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2. korrigierte Auflage

© 2015 Yürgen Oster

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7392-7600-7

Informationen über Seminare mit Yürgen Oster

www.wudang-dao.com

In diesem Buch:

  1. Achtung und Vertrauen
  2. Vermeiden karmischer Verstrickungen
  3. Sammlung des Geistes
  4. Vereinfache dein Leben
  5. Wahrhaftiges Erkennen
  6. Gefestigt in sich ruhen
  7. Dao erlangen
  8. Anhang - Wesentliches und Hilfestellung

Über Meditation

Jeder weiß, dass Meditation wertvoll ist. Aber die wenigsten wissen, wie sie meditieren sollen. Sicher ist es hilfreich, angenehm und gesund, sich für eine Weile hinzusetzen, zu entspannen und die Gedanken fließen zu lassen oder die Gedanken auf ein bestimmtes Objekt oder Gefühl zu lenken, aber das ist nicht, was wir unter Meditation verstehen.

Es sieht so aus als müsse man sich zur Meditation nur in eine bestimmte Position setzen und die Augen schließen. Tatsächlich aber gibt es sehr verschiedene Formen der Meditation, die äußerlich nicht zu unterscheiden sind. Grundsätzlich haben Meditationen einige Gemeinsamkeiten. Der Geist, der alltägliche, mit Gedanken, Sorgen, Plänen, Phantasien, Spielereien beschäftigte sprunghafte Geist soll beruhigt werden. An seine Stelle soll Stille oder die Fokussierung auf ein bestimmtes Objekt treten, ein tieferes, feineres Bewusstsein sich öffnen, eine Verbindung geschaffen werden zu anderen, neuen Bewusstseinsstufen, zur Erleuchtung oder zu Gott. Fast alle Meditationsschulen empfehlen eine bestimmte Körperhaltung, fast alle legen Wert auf eine gerade, aufrechte Wirbelsäule. Sitz- und Handhaltungen variieren, meistens werden die Augen leicht geschlossen und bei vielen wird, zumindest am Anfang, die Aufmerksamkeit auf den Atem gelegt. Die Atmung ist jene Körperfunktion, die sich leicht beobachten und beeinflussen lässt. Der Atem stellt eine ständige Verbindung zwischen außen und innen her, er ist immer und jederzeit greifbar.

Der Atem wird entweder einfach betrachtet, wertfrei und ohne Beeinflussung, wobei manche Schulen den Atem zählen lassen, oder die Aufmerksamkeit verfolgt den Atem beim Eintritt in den Körper, bei seiner Ausbreitung oder der Fokus liegt auf den Empfindungen, die im Körper, allgemein oder in bestimmten Bereichen, auftreten. Weiterhin gibt es verschiedene Atemtechniken mit verschiedenen Rhythmen oder Verlangsamung des Atems.

Andere Richtungen bevorzugen das Singen oder Memorieren von Mantras, einfachen Keimsilben oder kurzen, gebetsähnlichen Sprüchen, die fortwährend wiederholt werden; Imaginationen, Visualisierung oder die Konzentration auf rituelle Bilder, Mandalas oder Thangkas.

Im Westen sind vorwiegend buddhistische Meditationen bekannt. Auch einige Yoga-Schulen betreiben stille Meditation. Populär sind der tibetische Buddhismus mit vielen Ritualen und sehr differenzierten Meditationen zu den unterschiedlichen Zielen. Ebenfalls sehr bekannt ist Zen, vorwiegend in seiner japanischen Ausprägung, aber auch die weniger ritualisierte Meditation der Achtsamkeit, Vipassana oder Mindfulness genannt.

Meditative Praktiken zielen zu Beginn gleich auf eine Stille des Geistes ab. Der alltägliche Geist soll zur Ruhe kommen, um einem tieferen Erleben Platz zu machen. Diese innere Ruhe ist Voraussetzung für alle weiteren meditativen Praktiken. Der normale geistige Zustand bewegt sich fortwährend in Erinnerungen oder Planungen, entweder betrachtet er Vergangenes oder Zukünftiges. Der stille Geist hält sich ausschließlich in der Gegenwart auf, richtet sich auf den Moment, der gerade ist. Dadurch erreicht das Bewusstsein eine besondere Klarheit, wird transparent und leuchtend. Wertendes, urteilendes Betrachten fällt in den Hintergrund, wenn sich die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt auflösen, wenn die Vorstellungen von einem Ich und dem anderen an Bedeutung verlieren. Während in den Anfangsphasen der meditativen Praxis noch die Gedanken wie ein Affenhorde umherspringen und der Übende sich nicht vorstellen kann, wie dort Ruhe einkehren soll, so ist er dennoch schon auf dem Weg, den Geist zu erfahren, indem er sich nicht mehr mit den Gedanken identifiziert. Selbst wenn das normale Denken, der wilde Ochse, zur Ruhe kommt, werden sich tiefere Schichten des Bewusstseins melden. Ängste, Phantasien und Projektionen, Stimmen mögen auftauchen wie im Traum, man glaubt sich in andere Welten versetzt. Alles Illusion, Täuschung des Geistes, der anscheinend nichts mehr fürchtet, als unbeschäftigt zu sein.

Die Beschäftigung mit dem Atem, einem Mantra oder einer Visualisierung, die Konzentration auf ein Objekt oder Ereignis, bildet eine der möglichen Grundstufen der Meditation. Nennen wir es Sammlung. Die andere Schule richtet sich auf eine Offenheit des Geistes, auf eine Betrachtung der Situation, aller Ereignisse im Inneren und Äußeren des Augenblicks, ohne sich an etwas zu halten, an einem sich festzubeißen, sondern alles frei von Anhaften und Bewerten zu betrachten. Es gibt diverse Versuche, meditative Methoden zu klassifizieren, sie in Gruppen zusammenzufassen. Dabei fallen Schulen in eine gemeinsame Kategorie, die unter anderen Gesichtspunkten weit voneinander entfernt sind. So entsteht natürlich vor allem für den Anfänger eine verwirrende Unübersichtlichkeit. Ich möchte einen eigenen Katalog aufstellen, nicht mit der Absicht einer endgültigen Klärung, sondern als Grundlage für die weiteren Besprechungen in diesem Buch.

Fünf Zustände des Bewusstseins in Meditation

  1. Die Stille der Gedanken, eine Offenheit, ohne den Geist zu fixieren, der freie Fluss tiefer Bewusstseinsschichten, das Auftauchen unbewusster Bilder und Situationen, die Auflösung des Ego und das Gefühl, mit dem gesamten Kosmos eins zu sein.
  2. Bewusst sein, ich bin ich, das andere ist das andere. Wahrnehmung des Geistes als Geist und als Quelle aller Erscheinungen, das ursprüngliche Bewusstsein.
  3. Erkenntnis der Leere aller Gedanken. Indem die auftauchenden Gedanken betrachtet und zurückgeführt werden zu ihrem Ursprung, wird erkannt, dass sie in ihrem Wesen leer sind. Dazu bedarf es einer meditativen Praxis, weil durch das analytische Denken selbst nicht die Natur der Gedanken erforscht werden kann.
  4. Körperbewusstsein, Wahrnehmung der Atmung, Haltung, Bewegung, Spannung oder Entspannung, Empfindung und Lenkung der Energie in bestimmten Kanälen oder Sammeln in Zentren. Trifft besonders auf körperorientierte Praktiken wie Qi Gong, Tai Ji Quan oder Yoga zu.
  5. Willenskraft, Konzentration auf eine Absicht, eine Handlung oder ein Erfolgserlebnis. Wird z.B. im Sport eingesetzt.

Es ist für viele Menschen schon sehr schwer, ihren Körper zu entspannen, umso schwerer fällt es ihnen, sich von der geistigen Spannung zu lösen.

Die meisten kommen mit ihren Vorstellungen, die ihnen den Blick auf die Wirklichkeit versperren. Die schwierige Arbeit liegt darin, diese Vorstellung beiseite zu schieben. Sie wissen zwar nicht, was DAO ist, aber sie glauben, es zu wissen. Mit jeder neuen Information, die sie bekommen, glauben sie, es besser zu wissen. Mit all diesem Glauben und Wissen stehen die Übenden der Erfahrung des DAO im Weg.

Meditation ist ein hervorragender Weg für diejenigen, die zum Beispiel schon längere Zeit Qi Gong oder Tai Ji Quan praktizieren, und nun einen Ausgleich zu den Bewegungen suchen, die etwas Ruhe in ihre Arbeit bringen wollen, und dennoch mit ihrer Entwicklung weiter vorankommen möchten. Andererseits sollten jene, die längere Zeit mit Meditation Erfahrung gesammelt haben, sich zum Ausgleich mit Qi Gong oder Tai Ji Quan beschäftigen, um nach langem Sitzen dem Körper etwas sinnvolle Bewegung zu gönnen. Mit anderen Worten, stilles Sitzen und bewegte Übungen ergänzen sich auf wunderbare Weise. Die Kombination der bewegten Übungen und der stillen Meditation sind ein mächtiges Werkzeug der Kultivierung.

Die Körperhaltung

Zunächst soll die Haltung aufrecht sein. Innerlich sinken und äußerlich aufrichten. Wichtig ist, das Steißbein nach unten zu ziehen. Anfangs wird man tatsächlich etwas Kraft anwenden müssen, später lässt man das Becken einfach sinken. Dadurch soll die Lendenwirbelsäule gestreckt und der Punkt Ming Men gegenüber dem Bauchnabel geöffnet werden. Nun wird der Nacken nach oben gestreckt. Damit es nicht zu gewaltig erfolgt, ziehe ich es vor, davon zu reden, die Nasenspitze zu senken. Der Punkt Bai Hui auf dem Schädel weist direkt nach oben zum Himmel. Nun ist auch der Punkt Ya Men, Tor des Schweigens, geöffnet. Die Energie kann entlang der Wirbelsäule und über den Nacken nach oben steigen und das Gehirn durchströmen, ohne vorher in den Mund gelenkt zu werden und nach Worten zu suchen.

Wichtig für die Haltung sind geöffnete Gelenke im Bereich der Schultern und der Hüften, sowie geöffnete Energietore im unteren Bereich der Wirbelsäule und im Nacken. Es reicht aus, die Hände auf das untere Dan Tian zu legen, linke Hand über die rechte. Feiner und etwas stimulierender sind die Tai Ji Hände. Die rechte Hand bildet eine Faust, die von der linken Hand umfasst wird und deren erstes Daumenglied von oben in der Faust steckt. Links ist Yang und rechts Yin. Stehen wir mit dem Blick zur Sonne, nach Süden, dann steigt die Sonne links im Osten auf, deshalb Yang, und geht rechts im Westen unter, Yin. Auf den alten Darstellungen der Trigramme steht der Süden oben und der Norden unten. Yang ist außen, Yin ist innen, Yang umfasst Yin.

Die Zungenspitze liegt leicht, ohne Druck am oberen Gaumen, hinter den Schneidezähnen. Sie stellt die Verbindung her zwischen dem Lenkergefäß und dem Dienergefäß. Beide haben ihren Ursprung im Punkt Hui Yin auf dem Damm zwischen Anus und Geschlecht. Das Lenkergefäß Du Mai steigt über den Rücken entlang der Wirbelsäule auf, über den Schädel, den Punkt Bai Hui passierend, über das Gesicht und endet an der Innenseite der Oberlippe. Das Dienergefäß Ren Mai steigt mittig an der Vorderseite des Rumpfes auf bis zum Punkt Chengjian direkt unterhalb der Unterlippe. Zwischen dem Hui Yin und dem Bai Hui verläuft innerlich das Zentralgefäß. Mehr brauchen wir darüber vorerst zumindest nicht nachdenken.

Anfangs wird man viel mit der Körperhaltung beschäftigt sein. Sie will ständig korrigiert werden und vor allem, sie erscheint äußerst unbequem und anstrengend. Sitzend sollst du entspannen. Die Schultern sinken lassen, ebenso den Brustkorb, jedoch nicht einsinkend. Die Anspannung der Bauchmuskeln soll sich lösen, ebenso die Rückenmuskulatur. Der Kopf bleibt gerade, aufrecht, wie an einem Faden hängend. Es wäre vermessen zu behaupten, mit Meditation zu beginnen sei eine einfache Sache. Von Stille ist man weit entfernt. Im Gegenteil, eine große Unruhe macht sich bemerkbar.

Deshalb ist es besser, sich nicht unablässig mit der Körperhaltung zu beschäftigen. Man wird immer wieder neue Möglichkeiten entdecken, die Spannung zu lösen. Millimeterweise kann sich das Steißbein weiter absenken, die Lendenwirbelsäule öffnen, können die Schultern sinken, die Arme runder werden, die Hüften offener. Es ist Teil der gesamten Entwicklung. Jedes Mal, wenn man sich setzt, beginnt man zunächst mit der Entspannung. Dann geht man zur Atmung über, die auf natürliche Weise durch die Nase erfolgt. Das ist alles, was wir suchen, Natürlichkeit.

Ein kleines Kind wird irgendwann damit beginnen, sich aufzurichten und zu stehen. Als nächstes wird es versuchen zu gehen, einen halben, einen ganzen Schritt, bevor es auf seinen Po fällt. Es geschieht ganz natürlich. Aber die meisten Eltern wollen ihr Kind bei seiner Entwicklung unterstützen, wollen helfen, damit der Erfolg sich schneller einstellt. Sie verwechseln fördern mit fordern. Als das Kind noch im Leib der Mutter war, hat es sich auch ganz von alleine entwickelt. Genau so wird sich deine Meditation entwickeln, ganz natürlich, ohne Einmischung.

Die Atmung

Es gibt keine feste Zeit, wann man meditieren sollte. Ob gleich nach dem Aufstehen, mitten am Tag oder vor dem zu Bett gehen, jede Zeit ist gut. Auch für die Dauer gibt es keine feste Regel. Für Anfänger sind schon zehn Minuten lang, später kannst du ohne Probleme eine ganze Stunde sitzen. Es ist hilfreich, eine feste Zeit am Tag für die Meditation einzuplanen. Auch ist es unterstützend, wenn man in einer Gemeinschaft meditieren kann. Es hilft bei der Routine, dabei, es zu einer festen Einrichtung in seinem Leben zu machen. Sind die Anfangsschwierigkeiten überwunden, dann findest du dich schnell in einem angenehmen körperlichen Zustand. Entspannt mit einer wohligen Wärme, die Zunge liegt locker im Mund, Speichel sammelt sich, den man gelegentlich schluckt.

Um in die Stille einzutreten kann es zu Anfang hilfreich sein, sich auf den Atem zu konzentrieren, ohne ihn zu beeinflussen. Man zählt einfach die Atemzüge und wenn