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Mike Michalowicz

Profit First

Ein einfaches System, jedwedes
Unternehmen von einem kapitalfressenden
Monster in eine Geldmaschine zu
verwandeln

2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Budrich

budrich Inspirited
Opladen • Berlin • Toronto 2020

Alle Rechte vorbehalten.
© 2020 für die deutsche Ausgabe budrich Inspirited, Opladen, Berlin, Toronto;
budrich Inspirited ist ein Imprint des Verlags Barbara Budrich
 
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with Portfolio, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.
 
Titel des englischen Originals: Profit First: Transform your Business from a Cash-Eating Monster to a Money-Making Machine. 2. edition 2017

Inhalt

Vorwort von Benita Königbauer

Einführung

Kapitel 1
Dein Unternehmen ist ein außer Kontrolle geratenes geldvernichtendes Monster

Kapitel 2
Die Grundprinzipien von Profit First

Kapitel 3
Profit First für Dein Unternehmen aufsetzen

Kapitel 4
Wie gesund ist Dein Unternehmen?

Kapitel 5
Zuteilungsprozente

Steuern mit Profit First in Deutschland

Exkurs von Benita Königbauer

Kapitel 6
Profit First anleiern

Kapitel 7
Schulden abbauen

Kapitel 8
Geld im Unternehmen finden

Kapitel 9
Profit-First-Techniken für Fortgeschrittene

Kapitel 10
Profit First leben

Kapitel 11
Verhindern, dass alles zusammenbricht

Epilog

Danksagungen

Anhang 1: Profit-First-Schnelleinstieg

Anhang 2: Das Instant-Assessment-Formular

Anhang 3: Glossar der Schlüsselbegriffe

Stichwortverzeichnis

[7] Meiner Tochter Adayla und ihrem Sparschwein

[9] Vorwort von Benita Königbauer

Herzlich Willkommen in einem neuen Zeitalter Deines Unternehmerdaseins, das Dir bei konsequenter Anwendung völlig neue Möglichkeiten von Rentabilität, Wachstum und Freude mit Deinem Unternehmen eröffnet.

Bei meiner Arbeit mit Profit First in Deutschland konnte ich erfahren, dass zwischen dem Alltag amerikanischer Unternehmen und dem meiner deutschen Kunden weit mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestehen. Dennoch wirst Du beim Lesen gelegentlich schmunzeln oder Deine Stirn runzeln, wenn Du auf „Eigenheiten“ triffst. So haben wir Europäer zum Beispiel einen etwas anderen Umgang mit Kreditkarten und unsere Kreditwürdigkeit verhält sich anti-proportional zu unseren offenen Kreditlinien – im Gegensatz zu Amerika, wo ein Kunde ohne Kredite beim Rating eher skeptisch beäugt wird.

Mike Michalowicz fesselt die Leser seiner Bücher durch seine innovativen Ideen, aber auch durch seine ganz eigene Autoren-Stimme. Diesen persönlichen Ton ins Deutsche zu übertragen, ist Barbara Budrich aus meiner Sicht mit Bravour gelungen. Wo immer die Dinge in Deutschland grundlegend anders laufen – zum Beispiel beim Thema Steuern – hat sie durch Zusätze und Anmerkungen dafür gesorgt, dass Du, lieber Leser, keine Schwierigkeiten haben wirst, die besonders amerikanischen Gedanken in Deinen deutschen, österreichischen oder Schweizer Alltag zu übertragen.

Das amerikanische Original verweist an verschiedenen Stellen auf zusätzliche Downloads von Arbeitsunterlagen und Informationen zum Buch, die unter www.MikeMichalowicz.com für Dich bereitstehen. Dort findest Du all diese ergänzenden Unterlagen in englischer Sprache. In Abstimmung mit Mike stehen inzwischen einige davon auch in deutscher Sprache zur Verfügung (und es werden laufend mehr). Du findest diese unter www.profit-first.de kostenlos zum Download. Mit Mikes Unterstützung sorge ich dafür, dass Du [10] immer neue Informationen, Handreichungen und Checklisten auch auf Deutsch vorfindest.

Ich wünsche Dir von Herzen viel Freude beim Lesen und Umsetzen und ein gesundes, finanzstarkes Profit-First-Unternehmen, von Deinem nächsten Euro Umsatz an!

München, im Juni 2015

Benita Königbauer,
erste Profit First Professional im deutschsprachigen Raum

[11] Einführung

„Ich bin ein Idiot.“

Ich werde den Tag niemals vergessen, an dem Debbie Horovitch vor mir stand und weinte. Durch ihre Tränen hindurch brabbelte sie die ganze Zeit „Ich bin ein Idiot“ – wieder und wieder.

Debbie, die Unternehmerin hinter Social Sparkle & Shine – ein in Toronto, Kalifornien, ansässiges Unternehmen, das sich auf Social-Media-Dienstleistungen konzentriert – kontaktierte mich auf einem CreativeLive-Event in San Francisco. Ich war dort, um Strategien für Unternehmenswachstum aus meinem zweiten Buch „Pumpkin Plan“ zu lehren. Während einer der Sitzungen erläuterte ich das grundlegende Konzept des Profit-First-Systems. Eines der Instrumente von Profit First ist das Instant Assessment: eine Möglichkeit, rasch die finanzielle Gesundheit Deines Unternehmens auszuloten. Als ich das Instant Assessment an einem Freiwilligen vorführte, verstand jeder im Raum sofort, wie das Profit-First-System funktioniert.

Sämtliche CreativeLive-Präsentationen werden auch zeitgleich online gestreamt, und achttausend Zuschauer waren online dabei. Aus aller Welt erreichten uns Tweets und Kommentare. Weil das Instant Assessment so schnell und einfach ist, war ich nicht völlig überrascht, dass viele Kommentare der Online-Zuschauer sich darum drehten, dass sie ihre Unternehmen direkt evaluiert hatten. Unternehmer, Geschäftsführer, Freiberufler und Selbstständige – alle erzählten, wie froh sie über diese einfache Methode waren. Als wäre allen plötzlich und umfassend die Finanz-Seite ihrer Firmen klar geworden und als hätte dies zu einer unmittelbar wirkenden Dosis finanziellen Selbstvertrauens geführt.

Und dann kam Debbie während der Pause und sagte: „Können wir mein Unternehmen evaluieren?“

„Klar“, sagte ich. „Dauert nur ein, zwei Minuten.“

[12] Einen Stift im Mund und umgeben von Menschen, die überall um uns herumwuselten, gingen wir sofort das Instant Assessment durch, als seien wir in einer eigenen Welt. Ich kritzelte ihren Jahresumsatz auf das Flipchart. Wir berechneten die Prozente. Debbie sah auf die Ergebnisse und begann, gar bitterlich zu weinen. Sie konnte es nicht ertragen zu sehen, wo sie stand und wo sie laut Instant Assessment hätte stehen sollen.

„Ich bin so ein Idiot“, sagte sie, und Tränen rannen über ihr Gesicht. „Alles, was ich die letzten zehn Jahre gemacht habe, war falsch. Ich bin so blöd. Ich bin so ein Idiot. Ich bin ein Idiot.“

Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich immer mitweinen muss. Wenn jemand zu weinen beginnt, fange ich sofort an mitzuheulen. Kaum begann Debbie zu weinen, kamen auch mir die Tränen, und der Stift fiel mir aus dem Mund. Ich legte den Arm um Debbie, um sie zu trösten.

Seit zehn Jahren engagiert sich Debbie mit Leib und Seele für ihr Unternehmen. Sie hatte alles gegeben, ihr Privatleben geopfert, um ihren Laden in Schwung zu bringen, und doch hatte sie nach alldem nicht einen müden Penny vorzuweisen (und kein erfolgreiches Unternehmen). Natürlich hatte sie die ganze Zeit über gewusst, wie es um ihr Unternehmen bestellt war, doch hatte sie beschlossen, dieser Wahrheit auszuweichen und die Augen davor zu verschließen.

Deine Nase tief in die alltägliche Arbeit zu stecken, ist eine recht einfache Methode, zu verschleiern, wie schlecht es Deiner Firma geht. Wir denken, dass wir nur härter, länger, besser arbeiten müssen – wenn wir nur durchhalten –, dann wird eines Tages etwas Gutes passieren. Irgendetwas Großes wird passieren, oder? Irgendwas Magisches wird die Schulden verschwinden lassen, die Geldsorgen und den Stress. Das haben wir schließlich verdient, oder? Sollten nicht alle Geschichten so enden?

Liebe Freunde, so läuft das leider nur im Film – im richtigen Leben läuft das anders.

Als Debbie das Instant Assessment durchlief, blieb ihr nichts anderes übrig, als der Wahrheit ins Gesicht zu schauen: Ihr Unternehmen war kurz davor unterzugehen – die letzten zehn Jahre waren der Kampf gewesen, irgendwie über Wasser zu bleiben –, und es war dabei, sie mit in den Untergang zu reißen. Sie sagte wieder und wieder: „Ich Idiot, ich Idiot.“

[13] Ihre Worte trafen mich zutiefst, denn ich wusste, was sie durchmachte. Ich verstand haargenau, wie sich das anfühlt, die nackte Wahrheit über mein Unternehmen, mein Bankkonto, meine Strategien und meinen hart erkämpften Erfolg anzuerkennen.

Ich habe Profit First ursprünglich entwickelt, um meine eigenen Finanzprobleme zu lösen. Es funktionierte. Eigentlich tat es weit mehr, als zu funktionieren: Es wirkte Wunder. Jahre des Kampfes und finanzieller Probleme lösten sich auf – nicht über Nacht, sondern innerhalb von Stunden. Ich fragte mich, ob Profit First bloß bei mir und meinem verdrehten Hirn funktionierte oder ob es auch anderen helfen könnte.

Also probierte ich es mit einem anderen Unternehmen aus, bei dem ich Miteigentümer war, einer kleinen Ledermanufaktur in St. Louis. Es funktionierte. Ich testete es bei anderen Unternehmen, großen und kleinen. Es funktionierte. Ich schreibe darüber in meinem ersten Buch, in einem kurzen Abschnitt, den man leicht übersieht in einem kurzen, leicht zu übersehenden Abschnitt im „Klopapier-Unternehmer“. Und dann passierte etwas: Ich bekam E-Mails von anderen Unternehmern, die erzählten, dass sie es ausprobiert und Ergebnisse damit erzielt hatten. Ich schrieb darüber im Wall Street Journal und mehr Erfolgsgeschichten erreichten mich.

Nachdem ich mein zweites Buch geschrieben hatte, den „Pumpkin Plan“, nahm ich das Profit-First-System in meine Vorträge mit auf. Nachdem ich Debbie bei diesem CreativeLive-Event getroffen hatte, wurde mir klar, dass Unternehmer mehr brauchten, als bloß einen Abschnitt oder ein Kapitel zum Thema. Zu viele Unternehmenslenker lebten und arbeiteten als gequälte Sklaven ihres eigenen Unternehmens. Wenn ich einen wirklichen Unterschied machen wollte, um den Debbies (und Mikes) dieser Welt zu helfen, wusste ich, dann musste ich ein Buch über Profit First schreiben.

Profit First wurde im englischen Original das erste Mal 2014 veröffentlicht, und seither haben Zehntausende Unternehmer dieses System bei sich eingeführt und ihre Unternehmen transformiert. Sie produzieren nun nicht nur ordentliche Gewinn: Ihre Unternehmen wachsen so richtig. Zwei Fliegen, eine Klappe.

Während ich die aktualisierte Ausgabe dieses Buches verfasse, bin ich rund zwölftausend Meter über Pennsylvania oder Texas oder vielleicht ist es auch Russland. Ich reise so viel dieser Tage, dass ich mich darauf verlasse, dass der Pilot mir sagt, wo ich bin. Meine [14] Mitreisenden schauen sich Filme an, die sie bereits viermal gesehen haben, erledigen ihre Arbeit oder gönnen ihren Augen eine Pause, gepaart mit offenem Mund und gelegentlichen Schnarchern. Ein paar schauen aus dem Fenster auf die Wolken unter uns. Ich? Ich denke an all die Unternehmen, über die wir gerade hinwegfliegen. In jeder beliebigen Sekunde müssen Tausende von Unternehmen unter uns sein.

Die Small Business Administration (SBA), eine US-Behörde, die für kleine und mittlere Unternehmen zuständig ist, gibt an, dass es allein in den USA 28 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gibt. Die SBA definiert KMU als Firmen, die 25 Millionen US-Dollar oder weniger an Jahresumsatz generieren. Das schließt mein Unternehmen ein, und ich vermute, das schließt auch Dein Unternehmen ein. Mann, ey, das schließt sogar Justin Biebers Unternehmen ein (sein „Kleinunternehmen“ generierte im vergangenen Jahr lediglich 18 Millionen US-Dollar an Musikeinnahmen). Also, das sind 28 Millionen von uns Unternehmer-„Freaks“ allein in den USA. Wenn wir uns das ganze Ausmaß unserer globalen Unternehmerfamilie anschauen, dann sehen wir, dass die Zahl der Kleinunternehmen die 125-Millionen-Grenze überschreitet.1 Das sind eine Menge Unternehmer, eine Menge Leute mit Herz, Hirn und Entschlossenheit, die beschlossen haben, dass sie der Welt etwas Wertvolles anzubieten haben, und die losgezogen sind, etwas daraus zu machen.

Das bist Du, mein Freund, ein Unternehmer. Du bist vielleicht in der frühen Start-up-Phase, Deine Pläne und Träume hast Du auf einer Cocktail-Serviette notiert (oder einem Stück Klopapier – Du weißt, wen ich meine, meine KPU-Fans!). Wenn Du gerade erst anfängst, dann sind das Deine Requisiten. Du wirst Dich von Tag Eins an darauf konzentrieren können, Gewinn zu erwirtschaften, was Deine geistige Gesundheit, Dein Bankkonto und Deinen Hintern retten wird.

Vielleicht hast Du ein Unternehmen aufgebaut oder Du führst eines. Vielleicht hast Du die erste Auflage meines Buches gelesen und möchtest Dein Profit-First-System einen Gang höher schalten. Unabhängig von Deinem unternehmerischen Status, bist Du quasi jemand, der Wunder wirkt. Du kannst Ideen in Wirklichkeit verwandeln. [15] Du findest Kunden, Du produzierst etwas für sie, Du erbringst eine Dienstleistung für sie und sie bezahlen Dich dafür. Du verkaufst weiter, Du lieferst weiter, Du managst das Geld weiter. Wir alle sind clevere, engagierte Leute. Wirklich clever. Wirklich engagiert. Aber es gibt da ein wirklich verdammt nerviges Problem: Acht von zehn Unternehmen scheitern, und der Hauptgrund für ihr Scheitern ist fehlende Rentabilität. Der Babson-College-Bericht besagt: „Fehlende Rentabilität ist dauerhaft der Hauptgrund, der für eine Betriebsaufgabe angegeben wird.“2 Bist Du überrascht? Vermutlich nicht. Ich war es nicht. Es ist wahr, und es verleitet mich dazu, meine Sorgen in Margaritaville zu ertränken. Der größte Teil kleiner und mittlerer Unternehmen und selbst manche Großunternehmen überleben gerade so. Der Typ im neuen Tesla, dessen Kinder vom Chauffeur in ihre Privatschule gefahren werden, der in dieser Riesenvilla wohnt und ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von drei Millionen hat? Er ist nur einen Monat von der Insolvenz entfernt. Ich sollte es wissen: Er ist mein Nachbar.

Die Unternehmerin, die beim Netzwerktreffen sagt: „Es läuft super“, ist die gleiche Frau, die mir auf dem Parkplatz versucht, eine Frage zu stellen. Ich kann sie aber wegen ihres Schluchzens nicht verstehen. Sie weint, weil sie sich seit fast einem Jahr kein Gehalt mehr hat auszahlen können, und kurz davor steht, aus ihrem Haus herauszufliegen. Dies ist aber nur eine von vielen ähnlichen Begegnungen, die ich mit Unternehmern hatte, die sich nicht trauen, die Wahrheit über ihre finanzielle Lage einzuräumen.

Der Gewinner des „Young Entrepreneur of the Year Award“ der SBA, der die Welt verändert, der als Genie der nächsten Generation gefeiert wird, dem es bestimmt ist, wegen seiner unternehmerischen Fähigkeiten auf die Titelseite der Zeitschrift „Fortune“ zu kommen, braucht hinter den Kulissen einen Kredit nach dem andern und setzt seine Kreditkarte ein, um die Gehälter zu bezahlen. Ich sollte es wissen: Das war ich selbst.

Wie kann das sein? Was machen wir falsch? Ich meine, wir machen alles andere im Grunde richtig oder doch so ziemlich. Wir haben aus nichts etwas gemacht. Und warum sind dann nicht die meisten Unternehmen rentabel?

[16] Ich habe immer mit der Größe meines Unternehmens angegeben. Ich habe mir selbst auf die Schulter geklopft, weil ich mehr Mitarbeiter eingestellt habe, weil wir in ein Schicki-Micki-Büro umgezogen sind, weil wir große Umsätze gemacht haben. In Wahrheit habe ich all dies als Ausreden genutzt, um eine hässliche Tatsache nicht sehen zu müssen: Mein Unternehmen hatte nicht ein einziges Mal Gewinn generiert. In Wirklichkeit war mein Unternehmen (und in der Konsequenz ich selbst) dabei, unterzugehen. Und ich versuchte, Wachstum zu erwirken, um meinen Kopf über Wasser zu halten. Ich sagte: „Ich möchte natürlich keinen Gewinn ausweisen. Ich möchte einfach nur eine schwarze Null schreiben. Auf die Art sparen wir Steuern.“ Mit anderen Worten: Ich wollte lieber 10 Dollar verlieren, als dem Staat 3 Dollar zu geben. Ich sank Monat für Monat tiefer. Jahr für Jahr. Dauerstress.

Tatsächlich war es so, dass ich von einem Scheck zum nächsten lebte, vom dem Tag an, an dem ich mein Unternehmen gegründet hatte, bis zu dem Tag, an dem ich es verkaufte und der große Zahltag kam. Mann, war ich erleichtert! Mein Unternehmen hatte mich runtergezogen, und ich war es endlich los. Doch kam diese Erleichterung mit einem bitteren Nachgeschmack. Als ich das Unternehmen gegründet hatte, war mein Ziel nicht bloßes Überleben gewesen. Ich meine, Überleben ist ein Ziel für Kriegsgefangenenlager und Flüchtlinge; es ist sicherlich nicht das, worauf ein Unternehmer abzielt. Ich war davon überzeugt, dass ich das Problem war. Lange Zeit glaubte ich, ich sei voller Fehler und mein Hirn falsch verdrahtet. Ich brauchte lange Zeit, um die Frage zu stellen: Was, wenn nicht ich das Problem bin? Was, wenn das System voller Fehler ist, dem ich folgen soll?

Profit First funktioniert, weil es nicht versucht, Dich zu reparieren. Du arbeitest hart, Du hast gute Ideen, Du gibst Deinem Unternehmen bereits 100 %. Profit First ist ein System, das dazu gemacht ist, mit Dir zu arbeiten, so wie Du bereits bist. Du musst nicht repariert werden. Das System schon.

Stell Dir vor, Du bekämst gesagt, Du könntest fliegen, einfach indem Du mit Deinen Armen schlägst, und dann würde man Dich ermutigen, von der nächsten Klippe zu springen. Genau. Einfach nur [17] mit den Armen schlagen, und Du wirst nicht nur den X-Meter-Sturz überleben, Du wirst durch die Lüfte segeln. Was? Du stürzt in den Tod? Schnell. Stärker schlagen.

Mit den Armen schlagen, um zu fliegen, ist bekloppt, weil Menschen nicht fliegen können. Einer Finanzformel zu folgen, die nicht darauf zugeschnitten ist, wie Menschen von Natur aus veranlagt sind, ist so, als bekämst Du die Ansage schneller und schneller mit Deinen Armen zu schlagen, bis Du abhebst. Tut mir leid, Kumpel, es funktioniert nicht, egal wie sehr Du Dich anstrengst.

Das System für Rentabilität, das wir seit Anbeginn der Zeit nutzen, ist total dämlich. Genauer gesagt: Es ist furchtbar. Ja, klar, mathematisch ist es logisch, aber es macht menschlich gesehen keinen Sinn. Während einige Unternehmen erfolgreich dabei sind, dem alten System zu folgen, sind sie die Ausnahme, nicht die Regel. Sich auf die traditionellen Buchführungsregeln zu verlassen, um Rentabilität zu steigern, ist genau so, als würde ich Dir sagen, Du solltest von einer Klippe springen und mit den Armen schlagen wie bekloppt. Vielleicht überleben zwei oder drei von den Millionen Menschen, die es versuchen, wie durch ein Wunder. Jedoch auf diese wundersamen Überlebenden zu zeigen und zu sagen: „Siehst Du? Es funktioniert!“, ist aberwitzig. Millionen sterben, wenige überleben, und wir sagen blind, dass mit den Armen zu schlagen und von der Klippe zu springen, das beste System zum Fliegen sei. Absurd.

Wenn Du nicht rentabel bist, ist die naheliegende Vermutung, dass Du nicht schnell genug gewachsen bist. Ich habe Neuigkeiten für Euch, Leute. Du bist total in Ordnung. Du musst Dich nicht verändern. Die alte Gewinnformel ist das, was verkehrt ist. Die muss verändert werden.

Du kennst die Formel, von der ich spreche: Einnahmen – Ausgaben = Gewinn. Diese verkrustete Formel, die eine Gleitsichtbrille trägt und nach alten Leuten riecht, erscheint auf den ersten Blick vollkommen logisch. Verkaufe, so viel Du kannst, zahle die Rechnungen, und Gewinn ist das, was übrig bleibt. Hier ist das Problem: Da bleibt nie etwas übrig. Flatter. Flatter. Flatter. Klatsch.

Die alte Gewinnformel produziert Unternehmensmonster. Kapitalfressende Monster. Aber wir bleiben der Formel treu, und alles wird schlimmer.

Die Lösung ist unglaublich einfach: Nimm Dir Deinen Gewinn zuerst.

Ja, genau so einfach.

Was Du im Folgenden lernen wirst, ist so einfach und offensichtlich effektiv, dass Du Dir vermutlich an die Stirn schlagen wirst [18] und sagst: „Warum zum Teufel habe ich das nicht schon früher so gemacht?“ Doch mag es gelegentlich schwierig scheinen, weil Du es noch nie zuvor so gemacht hast. Es wird Dich herausfordern, weil Du aufhören musst, mit Deinen Armen zu schlagen. Du musst mit dem aufhören, das nichts bringt. (Es ist sehr schwierig, etwas sein zu lassen, auch wenn es für Dich nicht funktioniert. Erinnerst Du Dich an den letzten üblen Kater, den Du hattest, als Du gesagt hast: „Nie wieder Alkohol“? Wie lang hat das angehalten?)

Profit First wird Dich herausfordern, weil Du die Art und Weise, wie Du über Dein Unternehmen denkst, vollkommen verändern musst. Und Veränderung ist beängstigend. Die meisten Leute sind hundsmiserabel darin, etwas Neues zu versuchen oder gar neue Systeme durchzuziehen. Ich vermute mal, Du denkst darüber nach, Profit First auszutesten, aber Du sagst Dir, dass es so viel einfacher ist, die Dinge so zu tun wie schon immer, auch wenn das wie schon immer dazu führt, dass Du mit Deinem Unternehmen langsam aber sicher untergehst. Deshalb erzähle ich Dir ein wenig über die mutigen Menschen, die diesen Weg vor Dir gegangen sind und beim Jungfernflug von Profit First mitgeflogen sind, bevor wir anfangen.

Genau in dieser Sekunde arbeiten 128 Steuerberater, Buchhalter und Coaches Hand in Hand mit mir, um Unternehmern bei der Einführung von Profit First zu helfen. (Keine Sorge. Du kannst das auch problemlos alleine schaffen. Für manche Leute ist die Herangehensweise aber sinnvoller, wenn sie einen Partner haben, demgegenüber sie sich verpflichten, der sich mit ihrer Branche gut auskennt und sie Schritt für Schritt begleitet.) Diese 128 Profit First Professionals (PFPs) haben jeder im Schnitt zehn Unternehmen durch die Profi-First-Einführung begleitet. Das bedeutet, dass wir rund 1.280 Unternehmen mit Profit First zum Erfolg geführt haben.

Doch beim Großteil der Leute, die „Profit First“ bislang gelesen haben, kann ich nur vermuten, dass sie den Prozess allein durchgezogen haben. Ich bekomme etwa fünf E-Mails pro Tag von Unternehmern, die mir mitteilen, dass sie den Profit-First-Prozess begonnen haben oder dass sie damit angefangen und ihr Unternehmen transformiert haben. Über einen Zeitraum von zwei Jahren bedeutet dies 3.650 E-Mails zu neuen Profit-First-Einführungen. Aber ich weiß, dass sogar noch mehr Leute das Buch gelesen haben und das System nutzen, ohne je einen Ton darüber zu verlieren. Daher schätze ich, dass über 30.000 Unternehmen mittlerweile Profit First verwenden. [19] Selbst wenn diese Schätzung genau zutreffen sollte, haben wir kaum an der Oberfläche gekratzt. 30.000 ist eine hübsche Zahl, aber wenn wir sie ins Verhältnis setzen zu 125 Millionen Unternehmen, dann sind wir kaum am Start. Lass uns also die Kiste an den Start bringen und mit Dir anfangen.

Doch zuerst möchte ich Dich mit Keith Fear bekannt machen.

Keith ist seit Langem ein Fan meiner Bücher. Ich weiß das, weil er mir schrieb, als ich den „Pumpkin Plan“ im Original veröffentlichte. Er verliebte sich in das Buch, so sagte er mir, und sein Heißluftballon-Unternehmen ging ab wie eine Rakete. Sein Unternehmen wuchs, doch seine Gewinne nicht. Er machte über eine Million Umsatz und brauchte noch immer einen zusätzlichen Vollzeitjob, um über die Runden zu kommen. Dann las er „Profit First“. Und tat nichts.

Gar nichts! Warum? Weil Keith sich nicht vorstellen konnte, dass Profit First funktioniert. Er hatte sein ganzes Leben lang versucht, mit seinen Armen zu schlagen, was besonders merkwürdig erscheint, wenn Du davon lebst, Heißluftballons zu fahren. Und die Rückmeldung war immer die gleiche: Schlag stärker. Die Idee, den Gewinn zuerst zu entnehmen, vor allem anderen, war so ungewohnt, dass es ihm unmöglich erschien. Doch nach zwei weiteren Jahren, in denen er von einer Zahlung zur nächsten, einer Panik zur nächsten gerade so überlebte, gab er nach, gab das Gewohnte auf und beschloss, es einfach zu versuchen. Die Ergebnisse waren … na, ich lasse Keith das erklären, wie er es mir in seinem Brief schrieb:

Lieber Mike und Team,

ich habe mir überlegt, dass ich mir einen Moment Zeit nehme, um Euch etwas mitzuteilen. Ich habe „Profit First“ gerade zum xten Mal durchgelesen und musste allen Ernstes ein neues Exemplar kaufen. Ich habe quasi die erste Ausgabe, die ich hatte, zu großen Teilen zerfleddert und habe sie dann einem Freund gegeben, um ihn zu unterstützen. Ich bin Inhaber und Geschäftsführer eines Heißluftballon-Unternehmens. Wir haben Niederlassungen in St. Louis, Missouri, Albuquerque und Taos, New Mexico, und jetzt auch noch in Cottonwood, Arizona, in der Nähe von Sedona.

[20] Als ich Dein Buch zum ersten Mal las, dachte ich, Du wärst verrückt geworden. Das konnte überhaupt nicht funktionieren. Also habe ich in den letzten Monaten des Jahres 2014 nichts getan. Ich habe alles weitergemacht wie zuvor. Schließlich machte ich einen kleinen Gewinn, doch mit meiner Liquidität stand es nicht zum Besten. Ehrlich, ich tat alles, was ich mit Blick auf Liquidität tun konnte. Letztlich, gegen Anfang dieses Jahres, las ich das Buch erneut und begann dieses Mal, die Dinge auszuprobieren.

Um Euch eine Vorstellung von dem zu geben, was wir damit erreicht haben: An einem Punkt früh im Jahr 2015 lag unser Jahresgewinn 2015 über 1.721 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014. Nein. Kein Tippfehler! Ich mache sowas von keinen Witz. Wir schlossen 2015 mit einem Nettogewinn von insgesamt 335,3 Prozent über dem Vorjahr ab. Und dazu hatten wir eine Nettorendite von 22 Prozent!

Keith

Profit First hat Keith‘ Unternehmen gerettet. Heute blüht sein Unternehmen. Und meins ebenfalls.

Profit First rettete mein Unternehmen und es stellt sicher, dass jedes neue Unternehmen, das ich anfange, vom ersten Tag an rentabel läuft. Ja, vom ersten Tag an. An dem Tag, als ich meine neuste Unternehmung startete, Profit First Professionals, habe ich zwei Dinge getan: Ich unterschrieb die Gründungsdokumente und ging dann direkt zur Bank und öffnete meine fünf Gründungskonten für Profit First. Heute ist Profit First Professionals das rentabelste Unternehmen, das ich je hatte – und zwar deutlich. Es ist nicht das Größte, das ich je hatte, zumindest noch nicht, aber seine veröffentlichten Gewinne sind 1.000 % höher, als irgendein früheres Unternehmen von mir in seinem besten Jahr. Und diese Unternehmen habe ich für Millionen verkauft. Ja, kein Druckfehler: 1.000 % rentabler. Dieses Unternehmen ist noch nicht einmal zwei Jahre alt und wächst so stark, dass es vermutlich das größte Unternehmen wird (am Umsatz gemessen), das ich je hatte.

[21] Ich verspreche Dir, dass Profit First das Gleiche für Dich erreichen wird. Ob Du Deinen ersten Profit machen musst oder den Profit, den Du bereits erwirtschaftest, vergrößern möchtest: Dies ist der Weg.

Dir und all Deinen Unternehmerkollegen zu helfen, rentabler zu werden, ist mein Lebenssinn. Ich fliege in ganz Amerika herum und darüber hinaus, um über Profit First zu sprechen. Morgen werde ich vor mehr als 1.100 Apothekern in der Gegend von Houston sprechen, dann vor 25 Leuten (wenn ich Glück habe) in Casper, Wyoming, dann geht’s rüber nach New Orleans, um morgens mit 200 Leuten zu sprechen. Nach einem panischen Transfer (mit Flugzeug, Zug und Uber) rüber nach Washington, D.C., für eine abendliche Keynote. Dann fliege ich nach Übersee zu weiteren Veranstaltungen. In der Zwischenzeit gebe ich Interviews für etwa vier Podcasts täglich, produziere meinen eigenen Podcast (ähm, den Profit-First-Podcast natürlich) und aktualisiere abends dieses Buch. Ich tue all diese Dinge mit viel Freude. Ich lehre jeden dieses System. Ich werde nicht damit aufhören. Ich bin hier, um unternehmerische Armut zu beenden.

Als Debbie sich bei CreativeLIVE wieder etwas beruhigt hatte, sagte ich: „Die letzten zehn Jahre sind nicht verschwendet. Ich kann nachvollziehen, dass Du das jetzt so empfindest. Aber das stimmt nicht. Du hast diese Erfahrung gebraucht, um dorthin zu gelangen, wo Du heute stehst. Hier mit mir, beim Instant Assessment. Du musstest diesen Punkt erst erreichen, an dem Du sagst: ,Es reicht‘.“ Um wirklich etwas zu verändern, brauchte sie ihren Es-reicht-Moment. Den brauchen wir alle.

Natürlich ist Debbie keine Idiotin. Idioten suchen nicht nach Antworten. Idioten begreifen niemals, dass es einen anderen Weg gibt, selbst wenn er direkt vor ihnen liegt. Idioten geben niemals zu, dass sie etwas verändern müssen. Debbie stellte sich den Zahlen, verstand, dass ihr Ansatz nicht funktionierte und entschied sich, so nicht mehr weitermachen zu wollen. Debbie ist klug und mutig. Und eine Heldin. Sie flehte mich an, ich möge ihre Geschichte hier erzählen und ihren richtigen Namen nennen. Debbie wollte, dass Du weißt: Du bist nicht allein.

Ich vermute mal, dass Du Dein Unternehmen aus zwei Motiven heraus gegründet hast. Du wolltest zum einen etwas tun, was Du gern tust. Und zweitens, für finanzielle Freiheit. Du hast es gegründet, um einen gewissen Vermögensstatus zu erreichen. Du hast es gegründet, um Gewinn in Deine Tasche zu stecken.

[22] Aus diesem Grund gibt es dieses Buch. Wir werden Gewinn in Deine Tasche packen. Beginnend mit dem heutigen Tage. Im wahrsten Sinne des Wortes: heute. Dein Gewinn wird heute zu fließen beginnen und wird dauerhaft sprudeln.

Du musst Dich bloß darauf verpflichten, das Buch durchzuarbeiten und die Dinge dann umzusetzen. Lass den Umsetzungsschritt nicht aus. Biiiiitte! Lass ihn nicht aus. Du kannst dieses Buch nicht lesen und denken „tolles Konzept“ und dann in Deinem Unternehmen weiterwirtschaften wie zuvor. Du musst Deinen Hintern hochkriegen. Genau wie Debbie musst Du darüber hinwegkommen, wie Du Dich aufgrund von Entscheidungen der Vergangenheit fühlst. Und genau wie Keith musst Du das System umsetzen, wenn Du dieses Buch liest und die Schritte am Ende eines jeden Kapitels vollziehen. Dein (rentables) Leben hängt davon ab.

Vor allem möchte ich, dass Dein Unternehmen rentabel ist. Ich weiß, dass Profit First Stabilität in Dein Unternehmen bringen wird und in Dein Leben. Und ich weiß, dass Du Ansporn sein wirst für andere Unternehmer, Deine Mitarbeiter und Partner und vielleicht sogar für Deine Familie und Freunde das gleiche zu tun. Komm mit mir. Lass uns gemeinsam unternehmerische Armut besiegen.

Seit ich die erste Ausgabe von „Profit First“ 2014 veröffentlicht habe, habe ich jede Menge Feedback und Fragen erhalten, die Anlass für Verbesserungen waren. Ich habe außerdem Dutzende von Abkürzungen entdeckt und dazu noch netterweise von anderen Unternehmern Anpassungen und Lösungen geschildert bekommen, die sie während ihrer eigenen Umsetzung von PF entwickelt haben. All diese zielgerichteten Verbesserungen, neuen und weiterentwickelten Konzepte und klärenden Lösungen sind in dieser überarbeiteten und erweiterten Ausgabe von „Profit First“ enthalten. Wenn Du die erste Ausgabe von „Profit First“ gelesen hast, wirst Du feststellen, dass sich das System im Kern nicht im Mindesten verändert hat. Es ist grundlegend identisch. Doch dieses überarbeitete und erweiterte „Profit First“ ist voll neuer Erkenntnisse, neuer Geschichten und neuer, einfacherer Techniken.

Wenn Du ein Profit-First-Neuling bist, dann hast Du das Beste vom Besten in der Hand. Die Einführung von Profit First in Deinem Unternehmen ist leichter, schneller und besser denn je.

Sei bereit. Wir sind dabei, Dein Unternehmen für immer rentabel zu machen und beginnen damit beim nächsten Geldeingang.

[23] Kapitel 1
Dein Unternehmen ist ein außer Kontrolle geratenes geldvernichtendes Monster

Unabhängig davon, wie lange Du schon im Geschäft bist: Vermutlich kennst Du die Statistiken, die besagen, dass grob 50 % der Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre pleitegehen. Was sie Dir nicht erzählen, ist, dass diese gescheiterten Unternehmer eigentlich diejenigen sind, die Glück hatten! Der Großteil der Unternehmen, die überleben, häufen Schulden an, und ihre Chefs sind im Dauerstress. Die meisten Unternehmer leben in einem finanziellen Albtraum, einem, der von Freddy Krueger oder Frankensteins Monster bevölkert ist, in seiner groben, unverfälschten, beängstigenden Art. Es ist so, dass ich glaube, dass ich Dr. Frankenstein bin.

Wenn Du „Frankenstein“, den Klassiker von Mary Shelley, gelesen hast, dann weißt Du genau, wovon ich spreche. Der gute Doktor erschuf Leben. Aus unterschiedlichen Körperteilen bastelte er ein Lebewesen zusammen, das eher ein Monster war als ein Mensch. Seine Kreatur war zunächst natürlich kein Monster. Zuerst war es ein Wunder. Dr. Frankenstein hauchte etwas Leben ein, das ohne seine außergewöhnliche Idee und seine unermüdliche harte Arbeit niemals existiert hätte.

Genau wie ich. Genau wie Du. Wir haben etwas aufgebaut, das es nicht gegeben hatte, bevor wir es uns erträumt hatten. Wir haben Unternehmen aus dem Nichts erschaffen. Beeindruckend! Ein Wunder! Großartig! Das war es zumindest, bis das Monster hervortrat.

Es ist ein Wunder, ein Unternehmen nur mit einer großartigen Idee, Deinen einzigartigen Fähigkeiten und ein paar Ressourcen zu erschaffen. Und es fühlt sich auch so an. Bis zu dem Tag, an dem Du zugeben musst, dass Dein Unternehmen ein gigantisches, furchterregendes, [24] seelenaussaugendes, geldvernichtendes Monster geworden ist. An diesem Tag entdeckst Du, dass auch Du ein ehrenwertes Mitglied der Familie Frankenstein bist.

Und die psychischen und physischen Qualen dauern an, genau wie in Shelleys Buch. Du versuchst, das Monster zu kontrollieren – aber Du schaffst es nicht. Das Monster bringt mit jeder Bewegung mehr und mehr Zerstörung: leere Konten, überzogene Kreditkarten, Darlehen und eine wachsende Liste „unbedingt notwendiger“ Kosten. Es frisst zudem Deine Zeit. Du wachst vor Morgengrauen auf, um zu arbeiten, und lange nach Sonnenuntergang bist Du immer noch dran. Du arbeitest und arbeitest – doch das Monster bleibt bedrohlich. Dein unablässiges Arbeiten befreit Dich nicht; es schwächt Dich noch weiter. Das Monster in Schach zu halten, um es daran zu hindern, Deine ganze Welt zu zerstören, ist enorm anstrengend. Du leidest an Schlaflosigkeit, hast Angst vor den Anrufen Deiner Gläubiger – manchmal vor Deinen eigenen Angestellten – und lebst in einer nahezu ununterbrochenen Panik bei dem Gedanken daran, wie Du nächste Woche die Rechnungen bezahlen sollst – mit ein paar Euro und den Krümeln in Deiner Tasche. Hast Du Dein Unternehmen nicht gegründet, um Dein eigener Boss zu sein? Jetzt sieht es so aus, als sei das Monster Dein Boss.

Wenn Du den Eindruck hast, Dein Unternehmen zu führen sei näher an einer Horrorstory als an einem Märchen dran, dann bist Du nicht allein. Seit ich mein erstes Buch geschrieben habe, „Not macht erfinderisch – der Klopapier-Unternehmer“, habe ich zehntausende Unternehmer getroffen, und lass mich sagen: Die meisten kämpfen damit, das Biest zu bezwingen, zu dem ihr Unternehmen geworden ist. Viele Firmen – selbst jene, die so aussehen, als hätten sie’s, selbst die Großen, die so aussehen, als würden sie ihre Branchen dominieren – sind einen schlechten Monat vom totalen Zusammenbruch entfernt.

Mein eigener Weckruf kam in Gestalt des Sparschweins meiner Tochter.

Das Sparschwein, das mein Leben veränderte

Ich verlor meine Orientierung an dem Tag, an dem ich einen Scheck in Höhe von 388.000 Dollar erhielt. Es war der erste einer Reihe von [25] Schecks, die ich für den Verkauf meiner zweiten Firma an ein Fortune-500-Unternehmen bekam. Ich war Mitbegründer dieses Computer-Unternehmens für Forensik gewesen, und der Wert lag bei mehreren Millionen. Ich hatte mittlerweile zwei Unternehmen aufgebaut und verkauft. Und dieser Scheck war nun der letzte Beweis, den ich noch brauchte, um mich von dem überzeugen zu lassen, was meine Freunde und Familie über mich erzählten: In puncto Unternehmensaufbau hatte ich die goldene Hand des Midas.

An dem Tag, an dem der Scheck kam, kaufte ich drei neue Autos: einen Dodge Viper (das Auto meiner College-Träume; von dem ich später erfuhr, dass viele Leute es für ein „Der-Typ-muss-einen-echt-kleinen-Schniedel-haben-Auto“ bezeichnen), ein Auto, von dem ich immer gesagt hatte, ich würde es mir „eines Tages“ kaufen, wenn ich „es geschafft hatte“. Ich kaufte außerdem einen Land Rover für meine Frau und ein Ersatzauto, einen aufgemotzten BMW.

Ich war eigentlich immer sehr sparsam gewesen, doch jetzt war ich reich (mit einem entsprechenden Ego). Ich trat einem Privatclub bei. Die Art von Club, wo Dein Name umso weiter oben auf der Mitgliederliste steht, je mehr Du spendest. Und ich mietete ein Haus auf einer entlegenen Hawaiianischen Insel, sodass meine Frau, meine Kinder und ich die folgenden drei Wochen dort verbringen konnten: So konnten wir schon einmal austesten, wie unser neues Leben so laufen würde. Du weißt schon, „wie die da oben so leben“.

Ich war der Ansicht, es sei nun an der Zeit, in dem Geld zu schwelgen, das ich selbst erwirtschaftet hatte. Noch wusste ich nicht, was ich in Kürze lernen würde: dass es einen Unterschied gibt, zwischen Geld einnehmen (Einkommen) und Geld behalten (Gewinn). Dies sind zwei sehr, sehr unterschiedliche Dinge.

Mein erstes Unternehmen erschuf ich aus Ehrgeiz und Luft. Ich schlief in meinem Auto oder unter Konferenztischen, wenn ich Kunden besuchte. So konnte ich Hotelkosten sparen. Du kannst Dir also in etwa das Erstaunen im Gesicht meiner Frau Krista vorstellen, als ich den Autoverkäufer nach dem „teuersten Land Rover, den Ihr habt“ fragte. Ich fragte nicht nach dem besten Land Rover, nicht nach dem sichersten Land Rover. Ich wollte den teuersten Land Rover. Der Verkäufer hüpfte fröhlich zu seinem Chef und klatschte begeistert in die Hände.

Krista schaute mich an und fragte: „Hast Du den Verstand verloren? Können wir uns das wirklich leisten?“

[26] Aufgeblasen wie ich war, sagte ich: „Können wir uns das leisten? Wir haben mehr Geld als der liebe Gott!“ Ich werde niemals den Blödsinn vergessen, den ich an diesem Tag von mir gab. Widerwärtige Worte und so ein widerliches Ego. Krista hatte Recht. Ich hatte den Verstand verloren – und zumindest für diesen Augenblick auch meine Seele.

Dieser Tag war der Anfang vom Ende. Ich war dabei zu entdecken, dass ich zwar wusste, wie man Millionen macht, dass ich aber so richtig, richtig gut darin war, Millionen zu versieben.

Es war nicht allein dieser Lebensstil, der für meinen finanziellen Untergang sorgte. Diese Statussymbole waren Ausdruck meiner Arroganz: Ich glaubte an meinen eigenen Mythos. Ich war die Neuauflage von König Midas. Ich konnte gar nichts falsch machen. Und weil ich ein goldenes Händchen hatte und wusste, wie man erfolgreiche Unternehmen aufbaut, beschloss ich, dass ich meinen neuen Reichtum am besten in ein Dutzend nagelneuer Start-ups investieren solle. Letztlich war es ja bloß eine Frage der Zeit, bis der Funke meines unternehmerischen Genies auf diese verheißungsvollen Unternehmen überspringen würde.

Kümmerte es mich, ob die Gründer dieser Unternehmen eine Ahnung von dem hatten, was sie taten? Nein – schließlich kannte ich alle Antworten (lies dies bitte mit einer entsprechend arroganten A*-Betonung). Ich ging davon aus, dass mein goldenes Händchen den Mangel an unternehmerischer Expertise jederzeit ausgleichen würde. Ich rekrutierte ein Team, das die Infrastruktur all dieser Start-ups managen sollte – Buchhaltung, Marketing, Social Media, Webdesign. Ich war davon überzeugt, dass ich die Erfolgsformel besaß: ein vielversprechendes Start-up, die Infrastruktur und mein unglaubliches, überlegenes, magisches goldenes Händchen (noch mehr arrogante A*-Betonung).

Dann begann ich, Schecks auszustellen – fünftausend Dollar an diesen, zehntausend an jenen, jeden Monat mehr Schecks und noch mehr Schecks. Einmal stellte ich einen Scheck über fünfzigtausend Dollar aus, um für die Kosten eines dieser Unternehmen aufzukommen. Ich war auf eine einzige Sache aus: Wachstum. Ich überschüttete die Start-ups mit Geld ohne nachzudenken. Unternehmen, die nicht einmal mit meinen eigenen Werten zum Thema Geld in Einklang standen. Ich sorgte dafür, dass die Unternehmen auf mein Geld angewiesen waren und war stolz darauf. Und ich sah meine eigenen [27] Fehler nicht. Ich war aufgeblasen und borniert. Mach die Unternehmen groß und verkaufe sie. Im Rückblick ist mir klar, dass ich niemals in der Lage gewesen wäre, all diese Unternehmen so aufzubauen, dass sie tatsächlich in ihren Nischen so erfolgreich geworden wären, wie ich dies mit meinen beiden ersten Unternehmen geschafft hatte. Es gab niemals ausreichende Erlöse, um der wachsenden Ausgaben Herr zu werden.

Aufgrund meines riesigen Egos gestattete ich es den fähigen Leuten, die diese Unternehmen gegründet hatten, nicht, echte Unternehmer zu werden. Ich sah sie lediglich als Bauern in meinem Schachspiel. Ich ignorierte die Warnzeichen und schob fröhlich weiter Geld in meine Investitionen. Ich war sicher, König Midas würde das Ruder herumreißen.

Innerhalb der nächsten zwölf Monate gingen alle dieser Unternehmen, in die ich investiert hatte, pleite – bis auf eines. Als ich anfing, Schecks auszustellen, um für die Kosten der Unternehmen aufzukommen, die bereits untergegangen waren, wurde mir klar, dass ich kein Business Angel war. Ich war eher ein Todesengel.

Es war eine monumentale Katastrophe. Streich das: Ich war die monumentale Katastrophe. Innerhalb von nur zwei Jahren hatte ich nahezu jeden Cent meines hart verdienten Vermögens verloren. Über eine halbe Million Dollar an Ersparnissen war futsch. Ein weit größerer (beschämend viel größerer) Betrag an Investitionen versenkt. Schlimmer noch, ich hatte kein Einkommen. Am 14. Februar 2008 saß ich vor meinen letzten zehntausend Dollar.

Ich werde diesen Valentinstag niemals vergessen. Nicht weil er so voller Liebe war (obwohl er das auch war), sondern weil dies der Tag war, an dem ich begriff, dass das gute alte Sprichwort „Wenn Du ganz am Boden liegst, kann es nur noch aufwärts gehen“ völliger Blödsinn ist. Ich fand an diesem Tag heraus, dass Du, wenn Du am Boden liegst, manchmal noch am Boden entlanggeschleift wirst. Und Dein Gesicht wird an jedem Stein aufgeschürft, der am Boden verstreut liegt, bis Du total zerschlagen, blutig und von blauen Flecken übersät bist.

An diesem Morgen rief mich Keith an, mein Steuerberater (nicht zu verwechseln mit Keith dem Heißluftballon-Typen). Er sagte: „Gute Neuigkeiten, Mike. Ich hab mich mit den Steuern dieses Jahr richtig beeilt und habe Deine Erklärung für 2007 schon fertig. Du musst bloß 28.000 Dollar nachzahlen.“

[28] Ich spürte einen heftigen Schmerz in meiner Brust, wie einen Messerstich. Ich erinnere mich, dass ich dachte: „Fühlt sich so ein Herzinfarkt an?“

Ich müsste mich gewaltig anstrengen, um die 18.000 Dollar zusammenzubekommen, die ich nicht hatte. Dann müsste ich einen Weg finden, wie ich die nächste Monatsrate für mein Haus bezahlen könnte und dann all diese anderen kleinen wiederkehrenden und die unerwarteten Ausgaben, die sich zu einem hübschen Sümmchen zusammenaddierten.

Kurz bevor Keith das Telefonat beendete, sagte er, dass er seine Rechnung am Montag schicken würde.

„Wie viel?“, fragte ich.

„Zweitausend.“

Ich spürte, wie das Messer sich drehte. Ich hatte ganze 10.000 Dollar in meinem Besitz und Rechnungen in dreifacher Höhe. Als ich aufgelegt hatte, legte ich den Kopf auf meinen Schreibtisch und schluchzte. Ich hatte mich so weit von meinen eigenen Werten, von dem Menschen, der ich in meinem Innersten bin, entfernt, dass ich alles ruiniert hatte. Jetzt konnte ich nicht nur die Steuer nicht bezahlen. Ich hatte auch nicht die leiseste Ahnung, wie ich für meine Familie sorgen könnte.

Im Haus der Familie Michalowicz ist der Valentinstag ein wahrer Feiertag, ungefähr auf gleicher Höhe mit Thanksgiving, das in den USA noch mehr gefeiert wird als Weihnachten in Deutschland. Wir treffen uns zu einem besonderen gemeinsamen Abendessen, tauschen Karten aus und erzählen uns bei Tisch Geschichten darüber, was wir aneinander so schätzen und lieben. Deshalb ist der Valentinstag mein Lieblingstag des Jahres. Normalerweise komme ich mit Blumen nach Hause oder mit Luftballons oder mit beidem. An diesem Valentinstag kam ich mit nichts.

Obwohl ich versuchte, es zu verbergen, wusste meine Familie, dass etwas nicht stimmte. Beim Abendessen fragte Krista, was los sei. Mehr brauchte es nicht; der Damm brach. Ich schämte mich so sehr. Ich wechselte von einem gezwungenen Lächeln innerhalb weniger Sekunden zu einem Weinkrampf. Meine Kinder starrten mich erschrocken und entsetzt an. Als ich mich soweit beruhigt hatte, dass ich sprechen konnte, sagte ich: „Ich habe alles verloren. Jeden einzelnen Cent.“

[29] Absolute Stille. Ich sank auf meinem Stuhl zusammen. Ich schämte mich viel zu sehr, als dass ich meine Familie hätte ansehen können. Jetzt, wo all das Geld weg war, das ich verdient hatte, um uns zu ernähren. Ich hatte nicht nur darin versagt, meine Familie zu versorgen, mein Ego hatte alles gestohlen. Ich schämte mich so unendlich und irrsinnig für das, was ich getan hatte.

Meine Tochter Adayla, damals neun, stand auf und rannte in ihr Zimmer. Ich konnte es ihr nicht verdenken – ich wäre am liebsten selbst weggelaufen.

Die Stille hielt noch zwei weitere schmerzvoll-peinliche Minuten an. Dann kehrte Adayla zurück, ihr Sparschwein in Händen. Das Sparschwein, das sie zu ihrer Geburt bekommen hatte. Sie war ganz offensichtlich sorgsam damit umgegangen, denn nach all den Jahren hatte es nicht einen Kratzer, nicht eine Schramme. Sie hatte den Gummistopfen mit einer Kombination aus Textilklebeband, Tesa und Gummibändern gesichert.

Adayla stellte ihr Sparschwein auf den Esstisch und schob es zu mir herüber. Dann sagte sie die Worte, die mich bis zu meinem Tode begleiten werden:

„Daddy, wir schaffen das!“

An diesem Valentinstag erwachte ich und fühlte mich so, wie Debbie Horovitch sich nach ihrem Instant Assessment fühlte: wie ein Idiot. Doch am Ende dieses Tages hatte ich begriffen, was Vermögen wirklich bedeutet. Dank meiner neun Jahre alten Tochter. An diesem Tag habe ich auch verstanden, dass unabhängig vom eigenen Talent oder der eigenen Genialität oder der eigenen Leidenschaft und Fähigkeit Bargeld immer noch das Wichtigste ist – Cash is King. Ich erkannte, dass ein neunjähriges Mädchen die Grundlagen finanzieller Sicherheit gemeistert hatte: Spare und bring Dein Geld in Sicherheit, damit es nicht gestohlen wird – von Dir selbst. Und ich verstand, dass ich mir jederzeit erzählen konnte, dass mein natürliches unternehmerisches Geschick, mein unerbittlicher Drive und meine solide Arbeitsmoral jede Liquiditätskrise überwinden konnte – aber dass dies eine Lüge wäre.

Das Instant Assessment zu durchlaufen, kann wie eine eiskalte Dusche sein sein (wenn Du die „Ice Bucket Challenge“ vor ein paar Jahren mitgemacht hast, kennst Du den Kälteschock, den ich meine, der durch alle Knochen fährt). Oder es kann zum demütigsten Moment Deines Lebens werden – gerade so als würde Deine Tochter [30] ihre Ersparnisse anbieten, um Dir aus der Klemme zu helfen, in die Du Dich selbst bugsiert hast. Doch egal, wie groß der Schmerz auch sein mag, es ist besser, sich dem zu stellen, als einfach weiterzumachen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung.

Geldprobleme

Vermutlich hast Du viel Arbeit in den Aufbau Deines Unternehmens gesteckt. Du bist vermutlich gut oder sehr gut darin. Das ist fantastisch. Und das ist mit Sicherheit die eine Hälfte der Gleichung. Doch außerordentliches Wachstum ohne finanzielle Gesundheit wird Dein Unternehmen ruinieren. Mit diesem Buch hast Du die Chance, Deine Finanzen zu meistern.

Geld ist die Grundlage. Ohne ausreichende Gelder können wir unsere Botschaft, unsere Produkte, unsere Dienstleistungen der Welt da draußen nicht anbieten. Ohne ausreichendes Kapital werden wir zu Sklaven des Unternehmens, das wir selbst gegründet haben. Das ist urkomisch, denn schließlich haben wir unser Unternehmen nicht zuletzt gegründet, um frei zu sein.

Ohne genügend Geld können wir unser authentisches Ich nicht in vollen Zügen ausleben. Geld verstärkt den Charakter. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Du dazu bestimmt bist, etwas Großes auf diesem Planeten zu bewegen. Du trägst den Umhang des in meinen Augen größten aller Superhelden: den Umhang des Unternehmers. Doch Deine Superheldenkräfte sind nur so stark wie Deine Energiequelle. Geld. Du brauchst Geld, Du Superheld.