaft damit beschäftigt, ihm auf die Sprünge zu helfen – besser gesagt, seinen Sprüngen zu folgen, wobei ich versehentlich seinen Spann erwischte.

Doktor Chance versuchte, sein schmerzverzerrtes Gesicht unter Kontrolle zu bekommen. Ganz Gentleman ließ er sich nicht das Geringste anmerken. Den gellenden Schmerzensschrei unterdrückend, damit auch niemand meinen kleinen Patzer mitbekam, schunkelte er mit mir voller Leid schaffender Leidenschaft weiter über die Tanzfläche. Genug Platz hatten wir ja, schließlich waren wir immer noch die Einzigen. Oh, Carina, was für ein Tag! Heute hatte ich schon so einiges bereut, und gerade bereute ich ganz ungemein, in meiner frühen Teenagerzeit keinen obligatorischen Tanzkurs absolviert zu haben, obwohl der mir in diesem Augenblick wahrscheinlich auch nicht viel genützt hätte.

„Doktor Chance, wo haben Sie denn so unmö…, äh, ungewöhnliche Tanzschritte gelernt?“, keuchte ich, um mir dann wieder hochkonzentriert seine undefinierbaren Ausfallschritte einzuprägen. „Das liegt mir im Blut, meine hübsche Carinissima!“ ‚Welch sprachbegabtes Wortgenie‘, schoss es mir durch den Kopf. „Meine Großmutter väterlicherseits war eine waschechte Vollblutindianerin!“ Willy platzte fast vor Stolz. Er schien sich wirklich Mut angetrunken zu haben, denn so heißblütig und losgelöst hatte ich den schüchternen Arzt noch nie erlebt. Unauffällig schnupperte ich an ihm herum. Tatsächlich, eine dünne Wodka-Kirschfahne gemischt mit feinstem französischem Rasierwasser kondensierte mir aus selig lächelnden Lippen und glasigen Augen entgegen. Zu allem Übel bemerkte ich, dass der nette Doc ein süßes Grübchen am Kinn hatte und zwei noch niedlichere auf den vollen Wangen. Mein Lächeln musste Doktor C. wohl missdeutet haben, denn unter heftigem Stöhnen zog er mich äußerst heißblütig an sich. Von den niedlichen Grübchen einmal abgesehen war Doc Chance aber so überhaupt nicht mein Typ. Offenbar verschoss Amor seine Pfeile wild in der Gegend: Die Unerotischen trugen mich auf Händen, sofern sie mir nicht gerade zu Füßen lagen, und die, die ich attraktiv fand, interessierten sich nicht für mich.

Eine Strophe später verstummte die Band. Unendlich erleichtert wollte ich mich gerade der großen Chirurgenhände entledigen, hatte die Rechnung jedoch ohne den noch immer im Siebenachteltakt wankenden, tanzwütigen Viertelindianer gemacht, der sich besitzergreifend in mein kleines Schwarzes gekrallt hatte. Die Band begriff sofort, dass hier nur eine Zugabe helfen konnte, und spielte zu einem weiteren flotten Weihnachtsliedlein auf. Nun gesellten sich auch andere Tanzpaare zu uns und nickten uns aufmunternd zu.

„Do… Doktor Chance, ich möchte gerne erst einmal an meinen Platz und etwas trinken. BITTE!“ Ich war jetzt wirklich unwirsch und fletschte die Zähne. Keine zehn Indianergroßmütter würden mich jemals wieder auf die Tanzfläche bekommen! Nein, so hatte ich mir die ersten Minuten der Kantinen-Weihnachtsfeier nicht vorgestellt. Ich wollte jetzt unbedingt zu meinen Freunden an den Tisch. Um jeden Preis! Der Doktor schaute mich enttäuscht an und wirkte augenblicklich stocknüchtern.

„Oh, bitte Carina, gerne! Ich geleite Sie an den Tisch“, sagte er etwas zerknirscht. Es tat ihm offensichtlich leid, mich so genötigt zu haben, und so umschlang er fürsorglich meine Taille. „Bis später“, verabschiedete sich Chance höflich, rückte mir den Stuhl zurecht und bedankte sich artig für den Tanz. „Aber das hat Carina doch gerne für Sie gemacht!“, kam es von Dennis, dem ich einen Giftblick zuwarf. Selten hatte ich den so dringlichen Wunsch verspürt, im Erdboden versinken zu können! Ich fühlte mich auf unangenehme Weise vom gesamten Kollegium beobachtet und versuchte, mir mit aller Macht meinen angeknacksten Gemütszustand nicht anmerken zu lassen. Immer nur lächeln, Carina! LÄCHELN!

Der Saal war nett geschmückt, leicht abgedunkelt und eine Lichtmaschine erzeugte romantische, winterliche Sterne. Er hatte nichts mehr mit dem Raum gemeinsam, wo das ausgehungerte und ausgetrocknete Krankenhauspersonal seine Mahlzeiten in Rekordzeit hinunterschlang und dabei wild kauend die neuesten Krankenhausklatschgeschichten austauschte. „Schau uns nicht so beleidigt an. Wir hätten dich schon gerettet“, grinste Angie. „Fragt sich bloß, wann“, moserte ich. „Wenn ich Schwielen an den Füßen gehabt hätte?“ Dennis haute in die klaffende Wunde, indem er sagte: „Die Schwielen hätte wohl eher Doc Chance gehabt. Wie Fred Astaire und Ginger Rogers habt ihr nicht gerade ausgesehen. Aber: The show must go on! Nun lächle mal wieder, Carina! Beim nächsten Tanz hätte ich abgeklatscht. Ehrlich!“

„Ja, um mit IHM weiterzutanzen“, bemerkte ich trocken, und Modesta bekam einen Kicheranfall. Sie sah in ihrem weißen, kitschigen Paillettenkleidchen total süß aus. Es stand in einem interessanten Kontrast zu ihrer braunen Haut.

„Wie findet ihr eigentlich mein Kleid? Ist es nicht ein Traum?“, fragte sie uns ernsthaft, als sie mit dem Kichern fertig war. „Es ist das Highlight des Abends“, antwortete Angie bemüht begeistert und wir schauten uns diskret schmunzelnd an, weil wir offenbar absolut einer Meinung waren. „Meine Güte, was haben die sich nicht alle in Schale geschmissen“, bemerkte Dennis. Am Nebentisch hatten doch tatsächlich meine Erzfeindinnen Lilian und Barbara ihre Plätze eingenommen und schauten herablassend zu uns herüber. Die beiden kranken Schwestern von der gynäkologischen Station steckten ihre wasserstoffblonden, hochtoupierten Strohköpfe zusammen und begannen zu tuscheln. ‚Alte, blöde Hexen‘, dachte ich. ‚Jetzt lästern sie wieder, was das Zeug hält. Und das Schönste dabei: Sie halten sich für das absolute Maß aller Dinge, als bräuchten sie auf die Gefühle anderer überhaupt keine Rücksicht zu nehmen! Andere schlecht zu machen, haben sie sich zur Lebensaufgabe erkoren. Nachher werden sie sich Doc Chance zur hängenden Brust nehmen und sich gnadenlos über mich lustig machen.‘

Ihrer Meinung nach war ich eine schlechte Krankenschwester – zahlreiche, zufriedene Patienten bewiesen das Gegenteil – und dass ich auf der Abendschule Kurse besuchte, war ebenfalls eine willkommene Gelegenheit für sie, über mich herzuziehen. Als könnten ausgerechnet sie sich über das Lernen eine Meinung bilden, wo doch das Wenige, was bei ihnen erweitert war – nämlich ihr Hauptschulabschluss – dicht gefolgt war vom Taillenumfang. Aber so war bei ihnen wenigstens etwas erweitert, denn ihr Horizont war es bestimmt nicht. Dennis war der festen Überzeugung, dass die beiden Giftspritzen nur darauf neidisch waren, dass Doktor Chance MICH mit in den OP nahm, um Haken zu halten, während sie auf der Station vergammelten und Ärsche putzen mussten! Auch Dennis blieb von den Lästereien der beiden nicht verschont. Ihn hatten sie angeblich beim Sex mit einem Kollegen in der Abstellkammer erwischt, worauf Dennis erwiderte, dass er wünschte, es wäre so gewesen. Denn dann hätten sie von ihm lernen können, was einen Mann wirklich befriedigt.

Lilian und Barbara wurden im ganzen Haus nur noch „die linken Bazillen“ genannt. Wir hatten uns alle ein dickes Fell wachsen lassen, was die Lästereien in diesem gottesfürchtigen Hause betraf. Leider gab es überall diese Anti-Stimmungsmacher, denen es eine Befriedigung war, anderen Leuten das Leben zu vermiesen. „Hört auf, euch das Maul zu zerreißen, sonst bröckelt noch der Lippenstift ab“, bemerkte Dennis trocken. Die Giftnattern verzogen verbittert ihren Mund und suchten sich augenblicklich neue Opfer. Nun war auch mir wieder zum Lachen zumute. Der Cocktail schmeckte fruchtig lecker und leicht nach Zimt. Ich entspannte mich etwas und hoffte, den weiteren Abend von peinlichen Situationen verschont zu bleiben.

„Carina, ich finde, du und Will, ihr seid ein schönes Paar.“ Dennis’ Stimme klang ehrlich begeistert. „Willst du mich verarschen? Der geht mir doch noch nicht einmal bis zum Hals“, antwortete ich entsetzt. „Na und? Stell dir vor, dann kannst du ihn leichter auf seine Geheimratsecken küssen.“ Dennis war hin und weg von seiner Idee und kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein.

In diesem Moment wurde das Büfett eröffnet. ‚Essen, genau, essen bringt meine Seele wieder ins Gleichgewicht.‘ Ich marschierte ans Ende der Warteschlange. Dennis hielt die kultivierte Nahrungsaufnahme wohl auch für eine gute Idee und stand alsbald neben mir. Er schaute sich in der Runde um. Schwester Maren von der Intensivstation lächelte uns freundlich entgegen. „Carina!“, Dennis’ Stimme klang urplötzlich leicht hysterisch. Er hatte sich in meinem Arm festgekrallt, dass es schmerzte. „Aua! Was ist denn? Hab ich Schokella am Mund?“, rief ich erschrocken. Hektisch wischte ich mir über die Schnute.

Einer meiner größten Alpträume: Ich gehe auf ein Fest, schwebe hinein wie Kleopatra zu ihrer Krönung am Nil und anstatt, dass sich alle verbeugen, geht ein hämisches Grunzen und Quieken durch die Menge, weil die Prinzessin einen mit Schokella verschmierten Mund hat. Wie peinlich!

„Carina!“ Dennis klang nun zutiefst theatralisch.

„Was denn?“

„Wer ist der Mann neben Will Chance?“

„Was weiß ich? Keine Ahnung!“ Ich rieb mir meinen Oberarm, den Dennis inzwischen wieder losgelassen hatte.

„Carina, bitte, bitte, stell mir dieses himmlische Wesen neben Willy vor! Carina, meine Primalina! Ich bitte dich, sonst sterbe ich!“ Dennis reimte gerne.

„Ich kenne ihn doch gar nicht“, entgegnete ich verwirrt.

„Aber du kennst zumindest Onkel Willy besser als ich! Los, geh bitte und frag für mich!“ Und schon schubste er mich an den Anfang der Warteschlange, wo Doktor Chance mit einem wirklich nett aussehenden jungen Mann mit Spitzbart stand. Wie Dennis hatte auch dieser einen kleinen, runden Ohrring im rechten Ohrläppchen. Nun verstand ich auch, weshalb Dennis so zielstrebig vorgestellt werden wollte. Dennis’ ganzes Seelenheil schien plötzlich davon abzuhängen.

„Ich bin froh, den Fred Astaire der Taktlosen los zu sein und jetzt soll ich wegen dir Chance, die Zweite, auf mich nehmen? Den werde ich den ganzen Abend nicht mehr los!“, maulte ich.

„Carinalina, ich bitte dich, tu es für mich!“, reimte Dennis flehend und schob mich ohne Gnade auf den verschwitzten Gynäkologen zu. Als wir vor den beiden männlichen Grazien standen, fiel mir sofort auf, dass Wills Begleitung strahlend blaue Augen hatte und etwas größer als Dennis war. Dennis‘ neuer Schwarm hatte dunkles, kurzes Haar und sah aus der Nähe noch sympathischer aus, als ich es erwartet hatte. Dennis zwirbelte nervös an seinem Ohrring und steckte sich eine Zigarette an, obwohl das Rauchen in der Kantine strengstens untersagt war. Irgendwie standen wir nun wie zwei kleine Kinder, die den Weihnachtsmann und seinen Gehilfen einmal aus der Nähe sehen wollten, vor den beiden. Da es heute Abend nicht noch peinlicher werden konnte, zupfte ich an Onkel Doktors Schürzenzipfel und hüstelte eindringlich.

„Hi, Doktor Chance“, rief ich gespielt heiter. „Na, auch Hunger?“ So eine geistreiche Frage konnte ja nur von mir kommen.

„Carina, Sie, hier bei mir?“ Der Arzt blickte mich erstaunt an.

Nach einer etwas peinlichen Pause hörte ich mich indiskret fragen: „Wer ist denn dein netter Begleiter?“ Jetzt duzte ich den Doc auch noch! Wo war denn das Erdloch, damit ich diskret darin versinken konnte.

„Oh, entschuldigt! Das ist mein Bruder Net! Er ist auch Arzt. Net, das sind Carina und Dennis, die springenden Schwestern, von denen ich dir schon erzählt habe!“

„Ja, ich erinnere mich. Will hat mir schon einiges von euch erzählt“, gab er zu verstehen und lächelte auf eine Art und Weise, dass sich über uns der Himmel auftat. Unfreiwillig musste ich über die Vornamen der beiden grinsen. ‚Ich WILL heute NET noch mal tanzen‘, dachte ich und verkniff es mir gerade noch, laut loszulachen.

„Hi, Net!“ Dennis nahm gleich Nets Hand und schubste mich leicht zur Seite. Ich hatte ausgedient, hieß das. Carina konnte abmarschieren. Dennis war hin und weg und himmelte den netten Net zwischen Wiener Würstchen und Kartoffelsalat an. Wie romantisch!

Gerade war ich dabei, mich wieder hinter Oberhebamme Trude einzureihen, als Doc Chance mich an sich heranzog: „Bleib doch!“

„Will net!“, entglitt es mir.

„Ach, wie schön! Nachher trinken wir Schwesternschaft!“ Will hatte mich offenbar falsch verstanden und lächelte glücklich von einem Ohr zum anderen. Prost Mahlzeit, jetzt hatte ich ihn wirklich den ganzen Abend am Hintern kleben. Aber ich schwieg höflich, als ich Dennis’ seligen Gesichtsausdruck bemerkte.

So kam es, dass ich an diesem Weihnachtsfest in Harmonie mit den Kollegen des Sankt Jerusalem Krankenhauses im Süden Berlins das Büfett einträchtig leer mampfte und im angeheiterten Zustand, im völligen Einklang mit mir selbst, ausgerechnet mit einem Gynäkologen Schwesternschaft trank. Doch der Abend war noch lange nicht zu Ende. Zwei Stunden später nämlich wurden der Krankenhaus-Julklapp und die heiß ersehnte Showeinlage durch die Pflegedienstleitung angekündigt. Die Ansprache hielt keine Geringere als Ordensschwester Epifania. Sie wälzte ihre üppigen, weltlichen Massen aufs Podest und begann mit ihrer Rede. Wie auf jeder Weihnachtsfeier bedankte sie sich bei allen Angestellten für die aufopfernde, liebevolle Arbeit im Krankenhaus. Von der Putzfrau bis zum Chefarzt seien wir alle Kollegen eines Teams, das zum Wohle des Patienten an einem Strang ziehen müsse, damit der Genesungsprozess des Patienten gewährleistet bleibe, bla bla bla bla bla.

„Und nun folgt nach alter Tradition die Verteilung der Julklapp-Geschenke. Zum Schluss darf ich im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches, erfolgreiches neues Jahr wünschen! Wir, die Pflegedienstleitung, Schwester Hedda-Marie und ich, …“ Schwester Hedda-Marie nickte wohlwollend und huldvoll mit ihren falschen, babyblauen Augen auf uns herab. „… die Verwaltung und die Ärzte haben uns diesmal etwas ganz speziell außergewöhnlich Besonderes ausgedacht: Weil unser Krankenhaus-Team zu 70 Prozent aus Frauen besteht, bescheren wir euch und uns lieben Frauen heute einen strippenden Weihnachtsmann!“

Dennis flüsterte: „Und die sieben Prozent der Homosexuellen im Hause werden ignoriert?“ Schwester Epifania zwinkerte noch einmal fröhlich in die Runde und rief: „Viel Spaß beim Zusehen oder Mitmachen! Ganz wie Sie wollen!“ Diese Frau hatte was. Niemals hätte ich einer Ordensschwester solche profanen Worte zugetraut! Ich war froh, dass nicht ihre weltliche Stellvertretung, Schwester Hedda-Marie Spieß-Bürger – der Name passte zu ihr wie die Faust aufs Auge –, ihren Platz einnahm.

Nach einem alten schwedischen Brauch, den die skandinavische Vorgängerin von Schwester Epifania eingeführt hatte, fand nun die Verteilung der Julklapp-Geschenke statt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten bis zum Vortag jeweils ein Geschenk mitzubringen, das nicht mehr als zehn Euro gekostet hatte. Jedes Paket wurde in einen großen Sack gegeben. Nun sollten jede Kollegin und jeder Kollege ein Überraschungsgeschenk daraus entnehmen. Schwester Hedda-Marie rief jeweils sechs Personen auf, die nach vorne gingen, um ihr Päckchen aus dem Geschenksack zu ziehen. Mein Name ‚La Palma’ wurde zusammen mit meiner Cousine Maria, meiner Schwester Allegra, Barbara, Lilian und Doktor Heinrich Lorentz aufgerufen. Allegra, Maria und ich befanden uns also in bester Gesellschaft

Die beiden linken Bazillen und der lange Lulatsch Lorentz stürzten als Erste nach vorne. Wir hielten uns vornehm im Hintergrund und nahmen das erstbeste Geschenk, das uns in die Hände fiel, während Doc Lorentz, Lilian und Barbara effekthaschend kicherten und langatmig im Jutesack wühlten. Dann sollten wir unsere Geschenke aufmachen, damit auch alle sahen, was wir erwischt hatten. Heinrich Lorentz hielt eine perlmuttfarbene Duftlampe mit Aromafläschchen in die Höhe, Lilian ein Allround-Schneidebrett und Barbara einen Cocktail-Shaker. Schade, alles Dinge, auf die Maria, Allegra und ich auch scharf gewesen wären. Maria hingegen musste sich mit einem Kugelschreiber und einem Notizheftchen begnügen, Allegra konnte sich von nun an mit dem Buch einer deutschen Bestsellerautorin die Nächte um die Ohren schlagen und ich hatte ein Sparschwein ergriffen. Klasse! Es wurde solidarisch geklatscht, dann waren die nächsten Glücksritter an der Reihe. Ich musste gähnen. Dennis hatte seinen Kopf auf Angies Schulter gelegt und die Augen halb geschlossen. Solche Spielchen fanden wir jedes Jahr gleich unspannend. Die ganze Angelegenheit dauerte fast eine geschlagene Stunde, aber dann verdunkelte sich endlich der Saal.