Der bunte Vogel: Gedichte

Verfasser: Rudolf von Kapri

1. Ewiges Österreich!

Dir, mein Land, gilt mein erster Gesang:
Österreich darf ich dich wieder heißen!
Heiliger Name, niemals gelang,
dich aus unseren Herzen zu reißen.
Wachse ins Weite, Zauberwort,
widerhallend in den befreiten
Bergen der Heimat von Ort zu Ort,
kling in die Herzen für künftige Zeiten,
kling aus den Herzen auf in den Tag,
den wir als Tag der Freiheit lobpreisen,
und selbst im fernsten Waldesschlag
geigen die Engel noch selige Weisen:


Ewiges Österreich!


2. Einschiffung nach Cythere

Zu dem Bild des Antoine Watteau


Siehst du die goldene Barke, die im Hafen der Träume hält?
Magisch wölbt sich der starke Laubbaum zum Liebeszelt:
in seine sanfte Verfärbung spielt ein rätselhaft Licht,
und im Tumult der Werbung glüht manch süßes Gesicht.
Seidig schimmernde Frauen wie ein ewiger Lenz –
in ihren Blicken tauen Gärten des Orients.
Lüsterne Amoretten weben verbuhlt um zwei,
die sich ins Grüne betten, Fäden der Zauberei.
Sagt uns des Meisters Pinsel, wohin es die Paare zieht?
Zu Aphroditens Insel, aus der das Glück nie flieht!


3. Drei Weihnachten

Kein Stern im Dunkel …


Kein Stern im Dunkel. Kein Weiser frägt:
»Wo ist der neue König der Juden?«
Nur Mächtige seh' ich, die Schuld auf sich luden,
ein Fluch ihre Namen ins Weltall trägt.
Kein Wunderzeichen am Himmel loht.
Heerzüge geistern – vorn reitet der Tod.
In tausend Häusern liegen und kauern
vieltausend, die künftig ihr Leben vertrauern,
Verstümmelte gar, die – nichts als ein Rumpf –
in Körben hocken, Blinde, die stumpf
ihr Dasein verdämmern, Irre und Kranke …
Kein Licht im Dunkel, kein Trostgedanke?


So still ist die Nacht! Dein Herz nur schlägt,
Geliebte, und ist traumhaft bewegt.
O wende es ihnen allen zu,
die nimmer finden Glück noch Ruh!
Du lächelst im Schlaf, als tätst du lauschen
dem Lied der Engel und Fittichrauschen,
als knospe Hoffnung zag und zart,
daß doch ein Erlöser geboren ward!


4. Traum von Bethlehem

Diese Weihnacht ist schwarz und schwer
in das leidende Land gezogen,
und die Hoffnungen, die getrogen,
schweben lemurenhaft um uns her.


Diese Weihnacht rührt auf und klagt:
Gott hat die Seinen verlassen! Das Grauen
wächst ins All … Traumselig zu schauen
ist dem wunden Gemüt versagt.


Aber jäh bist du süß erregt:
Irgendwo hebt es an zu singen,
und ein Lied wie auf Engelsschwingen
lindert das Leid, das die Welt bewegt.


Sei nur getrost: Es wendet sich bald!
Kerzenschimmer verklärt die schlichte,
diesmal ach so kleine Fichte
aus einem burgenländischen Wald


und verzaubert zum Diadem
Christbaumschmuck vom vorigen Jahre,
und du träumst vom hochheiligen Paare
fern im Stall von Bethlehem …


5. In der Zeiten Irrsal

Nicht einmal ein Christbaum heuer?
Hol' ihn selbst im Winterwald!
Sterne sprühn ihr kaltes Feuer
in den Bildern sagenalt,
doch den Weg weist uns ein neuer
Stern mit magischer Gewalt.


Folge diesem Sterngeflimmer
wie der Stimme tief in dir!
Komm, denn dieses Licht trügt nimmer!
Plötzlich spürst du: wir sind hier.
Aus dem Stalle fällt ein Schimmer,
daß ich nicht das Ziel verlier'.


Laß von Bethlehem uns träumen –
Trostnacht, Weihnacht, Zauberwort!
Laß uns suchen ohne Säumen
nach dem fern entrückten Ort.
Doch des Schicksals Wogen schäumen
in der Zeiten Irrsal fort …


6. Terzinen im April

Ich sehne mich nach einem Blütenzweig,
nach einer Bank, besonnt, umblaut von Flieder.
O Spielmann Frühling, komm' zu mir und geig'!


Der Falter Hoffnung gaukelte schon nieder.
Ganz alte Häuser schauen nach dem Park
mit Fenstern, goldverbrämt, und lächeln wieder


An diesem lauen Abend sprengt den Sarg
der tote Kaiser Herbst, aus Steines Wänden
ersteht er zauberjung und zauberstark


und treibt, das Schwert in hochgereckten Händen,
des Winters Waffenknechte vor sich her – –
bald wird die Welt in Blüten sich verschwenden.


Der Himmel wird ein amethystnes Meer,
auf welchem Wolkenbarken leise gleiten
zum Purpurhafen. Selige Wiederkehr


verheißt das Licht. Die müden Menschen schreiten
leichtfüßiger, weiß niemand auch, warum …
und zage Wünsche bunte Flügel spreiten.

Mitten im Alltag geht das Wunder um.


7. Die Blütengasse

In dieser Gasse, eben noch durchklingelt,
durchlärmt, durchgrellt vom fühllos rauhen Tag,
wohnt jetzt der Traum: wo herbe Helle lag,