Über das Buch

Zeiten des Aufruhrs.

London im August 1940: Gegen den Willen der Hotelbesitzerin Violet Mason ist das Savoy zum Schauplatz weltpolitischer Intrigen geworden. Dennoch versucht sie mit aller Kraft, ihren internationalen Gästen den gewohnten Luxus zu bieten. Dieser Spagat wird zur Zerreißprobe, als sich der britische König im Savoy ankündigt. Denn Violet erwartet ein Kind von Max Hammersmith, und ausgerechnet dessen Ehefrau Susan ist die begleitende Hofdame des Buckingham Palace. Doch bald verblassen diese Probleme vor der politischen Realität: Der Zweite Weltkrieg tobt, und auch das Hotel Savoy droht Opfer der deutschen Luftangriffe zu werden.

Der neue Band der großen Sage über das berühmteste Hotel der Welt

Über Maxim Wahl

Hinter Maxim Wahl verbirgt sich ein deutscher Bestsellerautor, der mit seinen zahlreichen Romanen auch international Aufmerksamkeit erregte. Für seine Stoffe sucht sich Maxim Wahl am liebsten große Schauplätze der europäischen Geschichte. Er lebt in Berlin und London, und am allerliebsten im Hotel Savoy.

Im Aufbau Taschenbuch sind bisher »Das Savoy. Aufbruch einer Familie«, »Das Savoy. Schicksal einer Familie« und »Das Savoy. Geheimnisse einer Familie«, die ersten Bände seiner erfolgreichen Saga erschienen.

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Maxim Wahl

Das Savoy

Geheimnisse einer Familie

Roman

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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London 1940

1 Die Treppe

2 Vater, Mutter, Kind

3 Die erste Frau

4 Überfall

5 Lunchtime

6 Jüdin

7 Zwischen Churchills Fingern

The Blitz

8 Das Geschenk der Kanadier

9 Die große Stille

10 Beim Ticken einer Uhr

11 Max

12 Die Raupe

13 There’ll always be an England

14 Albert und Violet

15 Nichts als Himmel

16 Das Licht, der Sturm

17 Die Wanderung

18 Maxine

19 Langusten

20 Die Entscheidung

21 Die mutige Miss Mason

22 Die praktische Lösung

23 Der Einzug

24 In einer Bombennacht

Der Lieutenant

25 Mit erhobener Feder

26 Die blaue Kugel

27 Die Löwen von Trafalgar

28 All die Stunden

29 Marsch auf Tobruk

30 Mitternacht

31 Nur ein Blick

32 Ottos Beschwerden

33 On the last Day of Christmas

34 Wiedersehen

35 Der letzte Gast

Impressum

für Reinhard Deutsch

London 1940

1
Die Treppe

Umgeben von Menschen aus aller Herren Länder durchquerte Violet das Foyer. Das frisch polierte Messing schimmerte, Tageslicht brach sich im geätzten Glas. Die marmorverkleideten Säulen spiegelten den Luxus wider, der hier zur Tagesordnung gehörte.

Violet genoss die Symphonie der Halle, jenes Anstimmen und Verklingen mannigfaltiger Laute, das Gläserklirren eines früh bestellten Brandys, das Knautschen der Ledersessel. Im Tearoom schwoll die Musik des Jazztrios an und ab, jedesmal wenn eilende Kellner die Schwingtür bedienten. Die Geigen aus dem Wintergarten hingen träge in der Luft, ein zartes Singen von den Seidenkleidern der Frauen, das Rascheln der Trenchcoats. Violet war die Hüterin dieses Zusammenklangs, sie war Besitzerin des Hotels, First Lady und zugleich Arbeitgeberin, eine ungewöhnliche Konstellation für eine Frau von dreiunddreißig Jahren.

Im hinteren Bereich der Lobby erreichte sie eine zurückgesetzte Tür, die man für einen Personaleingang halten mochte. Sie betrat einen grau gestrichenen Flur, an dessen Ende die nächste Tür einen Vorratsraum oder eine Besenkammer vermuten ließ. Sie öffnete mit einem Schlüssel, den sie nicht am Bund trug, sondern um den Hals. Das Treppenhaus gehörte zum ältesten Gebäudeteil des Savoy. Auf den steilen Stufen nahm sie sich in Acht. Der Handlauf hatte Rillen und Dellen, hier waren schwere Gegenstände dagegengeschrammt worden. Die Treppe mündete auf einem Absatz vor dem nächsten Eingang, der elektrisch zu öffnen war. Es erforderte eine Zahlenkombination, ähnlich dem Schloss eines Aktenkoffers, worauf sich ein Mechanismus in Gang setzte, der die Verriegelungsbolzen löste. Violet trat ein.

»Guten Morgen, Sanders.« Ohne stehen zu bleiben, begrüßte sie den Mann in Navy-Uniform, der das Anwesenheitsbuch führte.

»Guten Morgen, Miss Mason.«

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er seine Eintragung machte und zum Telefon griff. Durch den nächsten Flur erreichte Violet eine Treppe, die zum tiefsten Punkt des Savoy führte. Dort befand sich ein Keller, der als Wäschelager gedient hatte, bevor er vor Jahren nach einem Wasserrohrbruch stillgelegt werden musste. Während sie hinunterstieg, spürte sie eine Beklemmung im Unterleib. Sie wollte es noch bis zum Fuß der Treppe schaffen, doch der Schmerz zwang sie, das Geländer mit beiden Händen zu umklammern. Violet atmete gleichmäßig, meistens wurde es dadurch besser. Doch das Ziehen und Stechen verschärfte sich derart, dass sie auf die Stufen sank.

»Laurence, was machst du denn?«, flüsterte sie vorwurfsvoll. »Was machst du nur mit mir?«

Minutenlang blieb sie sitzen und war froh, dass niemand aus dem Keller kam und sie so vorfand. Schließlich raffte sie sich auf, strich ihr blassgrünes Kostüm glatt und bediente die Klingel an der Metalltür. Ein Sub-Lieutenant öffnete ihr.

»Guten Morgen, Miss Mason.«

»Bin ich zu spät?« Sie schloss den untersten Jackenknopf.

»Drinnen ist man bereit für Sie.«

»Danke.« Sie hob den Blick.

In diesem Raum waren vor Jahren Tischtücher, Laken und Uniformen für das Personal aufbewahrt worden. Heute standen lange Reihen von Schreibtischen da, an denen Männer und Frauen saßen, manche in Uniform, die meisten arbeiteten in Zivil.

Mit fünf Schreibtischen hatte alles begonnen. Jeder war mit einem Röhrengerät ausgestattet, dazu gab es Verstärker und Aufnahmemaschinen. Von den Schreibtischen liefen schwarze Kabel zur Decke, vereinigten sich in Drahtschächten und verschwanden durch eine Öffnung nach oben. Es gab Umschaltvorrichtungen, mit deren Hilfe man von Stockwerk zu Stockwerk wechseln konnte. Die Zimmer und Suiten des Savoy, Konferenzräume, Restaurants, auch die Hotelbar, waren an diese unterirdische Anlage angeschlossen.

Lange hatte Violet sich dagegen gewehrt. In ihrem Haus sollten Menschen sich amüsieren und erholen. Von hier aus erkundeten sie London. Sie bezahlten viel Geld dafür und Violet sah es als ihre Pflicht an, jeden Gast bestens zu bedienen und exquisit zu bewirten. Was hinter verschlossenen Zimmertüren geschah, ging nur die Gäste des Savoy etwas an. Sie fand es verwerflich, dass sich in ihrem Haus geheime Horcher hinter der Wand versteckten und Gespräche rechtschaffener Leute belauschten. Zu Beginn hatte Violet Sir Sinclair unmissverständlich klargemacht, dass sie die Anlage nicht in ihrem Haus behalten wolle. Doch es war weder im Interesse Sinclairs noch der britischen Regierung, die Abhörvorrichtung wieder zu demontieren. Als Kompromiss hatte Violet dem Leiter des britischen Geheimdienstes abgerungen, lediglich ausgewählte Konferenzen und Besprechungen mitzuhören.

Im September vergangenen Jahres war England in einen neuen Krieg gezwungen worden. Nachdem Hitler auf das englische Ultimatum, sich aus dem besetzten Polen zurückzuziehen, nicht reagiert hatte, erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg. Das veränderte die Lage im ganzen Land, es veränderte die Lage im Savoy.

Violet betrat den Besprechungsraum. An jedem Platz befand sich eine Tischlampe, was den Eindruck erweckte, man befinde sich im Lesesaal einer Bibliothek.

»Guten Morgen, Gentlemen.«

Das harte Rücken der Stühle, als die Herren aufstanden. »Miss Mason«, erwiderten sie im Chor und warteten, bis Violet Platz genommen hatte.

Der Colonel ergriff das Wort. »Die Deutschen verwenden ein neues Codebuch für ihren Funkverkehr. Dadurch haben wir seit gestern einen vollständigen Blackout.«

Colonel Stewart Menzies war ein unauffälliger Herr mittleren Alters. Er hatte leutselige Augen, trug einen Schnäuzer und kämmte sein schütteres Haar von links nach rechts. Erst vor wenigen Monaten hatte er die Funktion des Geheimdienstchefs von Sir Sinclair übernommen, der an Krebs gestorben war. Sinclair galt als Pionier des SIS. Während des Ersten Weltkriegs hatte er die Abteilung für Industriespionage ins Leben gerufen, außerdem die Sektion VIII, in die auch das Savoy eingegliedert worden war. Dies hatte zur Folge, dass man sich im Wäschekeller nun auch mit der Dechiffrierung verschlüsselter Nachrichten beschäftigte.

Der Colonel wandte sich an Violet. »Zu Ihrer Information, Miss Mason: Täglich versuchen wir, unsere Typex-Maschinen nach demselben Code einzustellen wie die deutsche Chiffriermaschine. Wenn uns das nicht gelingt, dechiffrieren wir lediglich Nonsens von Nonsens. Bei dieser kniffligen Arbeit kommen unsere besten Codebrecher zum Einsatz. Dass sie in letzter Zeit erfolgreich waren, ist allein der Tatsache zu verdanken, dass wir in den Besitz eines deutschen Codebuches gelangt waren.«

Violet kannte die Funktion der Typex-Maschinen in ihrem Keller. Sie wusste, dass Menzies sich in einer schwierigen Lage befand. Er hatte das Savoy und damit Violet von seinem Vorgänger geerbt. Sie und Sinclair waren nicht immer gleicher Meinung gewesen, doch hatte sich zwischen ihnen ein Vater-Tochter-Verhältnis eingependelt, so dass Violet die Interessen des Hotels durchsetzen konnte. Mit Menzies war das anders. Es interessierte ihn nicht, dass sie eines der schönsten und traditionsreichsten Hotels Londons führte und ihre Gäste ihr mehr am Herzen lagen als die Leute, die unter der Erde die Menschen im Hotel ausspionierten.

Menzies kümmerten Miss Masons Skrupel nur insofern, als Violet ein notwendiges Übel war. Ohne sie hätte es das offizielle Savoy nicht gegeben. Sie war die Galionsfigur, das Aushängeschild, das Gesicht des Savoy. Nur sie konnte prominente Gäste aus der Welt der Kultur, des Handels, des Hochadels und der Politik empfangen. Ohne sie hätte es keine politischen Empfänge gegeben, keine Bankette, keinen Besuch der Royal Family. Da sich niemand das Savoy ohne Violet Mason vorstellen konnte, waren die Geheimdienstoffiziere gezwungen, bis zu einem gewissen Grad nach ihrer Pfeife zu tanzen. Das war der einzige Grund, weshalb Violet manchmal zu aktuellen Briefings eingeladen wurde. Sie war weder Mitarbeiterin noch Geheimnisträgerin des SIS, doch man sah sie sozusagen als Bienenkönigin an, die es dem Team um Sir Menzies erlaubte, sich in ihrem Stock aufzuhalten.

»Danke, Colonel«, antwortete Violet.

»Das Oberkommando der deutschen Wehrmacht hat wie gesagt ein neues Codebuch in Betrieb gehen lassen«, fuhr Menzies fort. »Seit gestern sind wir daher blind und taub. Wir wissen nichts über die deutschen U-Boot-Aktivitäten, die Verschiebungen der Heeresverbände und so gut wie nichts über ihre Angriffspläne im Luftkrieg. Es stellt sich uns also die Frage, welche anderen Möglichkeiten es gibt, die deutschen Codes zu knacken.« Menzies wandte sich an einen jungen Offizier. »Und hier kommt unser Lieutenant …« Er hielt inne.

»Burke«, half der Officer ihm weiter. »Lionel Burke, Sir.«

»Hier kommt Lieutenant Burke ins Spiel«, nickte Menzies. »Wenn Sie so freundlich wären, Lieutenant.«

Der Offizier stand auf. Sein Knabengesicht täuschte, er mochte im gleichen Alter sein wie Violet. Er wirkte zurückhaltend, dabei wachsam. Er schob eine widerspenstige Haarsträhne zurück und wandte sich zu einer grafischen Darstellung an der Wand.

»Die deutschen Chiffriermaschinen verwandeln Klartextbuchstaben in Nonsensbuchstabengruppen. Der Apparat hat etwa hundertfünfzigtausend Milliarden Möglichkeiten. Es würde etwa zehntausend Jahre dauern, jede mögliche Chiffrierung auszuprobieren.«

»So viel Zeit haben wir naturgemäß nicht.« Menzies spornte den Lieutenant an, auf den Punkt zu kommen.

»Einfach ausgedrückt setzt die deutsche Chiffriermaschine ein Geheimnis ein, das wiederum in einem anderen Geheimnis versteckt ist. Wenn wir das innere Geheimnis lüften wollen, brauchen wir eine Maschine, die innerhalb des äußeren Geheimnisses agiert, ohne dabei aufzufallen.«

»Deshalb haben wir Sie heruntergebeten, Miss Mason«, übernahm der Colonel. »Die Maschine, von der Lieutenant Burke spricht, ist groß und besteht aus vielen Einzelteilen. Um sie im Hotel und damit im Herzen Londons zu installieren, müssen wir sie zerlegen. Es bedarf mindestens eines Tages, um sie unter die Erde zu schaffen. Außerdem müssen wir die Elektrizität im Keller verstärken, das bedeutet, neue Leitungen zu legen. Damit sind Arbeiten verbunden, die vor Ihren Gästen nicht zu verheimlichen wären. Es werden Stemmarbeiten durchgeführt, Schutt muss abtransportiert werden, mit anderen Worten, wir brauchen ungestörten Zugang zum Hotel.« Abwartend sah er Violet an.

»Es ist Mitte Mai, Colonel. Wir haben Vollbelegung. Ich kann mein Hotel unmöglich schließen, auch nicht vorübergehend. Ich kann auch meine Gäste nicht ausquartieren, nicht einmal für einen Tag.«

Menzies hob die Hand. »Bei normalem Hotelbetrieb wäre die Aktion nicht durchzuführen, das ist uns klar. Wir dachten daher an einen Notfallplan, der Ihnen erlauben würde, das Hotel zu schließen.«

»Was meinen Sie mit Notfall?«

»Am glaubhaftesten fänden wir, wenn es ein Feuer gibt.«

»Ein Feuer im Savoy?«

»Ein fingiertes Feuer natürlich.«

»Sie wollen, dass es in meinem Haus brennt?«

»Nur fiktiv, Miss Mason. Die Feuerwehr wäre zur Stelle, um die Täuschung perfekt zu machen. Am nächsten Tag wäre alles wieder vorbei.«

Am liebsten hätte Violet rundweg Nein zu dem Vorschlag gesagt. Es wurde immer mehr, es griff immer weiter um sich. Zuerst waren es ein paar Fremde mit Kopfhörern im Keller, bald darauf rückte der SIS mit verstärkter Mannschaft an. Schließlich tauchten die Typex-Maschinen auf. Und jetzt sollte eine Apparatur dazukommen, wegen der man Wände aufstemmen und Fußböden durchbrechen musste. All das hatte mit der eigentlichen Aufgabe des Savoy nicht das Geringste zu tun.

»Nicht das Geringste«, sagte sie und bemerkte durch die erstaunten Blicke der Herren, dass sie den letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte.

»Sir Menzies, als Ihr Vorgänger mich gebeten hat, die Anlage, die ein Verbrecher ohne mein Wissen hier installiert hatte, in den Dienst Englands zu stellen, habe ich zugesagt, weil ich meine patriotische Pflicht erfüllen wollte. Heute bitten Sie mich, Dinge zu tun, die meinem Hotel Schaden zufügen.«

Sie lehnte sich zurück und wartete, wie die Anwesenden darauf reagieren würden. In dieser Haltung verharrte Violet aber nur einen Augenblick. Ihr Oberkörper fuhr nach vorn, sie krümmte sich. Mit beiden Händen hielt sie ihren Unterleib fest. Was da zog und zerrte, war nicht das Kind in ihrem Leib, es war ein Schmerz, den sie so noch nie gespürt hatte. Sie fühlte Blut an ihren Schenkeln, auch auf dem Ledersitz, sie spürte die warme Flüssigkeit ihr Bein hinabrinnen. Mit einem Schrei, der einem Seufzen wich, sank sie auf die Platte des langen Tisches. Die vielen Lampen blendeten sie. Die Männer waren nur noch Silhouetten. Das Letzte, was sie wahrnahm, waren die goldenen Streifen auf dem Ärmel von Lieutenant Burke.

2
Vater, Mutter, Kind

Gleich zwei Rettungswagen hielten vor dem Savoy. Lieutenant Burke hatte das Krankenhaus nicht über die Hotelrezeption, sondern mithilfe der SIS-Linie verständigt. Als der besorgte Rezeptionist von Miss Masons Zustand erfuhr, alarmierte auch er die Rettung.

Violet kam rasch wieder zu Bewusstsein. Die Aufregung um ihre Person missfiel ihr. Von der Krankenbahre aus erteilte sie Anweisungen: Die Wagen mit dem kreisenden Blaulicht sollten vor dem Haupteingang verschwinden und das Martinshorn abstellen. Sie dirigierte die Bahrenträger zum Personaleingang. Erst dort ließ sie sich ins Heck eines der Krankenwagen verfrachten.

Obwohl alles ziemlich schnell gegangen war, ließ sich die Tatsache, dass die prominente Hoteldirektorin durch ihr eigenes Foyer getragen wurde, nicht geheim halten. Violet fand ihr Konterfei häufig auf Titelseiten und in Gesellschaftsnachrichten. Sie war eine Frau, über die man sprach. Welches Kleid sie bei einem offiziellen Anlass trug, mit wem sie gesehen wurde, war Salz in der Suppe der Londoner Society.

Ein Reporter des Evening Standard gab die Meldung, dass Miss Mason ins St. Bartholomew’s Hospital eingeliefert worden sei, an seine Redaktion durch.

Violet lag in einem hübschen Einzelzimmer mit hässlicher Aussicht. Während sie vom Bett aus einen Teil des Innenhofes überblickte, der eher einem Gefängnishof glich, dachte sie an einen anderen Patienten dieser Klinik. Es war mehrere Jahre her, seit ihr Großvater, Sir Laurence Wilder, nach seinem Zusammenbruch ebenfalls hier behandelt worden war.

Nach dem frühen Tod ihrer Mutter, nachdem ihr Vater, der Vagabund, sich davongemacht hatte, verbrachte Violet ihre gesamte Kindheit im Savoy. Damals stellte Sir Laurence für sie Vater, Großvater und gleichzeitig ihren besten Freund dar. In dieser Zeit liebte sie das Hotel, in dem Larry herrschte, das verzauberte Gebäude an der Themse, das jeden Tag seinen eigenen Sonnenauf- und -untergang erlebte. Hier arbeiteten, bedienten, genossen und vergnügten sich Menschen, die nicht nur aus der ganzen Welt kamen, sondern auch für die ganze Welt standen. Das schottische Blumenmädchen, das von einem Wiener Baron hofiert wurde, der einbeinige Zigarettenverkäufer, die Witwe des Ölmagnaten, die Heidelberger Gouvernante, der französische Maler, der jüdische Unterhändler, der Captain der Royal Air Force, die polnische Autorin französischer Liebesromane und die Stenotypistin, die für ein Extrahonorar nachts in das Zimmer des Bankdirektors schlüpfte.

Violets Großvater hatte die Berühmtheiten seiner Zeit, die im Savoy abstiegen, persönlich gekannt und war mit manchen befreundet gewesen. Sie hatte Chaplin in der Hotellobby Faxen machen sehen. Charles Lindbergh ließ sich nach seiner Atlantiküberquerung im Savoy feiern. Premierminister Lloyd George lud seine Regierung zum Lunch hierher ein, King George liebte das Chocolate Chunk Shortbread, das im Tearoom gereicht wurde. Ereignisse wie diese prägten Violets Kindheit. Trotzdem oder gerade deshalb musste sie dem Savoy irgendwann Lebewohl sagen.

Zuerst arbeitete sie als Assistentin an verschiedenen Londoner Theatern, später versuchte sie ihr Glück bei der BBC, wo das neue Medium Radio gerade den Kinderschuhen entwuchs. Violet hätte eine Karriere als Radioautorin machen können, wenn das Schicksal ihres Großvaters sie nicht in das wunderbare, das verfluchte Hotel zurückgeholt hätte.

Zweimal hatte man Anschläge auf Sir Laurences Leben unternommen. Bevor er durch den darauffolgenden Schlaganfall fast gestorben wäre, traf er Vorsorge. Er vermachte Violet den Löwenanteil des Hotels und damit die Verfügungsgewalt. Nicht Larrys leiblicher Sohn Henry, sondern seine uneheliche Enkelin sollte die neue Direktorin sein. Nach mehreren Fluchtversuchen aus diesem aufgezwungenen Schicksal hatte Violet das Vermächtnis ihres Großvaters angenommen. Sie trat in seine Fußstapfen, sie selbst wurde das Sinnbild des Savoy.

Sie richtete sich so weit auf, wie der Schmerz es zuließ, und betrachtete durch das Fenster die Fassade gegenüber. Seine letzten Jahre hatte Larry zu Hause verbracht. Sein Zimmer im Hotel verfügte über eine moderne medizinische Ausstattung. Dort war Sir Laurence eines Nachts im vergangenen August für immer eingeschlafen. Obwohl er seit Jahren nicht mehr sprechen konnte, hatte Violet bis zuletzt Zwiesprache mit ihm gehalten. Er war gestorben, während in London Sommer herrschte und Frieden. Er war gestorben, wenige Tage bevor Hitler Polen überfallen hatte. Dieser neue, widerliche Krieg war ihm erspart geblieben.

Violet hörte ein Geräusch und erschrak. War sie etwa nicht allein? Wer saß in der Ecke mit überschlagenen Beinen und wippte mit dem Fuß? Am Blau des Beinkleids erkannte sie eine Uniform.

»Oh, Sie sind wach«, sagte eine sympathische Männerstimme.

Sie entdeckte die goldenen Streifen auf seinem Ärmel. »Lieutenant Burke? Was machen Sie denn hier?«

»Wir wussten nicht, wen wir verständigen sollten, Miss Mason.« Er trat an ihr Bett. »Die Frage der nächsten Anverwandten ließ sich nämlich nicht eindeutig beantworten.«

»Meine Familienverhältnisse sind ein bisschen kompliziert, das stimmt.«

»Ihr Onkel Henry schien uns der Nächste zu sein. Er war leider nicht zu erreichen.«

»Henry ist nie zu erreichen. Er beschäftigt sich ausschließlich mit seinen Uhren.«

Lieutenant Burke zog den Stuhl an Violets Bett heran. »Uhren?«

»Er ist ein leidenschaftlicher Uhrensammler und repariert ständig an seinen Lieblingen herum.« Violet schmunzelte. »Sie hätten mich nicht zu begleiten brauchen, Lieutenant. Man kümmert sich hier gut um mich.«

»Der behandelnde Arzt hat mir mitgeteilt, dass Sie …« Er strich durch sein widerborstiges Haar. »Also, dass Sie guter Hoffnung sind.«

Sie musterte sein kluges, ein wenig scheues Gesicht. »Da es noch nicht allzu deutlich zu sehen ist, habe ich es bisher für mich behalten.«

»Verzeihen Sie meine Indiskretion. Es geht mich wirklich nichts an, nur …«

»Ja?«

»Sollte der Vater des Kindes nicht hier sein? Vielleicht hat man ihn noch nicht verständigt.«

»Sie haben recht, unter normalen Umständen müsste der Vater meines Kindes hier sein.«

Violet gab sich typisch britisch – freundlich, kühl, überlegen. Ihre Haltung widersprach den wahren Verhältnissen diametral. Sie war als werdende Mutter nicht mehr die Jüngste. Sie mutete sich zu viel zu, in ihrem Job war das unvermeidlich. Dabei freute sie sich auf das Kind, liebte es jetzt schon über alles und hatte es im Geheimen Laurence getauft. Sollte es ein Junge werden, kam kein anderer Name infrage. Auf den Vater des Kindes konnte sie nicht zählen, und daran würde sich auch niemals etwas ändern. Manchmal träumte Violet davon, ihr Baby in einem Häuschen an der Küste großzuziehen, dann wieder dachte sie, dass es eine ähnliche Kindheit erleben sollte wie sie selbst, ein Hotelkind, behütet von den Angestellten des Hauses.

»Verzeihen Sie, ich wollte nicht in Sie dringen«, unterbrach der Lieutenant ihre Gedanken.

»Das tun Sie nicht. Danke, dass Sie sich um mich sorgen. Aber jetzt können Sie getrost wieder an Ihre Arbeit zurückkehren.«

Die Tür ging auf, herein trat ein Mann im weißen Mantel. Sein Haar war glänzend schwarz, seine Hautfarbe für englische Verhältnisse dunkel. Indische Ärzte galten an britischen Krankenhäusern als zuverlässig, weniger ruppig als ihre englischen Kollegen, die Patienten manchmal wie Rekruten behandelten.

»Ich bin Dr. Morphed. Ich leite die gynäkologische Abteilung«, stellte er sich vor.

»Und wo ist der Arzt, der mich heute Morgen untersucht hat?«

»Dr. Smythe gehörte zur Nachtschicht. Ich hoffe für ihn, dass er schläft.«

Am Ausdruck des Inders erkannte sie, dass er öfter mit dieser Frage konfrontiert wurde und gewöhnt war, nach seiner Hautfarbe beurteilt zu werden. Auch der Name Morphed stellte keine besonders gute Visitenkarte für einen Arzt dar.

»Nun, da wir alle beisammen sind, lassen Sie mich gleich zur Sache kommen.« Morphed schüttelte dem überraschten Lieutenant die Hand. »Es ist noch zu früh für eine endgültige Diagnose«, sagte er zu Violet. »Aber bei Ihren Symptomen lässt sich eine beginnende Plazenta praevia nicht ausschließen. Ihre plötzliche Blutung war ein Warnsignal.«

»Sie sollten das besser nicht in meiner Gegenwart besprechen«, ging Lieutenant Burke dazwischen.

»Das kann ich mir vorstellen, Sir.« Der Arzt lächelte leutselig. »Männer haben meistens großen Respekt vor den Vorgängen, die zur Entstehung des Lebens führen. Ich will es daher einfach ausdrücken. Es ist wichtig, dass die Plazenta mit dem Uterus in Verbindung bleibt, sonst würde das Kind als Fremdgewebe im Mutterleib abgestoßen werden.«

»Sie begreifen noch nicht«, versuchte es Burke ein zweites Mal. »Ich stehe nicht in jenem Verhältnis zu Miss Mason, wie Sie annehmen.«

Morpheds Blick ging zwischen dem Officer und der Patientin hin und her. »In welchem Verhältnis stehen Sie denn zueinander?«

Violet entschlüpfte ein Lachen. »Ich habe den Lieutenant vorhin erst kennengelernt.«

»Und was wollen Sie dann hier?«, fragte der Arzt streng. »Ich bin natürlich davon ausgegangen …«

»Dass er der Vater ist?« Durch die Verwechslung bekam Violet plötzlich unerklärlich gute Laune. »Was meinen Sie dazu, Lieutentant? Ihnen sollen bereits in jungen Jahren Vaterpflichten aufgebürdet werden.«

»Ich hätte nichts dagegen«, gab er zurück. »Sobald ich die richtige Frau gefunden habe, bin ich sicher, dass ich meine Familie sehr lieben werde.«

»Da Sie also nicht der Vater sind, muss ich Sie bitten, das Zimmer zu verlassen«, sagte Dr. Morphed.

»Selbstverständlich, Doktor.« Der Lieutenant nahm Haltung an. »Darf ich irgendjemanden für Sie verständigen, Miss Mason?«

»Das übernehmen wir schon.« Dr. Morphed war sichtlich daran gelegen, den Besucher hinauszukomplimentieren.

»Es gibt tatsächlich jemanden«, antwortete Violet. »Versuchen Sie bitte nochmals, meinen Onkel zu erreichen. Sie finden ihn bei seinen Uhren.«

»Ich kümmere mich darum.«

»Danke, Lieutenant.« Sie drückte ihm die Hand.

Nachdem er gegangen war, begann Dr. Morphed mit der Untersuchung.

Dass ich meine Familie sehr lieben werde. Violet dachte an Burkes Worte. Sein Besuch hatte ihr gutgetan. Vater, Mutter, Kind, dachte sie, so sollte es sein. Warum war es bei ihr nicht so?

3
Die erste Frau

»Ich weiß nicht, ob ich das kann.«

»Du kannst es, Onkel.«

»Warum muss immer alles so schwierig sein?« Henry Wilder seufzte. Gedankenverloren strich er die Knopfleiste seiner Weste entlang.

»Ich finde es nicht allzu schwierig.« Aufgerichtet saß Violet im Bett. »Es ist nur so, dass die Schwierigkeiten des Lebens nicht wie beim Reparieren einer Uhr zu beseitigen sind.«

»Deshalb liebe ich meine Uhren«, antwortete er. »Ihr Innerstes ist vorhersehbar. Es gibt nichts, was ich an einer Uhr nicht reparieren könnte.«

»Leider besitzen Menschen keine so simple Mechanik.«

»Eine Uhr ist nicht simpel. Damit sie zum Laufen kommt, brauchst du ein Federwerk, eine Unruh und die dazu passende Hemmung, einen Kugelumlauf und das Zeigerwerk.« Mit seinen blassen Fingern versuchte Henry, das System zu beschreiben. »Eine Uhr ist eine kleine Welt innerhalb der großen, Vi.«

»Genau wie das Savoy. Auch das Hotel ist eine Welt für sich. Und ich muss sie am Laufen halten.«

»Keiner könnte das Savoy kompetenter und glamouröser führen als du.«

»Damit ist es nun bald vorbei.« Liebevoll strich sie über die Rundung ihres Bauches. »Hier ticken nämlich zwei Uhren. Und die eine ist von der anderen abhängig.«

»Ach, wie soll es nur weitergehen?« Henry stellte keine Frage, er formulierte lediglich das unlösbare Problem, vor dem er stand, seit seine Nichte ihm ihren Zustand eröffnet hatte. »Wie um Himmels willen soll es weitergehen?«

Das Verhältnis zwischen Violet und ihrem Onkel war während der Jahre in sonderbaren Wellen verlaufen. Der scheue Mensch war ihr von früher Kindheit an ans Herz gewachsen. Obwohl er bereits in seinen Fünfzigern war, hatte sich Henry etwas von einem Knaben bewahrt. Er war der einzige Sohn von Sir Laurence und hätte ursprünglich dessen Nachfolger werden sollen. Larry war ein beeindruckender Mann gewesen, raumverdrängend, elegant, dabei freundlich und weitsichtig. Dagegen reichte Henrys Kraft kaum aus, sich um sein eigenes verwirrtes Selbst zu kümmern. Stets lebte er in der Gewissheit seiner Unzulänglichkeit. Die Aussicht, ein großes Hotel zu führen, überforderte ihn schon in der Vorstellung. Daher hatte er es als Segen empfunden, als sein Vater nicht ihm, sondern der dynamischen Violet die Hotelleitung übertrug. Wäre da nicht Judy gewesen, Henrys Frau, sein Schutzschild, die Befestigung seines schwächlichen Daseins.

Judy hatte Henry während seiner besten Jahre kennengelernt, als ihn noch jedermann für den Kronprinzen vom Savoy hielt. Selbst damals war Henry kein Mann, zu dem man aufblickte oder der Leidenschaften bei Judy auslöste. Von Anfang an begriff sie, dass er der Aufgabe, in die Fußstapfen von Sir Laurence zu treten, nicht gewachsen war. Da auch er spürte, dass er jemanden wie Judy brauchte, war ihre Verbindung die perfekte Symbiose. Nach der Hochzeit gab sie ihre eigenen Pläne auf und widmete sich nur noch der Sorge um ihren Mann – und um das Savoy.

Als ein charismatischer Hotelgast namens Viktor Kamarowski an Judy herantrat und ihr seinen Plan offenbarte, versprach sie ihm Gefolgschaft nicht etwa aus einer Schwäche heraus, es war vielmehr ihre Stärke, die sie zu seiner Partnerin machte. Judy hinterging ihren Schwiegervater Sir Laurence, sie betrog auch Violet. Jede ihrer Handlungen zeugte von Judys erstaunlicher krimineller Energie, ohne dass Henry von alledem etwas gewusst hätte. Vielleicht wollte er es nicht wissen und vergrub sich stattdessen im Universum seiner Uhren.

Kamarowski agierte als Unterhändler der Nazis, er hatte Verbindungen zu den Amerikanern, den italienischen Faschisten, sogar zum japanischen Kaiserhof. Er verkaufte nichts, was man mit Händen greifen konnte, und doch war seine Ware tausendmal wertvoller. Kamarowski handelte mit Informationen. Seine dunkle Genialität lag darin, Neuigkeiten von politischer Tragweite als Erster anzubieten. Zu diesem Zweck hatte er das Savoy zum Schauplatz seiner Aktionen auserkoren und sich Judys Mittäterschaft versichert. Er verwandelte das Savoy in eine Spionagestation im Herzen Londons. Der Plan scheiterte an Violet. Es gelang Kamarowski nicht, die rechtmäßige Besitzerin des Hotels zu verdrängen. Das Gegenteil seiner Absichten trat ein. Die britische Regierung entdeckte das Abhörsystem im Savoy und übernahm es kurzerhand. Die Apparatur im Wäschekeller stand von nun an im Dienste der Krone. Sir Sinclair, der Chef des Geheimdienstes Seiner Majestät, motivierte Violet zur Kooperation.

Das war der Zeitpunkt, zu dem Kamarowski die Seiten wechselte. Um dem Gefängnis zu entgehen, stimmte er zu, von nun an für die Briten zu arbeiten, und setzte seine internationale Tätigkeit unter veränderten Vorzeichen fort. Judy Wilder wurde dagegen angeklagt und zu fünfundzwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt. Damit hatte sie noch Glück. Sobald Hitler zum Kriegsgegner der Engländer wurde, hätte ihr Verbrechen als Hochverrat ausgelegt werden können, und darauf stand die Todesstrafe. Judy kam in Einzelhaft, Henry durfte sie nicht besuchen. Damit wurde er gewissermaßen zum Witwer. Er vereinsamte zunehmend und verkroch sich immer tiefer in die Gehäuse seiner Uhren.

Währenddessen wurde Violet zu einer prominenten Frau. Jung, attraktiv und weltgewandt war sie mehr als nur die Direktorin eines Hotels. Doch trotz aller Aufmerksamkeit, die man ihr entgegenbrachte, fühlte auch sie sich allein. Im Unterschied zu Henry erlebte sie diese Einsamkeit jedoch, während sie von hunderten Menschen umgeben war, die Einsamkeit in der Menge.

»Ich kann dir sagen, wie es weitergehen soll.« Violet betrachtete das alte Jungengesicht ihres Onkels. Blass und eingefallen sah er aus, der blonde Haarschopf war ergraut. »Ich brauche dich. Weil du der Einzige bist, dem ich wirklich vertraue.« Sie nahm seine schmale Hand. »Wir beide zusammen, Onkel, wir schaffen das, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht«, murmelte er.

»Kann ich auf dich zählen?«

»Das konntest du immer, Vi. Ich hatte nur den Eindruck, dass dir meine Hilfe nicht besonders viel bedeutet.«

Sie saßen noch eine Weile beisammen und besprachen die drängenden Fragen des Hotels. Mr Geoffries, der leitende Butler, war den Anforderungen seines Jobs nicht gewachsen. Man würde ihn ersetzen müssen. Als die Tür aufging und die Schwester das Abendessen brachte, äußerte Henry eine Idee, die so unkonventionell war, dass Violet Mut schöpfte, mit ihrem Onkel den richtigen Partner gewählt zu haben.

»Warum nehmen wir keine Frau?«, fragte er.

»Eine Frau als Chefbutler?« Violet strich die Decke glatt, damit die Schwester das Tablett abstellen konnte. »Das hat es noch in keinem großen Londoner Hotel gegeben. Ich weiß nicht, ob es in England überhaupt schon einmal einen weiblichen Butler gab. Hättest du denn jemanden für die Aufgabe im Auge?«