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Brigitte Millán-Ruiz

Doma Vaquera

Schritt für Schritt zur spanischen Arbeitsreitweise

Inhaltsverzeichnis

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Impressum

Vorwort: Doma Vaquera zwischen gestern und heute

Die Entwicklung der Doma Vaquera

Historischer Rückblick

Der Ursprung: Die Jineta, Reitkunst der Krieger

Der Alltag: Die Arbeit im Feld

Die Kunst: Der Rejoneo - Stierkampf zu Pferd

Die Doma Vaquera heute

Tradition und Fortschritt

Acoso und Derribo: Praxis und Sport

Der Rejoneo - heidnisches Ritual oder Reitkunst in Vollendung?

Der Wettbewerb: Doma Vaquera als Turnierdisziplin

Das Doma Vaquera Pferd

Das Erscheinungsbild des idealen Doma Vaquera Pferdes

Die äußere Form

Die inneren Werte

Die Entwicklung der Pferdetypen für den Einsatz in der Doma Vaquera

Die Ausstattung des Doma Vaquera Pferdes

Einige Äußerlichkeiten: Schweif und Mähne des Doma Vaquera Pferdes

Die traditionelle Ausstattung des Vaqueropferdes

Die Satteltypen

Der Spanische Sattel - silla espanõla

Der Vaquerosattel - silla vaquera

Zäumung und Zügel

Die Spanische Kandare

Die Serreta: geniale Ausbildungshilfe oder Marterinstrument?

Die Doma Vaquera und andere Reitdisziplinen

Generelle Grundlagen der Ausbildung

Die Gänge des Pferdes und ihre Verwendung in der Doma Vaquera

Der Schritt

Der Trab

Der Galopp

Die Hilfen des Reiters

Art und Wirkung der Zügelführung

Die halbe Parade

Doma Vaquera und Westernreiten: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Ausbildung des Doma Vaquera Pferdes

Grundausbildung

Die Arbeit an der Longe

Die Basisarbeit des gerittenen Pferdes

Anreiten und Anhalten

Die Grundgangarten

Handwechsel

Ecken, Wendungen und Zirkel

Seitliches Biegen

Übergänge und Verstärkungen

Die Parade

Rückwärtsrichten

Die Arbeit im Gelände

Die Arbeit im Galopp

Zirkelverkleinern - Zirkelvergrößern

Der Außengalopp

Weiterführende Übungen

Die Seitengänge

Vorderhandwendung

Schenkelweichen

Ganzer Travers und Traversale

Pirouetten und Vaquerawendungen

Pirouette auf der Vorderhand

Pirouette auf der Hinterhand

Halbe Vaquerawendung im Schritt

Halbe Vaquerawendung im Galopp

Ganze Vaquerawendung im Galopp

Letzte Perfektion im Galopp

Fliegende Galoppwechsel

Beschleunigung, Verkürzung, Wendung und erneute Beschleunigung im Galopp

Beschleunigung und plötzliche Parade

Rückwärtsrichten und Anreiten im Sprintgalopp

Das Reglement der Doma Vaquera Turniere

Die Turnierordnung

Das Viereck

Die Richter

Die Kleidung des Reiters

Die Ausrüstung des Pferdes

Die Vorstellung von Reiter und Pferd

Der Gruß

Die Haltung der Zügel

Die Ausführung der Übungen im Viereck

Die allgemeine Bewertung von Reiter und Pferd

Die Prüfungskategorien

Aufgaben für Doma Vaquera Turniere

Klasse 1: Junge Pferde, leichter Schwierigkeitsgrad

Klasse 2: Pferde aller Kategorien, mittlerer Schwierigkeitsgrad

Klasse 3: Pferde aller Kategorien, hoher Schwierigkeitsgrad

Die Tradition der Vaquerobekleidung

Die Kleidung der Frau

Nachwort: Ein Plädoyer für die Tradition

Ein herzliches Dankeschön

Literaturverzeichnis

Copyright © 1998 by Cadmos Verlag

Satz und Gestaltung:

Ravenstein Brain Pool, Völkersen

Umschlagfoto: Peter Müller, mit freundlicher Genehmigung der ANCCE, Sevilla Fotos: Rafael Lemos

Zeichnungen: Gabriele Wagner

Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Ausdrucke oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach schriftlicher Erlaubnis durch den Verlag.

 

ISBN Print 978 - 3 - 86127 - 329 - 2

ISBN Epub 978 - 3 - 8404 - 6167 - 5

ISBN Kindle 978 - 3 - 8404 - 6168 - 2

Die Doma Vaquera ist in erster Linie eine Arbeitsreitweise, geprägt durch die Notwendigkeit, die Rinder im freien Feld unter Kontrolle zu halten.

Vorwort: Doma Vaquera zwischen gestern und heute

Fragt man außerhalb Spaniens jemanden nach der „spanischen Reitweise“, erhält man meist die ziemlich unsichere Beschreibung eines aus verschiedensten Elementen zusammengesetzten Reitstils. Dinge wie Sattel, Zäumung und die Tracht des Reiters spielen ebenso eine Rolle im Bewußtsein des Mitteleuropäers wie die augenscheinliche Leichtigkeit des spanischen Reitens an sich. Die Beine des Reiters befinden sich nur locker am Pferd, kein Riegeln vorne, kein krampfhaftes Treiben von hinten: durch fast unsichtbare Gewichtshilfen, ein leichtes Kontaktnehmen des Zügels mit dem Hals des Pferdes, ja fast nur durch einen Gedanken „zaubert“ der Spanier mit seinem Pferd die unglaublichsten Lektionen.

Darüberhinaus sind auch Aufgaben wie Passage, Spanischer Schritt und Kompliment oder sogar Hinknien und Sitzen fest im „iberischen Verständnis“ der hiesigen Reiter verankert.

Reiten im bequemen Sattel, Kontrolle des Pferdes durch bloße Gewichtsverlagerung, ein absolut gehorsames Pferd als Partner und all das vor dem Hintergrund des spanischen Lebensgefühls und seiner Tradition: dies klingt reizvoll und verleitet so manchen Freizeitreiter zu einem „spanischen Traum“, dem Traum nämlich, als Alternative zu der „trockenen, lehrbuchhaften Schulreiterei“ sein Pferd „iberisch“ auszubilden.

Der Wunsch, der vielfach hinter dieser Vorstellung steht, ist, ein leichtrittiges Pferd zu besitzen, das mit seinem Reiter über andeutungsweise Hilfen kommuniziert und vom Reittier zum Partner wird.

Bei manchen Reitern ist es vielleicht aber bloß der Wunsch, die harte Ausbildungsarbeit der klassischen Dressur zu umgehen und auf dem Weg des (wie sie glauben) geringeren Widerstandes zu einem guten Reiter auf einem guten Pferd zu werden.

Reiter mit dieser Intention werden auch von der spanischen Reiterei bitter enttäuscht werden, denn harte Arbeit, viel Geduld und ein jahrelanger Ausbildungsweg sind auch hier die Voraussetzungen für perfekte Harmonie von Reiter und Pferd.

Bevor wir uns nun auf den Weg zu der Verwirklichung des „spanischen Traumes“ machen, muß jedoch ein allgemeines Begriffschaos geklärt und einiges zu spanischer Reittradition im allgemeinen gesagt werden. Allzugroß sind die Mißverständnisse, die sich in den vergangenen Jahren zumindestens im deutschsprachigen Raum, mehr oder weniger jedoch in den meisten europäischen Ländern breit gemacht haben (Spanien natürlich ausgenommen!).

Das hierzulande sehr beliebte „iberische Reiten“ ist ein Mischstil, der, zum größten Teil auf der Basis der spanischen Doma Vaquera entstanden, doch viele Anleihen aus der akademischen Reiterei und anderen Reitweisen entnahm.

Auch wenn die „Doma clásica“ oder klassische Dressur im Sinne der Hohen Schule ihren Ursprung ebenfalls auf der iberischen Halbinsel hat, so ist doch ihre Lehre von der Tradition der Doma Vaquera grundlegend verschieden.

Während die Doma Vaquera in erster Linie eine Arbeitsreitweise ist, deren Elemente aus der Notwendigkeit entstanden, den Rindern in freier Wildbahn die (über-) lebensnotwendigen Reaktionen abzufordern, stellt die akademische Reiterei (Doma alta) eine Reitform dar, deren Purismus in erster Linie an den Höfen der Aristokratie gepflegt wurde. Reiten um seiner selbst willen, das perfekt ausgebildete Pferd als Kunstwerk, so sahen die Junker und Edelmänner des barocken Europas den Sinn des Reitens.

Kein Vaqueropferd im ursprünglichen Sinn lernte Lektionen wie Piaffe oder Passage. Dennoch verlangten ihnen ihre täglichen Aufgaben einen derart hohen Versammlungsgrad ab, daß sie (bei Bedarf) auch diese Aufgaben mit Leichtigkeit erlernten.

Dieser Tatsache begegnet man im Rejoneo, dem berittenen Stierkampf, wo den Elementen der Doma Vaquera unbeirrt das Prunkgehabe der Gangarten hoher Schule wie eben Passage oder Spanischer Schritt sowie Spanischer Trab hinzugefügt wird.

Das heißt: Gemischt werden Stilelemenente der beiden Reitweisen auch in Spanien (also traditionellerweise beim Rejoneo oder modern bei den Turnieren der Doma Vaquera). Dennoch scheint es notwendig, die Reinheit der Stile bis zu einem gewissen Grad zu verteidigen und zu unterstützen.

Genausowenig wie ein Westernreiter den Lektionen von Piaffe und Passage einen besonderen Stellenwert in der Ausbildung seines Pferdes einräumt, sah der ursprüngliche spanische Vaquero Einser-Changements im Galopp oder Spanischen Schritt als wichtigste Lektion seines Pferdes, ganz zu schweigen von den diversen Elementen der Zirkus- oder Showreiterei wie Knien, Sitzen oder Kompliment, die auch in Spanien jeglicher Tradition in der Gebrauchsreiterei entbehren. Sie sind als Spielerei, als schmückendes Beiwerk zu interpretieren, die in der Beschäftigung mit dem Pferd sicherlich ihren Wert haben. Falsch jedoch ist es, diese Lektionen als Elemente einer eigenen Reitlehre zu sehen, die als „spanisch“ oder „iberisch“ bezeichnet wird.

Nimmt man nun das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Buches und konzentriert sich auf die Reihenfolge der Übungslektionen, so wird so mancher Leser befremdet seinen Kopf schütteln. Lesen sich doch die Überschriften der Übungen wie das Einmaleins der „normalen, klassischen Dressur“: Biegungen, Seitengänge, Wendungen, Tempounterschiede und anderes mehr.

Um zu verstehen, wie diese Übungen entstanden sind, muß man sich zuallererst mit der Geschichte der Doma Vaquera ein wenig auseinandersetzen. Nur der Blick auf das ursprüngliche Wesen dieses Reitstils, seine Ausbildungselemente und deren Veränderung im Laufe der Zeit kann diese Frage beantworten.

Die Traditionen der heutigen Doma Vaquera wurzeln im Spanien des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Die zahlreichen Rinderherden Südspaniens, die ganzjährig frei in den Hügeln und Ebenen Andalusiens weideten, wurden betreut und gelenkt durch berittene Hirten. Der Reitstil dieser Hirten und ihre Ausrüstung war karg und schmucklos. Er entwickelte sich anhand der Gegebenheiten ihrer Arbeitswelt und hatte keinen Platz und keine Zeit für überflüssigen Firlefanz.

Vaqueros durchqueren mit ihrer Herde einen der zahlreichen Wasserläufe in den Marismas Südandalusiens.

Die Wurzeln der Doma Vaquera sind sicherlich in der sogenannten Jineta zu suchen, der Reitweise der berittenen Kriegertruppen, die schon vor etwa 2000 Jahren auf der iberischen Halbinsel kämpften.

Viele Elemente dieser antiken Kampfreiterei wie schnelle Spurts, plötzliche Stops und rasante Wendungen waren auch für die Arbeit mit den Rinderherden äußerst nützlich und wurden für diese übernommen und weiterverwendet.

Die Ausbildung eines Vaqueropferdes erstreckte sich über Jahre, wobei unter Ausbildung kein Trainingsprogramm im heutigen Sinn verstanden werden darf. Das junge Pferd hatte Zeit, an der Aufgabe selbst zu wachsen, „learning by doing“, wie man im Englischen sagt.

 

Bei Tagesanbruch sattelte der Vaquero sein Pferd und verbrachte viele Stunden damit, daß er seiner Herde folgte, die Tiere beobachtete, das eine oder andere versprengte Rind zur Herde zurückleitete, ihnen bei der Überquerung eines Wasserlaufes half und vieles mehr. Das Pferd wurde schrittweise an die Arbeiten mit den Rindern herangeführt, indem es sie ausführte und durch die Anwesenheit anderer, weiter ausgebildeter „Pferdekollegen“ Vertrauen und Sicherheit gewann.

Auf diese Weise wuchsen Pferd und Reiter in einem heute kaum mehr nachvollziehbaren Maße zusammen.

Diese Tradition der Weidereiterei ist auch in Spanien in unseren Tagen stark rückläufig. Schnelle Allradautos erleichtern die Arbeit, und die Zahl der großen Rinderherden hat sich drastisch reduziert.

Das Doma Vaquera Pferd unserer Tage wird im Picadero, der Reitbahn, angeritten und nach genau festgelegten Regeln ausgebildet. Viele dieser exzellent ausgebildeten Vaqueropferde sehen jedoch in ihrem Leben keine einzige Kuh: sie demonstrieren ihr Können „rein theoretisch“ im Rahmen eines der vielen, nationalen Doma Vaquera Turniere, die in Spanien veranstaltet werden.

In diesen Tu rnieren werden die ursprünglichen Aufgaben der Vaqueros und ihrer Pferde in traditioneller Ausrüstung und in zum Teil stark stilisierter Form wettbewerbsmäßig vorgestellt (vergleichbar vielleicht den Turnieren der Westernreiter). Diese Entwicklung kann und muß, auch wenn den Traditionalisten dabei das Herz bluten mag, durchaus positiv gesehen werden. Der Wettbewerb erhält eine Reitweise und die gesamte mit ihr verbundene Tr adition am Leben, die anderenfalls langsam verschwinden würde.

Wenige Pferdebesitzer unserer Tage (auch nicht in Spanien!) verfügen über Zeit, Ausdauer oder Interesse, ein Pferd in der alten Weise auszubilden. Unsere schnellebige Zeit voller Zwänge und Pflichten verlangt auch in diesen Bereichen nach klaren Richtlinien und nachvollziehbaren Programmen.

Das in diesem Buch vorgelegte Ausbildungsprogramm für ein Doma Vaquerapferd trägt dieser Entwicklung Rechnung.

Es wurde von anerkannten und erfolgreichen Doma Vaquera Reitern Spaniens entwickelt (siehe Bibliografie) und wird in der hier vorgestellten Form tagtäglich in zahllosen Picaderos Spaniens angewendet.

Es zielt darauf ab, dem interessierten Reiter, der nicht über die Kenntnisse der ursprünglichen spanischen Vaqueros verfügt und meist auch nicht mehr deren „horse sense“ besitzt, einen nachvollziehbaren Ausbildungsleitfaden in die Hand zu geben.

Tatsache ist, daß jedes gerittene Pferd, gleich nach welchem Stil es ausgebildet wird (Klassisch, Western, Vaquero oder andere) ein gewisses Maß an Versammlung erreichen muß, um die von ihm geforderten Aufgaben bewältigen zu können.

Die einzelnen Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel gleichen sich in den unterschiedlichen Reitweisen verblüffend. Die Unterschiede liegen im Detail - aber darauf soll später noch ausführlich eingegangen werden.

In seiner Beschäftigung mit der Doma Vaquera wird so mancher Reiter dem spanischen Gedankengut und der spanischen Lebenseinstellung, die durch diese Reitweise ihren Ausdruck findet, vielleicht einen Schritt näher kommen. Doma Vaquera ist nicht nur eine Art zu reiten, sie ist auch ein gutes Stück Philosophie!