Die Vollendung des Königs Henri Quatre

Heinrich Mann

Die Vollendung des Königs Henri Quatre

Roman

Roman

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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

Impressum

Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart

Die Erstausgabe erschien 1938 im Querido Verlag N.V. Amsterdam

© Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar, 1970

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2011

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-400171-5

Das Kriegsglück

Das Gerücht

Der König hat gesiegt. Das eine Mal hat er den Feind zurückgeworfen und gedemütigt. Er hat die Übermacht weder vernichtet noch entscheidend aufgehalten. Nach wie vor ist sein Königreich in Lebensgefahr, gehört auch noch gar nicht ihm. Es gehört bis jetzt der Liga, da die Zuchtlosigkeit der vorhandenen Menschen, ihr Widerstand gegen die Ordnung und Vernunft seit den Jahrzehnten der inneren Kämpfe schon bis zum Wahnsinn gediehen sind. Oder, noch schlimmer als der offene Wahnsinn, die platte Gewöhnung an den vernunft- und zuchtlosen Zustand hat die Menschen ergriffen, die traurige Ergebung in ihre Schande hat sich bei ihnen festgesetzt.

Der einmalige Sieg des Königs kann das keineswegs ändern. Ein vereiteltes vereinzeltes Gelingen – wieviel ist daran Zufall und wieviel ist Bestimmung? Es überzeugt noch keine Mehrheit von ihrem Unrecht. Wie denn? Dieser Protestant aus dem Süden wäre kein Räuberhauptmann, er wäre der wahrhafte König! Was müßten dann alle großen Führer der Liga sein: sie, von denen jeder eine Provinz beherrscht oder einen Gau leitet, und zwar mit wirklicher Gegenwart und voller Gewalt. Der König gebietet beinahe nur dort, wo sein Heer steht. Der König hat für sich den Gedanken des Königreiches: soviel erkennen manche, und nicht ohne Unruhe oder Wehmut. Ein Gedanke ist weniger als die wirkliche Gewalt, und ist auch mehr. Das Königreich, das ist mehr als ein Raum und

Wenn die ewige Gerechtigkeit auf uns herabblickt, muß sie sehen, daß wir furchtbar erniedrigt, und schlimmer noch, daß wir ein Moder und getünchtes Grab sind. Wir haben uns um der täglichen Notdurft willen den ärgsten Verrätern unterworfen und sollen durch sie an die Weltmacht Spanien kommen. Aus bloßer Menschenfurcht dulden wir im Lande die Knechtschaft, geistige Verwahrlosung und verzichten auf das erhabenste Gut, die Gewissensfreiheit. Wir armen Edelleute, die in den Heeren der Liga dienen oder Staatsstellen bekleiden, und wir ehrbaren Leute, die ihr Waren liefern, und wir niederes Volk, das mitmacht: wir sind nicht immer dumm und manchmal nicht ehrlos. Was sollen wir aber tun? Ein Geflüster unter Vertrauten, ein heimliches Gebet zu Gott, und nach dem unverhofften Sieg des Königs bei Arques schwillt für kurze Zeit unsere Hoffnung an, daß der Tag kommt!

Höchst merkwürdig, die Weitentfernten machen sich von den Ereignissen meistens einen größeren Begriff, als die nahe Wohnenden. Der Sieg des Königs geschah an der Küste der Nordsee: im Umfang von zwei oder drei Tagereisen hätte man staunen sollen. Besonders in Paris hätten sie sich prüfen und ihre hartnäckigen Irrtümer endlich berichtigen müssen. Durchaus nicht. Dort im Norden sahen wohl viele mit Augen, wie das geschlagene Riesenheer der Liga durch zersprengte Banden das Land unsicher machte – was ihnen aber nicht in den Kopf ging. Die Liga blieb unbesiegt; der König hatte vermöge des dichten Nebels, den das Meer verbreitete, und dank anderen Umständen des Kriegsglücks ein unbedeutendes Stück Landes behauptet, das war alles.

Für den innersten Teil des Königreiches hatten dagegen die erhofften Entscheidungen sich wirklich angekündigt. Am Flusse La Loire und in der Stadt Tours glaubten sie

Gingen seine Landsleute wirklich weiter als alle anderen? Groß – nennt man am leichtesten den Mann, den man nicht einmal von Angesicht kennt. Seine Landsleute im Süden wissen aus eigenen Begegnungen, daß er nur gerade mittleren Wuchses ist, den Filzhut zum abgewetzten Wams trägt und niemals Geld hat. Sie erinnern sich seiner sanften Augen: sprechen diese eigentlich vom heiteren Gemüt oder von manch erlebter Trauer? Jedenfalls ist er schlagfertig und versteht sich auf den Ton des gemeinen Mannes – versteht sich noch besser auf die Art der Frauen. Von ihnen könnten viele, niemand ermißt die Zahl, seine Geheimnisse verraten. Aber sonst so plauderhaft, auf einmal schweigen sie. Genug, hier kennt man ihn von Angesicht und war nur nicht bei seiner vorigen Arbeit mit, dort oben, wo Nebel lag, wo die Unseren den Psalm sangen, als sie angriffen und das gewaltige Heer schlugen. Das war eine sehr große Arbeit, und während sie getan wurde, haben Himmel und Erde den Atem angehalten.

Die Wirklichkeit

Er selbst in Person hielt keine Siegesfeier. Denn eine gelungene Arbeit zieht sogleich die nächste nach sich; und wer seinen Erfolg nicht erlistet, sondern redlich gewinnt, weiß eigentlich nichts von Sieg, und gewiß nichts von Berauschung. Der König dachte nur daran, seine Hauptstadt Paris überraschend einzunehmen, solange der Herzog von Mayenne mit dem geschlagenen Heer der Liga sie noch nicht erreicht hatte. Der König war der Schnellere; außerdem ließen sie in Paris sich einreden, daß er von

Er stürmte die Außenwerke leicht, die Tore indessen konnten gerade noch geschlossen werden. So blieb es dabei, daß seine Truppen, alle diese Schweizer, deutschen Landsknechte, vier Kompanien von Abenteurern, viertausend Engländer, sechzehn französische Regimenter – daß alle zusammen stürmten, metzelten, plünderten. Sonst führte es zu nichts. Der König wurde zwar mit Hochrufen empfangen, aber inmitten von Plündern und Metzeln. Er ließ wohl über die Mauer hineinschießen und wußte doch schon, seine Hauptstadt bekäme er auch diesmal nicht. Jetzt begibt er sich zur Ruhe in einem Palast, der nach seiner Familie benannt ist: Klein-Bourbon heißt er; Henri hat hier eindringen müssen wie ein Fremder, findet auch wenig, um sich zu betten, nur frisches Stroh. Drei Stunden bleiben ihm für den Schlaf, ein Teil vergeht mit vergleichenden Gedanken.

In der Stadt steht Schloß Louvre, dort brachte ich mich durch als Gefangener in mehreren lehrreichen Jahren, ich trag ihre Spur. Soll ich als freier Mann und König die Stadt nie wiedersehn? Einst in der Bartholomäusnacht fielen am Hofe fast alle meine Freunde, und in der Stadt die meisten meines Glaubens. Nach achtzehn Jahren seid ihr gerächt worden! An einem einzigen Kreuzweg haben heute meine Soldaten achthundert Feinde niedergemacht und dabei gerufen: Sankt Bartholomäus! Schrecklich ist, daß alles wiederkehrt und nichts, nichts kann je aus der Welt kommen. Ich wäre für Vergessen und Vergeben, ich wäre für

Henri, ein Sechsunddreißigjähriger, der hinter sich viele Schrecken und geduldige Mühen hat, aber auch Freuden ohne Zahl hat er genossen vermöge seiner inneren Heiterkeit, hier liegt er auf frischem Stroh, am Fuß eines großen Eßtisches. Noch einmal fährt er hoch: der König befiehlt, daß die Kirchen verschont werden sollen – »und auch die Menschen!« ruft er dem Hauptmann nach. Dann schläft er wirklich ein, da er sich beherrschen gelernt hat, bei Fehlschlägen und Betrübnis nicht weniger als in Fällen erstaunlicher Schicksalsgunst. Der Schlaf ist sein guter Freund, erscheint pünktlich und bringt meistens mit, wessen Henri bedarf, keine Ängste, eher Gesichte von guter Vorbedeutung. In seinem Traum dieser Nacht sah Henri Schiffe herbeifahren. Sie schwebten zuerst in den Schleiern des Horizontes, wurden groß und nahmen das besonnte Meer ein, Gebäude voll Macht und Glanz: sie näherten sich, ihn suchten sie. Sein Herz schlug, dem Bewußtlosen fiel wieder ein, was der Besuch bedeutete. Man hatte wirklich dergleichen besprochen bald nach seiner gewonnenen Schlacht. Er hatte nicht hingehört wegen gegenwärtiger, höchst dringlicher Arbeit und Mühe. Da hört man nicht auf Märchen. Beim Erwachen aus seinem dreistündigen Schlaf blieb von den erblickten Schiffen in seinem Gedächtnis abermals keine Spur.

Der Tag Allerheiligen war angebrochen; die Königliche Armee, alles was in ihr katholisch war, ging in die Kirchen

In diesem Augenblick erscholl das Freudengeschrei der Pariser, ihr Feldherr Mayenne war persönlich eingetroffen, sie bewirteten seine Truppe auf den Straßen. Der König stellte des nächsten Tages sein Heer in Schlachtordnung auf und ließ dem Feinde drei Stunden Zeit, um hervorzukommen. Vergebens, Mayenne hütete sich: da zog der König ab. Unterwegs nahm er befestigte Plätze ein, aber da ihr Sold ausblieb, lösten einige seiner Regimenter sich auf. Mit den übrigen ritt der König nach seiner Stadt Tours, um dort die Gesandten Venedigs zu empfangen. Die alte Republik hatte aus weiter Ferne ihre Schiffe geschickt, das Gerücht beglaubigte sich nun. Die

Ein Märchen

Er hörte von ihrem Herannahen täglich und war davon beunruhigt, darum machte er sich lustig. »Es regnet! Den Weisen aus dem Morgenlande wird ihr Weihrauch naß werden.« Er fürchtete eher, daß die Liga sie gefangennehmen und ihm wegschnappen könnte, bevor sie zur Stelle waren mit aller großen Ehre und sichtbarem Ruhm, die sie ihm darbringen wollten. Als sie von der Loire noch mehrere Tagesreisen entfernt waren, schickte er ihnen zahlreiche Truppen entgegen, scheinbar als Ehrengeleit, aber er meinte es ernster. Hierauf erwartete er sie in seinem Schlosse zu Tours, und das dauerte. Unterwegs war einer der bejahrten venezianischen Herren von Unpäßlichkeit befallen. »Es ist eine recht alte Republik«, sagte Henri zu seinem Diplomaten, Philipp Du Plessis-Mornay.

»Sire, die älteste in Europa. Sie war unter den mächtigsten, jetzt aber ist sie die erfahrenste. Wer Erfahrung sagt, weiß gewöhnlich nicht, daß er Verfall meint. Denen, die jetzt kommen, ist auch das bekannt. Nun ermessen Sie dies Ereignis! Die klügste Regierung, sie ist nur darauf noch bedacht, die Gebrechen des Alters mit Würde zu tragen und den Tod hinauszuschieben, sie hat an allen Höfen die besten Beobachter und liest Berichte, Berichte: plötzlich rafft sie sich auf, sie handelt. Venedig fordert die Weltmacht heraus, es huldigt Ihnen nach Ihrem Sieg über die Weltmacht. Wie groß muß Ihr Sieg sein!«

»Ich habe angefangen, über meinen Sieg nachzudenken. Der Sieg, Herr de Mornay«, begann Henri, stockte und lief erst einmal hin und her durch den steinernen Saal des

»Mornay!« Henri hielt vor ihm an. »Der Sieg ist nicht mehr, was er war. Wir beide kannten ihn sonst anders.«

»Sire!« erwiderte der Gesandte klar und ohne Unruhe. »Sie haben in Ihrem früheren Amt als König von Navarra einige böse Städte, die Ihnen widerstanden, zur Vernunft gebracht. Zehn Jahre der Mühe und Arbeit und eine namhafte Schlacht; dann hatte Fama Sie berühmt genug gemacht, daß Sie Erbe der Krone wurden. Der König von Frankreich, der Sie jetzt sind, wird weniger mühselig kämpfen, wird größer siegen, und Fama soll, um seinetwegen, stärker die Flügel rühren.«

»Wenn das der ganze Unterschied wäre! Mornay, seit meinem Sieg, wegen dessen die Venezianer herbeireisen, habe ich Paris belagert und bin unverrichteterdinge abgezogen. Wissen das die Venezianer nicht?«

»Es ist weit bis Venedig, und sie waren schon auf der Reise.«

»Sie könnten umkehren. Sind es nicht kluge Leute? Solche begreifen, was es heißt, wenn ein König seine eigene Hauptstadt belagern muß, und noch dazu vergeblich. Metzeln, plündern – und abziehen, nachdem ich von einem Turm in die Stadt geblickt und mich vor einem Mönch gefürchtet hatte.«

»Sire, das Kriegsglück.«

»So nennen wir’s. Aber was ist es? Während ich das eine der Tore bewache, zieht Mayenne durch das andere ein. Ist über eine Brücke herbeigekommen: nach meinem

»Sire, Menschenwerk.«

»Gleichviel, es soll Feldherren geben«, Henri brach ab: er dachte an einen Feldherrn, Parma genannt, der verließ sich nach dem Ruf von seiner Kunst auf kein Kriegsglück, und redete sich auf Menschenwerk nicht aus.

»Mornay!« rief Henri und schüttelte seinen Berater. »Ein Wort! Kann ich denn siegen? Mein Beruf ist, dies Königreich zu retten; aber zufriedener war mein Geist, als noch niemand herbeireiste, um mir vor der Zeit zu huldigen.«

»Venedig will, daß Sie gesiegt haben, Sire. Es würde seine Gesandten nicht zurückrufen und wenn Ihr Heer in voller Auflösung wäre.«

Henri sagte: »So erfahre ich denn, daß der Ruhm ein Mißverständnis ist. Ich verdiene ihn und bekomme ihn dennoch ohne mein Verdienst.«

Hierauf veränderte sein Gesicht sich, er wippte auf den Absätzen herum, höchst aufgeräumt empfing er die Personen, die soeben bei ihm eintraten. Zahlreiche seiner besten Herren, auch hübsch und neu gekleidet waren sie. »Brav, de La Noue!« rief Henri. »Ein eiserner Arm, und sind über den Fluß geschwommen! Brav, Rosny! Ihre Juwelen sind aus guten Häusern, obwohl nicht aus Ihrem eigenen, und wieviel Geld erst werden Sie in den Pariser Vorstädten gefunden und mitgenommen haben! Wenn ich Sie zu meinem Finanzminister machte anstatt des dicken d’O?«

Er sah sich um, da sie ihm nicht genug lachten. »Ich fürchte nichts so sehr wie traurige Leute, und mißtraue ihnen.«

Sie schwiegen. Er betrachtete sie abwechselnd, bis er alles erraten hatte. Da nickte sein alter d’Aubigné ihm zu,

Der Schrecken durchlief Henri. Er ließ es vorbeigehen. Als die Stimme ihm wieder völlig gehorchte, antwortete er munter dem alten Freund. »Agrippa, was willst du, das Kriegsglück. Die Gesandten sind umgekehrt. Sie werden sich aber nochmals anders besinnen, denn bald schlag ich wieder eine Schlacht.«

Hinter der Tür geschah ein großes Gepolter. Sie wurde aufgestoßen; zwischen Wachen erschien ein ganz durchnäßter Bote, der außer Atem und unfähig zu sprechen war. Man ließ ihn hinsitzen und gab ihm zu trinken. »Es ist ein anderer«, bemerkte Agrippa d’Aubigné.

Endlich sprach der Mann. »In einer halben Stunde sind die Gesandten hier.«

Henri dies hören, und er griff sich an das Herz. »Jetzt laß ich sie bis morgen warten.« Damit ging er schnell ab.

Nun geschah über Nacht ein Wunder, und von November wurde es Mai. Eine weiche Luft wehte aus Süden, vertrieb alle Wolken, der Himmel spannte sich hell und weit über den Park des Schlosses von Tours, über den Fluß, der breit und langsam vorbeizog an den Feldern in der Mitte des Königreiches. Die Birken standen hoch und sehr entlaubt; vom Schloß her folgte man dem Landen der Schiffe, mit denen die Gesandten übersetzten. Ihre Wohnungen waren in Landhäusern drüben. Unter Fenstern, die bis zum Boden reichten, wartete zu ebener Erde der Hof, Herren und Damen so reich gekleidet als sie vermochten oder für anständig hielten. Roquelaure war der Geschmackvollste. Agrippa hatte die größten Federn, Frontenac stand im Wettbewerb mit Rosny. Dieser trug am Hut und Kragen mehr Schmuck als auf die Kleider der

Inmitten trafen sie einander. Catherine von Bourbon beugte das Knie vor ihrem Bruder – sie hatten zusammen gespielt am Anfang des Lebens, sie waren in schweren alten Kutschen durch das Land gereist mit ihrer Mutter Jeanne. Unsere liebe Mutter war wohl krank und ruhelos, aber wie stark durch den Glauben, den sie uns lehrte! Hat endlich recht behalten, obwohl sie zuerst sterben mußte an dem Gift der bösen alten Königin, und auch uns waren Schrecken und viel Müh beschieden. Dennoch stehen wir jetzt wirklich in einem Saal in der Mitte des Königreiches, sind selbst der König mit seiner Schwester, und werden die Gesandten Venedigs empfangen. »Kathrin!« brachte der Bruder unter Tränen hervor, hob die Schwester aus ihrem Kniefall auf und küßte sie. Der Hof gab fröhlichen Beifall.

Der König in weißer Seide, blauer Schärpe, rotem Mäntelchen, führte die Prinzessin an schwebender Hand, der Hof wich auseinander, aber hinter den Herrschaften schloß er sich wieder. Sie hielten unter dem höchsten der Fenster, um sie her drängte man sich – und wer nach vorn gelangte, war nicht immer von den Besten. Die

»Ich wollte es auch«, sagte er seiner Schwester ins Ohr, hierauf aber winkte er gerade den beiden Höflingen, die sie genannt hatte. Sie wendete sich unwillig nach hinten: je weiter fort, um so befreundeter die Gesichter. An der Wand stieß Kathrin zu einem ganzen Haufen alter Freunde: Waffengefährten ihres Bruders, die Kavaliere des einstigen Hofes von Navarra, damals trugen sie meistens rauhe Lederkoller. »Ihr habt euch fein gemacht, meine Herren! Baron Rosny, als ich Sie tanzen lehrte, hatten Sie noch keine Diamanten. Herr de La Noue, Ihre Hand!« Sie nahm die eiserne Hand des Hugenotten – nicht seine lebende, die eiserne nahm sie und sagte, allein für ihn, Agrippa d’Aubigné und den langen Du Bartas: »Gott hätte auf unserem Wege nur ein einziges Sandkorn anders rinnen lassen müssen als es wirklich vom Hügel rann: wir wären nicht hier. Wißt ihr’s wohl?«

Sie nickten. In dem verdüsterten Gesicht des langen Du Bartas standen schon die geistlichen Verse, die er sprechen wollte: da setzten draußen die Trompeten ein. Sie kommen! Geben wir uns Haltung und stellen einen mächtigen Hof vor! Die meisten Gesichter wurden alsbald von einer glänzenden Feierlichkeit, gemildert durch Neugier; die Gestalten strafften sich, auch die Prinzessin von Bourbon. Sie suchte unter den Damen, es waren wenige zu finden an diesem unsteten Hof und Feldlager. Schnell entschlossen nahm sie eine Hand und ging nach vorn mit Charlotte Arbaleste, der Frau des Protestanten Mornay. Plötzlich entstand eine Pause.

Die Gesandten dort hinten fanden wohl nicht die rechte Ordnung ihres Zuges. Verfrüht, der Trompetenstoß. Der

Charlotte Arbaleste hatte den Kopf in eine Haube geschlossen; diese reichte bis nahe an die Augen, die flüssig glänzten und Menschenscheu nicht kannten. Ruhig bestätigte die tugendhafte Frau des Protestanten Mornay: »Man warf mir Unbescheidenheit vor, weil ich falsche Locken trug, und der Pastor schloß mich vom Abendmahl aus. Sogar Herrn de Mornay verweigerte er es. Von den Aufregungen habe ich allerdings noch heute, nach so vielen Jahren, ein sehr empfindliches Herz behalten.«

»So unrecht kann unsere Kirche uns tun«, beeilte die Prinzessin sich festzustellen. »Sie hatten doch für unsere Religion die Verbannung und die Armut auf sich genommen, nachdem Sie der Bartholomäusnacht entronnen waren. Wir alle, die hier die Gesandten erwarten, waren einst Gefangene oder Verbannte um des Glaubens willen: Sie selbst wie Herr de Mornay, der König mein Bruder, und auch ich.«

»Und auch Sie«, wiederholte Charlotte, ihr heller, flüssiger Blick fiel genau in die Augen Kathrins, die vor

»Sie haben trotz den Pastoren Ihre rötlichen Locken noch lange behalten.« Darauf verharrte die arme Catherine. »Mit Recht, sage ich. Wie denn? Zuerst Verfolgung, das Exil, und endlich zurück in der Heimat, wird Ihr Opfer nicht angenommen, bloß wegen Ihrer Haare.«

»Ich hatte unrecht«, gestand die Frau des Protestanten. »Es war Unbescheidenheit.« Womit sie allerdings ihr eigenes Gebrechen preisgab, aber eigentlich erinnerte sie die Prinzessin an sich selbst und ihr noch schwereres Vergehen. Sie machte dies ganz deutlich. »Meine Unbescheidenheit war nicht bloß läßlich: sie war vorsätzlich und widerstand allen Warnungen. Indessen empfing ich die Erleuchtung im Gebet, legte endlich ab, was Unrecht war, trage seitdem auch bescheiden die Haube.«

»Und habe Herzklopfen«, sagte Kathrin. Zornig überflog sie das Gesicht der anderen, bleich, fromm und länglich wie es nun geworden war. Früher, als sie hübsch war, gingen wir beide auf den Ball, dachte sie. Davon legte sich ihr Zorn. Ihr kam Mitgefühl, bald sollte es Reue sein. Ich seh noch aus wie damals – und meine Sünde auch. Ich kenne mich, ich bin belehrt, aber unverbesserlich; vergeben wird mir nicht, dachte sie mit Reue. »Herr, hilf mir, daß auch ich heut abend die Haube anlege für immer!« betete sie leise und dringend, wenn auch ohne rechte Hoffnung auf Erhörung.

Der Graf von Soissons stand vor ihnen, er sagte: »Meine Damen, es wird nach Ihnen verlangt von Seiner Majestät.« Beide neigten gehorsam die Gesichter, das eine war so still wie das andere. Er nahm ihre Fingerspitzen und führte die Damen an den erhobenen Händen. Die Hand seiner Cousine versuchte er leise zu drücken. Sie erwiderte nicht, und das Gesicht hielt sie abgewendet. Höflich übergab er sie ihrem Königlichen Bruder.

Zwanzig Schritte vor der Front des Schlosses hielt es an – wurde vielmehr niedergesetzt, und unter den prächtigen Geweben, die von seinem Bug hingen, sprangen Zwerge hervor: die hatten es getragen. Bucklige Zwerge, ganz in Rot, und nahmen Reißaus wie der Teufel, da lachte der Hof. Indessen nahte eine Sänfte. Wie? Das ist ein Thron. Noch soeben knapp über den Boden hingeführt, steigt das Gebäude an, nur die besten Maschinen können es so geräuschlos in die Lüfte erheben; und wird ein Thron. Die Lüfte aber sind blau und kreisen frei um das blonde Haupt der Frau auf dem Thron. Das blonde Haupt steht hoch in Locken und großen Perlen. Der Thron ist Purpur, die Frau: ein stolzes Weib mit goldenen Gewändern, so wie es Paolo Veronese malet. Wer ist das? Um die Augen liegt ihr eine Maske aus schwarzem Samt, wer ist das? Der Hof wurde ganz still. Der König entblößte den Kopf und alle mit ihm.

Neben den hohen Thron traten oder stampften verwegene Gestalten, schwarze Panzer, die Trachten von düsterer Buntheit, ihre Köpfe zeigten unbedeckt das rötliche oder schwarze Gestrüpp der fremdartigen Haare. Aber sie wurden erkannt an den furchtbaren Gebissen: Sklavonen,

Die Sänger brachen ab – mitten in einem so schönen Klang, da die Dame auf dem Thron die Hand ausstreckte. Das war eine außerordentliche Hand, der Rücken voll, die Finger zugespitzt und leicht aufwärts gebogen. Sie war ohne Schmuck, von der Farbe eines Rosenblattes, und winkte, großartig, aber lockend, wie für einen Liebhaber, den eine so große Dame zuließe. Der Gesandte! begriff der Hof; und der König von Frankreich als einziger trat hinaus auf die Rampe, ihn zu empfangen.

Gleichzeitig bewegten sich die Fischer von dem Thron fort und knieten hin. Bewegten sich fort und knieten hin die kriegerischen Sklavonen. Die Kinder knieten in dem silbernen Schiff, unter den hintersten Büschen die roten Zwerge. Der Weg neben dem Thron lag frei, ihn beschritt ein magerer Mann in schwarzem Talar und Barett: ein Gelehrter, vermeinte der Hof. Warum ein Gelehrter? Die beiden anderen, graubärtige Heerführer, lassen ihm den Vortritt.

Agrippa d’Aubigné und Du Bartas, zwei Humanisten, die aus alten und neuen Schlachten viele Narben an ihren Leibern trugen, berieten sich eilig, indessen der Gesandte sehr langsam dem König nahte. Herr Mocenigo, ein Verwandter des Dogen und selbst ganz alt. Hat einst bei Lepanto gekämpft, der berühmte Seesieg über die Türken. Jetzt lehrt er Latein zu Padua, davon kennt ihn erst die Christenheit. »Welch eine große Ehre!« jubelte der

»Beschreibe statt dessen unsere nächste Schlacht«, verlangte in düsterem Ton der lange Du Bartas. »Ich selbst werde verstummt sein«, sprach er in sich hinein zu seinem ahnungsvollen Herzen.

Der König hatte jetzt wieder seinen Federhut mit der aufgeschlagenen Krempe, darunter waren seine unbeschatteten Augen aufgerissen, um nichts zu verlieren. Er war aber bewegt, vielleicht waren Tränen in seine Augen gestiegen: eigentlich darum hielt er sie so weit offen, rührte die Lider so wenig wie Hand oder Fuß. Der Gesandte neigte zur Begrüßung den Kopf auf die Brust. Dann erhob er ihn, legte ihn in den Nacken, und da sah man erst. Da sah man, daß ein Auge geschlossen war, und eine rote Narbe lief darüber.

Er begann zu sprechen, ein Latein von merkwürdigem Wohllaut – glatt, obwohl hart. Der Hof dachte an Marmor. Auch erkannte man jetzt, welch ein Gesicht dies war – knochiger Umriß, scharfe Nase, gesenkter Mund, alles wie an Büsten Dantes, eines alten Weisen. Der Hof verstand nicht jeden Satz, die gewohnte Sprache kam aus fremdem Mund. Dem Gesicht merkten sie an, daß ihr König hoch gefeiert wurde: gemessen wurd er am Beispiel der römischen Feldherren und ihrer würdig befunden.

Henri, er ganz allein, begreift jedes Wort, nicht nur, was es obenhin sagen will: viel tiefer. Deine Sache wird verhandelt. Wer bist du? Das erfährst du aus dieser Anrede, oder glaubst es zu ahnen, solange sie noch währt. Der einäugige Weise vergleicht dich zum Schein mit dem ersten Eroberer dieses Königreiches, dem Römer Caesar, deinem Vorgänger. In Wahrheit warnt er dich, zu bleiben wie bisher, ein Kampfhahn und kühner Reitersmann, groß im Kleinen, an hohen Taten unbewährt. Ich weiß, wen er mir

Davon wurd ihm schwül, er riß die Augen noch weiter auf. Der Hergereiste, der ihn so plötzlich mit der Wahrheit angesprochen hatte, beurteilte auf einmal ernst, jetzt erst ernst, dies Gesicht – fand es schmaler als jedes erblickte; und gerade die Abgezehrtheit bezeugte seine Inbrunst und Hingabe, ihresgleichen hatte der Gesandte hier nicht erwartet. Er hielt seine Rede an, er faltete die Hände.

Als er wieder anfing, klang seine Stimme gedeckt, nicht mehr glatt und hart; auch sagte er nur noch wenige Worte, das hauptsächliche hieß »Liebe«. Und wär einer kunst- und siegreich, hätt aber der Liebe nicht – Das Evangelium, anstatt des Caesars: es war nicht vorgesehen, es überraschte jeden, und am meisten den Redner, der daraufhin abschloß. So tat auch Henri etwas Unerwartetes. Er reichte nicht, wie vorher verabredet, dem Gesandten die Hand, damit der Gesandte auf die Rampe käme: er selbst sprang hinab und gab ihm auch schon die Accolade, Umhalsung, Kuß auf beide Wangen. Der Hof sah es, geräuschvoll bekundete er seine Zufriedenheit. Die Kinder in dem silbernen Schiff sahen es, die thronende Frau mit goldenen Gewändern sah es – und da sie die Tochter eines der Fischer in geflickten Kleidern war, vergaß sie alle Hoheit und schlug in die Hände. In die Hände schlugen die kriegerischen Sklavonen, das Fischervolk und die beiden graubärtigen Heerführer.

Henri blickte umher und lachte fröhlich – obwohl zugleich ein unbekannter Schauder ihm die Schulter berührte. Nicht, wie wenn hinter dir der Mörder steht, nein, diesmal war es die Ahnung eines Fittichs. Dich streift der Ruhm, zum erstenmal, da du den Vierzig nahe bist, der große Ruhm der Welt. Ist anzusehen wie die Märchen aus

»Herr Gesandter, wenn die Zeremonie vorbei ist, sprechen Sie zu mir allein.«

»Sire! Worüber?«

»Über den Herzog von Parma.«

Das Wappentier

Ich muß meine Schlacht haben, dachte Henri, kaum daß die Gesandten Venedigs abgereist waren; eigentlich aber hatte er schon bei ihrem ruhmreichen Erscheinen so zu sich gesprochen. Gerade der unheimliche Ruhm machte ihm seine Lage klar. Er war noch immer ein König ohne Krone, dem seine Hauptstadt fehlt. Ein Feldherr seinesgleichen hat kein Geld, und damit sein Heer ihm nicht auseinanderläuft, muß er möglichst oft eine Stadt erobern: diese zahlt für ihn. Es sind die Städte seines Königreiches; eine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er im Umherziehen seine Feinde unterwirft und Abgaben eintreibt. Keine Woche seit dem festlichen Märchen von Tours, da war er wie vorher mitten im harten Leben.

Er reinigte sowohl die Touraine wie die nächsten Provinzen vom Feind und drang in die Normandie ein – hatte dort aber schon gestanden, als er bei Arques den Sieg errang. Wohin war der Sieg gekommen? Die eroberten Plätze, die er hinter sich gelassen hatte, waren inzwischen abgefallen. Sein Feind, das war kein Mensch, wie er: eine Hydra mit vielen Köpfen war es. Du schlägst sieben ab, acht wachsen nach. So geht es mir mit der Liga. Straßenweise bekehren sich meine Untertanen zu mir, wenn ich in ihrem Nest der Herr bin. Wollen nie gegen mich die Waffen getragen haben – obwohl ich nur ihren Garten müßte

»Meine Gesundheit ist so gut wie noch nie«, erklärte er jedem in diesem Winter, bei häufigem Schneefall und dem Nächtigen auf gefrorenem Erdboden. »Auch mein Heer hat keine Krankheiten, und es wird immer größer, da allein dies Nest mir sechzigtausend Taler zahlt. Wetten, das nächste am Wege ergibt sich bis Donnerstag!«

Wirklich schloß er mit der Stadt Honfleur einen solchen Vertrag. Waren Mayenne oder sein Sohn Nemours bis Donnerstag nicht zur Stelle, dann sollte das Tor ihm geöffnet werden, und richtig, so kam es. Der Führer Mayenne ließ seine Liga eine Liga sein und ruhte sich in Paris aus, »wo auch ich es mir einmal so sanft tun werde«, äußerte Henri zuversichtlich. Für sich dachte er: Ich muß meine Schlacht haben. Er erwog dies abwechselnd wie einen fröhlichen Streich – oder auch wie die Entscheidung seines Lebens.

In seinem Gepäck führte er ein seltenes Stück mit, eine Weckuhr, die er sorgfältig stellte. Mit Schlafen verging ihm weniger Zeit als dem dicken Mayenne bei Tisch. Eine Neuigkeit für seine gute Natur: zuweilen versäumte er sogar die wenigen Stunden. Aufgestützt sann er. Ich muß meine Schlacht haben – und nicht wie sonst, als ich sie gewinnen oder verlieren konnte. Ich darf sie nicht verlieren, darf diese nicht verlieren: dann wär es aus. Mich beobachten nachgerade zu viele, die Welt sieht mir zu, meine Verbündeten, die mir vor der Zeit gehuldigt haben, aber besonders der König von Spanien, der dies Königreich begehrt. Würd es auch haben, sobald ich nicht mehr da wäre. Wer sollte ihn noch hindern. Dies Volk streitet sich um seine Religion. Hätten nur alle die wahre, dann könnte

Der Wecker schlug an, der König stand auf und rief nach seinen Offizieren. An diesem Tag war viel zu tun und lange zu reiten. Ein Wassergraben mußte trockengelegt werden, damit die Belagerer bis unter die Mauer der Festung vordrängen. Dies vollbracht, wurde hin- und hergeschossen, bis der frühe Abend fiel. Henri war zu Pferd schon unterwegs, wegen anderer Arbeiten im weiten Umkreis. Sehr hungrig erreichte er um die Zeit des Nachtessens die Stadt Alençon und begab sich mit wenig Begleitung nach dem Hause eines ergebenen Hauptmannes, fand ihn indessen nicht vor. Der Frau war der König unbekannt, sie hielt ihn für einen der königlichen Heerführer und empfing ihn nach Gebühr, wenn auch mit merklicher Verlegenheit.

»Fall ich Ihnen lästig, meine Dame? Reden Sie frei weg, ich will keine Umstände machen.«

»Mein Herr, dann sag ich es lieber gleich. Heute ist Donnerstag; ich hab in der ganzen Stadt umhergeschickt: nichts aufzutreiben, ich bin einfach verzweifelt. Nur ein braver Handwerker hier nebenan sagt, er hab am Haken eine fette Pute hängen; will sie aber durchaus nicht anders hergeben, als wenn er mitessen darf.«

»Ist er denn in Gesellschaft zu brauchen?«

»Ja, mein Herr, in unserem Viertel macht keiner so viel Witze. Sonst ein anständiger Mann, Feuer und Flamme für den König, und sein Geschäft geht ganz gut.«

Hierauf wurde der Handwerker geholt und erschien in seinem Sonntagsrock, mit der Pute. Während nun diese briet, unterhielt er den König, schien ihn aber gleichfalls nicht zu kennen; sonst hätte er schwerlich mit dieser Unbefangenheit dahergeredet, Nachbarsklatsch, Einfälle, Scherze, alles so gut, daß Henri für die Weile den Hunger vergaß. Alsbald verfiel er selbst in den Ton seines Gesellschafters – ohne Absicht, und merkte es nicht einmal. Keine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er doch Untertanen zum Gehorsam zwingt und Abgaben eintreibt. Das ganze Geheimnis ist sein gutes Gewissen, wegen des ehrlichen Geschäftes, das er betreibt. Ohn Umschweife und List seine Landsleute zur Vernunft bringen und dies Königreich retten. Dessen gedenkt er im Grunde fortwährend, im Schlaf und auch beim munteren Gespräch. Der ordentliche Handwerker ihm gegenüber erzählt, vergißt aber gleichfalls seine Werkstatt nicht.

Der König denkt: Ich muß meine Schlacht haben. Jetzt ist sie nicht mehr weit. Ich habe genug feste Plätze eingenommen, daß den Dicken die Ruhe verläßt. Mein Vetter Marschall Biron macht seinerseits der Liga viel Verdruß, und alle unsere Erfolge laß ich der Königin von England melden. Jetzt wollen wir die Stadt Dreux belagern: das wird Mayenne nicht mit ansehen können, er muß herbeirücken und sich zum Kampf stellen. Auch die Spanier werden es von ihm verlangen. Wozu sonst hätte er ihre Hilfstruppen, die ersten, die Philipp der Liga gewährt. Kommen aus den Niederlanden, vom Gouverneur, Farnese. Und ihn selbst sollt ich nicht zu sehen kriegen, den großen Strategen und berühmtesten Künstler des Krieges? Möchte wissen, was er von mir sagt, Farnese.

»Sehr komisch, Gevatter!« wiederholte der gute Mann und war über das stürmische Benehmen seines Genossen beruhigt. In diesem Augenblick rief die Hausfrau ihre Gäste zu Tisch. Selbdritt verzehrten sie das große Geflügel, aber die Hausfrau und der Handwerker hielten sich zurück, der Gast bekam das meiste, und so reichlich er aß, so viel lachte er über die Geschichten seines Nachbarn, davon wurde dieser immer besserer Laune. Daher war es erstaunlich anzusehen, wie er nach dem letzten Glase, als man aufstehen sollte, das runde Gesicht ganz lang zog und furchtsam die Augen schloß. Der König hätte auch das für einen Spaß gehalten, da lag ihm aber der Mann zu Füßen und bat: »Verzeiht, o Herr, verzeiht! Dies ist der schönste Tag meines Lebens gewesen. Ich kannte Eure Majestät, ich hab gedient und bei Arques gekämpft für meinen König; hab meine Lust gebüßt, an Ihrem Tisch zu sitzen. Vergebung nochmals, Sire, ich mußte mich dumm stellen, damit Sie über meine Scherze ein bißchen lachten. Jetzt ist das Unglück geschehen, ein Knecht wie ich hat mit Ihnen zu Abend gegessen.«

»Was machen wir nur dabei?« fragte der König.

»Ich sehe ein einziges Mittel.«

»Nun?«

»Sie müssen mich in den Adelsstand erheben.«

»Dich?«

»Warum nicht, Sire? Ich arbeite mit meinen Händen, trag aber meine Gesinnung im Kopf, und im Herzen meinen König.«

»Meine Pute. Ihr verdank ich alle Ehre.«

»Dein bester Witz. Steh auf als ›Ritter von der Pute‹!«

Ein Ritterroman

Der neue Ritter sorgte selbst dafür, daß sein Erlebnis sich herumsprach und dem König beim Volk viel Nutzen brachte. Endlich ein braver Mann wie wir! Nicht stolz, läßt mit sich reden, obwohl ihm als Ketzer die Verdammnis gewiß ist. Ein Ketzer, der König, auch daran würde man sich gewöhnen, sofern Gott es bestimmt. Wird er ihn siegen lassen?

Der König fragte sich dies gleichfalls. Noch keine seiner Schlachten hat er so umsichtig vorbereitet. Er hebt die Belagerung von Dreux wieder auf, ja, zieht von überall seine Truppen ab, und läßt sich zurückdrängen bis an die Grenze der Provinz Normandie: nicht aber bis hinein. Er hält bei Ivry. Das ist noch Île-de-France, das Herzstück, das Paris birgt.