ZNT - Zeitschrift für Neues Testament 25. Jahrgang, Heft 49 (2022)

Inhalt

Fußnoten

Eine durch und durch politische Angelegenheit: Feministische Exegese, Gender Studies und queere Lektüren des Neuen Testaments.

Informationen über den Forschungsstand bietet zuletzt die Sammelrezension von Silke Petersen, In Bewegung. Feministische Exegese, Gender- und Queer-Studies in den Bibelwissenschaften, ThLZ 145/2020, 471–485. Aktuelle Resumés der (anglophonen) Forschung bieten die Beiträge in Benjamin H. Dunning (Hg.), The Oxford Handbook of New Testament, Gender, and Sexuality, Oxford 2019.

Querelle des Femmes

Christine de Pizans „Le Livre de la Cité des Dames“ (1405) führt unter anderem Maria von Nazareth, Maria von Magdala, die kanaanäische Frau, die Samaritanerin, Elisabeth und die Unterstützerinnen Jesu an. Marie de Gournays „L’Egalité des Hommes et des Femmes“ (1622) erwähnt Apphia, Maria von Magdala, die ersten Auferstehungszeuginnen, Elisabeth und Hanna und die Frau des Pilatus. Priscillas Lehrtätigkeit (Apg 18,24–26) wird z. B. von Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim in De nobilitate et praecellentia foeminei sexus (1529) benannt. In der umfassenden Enzyklopädie „Die Bibel und die Frauen“ ist ein der Querelle des Femmes gewidmeter Band vorgesehen.

Genderaspekte in Diskursen um die Kompatibilität von Moderne und Christentum

Beispiele: Das Christentum sei mit Frauen besser umgegangen als die Germanen: Philipp Veit laut Martin Spahn, Philipp Veit (Künstler-Monographien 51), Bielefeld / Leipzig 1901, 74. Das Christentum sei mit Frauen schlechter umgegangen als die Germanen: Georg F. Daumer, Pan und Madonna. Ausgewählte Schriften (Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik 210), Bonn 1988, 67–69 (Erstpublikation 1847). Das Christentum sei mit Frauen besser umgegangen als die Griechen: Anonyme Glosse in Eduard Duller (Hg.), Phönix. Frühlingszeitung für Deutschland 1835. Zweites Halbjahr (1. Juli bis 31. Dezember), Frankfurt 1835, 1147. Das Christentum sei mit Frauen schlechter umgegangen als die Griechen: Ludwig Heydemann (laut Berlinische Nachrichten, 13. Februar 1843, vgl. Cécile Lowenthal-Hensel / Lucius Grisebach / Horst Ludwig, Preußische Bildnisse des 19. Jahrhunderts. Zeichnungen von Wilhelm Hensel, Berlin 1981, 129). Im Christentum hätten Frauen es besser als im antiken Israel und im Judentum: Luigi Chiarini, Théorie du Judaïsme, appliquée à la reforme des Israélites de tous les pays de l’Europe, et servant en mème temps d’ouvrage préparatoire a la version du Thalmud de Babylone, Bd. 1, Paris 1830, 178; Franz Delitzsch, Christentum und jüdische Presse. Selbsterlebtes, Erlangen 1882, 30; Belege für die USA bei Jonathan D. Sarna, The Debate over Mixed Seating in the American Synagogue, in: Jack Wertheimer (Hg.), The American Synagogue. A Sanctuary Transformed, Cambridge u. a. 1987, 363–394, hier 369. Das Judentum gehe mit Frauen nicht schlechter um als das Christentum: Grace Aguilar, The Women of Israel, Bd. 1, New York 1851 (zuerst London 1845), 8f.; dies., The Women of Israel; or, Characters and Sketches from the Holy Scriptures, and Jewish History, illustrative of the past history, present duties, and future destiny of the Hebrew females, as based on the Word of God, Bd. 2, London 1845, 421–423. Eine postchristliche projüdische Dekonstruktion christlicher Überlegenheitsrhetorik bietet Nahida Remy, Das jüdische Weib, Leipzig 1891 (dazu Maria Japs, Nahida Lazarus-Remy und „Das jüdische Weib,“ Diss. Paderborn 2019). Zu deutschkatholischen Konstruktionen einer Überlegenheit des Christentums mit der Stellung der Frauen als Argument und zu jüdischen Entgegnungen vgl. Dagmar Herzog, Intimacy and Exclusion. Religious Politics in Pre-Revolutionary Baden, Princeton 1996, 98–101. Erforscht sind Ausschnitte der Rezeption und Transformation von Bachofens Matriarchats- und Patriarchatsthesen, vgl. Helga Laugsch, Der Matriarchats-Diskurs (in) der Zweiten Deutschen Frauenbewegung. Die (Wider)Rede von der ‚anderen‘ Gesellschaft und vom ‚anderen‘ Geschlecht. Genese, Gesichte, Grundlagen, Positionen, Probleme, Implikationen, Ideologien, München 1995; Georg Dörr, Muttermythos und Herrschaftsmythos. Zur Dialektik der Aufklärung um die Jahrhundertwende bei den Kosmikern, Stefan George und in der Frankfurter Schule (Epistemata 588), Würzburg 2007; Cynthia Eller, Gentlemen and Amazons. The Myth of Matriarchal Prehistory, 1861–1900, Berkeley / Los Angeles / London 2011; Meret Fehlmann, Die Rede vom Matriarchat. Zur Gebrauchsgeschichte eines Arguments, Zürich 2011.

Vgl. Martin Leutzsch, „Jesus der Mann“ im Prozess der Differenzierung und Transformation der Männlichkeitsideale 1863–1945, in: August H. Leugers-Scherzberg / Lucia Scherzberg (Hg.), Genderaspekte in der Aufarbeitung der Vergangenheit (t.g.B 8), Saarbrücken 2014, 33–54; ders., Männlichkeiten im entstehenden Christentum. Probleme ihrer Erforschung, in: Laura-Christin Krannich / Hanna Reichel / Dirk Evers (Hg.), Menschenbilder und Gottesbilder. Geschlecht in theologischer Reflexion, Leipzig 2019, 111–136.

Debatte um Frauenordination

Vgl. Frauenforschungsprojekt zur Geschichte der Theologinnen, Göttingen 1994; Frauenforschungsprojekt zur Geschichte der Theologinnen, Göttingen, „Darum wagt es, Schwestern …“ Zur Geschichte evangelischer Theologinnen in Deutschland (HTSt 7), Neukirchen-Vluyn 1994; Dagmar Herbrecht / Ilse Härter / Hannelore Erhart (Hg.), Der Streit um die Frauenordination in der Bekennenden Kirche. Quellentexte zu ihrer Geschichte im Zweiten Weltkrieg, Neukirchen-Vluyn 1997; Dagmar Herbrecht, Emanzipation oder Anpassung. Argumentationswege der Theologinnen im Streit um die Frauenordination in der Bekennenden Kirche, Neukirchen-Vluyn 2000, 75–142.

2 Zur feministischen Exegese des Neuen Testaments

Bernadette J. Brooten, „Junia … Outstanding among the Apostles“ (Romans 16:7), in: Leonard Swidler / Arlene Swidler (Hg.), Women Priests. A Catholic Commentary on the Vatican Declaration, New York 1977, 141–144, 143. Rolle und Einfluss der Bibelübersetzungen bei der Geschlechtsumwandlung Iunias bedürfen noch gründlicher Erforschung. Martin Luther las in Erasmus’ Ausgabe des griechischen Texts in Röm 16,7 einen Frauennamen, schrieb in seine Übersetzung aber einen Männernamen. Die kirchenamtliche Revision der Lutherbibel von 1984 deutet in einer Fußnote zaghaft an, dass im griechischen Text möglicherweise auch von einer Frau die Rede sei. Erst die folgende Revision von 2016 korrigiert Luthers Geschlechtsumwandlung.

Vgl. Ute E. Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum. Epigraphische und literarische Studien (FKDG 61), Göttingen 1996.

Vgl. Carol Meyers / Toni Craven / Ross S. Kraemer (Hg.), Women in Scripture. A Dictionary of Named and Unnamed Women in the Hebrew Bible, the Apocryphal / Deuterocanonical Books, and the New Testament, Grand Rapids / Cambridge 2000.

Bei womanistischen Bibellektüren liegt der Schwerpunkt auf Texten der jüdischen Bibel; doch vgl. Renita J. Weems, Just a Sister Away. A Womanist Vision of Women’s Relationships in the Bible, San Diego 1988, 39–50 (zu Lk 10,38–42) und 113–126 (zu Lk 1f.). Vgl. jetzt auch Shanell T. Smith, „She did That!“ Female Agency in New Testament Texts – A Womanist Response, in: Dunning (Hg.), New Testament, Gender, and Sexuality, 157–175.

Vgl. Hanne Köhler, Gerechte Sprache als Kriterium von Bibelübersetzungen. Von der Entstehung des Begriffes bis zur gegenwärtigen Praxis, Gütersloh 2012.

3 Gender Studies und die Erforschung von Sexualitäten

Vgl. Bernadette J. Brooten, Love between Women. Early Christian Responses to Female Homoeroticism, Chicago / London 1996. Zu Sexualitäten in der Bibel und im antiken Judentum und deren Erforschung vgl. die zahlreichen Monographien von William Loader.

4 Ein imaginiertes Lexikon

Beispiel: Zu Mt 1f. wäre zu fragen, ob in 1,4 Judas Brüder oder seine Geschwister (inklusive Dina) gemeint sind; ob die magoi 2,1.7.16 exklusiv Männer bezeichnen oder nicht; ob die Schriftgelehrten 2,5 Frauen einschließen können (weil es Belege für torahgelehrte Frauen im antiken Judentum gibt) oder nicht (weil die Bezeichnung „Schriftexpertinnen“ für solche Frauen bislang nicht belegt zu sein scheint); ob die paides 2,16 exklusiv männliche Säuglinge und Kleinkinder oder männliche und weibliche bezeichnen.

Nicht immer ist die Evidenz so klar wie in Lk 11,14–36, wo die ochloi (11,14.29) teils geschlechtsneutral (tines V. 15), teils grammatikalisch maskulin (heteroi … peirazontes V. 16) differenziert werden und eine Frau aus dem ochlos eigens hervorgehoben wird (V. 27).

Die Parallele Lk 6,6–11 beginnt mit anthropos (V. 6), um dann zu anēr zu wechseln (V. 8).

Der Plural ist vorzuziehen, weil Umfang und Struktur von „Bibel“ je nach Religion, Konfession und deren geschichtlichen Entwicklungen variiert.

Das Substantiv theos kann mit dem bestimmten Artikel als männliche (so im NT) oder weibliche Gottheit charakterisiert werden. Neben gegenderten Metaphern für diese Gottheit gibt es auch nicht gegenderte Redeweisen (Abstrakta: arche, telos; Buchstaben: to alpha, to ō).

Zeitlich spätere Quellenbereiche wie gnostizistische, neuplatonische und rabbinische Texte bieten Belege für männliche, weibliche und androgyne Engel.

Sind thronoi, kyriotētes, archai, exousiai (Kol 1,16), dynameis (Eph 1,21) über das grammatische Geschlecht hinaus gegendert vorzustellen?

Die Septuaginta gibt das Maskulinum dag (Jona 2,1.11) und das Femininum dagah (Jona 2,2) unterschiedslos mit ketos wieder (der mittelalterliche Midrasch Jona lässt Jona von einem männlichen Fisch verschlungen werden, der nach Gottes Geheiß Jona wieder freigibt, damit er von einem weiblichen Fisch verschlungen werden kann).

5 Queere Lesarten

Vgl. Deryn Guest u. a. (Hg.), The Queer Bible Commentary, London 2006. Die exegetische Erforschung des NT mit dem Konzept queer erschließt die Bibliographie Joseph A. Marchal, Appalling Bodies. Queer Figures Before and after Paul’s Letters, Oxford 2020, 273–299.

Vgl. Ronald E. Long, Introduction. Disarming Biblically Based Gay-Bashing, in: Guest u.a. (Hg.), The Queer Bible Commentary, 1–18.

Vgl. zu dieser Frage Lynn R. Huber, Interpreting as Queer or Interpreting Queerly?, in: Joseph A. Marchal (Hg.), Bodies on the Verge. Queering Pauline Epistles (SemeiaSt 93), Atlanta 2019, 311–321.

Vgl. Heinz-Jürgen Voß, Making Sex Revisited. Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive, Bielefeld 2010.

7 Gender und andere gesellschaftliche Positionen: der Intersektionalitätsansatz

Vgl. Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger (Hg.), Doing Gender – Doing Religion. Fallstudien zur Intersektionalität im frühen Judentum, Christentum und Islam (WUNT I/302), Tübingen 2013.

Frauenbeschneidung in der Antike und ihr motivisches Vorkommen im Neuen Testament und frühen Judentum

Gal 3,28. Genauso wie die Kategorien „jüdisch“ und „griechisch“, die Paulus in demselben Brief auch mit „beschnitten“ und „unbeschnitten“ übersetzen kann. Mit anderen Worten: Gleich zwei geschlechtsbezogene Merkmale sind irrelevant in Christus.

Epiphanius, Panarion 49,3,1.

Bernadette J. Brooten, Liebe zwischen Frauen. Weibliche Homoerotik in hellenistisch-römischer Zeit und im frühen Christentum (übers. von Gerlinde Baumann; Exegese in unserer Zeit. Kontextuelle Bibelinterpretationen 28), Münster 2020.

Röm 1,27.

Z. B. 1Kor 14,33b–35; ähnlich 1Tim 2,11–15.

https://de.statista.com/infografik/24092/anteil-der-genitalverstuemmelten-maedchen-und-frauen/ (letzter Zugriff am 07.10.2021). Ferner Informationen der Bundeszentrale unter https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/263832/tag-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung (letzter Zugriff am 07.10.2021).

https://www.frauenrechte.de/presse/aktuelle-pressemitteilungen/4046-anlaesslich-des-internationalen-maedchentages-70-218-betroffene-frauen-und-maedchen-terre-des-femmes-e-v-veroeffentlicht-neue-dunkelzifferstatistik-zu-weiblicher-genitalverstuemmelung-in-deutschland (letzter Zugriff am 07.10.2021).

1 Das Motiv der Frauenbeschneidung bei Paulus

Z. B. Jes 10,10–12.

Beispiele in Anja Klöckner / Matthias Recke (Hg.), Herakles & Co., Götter und Helden im antiken Griechenland. Antike Kunst aus den Sammlungen der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Arbeiten zur Klassischen Archäologie – Mitteilungen aus der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität Gießen 6), Gießen 2010, 132, Nr. 76: z. B. Statue Vatican Inv. 2672 Tyche von Antiochen oder die Stadtgöttin mit Stadtmauer als Krone in der Antikensammlung, Kunsthistorisches Museum, Wien. Inv. IXa 82.

Siehe auch Christl M. Maier, Daughter Zion, Mother Zion. Gender, Space, and the Sacred in Ancient Israel, Minneapolis 2008, 210f.: „die Stadt ist eine Frau“; und Maier, Daughter Zion, 64–69, mit weiteren Beispielen. Ähnlich Uta Schmidt, Zukunftsvorstellungen in Jesaja 49–55. Eine textpragmatische Untersuchung von Kommunikation und Bildwelt (WMANT 138), Neukirchen-Vluyn 2013, 138.

Siehe Gal 2,4; 3,28; 4,3.7–9.22–31; 5,1. Mehr in Heidrun E. Mader, Proselytismus als Mehrheitsphänomen in den galatischen Gemeinden als Kontext für Paulus Kritik an des Gesetzes Werken, in: Ute E. Eisen / Heidrun E. Mader (Hg.), Talking God in Society. Multidisciplinary (Re)constructions of Ancient (Con)texts. FS Peter Lampe. Bd. 1: Theories and Applications (NTOA 120/1), Göttingen 2020, 557–573; Heidrun E. Mader, Circumcised Hagar, the Slave, and Uncircumcised Sarah, the Free Woman. Feminizing the Circumcision Scenario of the Galatian Congregations, in: Korinna Zamfir / Uta Poplutz (Hg.), New Testament Epistles (The Bible and Women. An Encyclopaedia of Exegesis and Cultural History 2.2), Atlanta (im Druck).

Auch die kontrastreiche Metaphorik von der Versklavtheit und Freiheit, die Hagar und Sara zugeordnet wird, bezieht Paulus auf die Szenarien der Beschnittenheit und Unbeschnittenheit (siehe Anm. 4). Paulus erweitert in Gal 4,23 sein Kontrastschema, indem er Hagars Sohn als kata sarka („nach dem Fleisch“) geboren beschreibt, während Saras Sohn geboren ist nach der Verheißung Gottes. Die Formulierung kata sarka in Vers 23 und auch in 4,29 könnte gut eine Anspielung auf die Beschneidung sein. Gen 17,13 nennt die Beschneidung explizit einen Bund epi tēs sarkos hymōn („in eurem Fleisch“). Paulus verbindet sarx in Gal 3,3 und 6,13 mit der Beschneidung. Die Beschneidung, die in 5,2.6 angesprochen wird, wird vom sarx-Begriff in Gal 5,13 aufgegriffen. Wie bereits die New Perspective on Paul zeigte, basiert das Gnadenelement christlicher Theologie auf dem Judentum als ebensolcher Gnadenreligiosität. Vgl. Mader, Proselytismus, 558–569.

Bereshit Rabba 46,4.

Kapitel 3 dieses Beitrags.

2 Die antike Quellenlage zur Frauenbeschneidung

Zur Frage der Herkunft der Beschneidungssitte generell siehe Joachim F. Quack, Zur Beschneidung im Alten Ägypten, in: Angelika Berlejung / Jan Dietrich/ Joachim F. Quack (Hg.), Menschenbilder und Körperkonzepte im Alten Israel, Tübingen 2012, 561–652, hier 624f.

Zur Beschneidungssitte in Ägypten generell siehe umfassend Quack, Beschneidung, 561–651.

Vgl. Mary Knight, Curing Cut or Ritual Mutilation? Some Remarks on the Practice of Male and Female Circumcision in Graeco-Roman Egypt, Isis 92/2, 2001, 317–338, hier 332; Shaye Cohen, Why aren’t Jewish women circumcised? Gender and Covenant in Judaism, Berkeley u. a. 2005, 58. Quack, Beschneidung, hält im Fazit (628f.) seines Beitrags über die Beschneidungssitte in Ägypten auch den Öffentlichkeitsfaktor der männlichen Beschneidung fest. Ferner bietet er Bildmaterial (630–633), das die Öffentlichkeit bis hin zur Sichtbarmachung der männlichen Beschneidung demonstriert. Analoges Bildmaterial zur Frauenbeschneidung fehlt.

Weitere Quellen zur ägyptischen Frauenbeschneidung, für die hier kein Raum ist, werden in einem in Erscheinung begriffenen ausführlicheren Beitrag über die Frauenbeschneidung diskutiert werden.

Papyrus London 24 (UPZ I, Nr. 2). Eine vielzitierte Übersetzung ins Englische bietet Jane Rowlandson (Hg.), Women and Society in Greek and Roman Egypt. A Sourcebook, Cambridge 1998, 99f., No. 78. Deutsche Übersetzungen der Quelle bieten Ulrich Wilcken, Urkunden der Ptolemäerzeit (Ältere Funde). Bd. 1: Papyri aus Unterägypten, Berlin / Leipzig 1927 (Nachdruck 1977), 116–119; und Andrea Jördens, Griechische Texte aus Ägypten, in: Bernd Janowski / Daniel Schwemer (Hg.), Texte zur Heilkunde (TUAT 5), Gütersloh 2010, 317–350.

Vgl. Quack, Beschneidung, 608.

Vgl. Cohen, Jewish Women, 56: „By the first century of our era, the Egyptian practise was well known.“

Knight, Curing Cut, 321–329, stellt alle chirurgischen Berichte und ihre Textgeschichte ausführlich vor. Im Überblick gut zusammengefasst und ausgewertet bei Quack, Beschneidung, 608f.

Knight, Curing Cut, 327.

Englische Übersetzung von Knight, Curing Cut, 327f., z. T. modifiziert.

https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation (letzter Zugriff am 08.10.21). Vgl. z. B. Sabine Huebner, Female Circumcision as a Rite de Passage in Egypt. Continuity through the Millennia, Leiden 2009, 149–171, hier 134; Knight, Curing Cut, 323, mit Abbildungen. Der Versuch, die Infibulatio als sog. Pharaonenbeschneidung auf das Alte Ägypten zurückzuführen, ist nicht solide begründbar. Vgl. Quack, Beschneidung, 605–610.

3 Aseneths allegorische Proselytenbeschneidung (JosAs 14–17)

JosAs 14–17. Im Folgenden werden in groben Zügen Thesen meiner umfassenden Studie zu Hagar und Aseneth geboten, die im Erscheinen begriffen ist.

Der Roman wird zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. angesiedelt. Manuel Vogel, Einführung, in: Eckart Reinmuth (Hg.) / Stefan Alkier (Bearb.), Joseph und Aseneth (SAPERE 15), Tübingen 2009, 3–32, hier 15, präzisiert: „Mit aller Vorsicht kann deshalb der Entstehungszeitraum von JosAs auf die 2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. und die ersten Jahre des 2. Jh. eingegrenzt werden.“ Schließt man sich der Argumentation Vogels an, rückt der Roman in direkte zeitliche Nähe zum Galaterbrief. Wie im Galaterbrief geht es bei den Adressierten um den Proselytismus. Es zeichnet sich im Forschungskonsens ab, keinen missionarischen Impetus hinter der Schrift zu sehen. Ob es konkret um die Mischehenfrage geht, die auf Romanebene geklärt werden soll, oder um andere Aspekte des Proselytismus, wird hier offengelassen (siehe die Möglichkeiten bei Vogel, Einführung, 26–28). Für die hier vorgebrachte These reicht der Proselytenkontext völlig aus.

JosAs 15,17. Text von Uta B. Fink, Übersetzung von Reinmuth, in: Reinmuth / Alkier, Joseph und Aseneth, 88f.

Vgl. z. B. Christoph Burchard, Joseph and Aseneth. A New Translation and Introduction, in: James E. Charlesworth, The Old Testament Pseudepigrapha II, New York 1985, 177–247, hier 189f., der darauf hinweist, dass die Ziontradition hinter Aseneths Hauptrolle als Frau stehe, die sonst häufig von Männern eingenommen werde. Dass die Völker Zuflucht beim Herrn in Zion finden, kommt in Sach 2,15 (LXX) vor. Doch soll Aseneth, die in Ägypten lokalisiert ist, nicht speziell Jerusalem repräsentieren. Die Metapher der schützenden Stadt verdankt sich hier ganz dem Konzept der Polis selbst, die in der Antike generell feminin verstanden wird, auch unabhängig vom Jerusalem-Motiv.

Z. B. Burchard, Joseph and Aseneth, 193: „It is significant that neither circumcision nor proselyte baptism (supposing that it existed already in the author’s day) is mentioned.“ Anders Christine Gerber, Blickwechsel. Joseph und Aseneth und das Neue Testament, in: Reinmuth / Alkier, Joseph und Aseneth, 203–218, hier 212, und Judith M. Lieu, Circumcision, Women, and Salvation, NTS 40/1994, 358–370, hier 365.

Dass die Beschneidung zum Proselytismus notwendig dazugehörte, vertreten z. B. John Nolland, Uncircumcised Proselytes, JSJ 12/1981, 173–194; Heikki Räisänen, Paul and the Law (WUNT 29), Tübingen 21987, 40f.; Shaye Cohen, Crossing the Boundary and Becoming a Jew, HThR 82/1989, 13–33, hier 27f. Dagegen Neil McEleny, Conversion, Circumcision, and the Law, NTS 20/1974, 319–341, hier 328–333. Zur Vertiefung der Thematik siehe Mader, Proselytismus als Mehrheitsphänomen, 559f.

Angela Standhartinger, Recent Scholarship on Joseph and Aseneth (1988–2013), CBR 12/2014, 353–406, hier 384f., bietet einen ausgezeichneten Überblick darüber.

Standhartinger, Recent Scholarship, 384.

Standhartinger, Recent Scholarship, 384.

Da die jeweiligen Deutungsangebote in sich recht geschlossene Systeme sind, einschließlich des meinen, ist es in diesem Rahmen nicht nötig, die Details der alternativen Deutungen mit anzuzeigen, um die eigene These vorzustellen.

Matthew Thiessen, Aseneth’s Eight-Day Transformation as Scriptural Justification for Conversion, JSJ 45/2014, 229–249, hier 237.

Text von Fink, Übersetzung von Reinmuth, Joseph and Aseneth, 94f.

CIL IV 8408a.

Übersetzung: Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt, Wuppertal / Zürich 41995.

Melanie Peetz, Emotionen im Hohelied. Eine Literaturwissenschaftliche Analyse Hebräischer Liebeslyrik unter Berücksichtigung geistlich-allegorischer Auslegungsversuche (HBS 81), Freiburg 2015, 21. Diese Tradition hält bis heute an (Heidy Zimmermann, „Lass mich deine Stimme hören“: Spuren des Hohenliedes in der jüdischen Tradition, KuI 19/2004, 32–46, hier 35).

Peetz, Hoheslied, 207.

Volkert Haas, Babylonischer Liebesgarten. Erotik und Sexualität im Alten Orient, München 1999, 122f.

Haas, Liebesgarten, 131.

Haas, Liebesgarten, 132.

Marvin H. Pope, Song of Songs (AncB 7C), New York 1977, sieht Parallelen vor allem in ugaritischem Material aus der sumerischen Tradition. Gillis Gerleman, Ruth, Das Hohelied (BKAT), Neukirchen-Vluyn 32011 (Nachdruck von 1965) interpretiert das Hohelied vor dem Hintergrund altägyptischer Liebeslyrik.

Text von Fink, Übersetzung von Reinmuth, Joseph and Aseneth, 92–95.

Louise Cilliers / Francois P. Retief, Bees, Honey and Health in Antiquity, Akroterion 53/2008, 7–19.

Es wurden bereits etliche Deutungsvorschläge für die Bedeutung der Bienen gemacht. Siehe im Überblick Standhartinger, Recent Scholarship, 367, 372, 384, 385.

Die Rabbinische Literatur lobt entsprechend die Beschneidung (Mischna Nedarim 3,11; Tosefta Nedarim 2,5–7,105). Cohen, Jewish women, 26f., der diese Belege einer Lobrede auf die Beschneidung zitiert, interpretiert sie als Gegenreaktion auf das Christentum oder hellenisierte Juden.

Quintillian, Institutio 9,2,65.68.77.79; 9,1,14.

Cherchez l’homme! Überlegungen zum paulinischen Männlichkeitsdiskurs anhand von 1. Korinther 11,2–16

Ich danke Ute Eisen und Julia Müller-Clemm für eine Reihe wertvoller inhaltlicher Anregungen.

1 Methodische Hinführung

In diesem Sinne ist das Männliche in der Forschung häufig unsichtbar geblieben; vgl. Michael S. Kimmel, Invisible Masculinity, in: Ders., The History of Men, New York 2005, 3–15.

Luise Schottroff, Auf dem Weg zu einer feministischen Rekonstruktion der Geschichte des frühen Christentums, in: Dies. u. a., Feministische Exegese. Forschungsbeiträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen, Darmstadt 1995,173–248, hier 176.

Die Unterscheidung zwischen biologischem und sozial konstruiertem Geschlecht (sex / gender) hat der Forschung wichtige Impulse gegeben; sie erweist sich jedoch dann als wenig produktiv, wenn das ‚Natürliche‘ als das Unveränderbare verstanden wird und Aspekte der sozialen Konstruktion des Biologischen dadurch unbeachtet bleiben. Vgl. Claudia Opitz-Belakhal, Geschlechtergeschichte (Historische Einführungen 8), Frankfurt / New York 2010, 11–18.

Vgl. den Forschungsüberblick in Raewyn Connell, Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten (Geschlecht und Gesellschaft 8), Wiesbaden 42015, 47–94.

Connell, Mann, 124.

Zur Forschung vgl. Peter-Ben Smit, Masculinity and the Bible (Brill Research Perspectives), Leiden 2017; Eric C. Stewart, Masculinity in the New Testament and Early Christianity, BTB 46/2016, 91–102. Wichtige Beiträge: Stephen D. Moore / Janice Capel Anderson (Hg.), New Testament Masculinities (SBL Semeia Studies 45), Atlanta 2003; Susanna Asikainen, Jesus and Other Men. Ideal Masculinities in the Synoptic Gospels (BINS 159), Leiden 2018; Colleen Conway, Behold the Man. Jesus and Greco-Roman Masculinity, Oxford 2008; Brittany E. Wilson, Unmanly Men. Refigurations of Masculinity in Luke-Acts, Oxford 2015.

Vgl. Lin Foxhall / John Salmon (Hg.), Thinking Men. Masculinity and its Self-Representation in the Classical Tradition, London 1998; Dies. (Hg.), When Men were Men. Masculinity: Power and Identity in Classical Antiquity, London 1998; Maud W. Gleason, Making Men. Sophists and Self-Presentation in Ancient Rome, Princeton, NJ 1995; Erik Gunderson, Staging Masculinity. The Rhetoric of Performance in the Roman World, Ann Arbor, MI 2000; Meriel Jones, Playing the Man. Performing Masculinities in the Ancient Greek Novel, Oxford 2012; Myles McDonnell, Roman Manliness. Virtus and the Roman Republic, Cambridge 2006; Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus. Die Ordnung des Geschlechtslebens im antiken Rom, Frankfurt a. M. 1995; Kelly Olson, Masculinity and Dress in Roman Antiquity, London 2017; Ralph M. Rosen / Ineke Sluiter (Hg.), Andreia. Studies in Manliness and Courage in Classical Antiquity (MnS 238), Leiden 2003; Thomas Späth, Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus. Zur Konstruktion der Geschlechter in der römischen Kaiserzeit, Frankfurt a. M. 1994; Craig A. Williams, Roman Homosexuality, Oxford 22010.

Vgl. den Überblick in Moisés Mayordomo, Art. Man. Greco-Roman Antiquity, in: EBR 17 (2019), 647–650.

Zum wichtigen Begriff der hegemonialen Männlichkeit s. Connell, Mann, 9–18.129–135.

Dies habe ich in einer Reihe von Arbeiten versucht: Moisés Mayordomo, Konstruktionen von Männlichkeit in der Antike und in der paulinischen Korintherkorrespondenz, EvTh 68/2008, 99–115; Ders., „Act Like Men!“ (1 Cor 16:13). Paul’s Exhortation in Different Historical Contexts, CrossCurrents 61/2011, 515–528; Ders., Jesu Männlichkeit im Markusevangelium. Eine Spurensuche, in: Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger (Hg.), Doing Gender – Doing Religion. Fallstudien zur Intersektionalität im frühen Judentum, Christentum und Islam (WUNT I/302), Tübingen 2013, 359–379; Ders., Eunuchen im Horizont der Gottesherrschaft (Mt 19,12), in: Irmtraud Fischer / Uta Poplutz (Hg.), Sexualität (JBTh 33/2018), Göttingen 2020, 85–106; Ders., Männliches Sterben am Kreuz? Frühchristliche Gender-Variationen zum Sterben Jesu, in: Angela Berlis u. a. (Hg.), Die Geschlechter des Todes. Theologische Perspektiven auf Tod und Gender, Göttingen 2022 (im Druck).

2 1Korinther 11,2–16 als Testfall

Die Literatur zu dieser Stelle ist unüberschaubar. Eine aktuelle Aufarbeitung der Forschungsdiskussion bietet Torsten Jantsch, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16 und die Geschichte seiner Auslegung, in: Ders. (Hg.), Frauen, Männer, Engel. Perspektiven zu 1Kor 11, 2–16 (BThS 152), Neukirchen-Vluyn 2015, 1–60; für eine ausführliche Bibliographie s. Jacob Brouwer, Gott, Christus, Engel, Männer und Frauen. Chronologisch-thematische Bibliographie zu 1Kor 11,2–16, in: Jantsch, Frauen, 187–210.

Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther, Bd. 2: 1Kor 6,12–11,16 (EKK 7), Neukirchen-Vluyn 1995, 524: „Paulus in der Klemme.“ Klaus Thraede, Art. Frau, in: RAC 8 (1972), 197–269, 232 spricht von einer „recht gezwungenen Beweisführung.“ Die vereinzelten Vorschläge, den Text insgesamt oder teilweise Paulus abzusprechen, folgen eher dem Wunsch, den Apostel von einer problematischen Stelle zu entlasten.

Z. B. „Vom Verhalten der Frauen beim Gottesdienst“ (Gute Nachricht, rev. 2000), „Die Frau im Gottesdienst“ (Luther, rev. 1984), „Der Schleier der Frauen“ (Jerusalemer Bibel, 1968), „Verhalten der Frauen im Gottesdienst“ (Hoffnung für alle, 1996), „Über die rechte Haartracht für Frauen im Gottesdienst“ (Schrage, Korinther, 487).

Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen 2010, 355: „So erwähnt er den Fall der Männer wohl nur des Kontrastes wegen; man braucht ihn nicht zu konkretisieren.“ Ähnlich Archibald T. Robertson / Alfred A. Plummer, The First Epistle of St. Paul to the Corinthians (ICC), Edinburgh 21914, 229; J. Delobel, 1 Cor 11,2–16: Towards a Coherent Interpretation, in: A. Vanhoye (ed.), L’Apôtre Paul (BEThL 73), Leuven 1986, 369–389, 379f.; Gordon D. Fee, The First Epistle to the Corinthians (NIC), Grand Rapids 2