Über das Buch

Wann ist ein Mann ein Mann?

In der Ära von Trump, #MeToo und Attentätern wie in Halle oder Hanau ist Männlichkeit kein positiver Begriff mehr. Der Aktivist JJ Bola sucht Auswege aus der Krise. Dabei betrachtet er Einflüsse aus nichtwestlichen Traditionen, aus Popkultur und der LGBTQ+-Community und zeigt, wie vielfältig Männlichkeit sein kann.
JJ Bola lädt in versöhnlichem Ton ein zum Gespräch zwischen verhärteten Fronten. Denn erst wenn sich auch die Männer und der Begriff von Männlichkeit verändern, wird es echte Geschlechtergerechtigkeit geben.

JJ Bola

Sei kein Mann

Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist

Aus dem Englischen von Malcolm Ohanwe

hanserblau

Einführung

Mask off:

Mann sein

An einem sonnigen Samstagnachmittag in meiner Jugendzeit, bevor es Touchscreens, Selfies und 4G gab, bevor die sozialen Medien jeden Aspekt unseres Daseins durchdrungen hatten, lief ich durch die pulsierende, oft turbulente, multikulturelle, dynamische Tottenham High Road im Norden Londons. Ich war mit einer großen Gruppe von etwa zehn meiner »Onkel« unterwegs. Sie waren nicht wirklich meine Onkel. Sie waren keine Blutsverwandten, sondern die Männer der kongolesischen Gemeinschaft, in der ich aufgewachsen war. Als Teil einer Kirchengruppe organisierten sie samstags Aktivitäten für junge Leute in der Community, es gab ein Blasensemble und andere kulturelle Initiativen.

Nachdem ich an einer dieser Samstagsveranstaltungen teilgenommen hatte, war ich zum Essen bei einem Onkel eingeladen worden, der ganz in der Nähe der Hauptstraße wohnte. Ich war ganz außer mir vor Freude. Ein unerwartetes Festmahl aus Pondu, Makemba, Mikate und Ntaba (Eintopf, Kochbanane, Teigbällchen, auch als Puff Puff bekannt, und gegrillter Ziege) erwartete mich — was für eine Ehre. Wir gingen die Hauptstraße entlang zu seinem Haus und unterhielten uns angeregt. Mit meiner Trainingshose, meinem Hoodie und den Nike Air Force 1 war ich ganz offensichtlich der einzige Jugendliche in der Gruppe. Die anderen waren in der einzigartigen Mode kongolesischer Männer gekleidet: Jeans mit hoher Taille, farbenfrohe T-Shirts, die eng an ihren unsportlichen, bierbäuchigen Körpern lagen, Designermarken und exzentrische Designs.

Während wir die Straße entlangliefen, fühlte ich mich mit einem Mal sehr befangen und wurde mir der Gruppe, mit der ich unterwegs war, immer bewusster. Obwohl mir Tottenham sehr vertraut war — als Jugendlicher verbrachte ich sehr viel Zeit dort und war oft auf ebenjenen Straßen unterwegs, wenn auch mit einer komplett anderen Gruppe und zu einem anderen Zweck —, fühlte ich mich befangen, weil wir sehr viel Aufmerksamkeit auf uns zogen, nicht nur als große Gruppe, sondern als eine große Gruppe exzentrisch gekleideter Männer afrikanischer Herkunft, die sich lauthals auf Lingala unterhielten. Ich sah auch viele andere Jugendliche. Schon von Weitem fingen einige an zu starren, auf uns zu zeigen und sogar zu lachen. Ich war mir sicher, dass manche von ihnen mich erkannten, weshalb ich mich zu verstecken versuchte, indem ich meine Kapuze aufsetzte. Im Nachhinein betrachtet, hatte das wahrscheinlich sogar den gegenteiligen Effekt.

Wir bahnten uns weiterhin als Gruppe den Weg, jeweils zu zweit oder zu dritt, vertieft in unsere Gespräche. Ich ging mit meinem Onkel an der Hand. In der kongolesischen/frankofonen afrikanischen Kultur ist das völlig normal und, wie ich später erfuhr, in vielen anderen Kulturen der Welt auch. Es bietet Männern die Möglichkeit, sich miteinander verbunden zu fühlen und einander Affinität und Zuneigung zu zeigen. Das ist die Kultur, in der ich aufgewachsen war. Ich hatte meinen Vater oft Hand in Hand mit anderen Männern aus unserer Gemeinschaft gesehen, wenn sie sich miteinander unterhielten oder spazieren gingen. Es war normal, und in solchen Situationen machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Außerhalb der kulturellen Normen dieser Gruppe nahm es jedoch eine befremdliche und peinliche Qualität an.

Zu meiner großen Erleichterung bogen wir von der Hauptstraße ab und liefen in Richtung der Wohnsiedlung, in der der Onkel wohnte, bei dem wir eingeladen waren. Ich war schon viele Male bei ihm zu Hause gewesen. Am liebsten wäre ich allein vor den Onkeln dorthin gelaufen und hätte auf sie gewartet, aber dann würde die Last, ihnen dieses Verhalten erklären zu müssen, deutlich länger anhalten, als ich es wollte oder brauchte.

Ich atmete jetzt wieder ein bisschen entspannter und freier, obwohl ich immer noch Hand in Hand mit meinem Onkel ging. Wir befanden uns nicht mehr im direkten Blickfeld all dieser Leute auf der Straße, insbesondere der Jugendlichen. Als wir die Siedlung, in der mein Onkel lebte, beschwingt und ausgelassen betraten, bemerkte uns eine Gruppe von Jugendlichen, die in der Siedlung abhingen. Sie beobachteten uns; ihre Blicke konzentrierten sich auf mich und den Onkel, mit dem ich Hand in Hand ging. Ich konnte eine Reihe von negativen Gesichtsausdrücken, von Verwirrung bis hin zu Ekel, in ihren Gesichtern ablesen.

Ich hatte diese Jugendlichen schon mal in der Siedlung gesehen. Manchmal hatte ich ihnen sogar kaum merklich zugenickt, eine Art des Grüßens, die bei uns mit Respekt und Anerkennung einhergeht. In dieser Wohnsiedlung — in jeder Großwohnsiedlung, jedem sozialen Brennpunkt, jeder Hood, jedem Ghetto, jedem Ends, jedem Slum, wie auch immer der Name lauten mag — hängt Respekt davon ab, wie stark du bist, oder zumindest, als wie stark du wahrgenommen wirst. Ich hatte lange genug bei diesem Spielchen mitgemacht, um respektiert zu werden. Ich war groß und sah sportlich aus. Dank früher Bekanntschaft mit Liegestützen und Gewichten wirkte ich gerade einschüchternd genug. All der Respekt, den ich mir verdient hatte, löste sich blitzschnell vor meinen Augen in Luft auf, als man mich Hand in Hand mit einem Mann spazieren gehen sah.

Ich wollte meine Kapuze wieder aufsetzen und mein Gesicht verstecken, aber es war zu spät, ich war bereits gesehen worden. Ich löste meine Hand schnell aus der meines Onkels und tat so, als ob ich etwas in meiner Tasche suchte, was ihn nicht sonderlich zu stören schien; ein weiterer vergeblicher Akt.

»Yo, Großer?«, hörte ich eine Stimme rufen. Ich wusste, er sprach mit mir und mit niemandem sonst. Ich sah hinüber. Seine Augen durchbohrten meine Brust. Ich fühlte meine Beine zittern, als würden meine Knie bei jedem Schritt nachgeben. Er hatte seine Kapuze auf und trug den grauen Nike-Trainingsanzug und Hoodie, um den ihn alle beneideten.

»Na, biste am Händchenhalten?«, sagte er, und die Crew um ihn herum kicherte und brach dann in schallendes Gelächter aus. Ich kann mich noch an den Schmerz erinnern, an den Stich ins Herz. Ein ähnliches Gefühl, wie wenn scharfes Essen sich von gut schmeckend in nicht mehr auszuhalten verwandelt und du dir wünschst, alles würde sich wieder beruhigen.

»Nein«, antwortete ich in einem Ton, der zeigte, dass ich verärgert war über so eine Andeutung.

»Alobi nini?« Mein Onkel, der sich über die ganze Aufregung wunderte, fragte mich, was der Typ gesagt hatte.

»Nichts«, antwortete ich verächtlich, »er hat nach der Uhrzeit gefragt.«

*

Diese Erfahrung war eine von vielen, die ich als Heranwachsender gemacht habe, die mich dazu führten, meine Männlichkeit anzuzweifeln und mir Gedanken über die Frage zu machen, die wir nicht stellen sollen: Was bedeutet es eigentlich, ein Mann zu sein? Wie konnte es sein, dass es in einem Teil der Welt völlig normal war, wenn zwei Männer sich an den Händen hielten, während die Menschen in einem anderen Teil der Welt stehen blieben und starrten? Ich dachte über die Emotionen und Gefühle von Männern nach, oder genauer gesagt, deren Abwesenheit. Ich war ein ziemlich emotionaler Junge. Ich weinte, wenn ich traurig oder aufgewühlt war; ich weinte, wenn ich glücklich war; ich weinte vor Wut. Ich verlieh meinen Gefühlen Ausdruck, unabhängig davon, ob es sich um Traurigkeit oder Fröhlichkeit handelte. Aber als ich älter wurde, änderte sich das langsam. Ich wurde abgeklärter, beherrschter, distanzierter; ich war niemandem gegenüber ehrlich, was meine wahren Gefühle betraf, manchmal nicht einmal mir selbst. In mir tobte ein vernichtender Ärger oder Zorn, den ich tarnte: als Aggressionsproblem, eine kurze Zündschnur oder die Unfähigkeit, mein Temperament im Zaum zu halten.

Was bedeuten unsere Auffassungen von Männlichkeit und die kulturellen Normen, in die sie eingebettet sind, für Jungs, die in der heutigen Zeit zu Männern heranwachsen? Was bedeuten sie für junge und ältere Männer, die in einer Gesellschaft leben, die sie dazu ermutigt, an der Wut festzuhalten, die das Leben von Frauen wie auch das Leben vieler Männer zerstört? Es gibt viele wichtige Fragen, die wir uns zum Thema Männlichkeit und Männer in der heutigen Zeit stellen müssen. Warum tauchen überwiegend Männer in der Statistik von Gewaltverbrechen auf, insbesondere bei sexueller Gewalt, von Belästigung bis zu Vergewaltigung? Warum ist Suizid die häufigste Todesursache von Männern unter fünfundvierzig — häufiger als Krankheiten oder Unfälle? Was können wir tun, um all das zu ändern?

Um ein tieferes Verständnis für unsere Vorstellungen von Mannsein und Männlichkeit zu erlangen, müssen wir das Patriarchat verstehen, jene Ideologie und hierarchische Struktur, die Männer in eine vorteilhafte Position gegenüber Frauen versetzt und ihnen Macht, Privilegien, Ansprüche und Zugang zu Ressourcen in verschiedenen Bereichen und Kontexten gewährt: von der Familie bis hin zu Wirtschaft und Arbeitsplatz schreibt sie Männern und Frauen ihre Rollen zu und diktiert ihre materiellen Realitäten. Die Erwartung, dass Frauen kochen und putzen sollten, während Männer die Hauptverdiener sind, mag zwar keine so große Bedeutung mehr haben wie vor fünfzig Jahren. Aber heißt das, dass wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben? Es lässt sich argumentieren, dass Frauen von solchen strengen Zuschreibungen befreit sind. Oberflächlich betrachtet ist das Bild der Hausfrau nicht mehr ganz so verbreitet, aber wenn Frauen für die gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt werden als Männer, was sagt uns das darüber, wie weit wir gekommen sind? Wie ich im Verlauf des Buches erörtern werde, zieht sich das Patriarchat wie ein roter Faden durch die Familie, das Bildungssystem und die Mainstream-Medien. Es wirkt sich auf die Aneignung von Verhaltensweisen, Einstellungen und Handlungen von Männern aus und schreibt ihnen vor, wie sie in allen Aspekten ihres Lebens handeln, fühlen und sich verhalten sollen, insbesondere in Bezug auf Frauen und andere Männer.

Das Patriarchat beeinflusst das Leben von Männern und Frauen von der Geburt über die Kindheit bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus, und zwar auf teils scheinbar einfache Art und Weise, wie die Farben, die sie tragen sollten, Blau für Jungs, Rosa für Mädchen, und die Art der Kleidung, die sie anziehen, oder das Spielzeug, mit dem sie spielen sollten. All diese Dinge haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie Männlichkeit in der Gesellschaft gesehen wird und wie Männer und Frauen miteinander umgehen. In einer patriarchalen Gesellschaft sitzen Männer sowohl auf öffentlicher Ebene an den Hebeln der Macht, zum Beispiel in Regierung und Politik, Wirtschaft und Unternehmen, Bildung und Arbeitsmarkt und Religion, als auch auf privater und zwischenmenschlicher Ebene, im Haushalt, in Beziehungen und auch in Freundschaften. Das Patriarchat schützt und priorisiert die Rechte von Männern gegenüber den Rechten der Frauen.

Das Patriarchat ist kein Begriff oder System, das vielen Menschen außerhalb akademischer Kreise, Klassenzimmern oder Lehrbüchern geläufig ist. Er wird auch nicht häufig verwendet, schon gar nicht in Alltagsgesprächen, obwohl der Feminismus-Diskurs in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gerückt ist und der Begriff dadurch an Bekanntheit gewonnen hat. Trotzdem ist es nicht schwierig, den Leuten das Konzept im Laufe eines Gesprächs verständlich zu machen, auch wenn sie noch nie davon gehört haben, weil es sich in unserem täglichen Leben abspielt. Die Art und Weise, in der das geschieht, steht im Mittelpunkt dieses Buches.

Während ich aufwuchs, wurde das Patriarchat nicht thematisiert. Nicht in der Schule, nicht wirklich an der Universität — zumindest nicht so, dass es hängen geblieben wäre —, nicht in meiner Wohngegend oder meinem Viertel, in meinem Wohnblock, unter meinen Freunden und Freundinnen, in meiner Familie und nicht von meinen Eltern, Tanten, Onkeln oder Geschwistern. Es gehörte nicht zu meiner Alltagssprache — obwohl ich wünschte, es wäre so gewesen, da es mich auf viele Dinge vorbereitet hätte. Und dennoch durchdrang es regelrecht jeden Aspekt meines Daseins und beeinflusste maßgeblich, wie ich mich selbst als Junge und später als Mann sah, wie ich andere Männer und Frauen wahrnahm. Ich erinnere mich, dass ich in der einen oder anderen Form immer wieder mit Vorstellungen von männlicher Dominanz konfrontiert wurde. Zum Beispiel, als ich Ende der Neunziger-Anfang der Nullerjahre im Alter von etwa zwölf oder dreizehn zum ersten Mal das Lied »Keep Ya Head Up« von Tupac Shakur hörte. Die folgenden Liedzeilen fielen mir wirklich auf:

You know it makes me unhappy?

When brothers make babies, and leave a young mother to be a pappy.

And since we all came from a woman,

Got our name from a woman, and our game from a woman,

I wonder why we take from our women, why we rape our women,

Do we hate our women?

I think it’s time to kill for our women, time to heal our women,

Be real to our women.

And if we don’t, we’ll have a race of babies that will hate the ladies 

And makes the babies. And since a man can’t make one, he has no right

To tell a woman when and where to create one.*1

Dieser Liedtext kommentiert bestimmte Aspekte von Geschlechterungleichheit; Männer, die Frauen, die sie geschwängert haben, verlassen; Männer, die Frauen verletzen und missachten, einschließlich Vergewaltigung; und er stellt sogar die Frage: »Hassen wir unsere Frauen?« Diese Botschaft von einem Gangster-Rapper zu hören, der ganz eindeutig als maskuliner Mann galt, der Inbegriff dessen, was ein Mann sein sollte, hatte einen tief greifenden Einfluss auf meine Sicht der Dinge als Heranwachsender.

Als ich schließlich den Begriff Patriarchat verstand, half er mir, die vielen Fragen, die ich mir als Junge gestellt hatte, zu verstehen. Ich konnte zum Beispiel meine Affinität für Liedtexte wie den eben genannten im weiteren Kontext reproduktiver Rechte für Frauen verstehen. Auch heutzutage stellen sich viele Jungs ähnliche Fragen. Meine Arbeit mit Jugendlichen und erwachsenen Männern zeigt, dass wir uns anscheinend wie bereits vor Jahrzehnten immer noch mit der Komplexität und den Problemen des Mannseins auseinandersetzen; zusätzlich zu neuen Problemen, die sich in der heutigen Zeit ergeben haben.

Ich habe Jungs und Männer gesehen, die im Stillen an Angst und Depressionen, Liebeskummer und psychischen Traumata leiden und sich anderen und sich selbst gegenüber höchst aggressiv verhalten, weil ihnen im Laufe ihres Lebens immer wieder gesagt wurde, dass ein Mann stark sein müsse; hart im Nehmen, abgeklärt, logisch denkend, eine Art Soldat in schwierigen Zeiten, der niemals Gefühlen oder Verwundbarkeit erliegt und immer Gleichgültigkeit gegenüber jeglicher Art von Schmerz und Leid zeigt. Und auch ich habe aus meinen Erfahrungen gelernt und aus der Art und Weise, wie ich mich mit meiner Männlichkeit und dem Mannsein auseinandergesetzt habe, angefangen bei den Fragen, die ich als kleiner Junge und Jugendlicher hatte, bis zu denen, die sich einem als Mann stellen, und wie sich mein Umgang damit oft ganz klischeehaft auf männliche Verdrängung beschränkte.

Im englischen Original heißt das Buch daher Mask Off (Runter mit der Maske). Denn Männern wird beigebracht, eine Maske zu tragen, eine Fassade, die unsere wahren Gefühle und Probleme verdeckt, mit denen wir von klein auf konfrontiert sind. Und weil die Gesellschaft grundsätzlich patriarchal ist, indem sie Männer begünstigt, die privilegierte Positionen einnehmen, erweckt sie den Eindruck, als hätten Männer keine Probleme, unter denen sie leiden. Es ist eine Art zweischneidiges Schwert, ein giftiges Allheilmittel: Dasselbe System, das Männer in der Gesellschaft bevorzugt, ist am Ende auch das System, das sie einschränkt, ihr Wachstum hemmt und schließlich zu ihrem Zusammenbruch führt.

Außerdem spielt der Originaltitel auch auf den Song »Mask Off« des amerikanischen Rappers Future an. Das Lied ist extrem materialistisch, gewaltvoll und frauenfeindlich, mit prahlerischen und lyrischen Anspielungen auf Drogen und Geld, Gang-Gewalt und abwertenden Bezeichnungen für Frauen (B-Wort und so weiter), und das alles unterlegt mit einem melodischen Querflöten-Sample. Später fand ich heraus, dass es sich um ein Sample aus dem Lied »Prison Song« von Tommy Butler handelt; dieses Lied wurde für das Theaterstück Selma geschrieben. Es geht darin um Rassismus, Polizeigewalt sowie Liebe und Freiheit während der Bürgerrechtsbewegung. Dieser Kontrast — zwei sehr unterschiedliche Botschaften, die über eine Zeitspanne hinweg in einem Lied existieren — steht symbolisch dafür, wie sich Männlichkeit und Maskulinität im Laufe der Zeit geändert haben. Und wie tiefgreifend sie von populärer Musik und Mainstream-Medien beeinflusst wurden.

Der deutschsprachige Titel Sei kein Mann kommt ohne diese Referenzen aus, er ist einfach ein klarer Hinweis darauf, dass wir unsere Vorstellungen von Männlichkeit ändern sollten. Ziel dieses Buches ist es, die Illusion einer starren und begrenzten Männlichkeit zu demaskieren, die Jungen und Männer unfähig macht, mit ihren Gefühlen umzugehen und sie, unbeabsichtigt oder nicht, zu Aggressoren und Beherrschern ihrer Mitmenschen macht. Auch möchte ich Lösungen anbieten, wie Männer beginnen können, nicht nur ihre eigenen persönlichen Traumata zu überwinden und zu verlernen, was ihnen als absolut beigebracht wurde, sondern auch, wie sie Veränderungen herbeiführen können, die es der nächsten Generation ermöglichen werden, in einem Bewusstsein zu leben für die Fülle, die Fluidität und die Ganzheit dessen, was es bedeutet, ein Mann zu sein.