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John von Düffel

Ödipus Stadt - Die Theben-Trilogie

Nach Sophokles, Euripides und Aischylos

Interlinear-Übersetzung: Gregor Schreiner

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über John von Düffel

John von Düffel, geboren 1966 in Göttingen, arbeitet als Autor und Dramaturg und lehrt zudem an der Universität der Künste, Berlin. Er hat Romane, Essays, Übersetzungen und Bearbeitungen veröffentlicht. Für seinen Debütroman «Vom Wasser» (1998) wurde er u.a. ausgezeichnet mit dem Aspekte-Literaturpreis des ZDF, dem Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt sowie dem Mara-Cassens-Preis des Literaturhauses Hamburg. Für seinen Roman «Houwelandt» (2004) erhielt er den Nicolas-Born-Preis des Landes Niedersachsen. Zu seinen Stücken und Bearbeitungen zählen «Buddenbrooks» nach Thomas Mann (2005), «Traumjobs» (2009) und «Alle sechzehn Jahre im Sommer» (2012).

Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Theater

 

«John von Düffel hat aus dem ‹König Ödipus von Sophokles›, den Aischylos- und Euripides-Dramen ‹Sieben gegen Theben› und ‹Die Phönizierinnen› sowie der ‹Antigone des Sophokles› eine schnell packende, dicht verbundene Trilogie gesponnen. Die Tragödie des Ödipus verbindet sich hier in drei pausenlosen Akten zur Gesamttragödie des Mannes Ö... Es ist ein Familienfluchdrama wie das der Atriden, ein Inzestkrimi, ein Kriegsstück und am Ende ein Diskurs über Staatsraison, Religion, Kinderglaube – auch über Recht und Freiheit, Schuld und Sühne ... Die Generation Stéphane Hessel, zweieinhalbtausend Jahre jung.» (Der Tagesspiegel)

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2014

Copyright © 2014 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung any.way, Cathrin Günther

(Foto: thinkstockphotos.de)

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Satz Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-644-90451-4

www.rowohlt.de

www.rowohlt-theater.de

ISBN 978-3-644-90451-4

Personen:

Ödipus

Kreon

Teiresias

Iokaste

Eteokles

Polyneikes

Antigone

Ismene

Menoikeus/Haimon

Boten/Wächter

I. Teil König Ödipus

Nach Sophokles

1

Ödipus, Kreon.

ÖDIPUS

Ich weiß, Kreon, was Theben leidet,

Wie du seh ich die Seuche wüten in der Stadt,

Doch keiner, und wär er ganz von Pest bedeckt,

Trägt schwerer noch an diesem Leid als ich,

Denn was er duldet, gilt nur für ihn selbst

Und keinen andern; meine Seele stöhnt

Vor Jammer um die Stadt und dich und mich zugleich.

Der Sorge Pfade hab ich alle ausgeschritten,

Die einz’ge Rettung, die ich fand, befahl ich

Und sandte dich nach Delphi, meinen Schwager.

Jetzt, da du wiederkehrst, wär ich ein schlechter König,

Tät ich nicht alles, was der Gott uns offenbart

Zum Wohle dieser Stadt. Was, Kreon, bringst du uns?

KREON

Heilsames, denn auch das Schwierige,

Wenn es zum rechten Ende kommt, ist gut.

ÖDIPUS

Was fordert das Orakel?

KREON

Gehen wir hinein.

ÖDIPUS

Zu allen rede!

KREON

Phoibos Apollon gebietet klar und deutlich,

Den Schandfleck, der sich von Thebens Erde nährt,

Zu tilgen.

ÖDIPUS

Schandfleck?

KREON

Wir sollen verbannen oder töten den,

Dessen Blutschuld unsere Stadt vergiftet.

ÖDIPUS

Von wem sprichst du?

KREON

König, vor dir war Laios Herr in Theben.

Der Überfall auf ihn blieb ungesühnt, und unser Auftrag ist,

Die Mörder, wer’s auch sei, zu strafen.

ÖDIPUS

Doch sind sie nicht längst außer Landes? Wo wird

Zu finden sein die Spur so alter Schuld?

KREON

Bei uns hier, sprach der Gott.

ÖDIPUS

Was weiß man über Laios’ Tod?

KREON

Nach Delphi zog er aus und kam nie wieder heim.

ÖDIPUS

Und auch kein Bote, kein Begleiter seiner Fahrt?

KREON

Sie starben alle bis auf einen, der aus Angst

Nichts, was er sah, zu sagen wusste.

ÖDIPUS

Nichts?

KREON

Eins nur.

ÖDIPUS

Eins führt uns vielleicht zum andern.

KREON

Er sagte: Räuber überfielen sie.

ÖDIPUS

Räuber? Wer wagt so etwas, wenn er nicht

Bezahlt wurde mit Geld aus dieser Stadt?

KREON

So scheint es, ja. Dem erschlagenen Laios

Jedoch stand kein Rächer in der Notzeit auf.

ÖDIPUS

So groß kann keine Not sein,

Dass man einen Königsmord nicht ahndet!

KREON

Die Sphinx zwang uns, zu schaun,

Wie wir den nächsten Tag erleben,

Und zu lassen, was im Dunkel lag.

ÖDIPUS

Ich will durchleuchten dieses Dunkel

Bis auf den Grund und der Stadt Gerechtigkeit verschaffen

Wie dem Gott. So gebe ich in Theben jetzt bekannt:

Wer etwas weiß von Laios, Sohn des Labdakos,

Und seinen Mördern, irgendetwas, den fordere ich auf,

Mir alles kundzutun! Kennt jemand den Täter,

Verschweig er’s nicht! Eine Belohnung zahl ich,

Groß wie eines Königs Dank. Wer aber schweigt,

Sei’s für den Freund, sei’s für sich selbst,

Den werden wir aus unsern Häusern stoßen,

Weil er ein Schandfleck ist für Theben! – Hört ihr?

Der beste Mann und König hingemordet,

Längst hättet ihr’s erforschen müssen!

Nun bin ich an seiner Stelle,

Habe die Macht, die Laios einst besaß,

Habe sein Bett und teil ein Weib mit ihm,

Drum mach ich wie für einen Vater seine Sache

Zu der meinen und geh dem allen nach:

Vernichten werde ich den Mörder Laios’,

Und alle, die nicht mittun, sollen untergehn!

KREON

König, wenn ich dir raten darf,

Befrag Teiresias, den blinden Seher,

Den einzigen der Menschen, der die Wahrheit weiß.

Von ihm erfährst du Sicheres.

ÖDIPUS

Gut. Lass ihn kommen!

KREON

Nicht untätig hab ich es schon veranlasst und

Nach ihm geschickt, mich wundert, dass er noch nicht hier ist.

ÖDIPUS

Wie kann er säumen? Ich will den Mörder kennen!

2