Titel

Garrett M. Graff

Und auf einmal diese Stille

Die Oral History des 11. September

Aus dem amerikanischen Englisch von Philipp Albers und Hannes Meyer

Suhrkamp

Widmung

Für meine Tochter Eliza
und für alle Kinder, die von 9/11 betroffen sind.
Ich hoffe, dieses Buch hilft euch,
die Welt zu verstehen, in der ihr lebt.

Vorbemerkung

So gut wie jeder über einem gewissen Alter weiß noch ganz genau, wo er oder sie am 11. September 2001 gewesen ist. Was wie ein ganz gewöhnlicher Tag begann, wurde zur tödlichsten Terrorattacke der Weltgeschichte und zum schlimmsten Angriff auf die Vereinigten Staaten seit Pearl Harbor. Die Ereignisse versetzten die Weltgemeinschaft in Angst und Schrecken und bescherten uns unvorstellbare Tragödien und Leid. Zugleich machten sie uns aber auch bewusst, welche Stärke, welcher Mut, welche Kraft dem Menschen eigen ist. An diesem Tag stiegen in einem buchstäblichen Sinne Helden aus der Asche empor. Und die Stunden und Entscheidungen, die auf die Ereignisse folgten, prägten nicht bloß eine Generation, sondern bestimmen das Weltgeschehen bis heute.

Insgesamt starben im World Trade Center in New York 2 ‌606 Menschen, weitere 125 kamen im Pentagon ums Leben. 206 Menschen starben, als die Flugzeuge, in denen sie saßen, entführt und in die Zentren der finanziellen und militärischen Macht Amerikas gesteuert wurden: American Airlines Flight 77, United Airlines Flight 175, American Airlines Flight 11 – Flugnummern, die seitdem nicht mehr verwendet werden und die in die Geschichte eingegangen sind. Weitere 40 Menschen starben in Shanksville, Pennsylvania, als mutige Passagiere und Mitglieder der Bordbesatzung den Entführern die Kontrolle über United Flight 93 entrissen. Das 9/11 Memorial & Museum in New York ehrt eine Gesamtzahl von exakt 2 ‌983 Opfern, darunter sechs Personen, die im Jahr 1993 beim ersten Anschlag auf das World Trade Center getötet worden waren. Dieser Anschlag war von den Vorläufern jener Terrorgruppe verübt worden, der es schließlich acht Jahre später gelang, diese Gebäude in nur 102 Minuten zum Einsturz zu bringen. Unter den Opfern des 11. September befanden sich nicht bloß Amerikaner, sondern Bürgerinnen und Bürger aus über 90 verschiedenen Nationen.

Die Zahl der Opfer geht über die Toten allein hinaus; mehr als 3000 Kinder verloren am 11. September ein Elternteil, darunter sind etwa 100 Kinder, die erst im Lauf der darauffolgenden Monate zur Welt gekommen sind und die niemals ihre Väter kennenlernen sollten. Über 6000 Menschen wurden verletzt und viele weitere erlitten bei den anschließenden Aufräumarbeiten Verletzungen – physischer wie psychischer Natur, einige davon am Ende tödlich. Weit über die offiziellen Zahlen hinaus bewegten die Angriffe jedoch beinahe jeden damals lebenden amerikanischen Bürger sowie Hunderte Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen jenseits unserer Küsten, als sich die Nachricht von den Angriffen auf der ganzen Welt verbreitete.

Ich habe drei Jahre damit zugebracht, die Geschichten der Leute zu sammeln, die den 11. September durchlebt und durchlitten haben – wo sie waren, woran sie sich erinnern und wie sich ihr Leben seitdem verändert hat. Das folgende Buch basiert auf mehr als 500 Zeitzeugenberichten – Interviews, die von mir und Dutzenden weiteren Historikern und Journalisten im Verlauf der letzten siebzehn Jahre geführt worden sind. Ich bin den interviewten Personen zutiefst dankbar für ihre Beteiligung und für ihr Einverständnis. Die Geschichtsschreibung möchte diese Erzählungen und Geschichten aufgezeichnet sehen – und sie ist auf sie angewiesen.

Gemeinsam betrachtet können uns diese Erzählungen dabei helfen, einen Tag zu begreifen, mit dessen Bewältigung wir bis heute beschäftigt sind. Eve Butler-Gee, die zur Zeit des 11. September als Verwaltungsmitarbeiterin im US-Repräsentantenhaus tätig war, hat in ihrem Zeitzeugenbericht darauf hingewiesen, wie fasziniert alle von ihren eigenen persönlichen Erinnerungen an diesen Tag sind: »Mir ist aufgefallen, dass wir den Geschichten der anderen nicht wirklich zuhören. Wir haben das Bedürfnis, vor allem unsere eigene Geschichte zu erzählen. Jemand fängt an zu erzählen, ›Ja, ich war dort-und-dort‹, und der Gesprächspartner unterbricht, reißt das Gespräch an sich und sagt: ›Also für mich war es so-und-so.‹ Wir sind immer noch in vielerlei Hinsicht schockiert, dass diese Dinge in unserem Land passiert sind, dort, wo wir uns am sichersten gefühlt haben. Das sitzt uns immer noch ganz tief im Gedächtnis.« Ihre Beobachtung hat sich für mich während dieses Projekts immer wieder bewahrheitet. Denn jedes Mal, wenn ich den 11. September gegenüber Freunden oder Bekannten erwähnt habe, fingen sie ohne Umschweife damit an, ihre eigenen Geschichten auszubreiten. Ihre Erzählungen waren oftmals von herzzerreißender Intimität. Dieses Buch unternimmt den Versuch, sich auf die Geschichten der anderen einzulassen, ihnen wirklich zuzuhören. Es versucht zu verstehen, was es hieß, diesen Tag unmittelbar zu erleben und mit der Konfusion und dem Terror zurechtkommen zu müssen.

Und auf einmal diese Stille ist keine detaillierte Schilderung der Frage, wie und warum sich der 11. September ereignet hat. Das ist nicht die Absicht dieses Buches. Gremien wie die 9/11 Commission haben jahrelange Arbeit und Millionen Dollar darauf verwendet, Antworten auf diese Fragen zu finden. Vielmehr möchte dieses Buch dokumentieren, wie die Amerikaner diesen Tag erlebt haben, welche Erschütterungen die Anschläge von New York, am Pentagon und am Himmel über Somerset County, Pennsylvania im Leben des Landes ausgelöst haben, von der Ostküste bis zur Westküste, von den Zwillingstürmen bis zu einer Grundschule in Sarasota, Florida. Und wie Regierungsbeamte und Militärs im Kapitol, im Weißen Haus, in unterirdischen Bunkern, in Flugsicherungszentren und im Cockpit von Kampfflugzeugen in einem beispiellosen Moment auf etwas Unvorstellbares reagiert haben.

Um dieses Buch zusammenzustellen habe ich zwei Jahre lang mit der Oral-History-Spezialistin Jenny Pachucki zusammengearbeitet. Sie hat ihre Karriere als Historikerin den Geschichten des 11. September gewidmet und für mich über 5 ‌000 relevante Tonaufnahmen, Videos, Zeitzeugenberichte und Dokumentationen in Sammlungen und Archiven im ganzen Land ausfindig gemacht Wir haben etwa 2 ‌000 dieser Zeugnisse aufmerksam gelesen oder angehört, um die Stimmen und Erinnerungen auszuwählen, die ins Buch einfließen sollten. Als Teil dieser Arbeit konnte ich auf Interviews und die Arbeiten vieler Institutionen und Archive zurückgreifen, darunter das National September 11 Memorial & Museum und das 9/11 Tribute Museum in New York, das Flight 93 National Memorial (in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania), der September 11th Education Trust, das Historian's Office des US-Repräsentantenhauses, C-SPAN, die Arlington County Public Library in Virginia, das Fire Department of the City of New York, das Historical Office des Büros des Verteidigungsministers, die U. ‌S. Air Force, die U. ‌S. Coast Guard, die 9/11 Commission, das Museum of Chinese in America in New York, die Columbia University, die Stony Brook University und viele weitere Archive. Außerdem standen mir eine Vielzahl von Zeitungsausschnitten und Transkripten zur Verfügung, die aus Nachrichtenmeldungen, Reportagen, Magazinporträts, Broschüren, Videos, Dokumentarfilmen und anderen Sammlungen stammen. Das ausgewertete Material reicht von Beweisstücken aus dem Prozess des 9/11-Verschwörers Zacarias Moussaoui bis zu einer von AOL (damals America Online) veröffentlichten Zusammenstellung von Nutzerbeiträgen, Online-Kommentaren und Erinnerungen zum 11. September. Hinzu kommen zahlreiche Buchveröffentlichungen, von denen ich an dieser Stelle nur drei hervorheben möchte, die sich als besonders hilfreich erwiesen haben: Die 2002 von Mitchell Fink und Lois Mathias veröffentlichte Sammlung von Zeitzeugenberichten, Never Forget, sowie zwei Bücher, die sich der Rolle von Schiffen und Booten bei der Evakuierung Manhattans am 11. September gewidmet haben, Mike Magees All Available Boats und Jessica DuLongs Dust to Deliverance. Um diese bereits existierenden Archivquellen zu ergänzen, habe ich selbst einige Hundert Interviews, persönliche Betrachtungen und Geschichten gesammelt, von denen etwa fünfundsiebzig Eingang in dieses Buch gefunden haben. Ich danke allen, die ihre Geschichten mit mir geteilt haben.

Die Sammlung von Erinnerungen an den 11. September begann bereits im September 2001, die jüngsten stammen aus dem Frühjahr 2019. Vergleicht man diese große Zahl von Erinnerungen miteinander, stimmen nicht immer alle zeitlichen Abläufe und Geschichten überein. Sie beinhalten unterschiedliche Perspektiven, hinzu kommt, dass Erinnerungsbilder und Eindrücke im Laufe der Zeit undeutlich werden. Insbesondere traumatische Erinnerungen sind nicht unfehlbar. Ich habe mich darum bemüht, die Geschehnisse gemäß den verfügbaren Fakten und Chroniken zu ordnen. Alle Interviews wurden aus Gründen der Deutlichkeit verdichtet und redigiert. Alle im Buch genannten Titel, Tätigkeitsbezeichnungen, Standorte und Dienstgrade beziehen sich auf die damalige Zeit. Darüber hinaus habe ich aus Gründen der Lesbarkeit und historischen Genauigkeit einige Zitate bearbeitet, um Zeitformen zu vereinheitlichen, und kleinere sachliche Korrekturen vorgenommen – zum Beispiel, wenn jemand einen Namen oder Titel falsch erinnert hat, etwa wenn jemand den amtierenden Speaker als »amtierenden Präsidenten des Senats« bezeichnet oder die Sky Lobbys im World Trade Center auf einer falschen Etage verortet. Und schließlich habe ich einige Ortsnamen, Codewörter und andere Referenzen vereinheitlicht, die ansonsten eher verwirrend als erhellend gewesen wären.

Und auf einmal diese Stille ist zwar umfassend, aber keineswegs vollständig. Die hier präsentierten Geschichten erfassen nur einen einzelnen historischen Moment. Der 11. September ist aber nicht zuletzt deshalb so ergreifend, weil wir etwas über die weiteren Schicksale der betroffenen Menschen erfahren, darüber, wie es ihnen in den Tagen, Wochen, Monaten und Jahren danach ergangen ist. Während das Land nach den Angriffen einerseits enger zusammenrückte und die Menschen sich solidarisch zeigten, zog es zugleich in zwei Kriege, die bis heute kein wirkliches Ende gefunden und viele Weltgegenden drastisch verändert haben. Auch deshalb ist der 11. September jeden Tag gegenwärtig. Dieser Tag hat unsere Art des Reisens, unser Alltagsleben und unser Miteinander grundlegend verändert. Wie es Rosemary Dillard, eine Managerin bei American Airlines in Washington, deren Ehemann Eddie sich an Bord eines der entführten Flugzeuge befand, ausgedrückt hat: »Ich glaube, wir bewegen uns immer noch alle wie auf Eierschalen. Ich glaube nicht, dass die jungen Leute, die das hier lesen werden, die gleichen Freiheiten erleben werden, die ich genoss, als ich aufgewachsen bin.«

Heute kann sich diese neue Generation, von der Dillard spricht, kaum mehr an den Tag selbst erinnern: 2018 war das erste Jahr, in dem nach dem 11. September geborene Rekruten zu Einsätzen in den Irak und nach Afghanistan geschickt wurden, und im Herbst 2019 hat der erste nach den Anschlägen geborene Jahrgang sein Collegestudium begonnen. Dieser wachsende zeitliche Abstand lässt es umso wichtiger erscheinen, die Erinnerung an den 11. September wachzuhalten. Denn um wirklich begreifen zu können, was danach alles geschehen ist, müssen wir zuallererst ein Verständnis dafür entwickeln, was es hieß, diese dramatischen Ereignisse zu durchleben, wie es sich anfühlte, Teil dieser Tragödie zu sein, die ihren Lauf nahm unter dem kristallklaren, blauen Himmel des 11. September 2001.

An Bord der
Internationalen Raumstation

/////// Am 12. August 2001 erreichte der NASA-Astronaut Frank Culbertson an Bord des Space Shuttle Discovery die Internationale Raumstation ISS. Dort sollte er für die nächsten hundertfünfundzwanzig Tage leben und arbeiten. Am 11. September 2001 war er der einzige Amerikaner, der sich nicht auf dem Planeten Erde befand.

COMMANDER FRANK CULBERTSON, Astronaut, NASA:Am 11. September 2001 funkte ich die Bodenstation an und Steve Hart, der für mich zuständige medizinische Flugoffizier, ging ran. Ich sagte, »Hey, Steve, wie läuft's?« Er antwortete, »Nun, Frank, wir haben hier unten auf der Erde keinen besonders guten Tag.« Dann begann er, zu beschreiben, was in New York passiert war – die Flugzeuge, die ins World Trade Center gesteuert worden waren, ein weiteres Flugzeug, das ins Pentagon gestürzt war. Er sagte, »Wir haben gerade noch ein Flugzeug verloren, irgendwo in Pennsylvania. Wir wissen nicht, wo, oder was da passiert ist.«

Ich schaute auf den Laptop mit unserer Weltkarte und sah, dass wir uns gerade über Südkanada bewegten. In einer Minute würden wir über Neuengland sein. Ich beeilte mich, fand eine Videokamera und ein Fenster, das den Ausblick in die richtige Richtung ermöglichte.

Etwa vierhundert Meilen von New York entfernt, konnte ich die Stadt deutlich erkennen. Das Wetter an diesem Tag war über den gesamten Vereinigten Staaten völlig klar und die einzige Aktivität, die ich ausmachen konnte, war diese große, schwarze Rauchsäule, die über New York aufstieg und die bis nach Long Island und auf den Atlantik hinausreichte. Als ich mit der Videokamera näher ranzoomte, sah ich diesen großen, grauen Klecks, der nahezu den gesamten südlichen Teil Manhattans verdeckte. Ich sah, wie der zweite Turm einstürzte. Ich nahm an, dass gerade Zehntausende Menschen verletzt worden waren oder ihr Leben verloren hatten. Es war schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie mein Land angegriffen wurde.

Wir hatten neunzig Minuten, um uns auf die nächste Überquerung der USA vorzubereiten. Wir stellten so viele Kameras auf wie nur möglich. Ich sagte, »Leute, wir nehmen alles auf, was wir sehen können, wenn wir über die USA fliegen.« Anderthalb Stunden später überquerten wir Chicago. Ich hielt überall Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen für weitere Angriffe. Ich hatte klare Sicht bis runter nach Houston. Ein paar Minuten später überquerten wir Washington D. ‌C., genau über dem Pentagon. Ich schaute direkt nach unten und konnte den klaffenden Riss auf der einen Seite des Gebäudes erkennen. Ich konnte die Lichter der Einsatzfahrzeuge sehen, die Rauchwolken, die den Flammen entstiegen. Als ich meinen Blick Richtung Norden wandte, konnte ich ganz deutlich New York und die Rauchsäule sehen.

Bei jeder Umrundung versuchten wir weitere Details zu erkennen und zu beobachten, was da unten vor sich ging. Mit am erschreckendsten war, dass im Zeitraum von nur zwei Erdumrundungen alle Kondensstreifen verschwunden waren. Normalerweise ziehen sie sich kreuz und quer über den gesamten Himmel über den USA. Aber inzwischen waren alle Flugzeuge zurück auf den Boden geholt worden und es befand sich niemand mehr im amerikanischen Luftraum, abgesehen von einem einzigen Flugzeug, das einen Kondensstreifen von der Mitte des Landes Richtung Washington hinter sich herzog. Das war die Air Force One mit Präsident Bush an Bord auf ihrem Weg zurück nach D. ‌C.

»Gute Tage und schlechte Tage«


Der 10. September

/////// Der 10. September, ein Montag, begann in New York mit der Wiedereinweihung einer Feuerwehrwache in der Bronx, in der die Besatzungen der Fahrzeugeinheiten Engine 73 und Ladder 42 stationiert sind. Bürgermeister Rudolph »Rudy« Giuliani und die beiden Spitzen der New Yorker Feuerwehr (FDNY), Fire Commissioner Thomas Von Essen und Chief of Department Peter Ganci, lauschten der Predigt, die Father Mychal Judge, der Kaplan der New Yorker Feuerwehr, zur Einweihung der frisch renovierten Wache hielt.

Father Mychal Judge, Kaplan, FDNY: Gute Tage und schlechte Tage. Tage des Hochgefühls. Tage der Niedergeschlagenheit. Traurige Tage. Glückliche Tage. Aber niemals gibt es einen langweiligen Tag in diesem Beruf. Ihr tut, wozu Gott euch gerufen hat. Ihr erscheint zum Einsatz. Ihr setzt einen Fuß vor den anderen. Ihr setzt euch in eure Fahrzeuge und ihr geht raus und ihr erledigt den Job. Der ein Mysterium ist. Und eine Überraschung. Ihr wisst nicht, was euch erwartet, wenn ihr eure Plätze auf diesen Fahrzeugen einnehmt. Egal wie groß die Aufgabe. Egal wie klein. Ihr wisst nicht, zu welcher Aufgabe Gott euch ruft. Aber er braucht euch. Er braucht mich. Er braucht uns alle.

/////// Im ganzen Land war dieser Montag ein normaler Arbeitstag. Es war der Beginn der Herbstsaison, die erste volle Woche nach Labor Day. Und für viele Gemeinden war es der erste Schultag nach der Sommerflaute im August. Die Reporter und die Nachrichtensprecher marschierten zurück in ihre Büros, ebenso die Regierungsbeamten und Geschäftsleute. Die Städte erwachten wieder zum Leben. Viele erwarteten einen trägen Start in die Saison.

TOM BROKAW, Nachrichtenmoderator; NBC News:Ich war fast den ganzen Sommer über weg gewesen. Ein Freund rief an, um mich zu fragen, wie es so wäre, wieder zurück bei der Arbeit zu sein. Ich antwortete: »Mir geht's gut, aber es gibt eigentlich keine News. Es fällt schwer, wieder richtig loszulegen.« Der Herbst sah nicht besonders vielversprechend aus. Das heiß diskutierte Thema war die Reform der Sozialversicherung. Die Wirtschaft befand sich im Abschwung.

MARY MATALIN, Beraterin von Vizepräsident Dick Cheney: Es herrschte so ein Gefühl von »Okay, wieder an die Arbeit.« Wir hatten zu der Zeit wirtschaftliche Probleme, standen am Beginn einer Rezession.

MATTHEW WAXMAN, Mitarbeiter, Nationaler Sicherheitsrat, Weißes Haus: Das war ganz klar eine Regierung, die an Großmachtpolitik interessiert war. Ein Hauptteil der Bemühungen konzentrierte sich auf amerikanisch-russische Waffenkontrollen und auf die Frage, wie man zusammen mit seinen strategischen Partnern dem aufstrebenden China begegnen sollte. Das waren die zentralen Themen. Zwei potentielle Krisenherde, die wir in dieser Woche mit Sorge beobachteten, waren Burundi und Mazedonien.

MONICA O'LEARY, Cantor Fitzgerald, Nordturm, 105. Stock: Ich wurde am Nachmittag des 10. September – ich vermute, es war so gegen 14:00 Uhr – entlassen. An den genauen Zeitpunkt kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich weiß noch, dass ich dachte, Oh, dann kann ich ja rechtzeitig zuhause sein, um »General Hospital« zu schauen. Als ich entlassen wurde, war ich gerade auf der 105. Etage. Ich war aufgebracht. Ich heulte. Als ich mich schließlich beruhigt hatte, stellte mich die Frau von der Personalabteilung vor die Wahl: »Möchten Sie zurück an Ihren Schreibtisch gehen und Ihre Sachen einpacken oder möchten Sie lieber nach Hause gehen?« Ich sagte: »Oh, nein, nein, nein. Ich möchte mich noch von allen verabschieden.« Ich machte die Runde und verabschiedete mich von jedem mit einem Küsschen. Die Kollegen waren alle toll. Dieser eine Typ, Joe Sacerdote, stand ganz hinten im Büro auf und brüllte, »Die verlieren hier etwas, nicht du, Monica!« 

LYZBETH GLICK, Ehefrau von Jeremy Glick, Passagier an Bord von United Flight 93:Ich war zu der Zeit im Mutterschutzurlaub von meiner Lehrtätigkeit am Berkley, einem Wirtschafts-College in New York. An diesem Montagmorgen, dem 10. September, half mir Jeremy dabei, Sachen ins Auto zu packen – er musste geschäftlich nach Kalifornien reisen und war auf einen Flug am Abend gebucht. Wir leben in Hewitt, New Jersey, und ich wollte während seiner Abwesenheit zum Haus meiner Eltern in den Catskill Mountains fahren. Er half mir beim Packen und fuhr dann runter nach Newark zu einer Besprechung. So gegen fünf Uhr nachmittags rief er mich an und sagte, dass es am Flughafen Newark ein Feuer gegeben habe und dass er keine Lust hätte, um zwei Uhr nachts in Kalifornien anzukommen. Er entschied sich also, nach Hause zu fahren und die Nacht in Ruhe zu schlafen, um dann den ersten Flug am Dienstagmorgen zu nehmen.

/////// Vanessa Lawrence und Monika Bravo waren zwei von insgesamt fünfzehn Künstlerinnen und Künstlern, die im Rahmen des »Studio Scape«-Programms des Lower Manhattan Cultural Council als Artists-in-Residence im 91. und 92. Stockwerk vom Nordturm des World Trade Center arbeiteten. Geplant war, dass der Aufenthalt von Mai bis Oktober 2001 dauern sollte. Beide Künstlerinnen ließen sich von den Türmen inspirieren und hatten damit begonnen, sie in ihre Arbeit einfließen zu lassen.

VANESSA LAWRENCE, Künstlerin, Nordturm, 91. Stock: Weil ich in einer Souterrainwohnung lebte und aus dem Fenster immer nur die Füße der Passanten sehen konnte, fand ich die Vorstellung fantastisch, mit einem Blick aus einer derartigen Höhe zu malen. Von dort könnte ich die unterschiedlichsten Wetterveränderungen beobachten, die wechselnden Farben am Himmel, die sich verändernden Lichtverhältnisse.

MONIKA BRAVO, Künstlerin, Nordturm, 91. Stock: Ich hatte mich beworben, weil ich Filmaufnahmen machen wollte. Ich hatte dieses Bild im Kopf – oben die Twin Towers und darunter nur Wolken. Ich stamme aus Kolumbien, und was ich am meisten von dort vermisste, waren die Wolken und die Berge. Wir haben das ganze Jahr über viele Wolken, und für mich bedeuten sie so etwas wie Heimat.

VANESSA LAWRENCE: Ich liebte diese Skyline. Jeden Morgen wenn man reinkam, gab es etwas Besonderes zu sehen. Und auch am Abend, wenn die Lichter angingen, einfach nur die Lichter in den Wolkenkratzern zu sehen. Es war wirklich eine ganz besondere Aussicht.

MONIKA BRAVO: Den ganzen Sommer über habe ich allen Leuten erzählt: »Wenn ihr etwas kommen seht – einen Sturm –, sagt mir Bescheid. Ich halte immer eine Kamera bereit.« Am Nachmittag des 10. September, ein paar Minuten vor 15:00 Uhr, war es dann so weit, ein Sturm zog auf.

VANESSA LAWRENCE: Ich habe mir meine Aquarellfarben geschnappt, als ich den Sturm herannahen sah. Es war überwältigend, man konnte ihn schon weit draußen sehen, wenn man Richtung Brooklyn und bis zum Horizont schaute. Ich kann mich an eine dunkle Wolke erinnern, die bis zum Boden reichte, und an die ganzen Farben darin. Das ist eines meiner Lieblingsbilder, die ich gemalt habe.

MONIKA BRAVO: Ich habe angefangen zu filmen. Der Sturm kam von New Jersey rüber Richtung Süden, über die Verrazzano-Brücke und die Freiheitsstatue. Man sieht, wie schnell sich diese Wolken bewegen – und dann gibt es einen Moment im Film, der echt unglaublich ist. Man sieht einen einzelnen Tropfen auf das Fenster schlagen, und eine Sekunde später prasselt es nur so aufs Glas. Der Sturm ist da. Man ist mittendrin.

VANESSA LAWRENCE: Wir sahen ihn kommen, kommen, kommen, kommen und dann – nichts. Wir steckten mitten in dieser dicken Wolke und im Regen.

MONIKA BRAVO: Das Video ist ein Zeugnis der letzten Menschen, der letzten Nacht, bevor diese Türme aufgehört haben zu existieren und mit ihnen jede Person und alles, was darinnen war. Man sieht, wie Leute in den Südturm zur Arbeit kommen. Man sieht die Leute leben. Man sieht die Boote auf dem Wasser gleiten. Man sieht, wie im Stadtteil Brooklyn die Lichter angehen. Man sieht die Bewegung auf den Brücken. Alles ist lebendig. Man sieht das Leben der Stadt in der letzten Nacht, in der man es aus dieser Perspektive beobachten konnte.

Ich habe über viele Stunden lang gefilmt, wahrscheinlich so bis um neun oder halb zehn. Der Sturm dauerte lange, den ganzen Nachmittag über. Ich habe an verschiedenen Orten gedreht, im Zeitraffer, in Zeitlupe. Es war wunderschön. Dann klingelte irgendwann mein Mobiltelefon. Ich war damals verheiratet, und diese Person fragte mich: »Kommst du nach Hause?« Ich erwiderte: »Oh nein, so ein schönes Gewitter.« Ich bat ihn: »Warum kommst du nicht her und bringst mir Zigaretten mit.« Er antwortete: »Nein, ich bring dir gar nichts. Du kommst nach Hause.« Also sagte ich: »Okay, okay.« Ich habe tatsächlich das Band aus der Kamera genommen. Meinen Laptop ließ ich da, weil es so heftig regnete. Ich überlegte, wo ich ihn hintun könnte, und fand einen alten Aktenschrank aus Holz. Ich erinnere mich, dass ich noch dachte, Ist er da sicher? Und dann, Ach komm, das hier ist das World Trade Center. Diesem Gebäude kann nichts passieren.

»Ein lockerer Tag«


Dienstagmorgen

/////// Auf der ganzen Welt begann der 11. September als ein ganz normaler Wochentag. Der Kongress trat nach der Sommerpause wieder zusammen. In Herndon, Virginia bereitete sich Ben Sliney in der zentralen Leitstelle der Flugsicherung der US-Luftfahrtbehörde FAA auf seinen ersten Arbeitstag als oberster Kontrolleur des nationalen Luftraums vor. Ganz in der Nähe, in Langley, Virginia, beginnt für Gina Haspel ihr erster Arbeitstag im Anti-Terrorzentrum der CIA. In Washington, D. ‌C. erwartete den Direktor des FBI, Robert Mueller, der seinen neuen Posten gerade erst eine Woche zuvor, am 4. September, angetreten hatte, um 08:00 Uhr sein erstes Briefing über die vom FBI eingeleitete Untersuchung einer Terrorgruppe namens al-Qaida und deren Bombardierung des amerikanischen Kriegsschiffs USS Cole im vorausgegangenen Herbst. Weit weg von den amerikanischen Küsten beendete der Kapitän des Flugzeugträgers USS Enterprise gerade seinen mehrmonatigen Einsatz zur Durchsetzung der Flugverbotszone über dem Irak und freute sich auf seine bevorstehende Rückkehr in die Heimat.

In der Stadt New York standen an diesem Tag die Vorwahlen an: Die New Yorker Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, die Kandidaten zu bestimmen, die antreten sollten im Wahlkampf um die Nachfolge des Mannes, der ihre Stadt acht Jahre lang regiert hatte, Rudy Giuliani. Millionen Einwohner, Arbeiter und Angestellte, Schulkinder und Pendler erwachten und begannen, sich auf den Tag vorzubereiten. Viele von ihnen bestiegen Züge, Fähren, U-Bahnen und Busse und machten sich auf den Weg nach Lower Manhattan. Der Direktor für Brandschutzaufklärung bei der New Yorker Feuerwehr war an diesem Dienstag besonders enthusiastisch. Er war im Begriff, eine neue Spielzeugfigur zu präsentieren, sie war einem New Yorker Feuerwehrmann nachgebildet. Er hatte mit Bedacht gerade diesen Tag für den Verkaufsstart ausgewählt. Das Datum war schließlich geradezu perfekt für Feuerwehrleute: 9-1-1.

LT. JOSEPH TORRILLO, Direktor für Brandschutzaufklärung, FDNY: Fisher-Price hatte eine Serie von Spielzeugfiguren mit dem Namen »Rescue Heroes« im Programm. Die Kinder liebten diese Figuren. Es gab einen Polizeibeamten namens Jake Justice, eine Rettungsschwimmerin Wendy Waters, einen Rettungssanitäter Perry Medic. Jetzt wollten sie einen New Yorker Feuerwehrmann rausbringen – sie wollten ihn Billy Blazes nennen. Für jeden auf der Welt verkauften Billy Blazes sollte ich einen Dollar bekommen, Geld das ich für die Erziehungs- und Aufklärungsprogramme gut gebrauchen konnte. Sie planten eine große Pressekonferenz, auf der dieser neue Rescue Hero der Welt vorgestellt werden sollte. Ich überlegte also gemeinsam mit den anderen hin und her und hatte schließlich die Idee: »9-1-1 ist die New Yorker Notrufnummer. Warum haben wir keinen 9-1-1-Tag in New York?« Und so kam es, dass an 9/11, dem 11. September, um 09:00 Uhr morgens alle Fernsehsender der Stadt im Rockefeller Center darauf warteten, dass ich die Spielzeugfigur vorstellen würde.

HERB OUIDA, World Trade Centers Association, Nordturm, 77. Stock, und Vater von Todd Ouida, Cantor Fitzgerald, Nordturm, 105. Stock: Wie jeden Morgen verließen mein Sohn Todd und ich gemeinsam das Haus, um zur Arbeit zu fahren, denn Todd arbeitete im World Trade Center bei Cantor Fitzgerald. Als wir Hoboken erreichten, sagte ich zu Todd: »Warum kommst du nicht mit mir und nimmst die Fähre? Es ist so ein schöner Tag.« Er antwortete: »Nein, Dad, es ist mir zu kalt draußen.« Ich sagte zu ihm: »Hab einen schönen Tag, mein Bester.« Das waren meine letzten Worte an ihn.

RICHARD EICHEN, Berater, Pass Consulting Group, Nordturm, 90. Stock: Ich bin jeden Tag mit dem Zug zum Trade Center gefahren. Ich saß neben einem Freund – wir waren beide im selben Golfclub – und wir haben darüber gesprochen, wie schlecht das Essen dort sei. Das war meine allergrößte Sorge an diesem Tag.

TED OLSON, Generalstaatsanwalt, US-Justizministerium:Meine Frau Barbara sollte am Montag verreisen, und am Dienstag war mein Geburtstag. Sie entschied sich dann, dass sie doch nicht schon am Montag fliegen würde. Sie wollte am Morgen meines Geburtstags nicht weg sein. Sie wollte da sein, wenn ich aufwachte. Ich ging sehr früh zur Arbeit – vor sechs Uhr in der Früh – und sie brach kurz darauf zum Flughafen auf. Ich hörte von ihr, bevor sie ins Flugzeug stieg. Ihr Flug sollte um 08:10 Uhr starten. Wir telefonierten immer viel miteinander während des Tages, manchmal nur ganz kurz. Sie rief mich gegen 07:30 oder 07:40 Uhr an, bevor sie an Bord der Maschine ging.

ROSEMARY DILLARD, Base Managerin, American Airlines: Mein Ehemann Eddie hatte gerade ein Haus in L. ‌A. erworben, und er wollte hinfahren, um daran zu arbeiten und es in Ordnung zu bringen, sodass er vermieten oder weiterverkaufen könnte. Wir sind zum Dulles Airport rausgefahren, denn Flight 77 war ein Nonstop-Flug nach L. ‌A., und wir haben während der Fahrt viel gelacht. Ich weiß noch, wie er ausgestiegen ist und mich ermahnt hat: »Vergiss nicht zu tanken, bevor du zur Arbeit fährst.« Er hat mich zum Abschied geküsst. Meine letzten Worte an ihn waren: »Sei spätestens Donnerstag wieder zu Hause.«

LAURA BUSH, First Lady der Vereinigten Staaten, Weißes Haus:Ich hatte den Morgen größtenteils damit zugebracht, einen Bericht durchzugehen, den ich an diesem Tag dem Bildungsausschuss des Senats präsentieren sollte. Der Bericht befasste sich mit den Ergebnissen eines Gipfels zur frühkindlichen Bildung, den ich zuvor im Sommer einberufen hatte. Es waren zu dem Zeitpunkt ungefähr neun Monate vergangen, seit George die Präsidentschaft übernommen hatte, und ich kam langsam so richtig in Schwung in meiner Rolle als First Lady.

ADA DOLCH, Schulleiterin, High School for Leadership and Public Service (HSLPS), New York: Es war der Tag der Vorwahlen. Unser Schulgebäude sollte das allererste Mal als Wahllokal dienen.

FERNANDO FERRER, Bezirksbürgermeister der Bronx und Bürgermeisterkandidat für die Stadt New York: Ein harter Vorwahlkampf. Meine Frau und ich sind gemeinsam zur Stimmabgabe gegangen. Es war alles sehr schön und die Umfrageergebnisse gaben mir Anlass, an jenem Tag guter Stimmung zu sein.

SUNNY MINDEL, Kommunikationsdirektorin für den Bürgermeister der Stadt New York, Rudy Giuliani: Am 11. September dachte ich, dass mir ein ruhiger Tag bevorstehen würde.

WILLIAM JIMENO, Polizist, Port Authority Police Department (PAPD): Ich erinnere mich, dass ich aufgewacht bin und direkt mal eine Entscheidung getroffen habe. Ich bin ein leidenschaftlicher Bogenschütze und jage gerne Rotwild. Die Wetteraussichten waren hervorragend. Ich überlegte mir, ob ich nicht vielleicht einen »P-Day« nehmen sollte, das ist bei der Port Authority Police ein dienstfreier Tag, wenn man sich aus persönlichen Gründen freinimmt. Dann dachte ich: Nein, den werde ich mir für später aufheben.

/////// Auf den Sturm, der am 10. September als starke Kaltfront über den Nordosten gefegt war, folgte ein Hochdrucksystem mit trockener kanadischer Luft. Aus dieser Konstellation resultierte ein einzigartiges – und unvergessliches – Wetterphänomen, das »severe clear« genannt wird: ein wolkenloser Himmel mit extrem klarer Sicht. Diese Wetterlage hinterließ einen bleibenden Eindruck bei allen, die die Ereignisse der folgenden Stunden erleben sollten.

BEN SLINEY, Nationaler Einsatzleiter, Leitstelle der FAA, Herndon, Virginia: Es war mein erster Tag in meinem neuen Job als Nationaler Einsatzleiter der Flugaufsicht. Als ich an jenem Morgen aufstand und den Weather Channel einschaltete und sah, dass die Wetterbedingungen an der gesamten Ostküste »severe clear« sein würden, erhoffte ich mir einen ziemlich guten ersten Arbeitstag.

MELINDA MURPHY, Verkehrsreporterin, WPIX TV, New York City: Für die Morgensendung flogen wir immer zwischen sieben und neun mit dem Hubschrauber herum. Ich hatte jeden Morgen vierzehn Auftritte – die Leute kennen mich heute noch als das »Chopper Chick«. Der Sonnenaufgang an jenem Morgen war wirklich unglaublich. Wir brachten einen Kommentar, wie traumhaft schön die Türme des World Trade Center mit ihren Lichtreflexionen der aufgehenden Sonne aussahen – so karmesinrot hatte man sie noch nicht gesehen.

VANESSA LAWRENCE, Künstlerin, Nordturm, 91. Stock: Ich erreichte das World Trade Center gegen sechs Uhr morgens. Die Sonne ging gerade auf. Ich erinnere einen wunderschönen Sonnenaufgang. Beim Reingehen konnte man das Morgenrot durch die Fenster aufsteigen sehen.

KATIE COURIC, Moderatorin, The Today Show: Es war der perfekte Septembertag, mit einem Hauch von Herbst in der Luft. Einer dieser Septembertage, an dem die Ferien enden, ein Tag voller Möglichkeiten und auf seine ganz eigene Art: ein Neuanfang.

BRUNO DELLINGER, Firmeninhaber, Quint Amasis North America, Nordturm, 47. Stock: Der Himmel war rein. Die Luft klar. Es war ziemlich perfekt.

CAPTAIN JAY JONAS, Ladder 6, FDNY: Die Luft war wie frisch geschrubbt.

RICHARD PADEN, Lufteinheit, Pennsylvania State Police: Wettermäßig ein wirklich schöner Morgen. Wir Piloten nennen das »Clear Blue and Twentytwo«, wenn der Himmel so blau ist und von keiner einzigen Wolke getrübt wird.

LT. COL. TIM DUFFY, F-15-Pilot, Otis Air Force Base, Cape Cod, Massachusetts:Einer der herrlichsten Tage, an dem ich je geflogen bin – es war buchstäblich keine einzige Wolke am Himmel und die Sicht betrug wahrscheinlich mehr als hundert Meilen. Es war glasklar.

SENATOR TOM DASCHLE (Demokrat, South Dakota), Mehrheitsführer im Senat: Einer der schönsten Tage des ganzen Jahres.

JEANNINE ALI, Rechnungsprüferin, Morgan Stanley, Südturm, 45. Stock: Einen so leuchtend blauen Himmel wie an jenem Tag hatte es selten gegeben.

HILLARY HOWARD, Wettermoderatorin, WUSA-TV, Washington, D. ‌C.: Der Himmel war außergewöhnlich blau.

LT. JIM DALY, Arlington County Police Department: Ein hinreißendes Blau.

JOYCE DUNN, Lehrerin, Shanksville-Stonycreek School District, Pennsylvania: So blau.

BRIAN GUNDERSON, Stabschef des Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus, Richard Armey (Republikaner, Texas): Tiefblau.

MICHAEL LOMONACO, Küchenchef, Windows on the World, Nordturm, 106. Stock: Ein tiefes, tiefes Blau.

EVE BUTLER-GEE, Leitende Protokollantin, US-Repräsentantenhaus: Kobaltblau.

KATIE COURIC: Himmelblau.

MIKE TUOHEY, Mitarbeiter in der Abfertigung, Portland International Jetport, Maine:Das blaueste Blau.

JULIA ROGERS, Verwaltungs-Page, US-Repräsentantenhaus: Einer dieser Tage, von denen man sich wünscht, man könnte sie in eine Flasche stecken und für immer aufbewahren.

/////// Für Präsident George W. Bush begann der Morgen in Sarasota, Florida, wo er eine Vorlesestunde für Grundschulkinder abhalten sollte. Das war Teil der Kampagne für sein Gesetzespaket »No Child Left Behind«. Seine neue Regierung hatte immer noch nicht richtig Tritt gefasst. Die Übergangszeit des Regierungswechsels war holprig verlaufen und durch die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Bush und dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore um die Neuauszählung der Wahlstimmen in Florida beeinträchtigt worden. Der Supreme Court hatte ihn schließlich in einer umstrittenen Entscheidung zum Gewinner der Präsidentschaftswahlen vom November 2000 erklärt – eine Entscheidung, die viele Leute im September 2001 immer noch nicht akzeptieren wollten.

GORDON JOHNDROE, Pressereferent, Weißes Haus: Der Tag begann völlig normal – der Präsident drehte seine Joggingrunde und ich nahm die Mitglieder des Pressepools mit, um den Präsidenten zu begleiten. Ich erinnere mich, dass ich von einer Biene gestochen wurde und [den Arzt des Weißen Hauses] Dr. [Richard] Tubb fragte, ob er mir etwas gegen die Schwellung geben könne. Er sagte: »Klar, wir besorgen dir was, sobald wir im Flugzeug sind.«

SONYA ROSS, Reporterin, Associated Press: Es war ein stinknormaler Termin. Aus dem Stab waren nur Mitarbeiter aus der zweiten Reihe dabei, und viele der wichtigen Journalisten waren gar nicht erst erschienen. Ein Trip für Anfänger.

MIKE MORELL, Berichterstatter des Präsidenten, CIA: Ich betrat die Suite des Präsidenten für sein morgendliches Briefing über die Sicherheitslage. Um ihn herum standen jede Menge Frühstückssachen, aber er hatte nichts davon angerührt. Damals war die zweite Intifada in vollem Gange und die CIA-Berichte zu der Zeit legten einen Schwerpunkt auf den Israel-Palästina-Konflikt. Der Bericht enthielt nichts über Terrorismus, reine Routine.

ANDY CARD, Stabschef des Weißen Hauses: Der Präsident war bester Laune. Er legte diesen für ihn typischen Gang an den Tag.

B. ALEXANDER »SANDY« KRESS, leitender bildungspolitischer Berater, Weißes Haus: Das waren wohl die letzten sorgenfreien Momente, die er während seiner Amtszeit erlebte.

ANDY CARD: Ich erinnere mich, dass ich ihm wortwörtlich sagte: »Das sollte heute ein lockerer Tag werden.« Das waren meine Worte. »Das sollte heute ein lockerer Tag werden.«