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KURZES VORWORT

Lao Zi (Lao Tse) war Archivar in der königlichen Bibliothek am Hofe der Zhou, im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Als er den Untergang des Reiches vorhersah, verließ er das Land. Am Shan-Gu Pass, 70 Kilometer westlich der damaligen Hauptstadt Xi‘an, traf er den Gelehrten Yin Xi, der dort einen Turm zur Beobachtung des Wetters und der Gestirne errichtet hatte. Die beiden Gelehrten fanden wohl Gefallen aneinander und Yin Xi forderte Lao Zi auf, sein Wissen nieder zu schreiben. Diese Vers- Sammlung wurde als Dao De Jing (Tao Te King) bekannt.

Yin Xi legte alle Ämter nieder und folgt der Lehre des Lao Zi. Letztlich, so sagt die Legende, sei er in die Wudang Berge gekommen. Unterhalb des Gipfels, hinter dem Dritten Himmlischen-Tor, wird Yin Xi in einer kleinen Höhle verehrt.

Alle Photos in diesem Band wurden in den Wudang Bergen aufgenommen. Um die Texte in ihrer Ruhe und Ursprünglichkeit stehen zu lassen, habe ich darauf verzichtet, Kommentare und Erklärungen abzugeben. In dem Blog daolaozi.blogspot.com werden nach und nach alle Verse und ihre Übersetzungen erläutert.

Teneriffa im Sommer 2014

1

der weg den wir weisen

ist kein dauernder weg

der name den wir nennen

ist kein dauernder name

unbenannt ist anfang von himmel und erde

benannt ist die mutter aller dinge

ohne verlangen offenbart sich das geheime

voller verlangen offenbaren sich die formen

beide erscheinen wie eins

doch mit verschiedenen zeichen

erscheinen im dunkel

verscheiden im dunkel

dem tor aller geheimnisse

2

nennen wir schönes schön, ist es darum nicht schön

nennen wir gutes gut, ist es darum nicht gut

sein und nicht-sein bedingen sich

schwer und leicht beheben sich

lang und kurz messen sich

hoch und tief entfernen sich

stille und stimme erklingen in sich

vorn und hinten folgen sich

daher kann der weise wandeln ohne zu handeln

und lehren ohne zu reden

alles entsteht und vergeht ohne unterlass

zeugen doch nichts bewahren

wirken doch nichts fordern

das werk vollenden ohne verweilen

ohne verweilen weilt ohne ende

3

die weisen nicht preisen verhindert den streit

die schätze nicht werten verhindert den raub

angenehmes nicht nehmen verhindert fassungslosigkeit

weises herrschen leert herzen und füllt bäuche

schwächt das verlangen und stärkt die knochen

befreit das volk von sinnen und sinnlichem

wer versteht steht zur seite

alles fügt sich ohne tun

4

der weg ist wie ein leeres gefäß

genutzt doch nicht gefüllt

unfassbare quelle allen seins

schärfe nehmen

knoten entwirren

glanz mildern

eins mit dem staub

in sich gekehrt doch stets gegenwärtig

ich weiß nicht wo es entspringt

der ursprung unserer ahnen

5

himmel und erde ohne wohlwollen

betrachten die wesen wie opfer

die weisen ohne wohlwollen

betrachten die geschlechter wie opfer

der raum zwischen himmel und erde gleicht einem blasebalg

leer doch nicht matt

bewegt bringt er hervor

mehr worte wiegen nichts

vertraue der mitte

6

die seele der senke kennt kein sterben

legenden umwobene weibliche lenden

ihr heim ist keim von himmel und erde

wehenden dunst nutze zum werden

ohne entbehren

7

himmel und erde währen ewig

warum währen himmel und erde ewig

weil sie ungeboren sind

sind sie ein ewiger born

so tritt der weise selbst zurück

und steht vorn

so hält der weise sich selbst heraus

und geht mit

ist es so